Leitsatz (amtlich)

§ 2 Abs 2 Buchst a der "Versicherungsbedingungen" der Hamburgischen Zimmererkrankenkasse, wonach ua "Betonbauer und Betonbauhelfer, wenn sie mit Holzarbeiten beschäftigt sind", aufnahmeberechtigt sind, ist rechtsgültig.

 

Normenkette

SVAufbauV 12 Art. 2 § 4

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 22. Juli 1969 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat dem Beigeladenen die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Ersatzkasse (H Zimmererkrankenkasse) den Beigeladenen zu Unrecht als Mitglied aufgenommen hat.

Der Beigeladene stand von April 1962 an in einer Betonbauerlehre. Er wurde als Einschaler, Eisenflechter und für Betonarbeiten ausgebildet. Zweieinhalb Jahre lernte er bei den Zimmerern, ein halbes Jahr bei den Eisenflechtern. Nach dem Abschluß der Lehre arbeitete er in Südafrika bis zum Februar 1966 als Einschaler. In Hamburg war er wieder vom 6. Juni 1966 bis zum 21. August 1966 als Einschaler, anschließend bis Ende Juni 1967 als Eisenflechter tätig. - Zum 1. Juli 1966 trat er der Beklagten als Mitglied bei.

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Feststellungsklage der Klägerin abgewiesen (Urteil vom 25. September 1968). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 22. Juli 1969).

Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin die unrichtige Anwendung des Art. 2 § 4 der 12. AufbauVO vom 24. Dezember 1935 (idF der 15. AufbauVO vom 1. April 1937) i.V.m. der Satzung der Beklagten: Der Beigeladene gehöre weder den Berufsgruppen an, für die die Beklagte ursprünglich zugelassen worden sei, noch einem aus diesen Berufsgruppen hervorgegangenen Berufszweig. Die Tatsache, daß der Beigeladene zeitweise Holzarbeiten für den Betonbau ausgeführt habe, reiche für eine Beitrittsberechtigung nicht aus. Selbst wenn man dies annehmen würde, müßte diese Beschäftigung zumindest in der gesamten Berufsausübung überwiegen. Ob dies der Fall sei, lasse sich im jeweiligen Zeitpunkt des Beitritts nicht feststellen.

Die Klägerin beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und festzustellen, daß sie selbst für den Beigeladenen als Krankenkasse zuständig sei.

Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Der Beigeladene ist zu Recht Mitglied der Beklagten geworden.

Nach der festen Rechtsprechung des Senats ist die Rechtmäßigkeit des Beitritts zu einer Ersatzkasse zunächst nach der im Zeitpunkt des Beitritts gültigen Satzung der Ersatzkasse und, falls die Prüfung positiv ausfällt, außerdem nach der am 1. April 1909 geltenden Satzung ("Ursprungssatzung") zu beurteilen (BSG 16, 165, 169; Urt. v. 28.4.1964 - 3 RK 43/60 - in SozR, § 4 der 12. AufbauVO, Nr. 5; Urt. v. 23.6.1971 - 3 RK 6/69 - in SozR, § 4 der 12. AufbauVO, Nr. 13). Die zur Zeit des Beitritts des Beigeladenen (1. Juli 1966) gültige Satzung der beklagten Ersatzkasse ("Versicherungsbedingungen" vom 1. November 1951 idF des VII. Nachtrags) bestimmt in § 2 Abs. 2 Buchst. a, daß u.a. aufnahmeberechtigt sind: "Betonbauer und Betonbauhelfer, wenn sie mit Holzarbeiten beschäftigt sind".

Zur Eigenart des Betonbauerberufs gehört es, daß bei ihm regelmäßig Holzarbeiten (Einschalen, Absteifen und das entsprechende Zurichten des Holzes) und andere Arbeiten (Eisenflechten, Betonschütten) verrichtet werden. Der gelernte Betonbauer übt diese gemischte Tätigkeit je nach Arbeitsanfall aus. Er kann sich aber auch auf eine Verrichtung spezialisieren, wie es bei dem Beigeladenen - bis 21. August 1966 als Einschaler, danach als Eisenflechter - der Fall war.

Wenn die Satzung der Beklagten beim Betonbauer die Einschränkung "Beschäftigung mit Holzarbeiten" macht, so stellt sie damit auf das vorherrschende Berufsbild des Betonbauers ab, bei dessen Tätigkeit regelmäßig Holzarbeiten, und zwar in überwiegendem Maße, anfallen. Sie läßt als aufnahmeberechtigt jeden Betonbauer gelten, der zum mindesten auch Holzarbeiten verrichtet und sich nicht durch Spezialisierung auf andere Arbeiten als Holzarbeiten von dem Arbeitsbereich gelöst hat, auf den die Beklagte nach ihrer Tradition und Zweckbestimmung ausgerichtet ist.

Somit genügte der Beigeladene bei seinem Beitritt den Satzungserfordernissen bereits damit, daß er - damals - als Betonbauer nicht nur vorübergehend auch mit Holzarbeiten beschäftigt war; einer Spezialisierung auf solche Arbeiten, wie sie nach den Feststellungen des LSG vorgelegen zu haben scheint, hätte es für seine Aufnahme bei der Beklagten nicht bedurft.

Die spätere Spezialisierung des Beigeladenen auf Eisenflechterarbeiten berührte die rechtmäßig erworbene Mitgliedschaft nicht. Es genügt, daß die Versicherten "im Zeitpunkt der Aufnahme" dem Mitgliederkreis angehören, für den die Ersatzkasse zugelassen ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 der Zwölften VO zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24.12.1935 - RGBl I 1537 - idF der 15. Aufbau-VO vom 1. April 1937 - RGBl I 439 -).

Die Rechtmäßigkeit des Beitritts des Beigeladenen zur Beklagten wird auch durch die nunmehr erforderliche Prüfung am Maßstab der Ursprungssatzung bestätigt. Die Beklagte hat mit der Einbeziehung der mit Holzarbeiten beschäftigten Betonbauer in den aufnahmeberechtigten Personenkreis ihren Mitgliederkreis nicht unzulässig erweitert, sondern nur in zulässiger Weise an die wirtschaftlich-technische Entwicklung angepaßt (vgl. BSG 24, 266, 273; 33, 21, 26).

Nach § 4 Abs. 1 der am 1. Januar 1907 in Kraft getretenen Statuten der Beklagten konnte "jeder Zimmerer sowie jeder im Baufach beschäftigte Holzarbeiter ... Mitglied der Kasse werden". Der Betonbauer ist in dieser Aufzählung nicht genannt, und das verständlicherweise schon deshalb, weil sich dieser Beruf erst später entwickelt hat und zum Lehrberuf geworden ist. Ob die Beklagte ihren Mitgliederkreis auf Betonbauer ausdehnen durfte, hängt davon ab, ob dieser Beruf aus einem der alten "Satzungsberufe" hervorgegangen ist oder sich davon abgespalten hat (BSG 33, 21, 26). Diese Frage ist zu bejahen.

Wie bereits ausgeführt, erstreckt sich der überwiegende Teil der Tätigkeit von Betonbauern auf Holzarbeiten (Zurichten des Holzes, Ein- und Ausschalen, Absteifen u.ä.). Sie ähnelt weitgehend der des Zimmerers. Bezeichnend hierfür ist die vom LSG festgestellte Tatsache, daß der Beigeladene 5/6 seiner dreijährigen Lehrzeit bei den Zimmerern verbracht hat. Die Verwandtschaft des Kernstücks der Betonbauertätigkeit mit der des Zimmerers wird im berufskundlichen Schrifttum stark betont: Die Zimmerer "verrichten auch Ein- und Ausschalungsarbeiten im Betonbau" (Klassifizierung der Berufe, Berufstätigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1966, S. 43; vgl. auch das Bild einer Senkrechtschalung bei Deeken, Berufs-Lexikon, 1957, S. 166), sie "fertigen Einschalungen für Eisenbetonwerke an" (Molle, Wörterbuch der Berufsbezeichnungen, 1951, S. 228), sie "besorgen das Einschalen von Betonbauten" (Streller, Wörterbuch der Berufe, 1953, S. 183), ihnen obliegen auch in der DDR die "komplizierten Schalungen für den Stahlbetonbau" und das "Anfertigen und Aufstellen von Schalungen für den Betonbau sowie das Ausschalen" (Berufsbild für den Lehrberuf des Zimmerers, herausgegeben vom Ministerrat der DDR, 1966), ja im Betonbau werden "die Schalungen aus Holz ... hauptsächlich von Zimmerern erstellt", während mit den anderen Arbeiten auch Hilfsarbeiter beschäftigt werden (Deeken, aaO, S. 160).

Diese Gleichartigkeit der Arbeitsweise ist entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagten den erst Jahrzehnte nach Inkrafttreten der Ursprungssatzung selbständig gewordenen Beruf des Betonbauers als Abspaltung aus einem der in der Ursprungssatzung genannten Berufe ansehen durfte. Die im Kern unverändert gebliebenen, nur der technischen Entwicklung angepaßten Fertigkeiten des Zimmerers prägen das Berufsbild des Betonbauers. Demgegenüber hat die Frage, ob der Beton den Ziegelstein oder das Holz ersetzt hat, kein Gewicht. Daß die traditionelle Ziegelstein-Bauweise vielfach vom Betonbau abgelöst ist, zeigt nur die Richtung des technischen Fortschritts, sagt aber nichts über die hier wesentliche Frage aus, wieweit das berufliche Können des Betonbauers durch Fertigkeiten und Arbeitsweise des Zimmerers oder zum mindesten des Holzarbeiters im Baufach bestimmt ist.

Demnach hat die Beklagte mit der Aufnahme der Betonbauer, die mit Holzarbeiten beschäftigt sind, in den aufnahmeberechtigten Personenkreis ihren Mitgliederkreis nicht unzulässig erweitert.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1669265

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