Leitsatz (amtlich)

Auch nach dem BKGG ist für die Reihenfolge aller Kinder iS des Gesetzes das Lebensalter - Geburtsdatum - maßgebend (Fortführung von BSG 1966-11-25 &, 7 RKg 10/65 = BSGE 25, 291).

 

Orientierungssatz

Die Kindergeldkasse darf für die Rangfolge der Kinder nicht auf das Adoptionsdatum abstellen; sie muß vielmehr auch hier wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichstellung und mangels eines im Gesetz erkennbar zum Ausdruck gekommenen anderweitigen Willens des Gesetzgebers für die Rangfolge der Kinder und damit für die Höhe des Kindergeldanspruchs vom Geburtsdatum ausgehen.

 

Normenkette

BKGG § 10 Fassung: 1974-08-05

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 09.02.1977; Aktenzeichen L 4/Kg 9/75)

SG München (Entscheidung vom 12.11.1975; Aktenzeichen S 35 (30/b) Kg 33/75)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger ist der Vater der aus seiner ersten, geschiedenen Ehe stammenden Kinder D (geb. 8. April 1968) und J (geb. 4. März 1969). Für diese Kinder bezieht deren Mutter als allein Sorgeberechtigte Kindergeld. Mit Wirkung ab 9. Januar 1974 nahm der Kläger den Sohn seiner zweiten Ehefrau (J, geb. 17. September 1968), für den diese von der Bundespost Kinderzuschlag in Höhe von 50,- DM erhielt, als Kind an.

Auf den im August 1974 gestellten Antrag gewährte das Arbeitsamt M dem Kläger durch Bescheid vom 2. Dezember 1974 Kindergeld für Joachim ab 1. Juli 1975 in Höhe von 70,- DM monatlich. Dem Widerspruch, mit dem er für J Drittkindergeld in Höhe von 120,- DM monatlich ab 1. Januar 1975 begehrte, half das Arbeitsamt insoweit ab, als es für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1975 Kindergeld in Höhe von 35,- DM monatlich gewährte; im übrigen wies es den Widerspruch mit Bescheid vom 7. April 1975 zurück, weil J nach seinem Geburtsdatum für den Kläger das zweite Kind sei.

Beim Sozialgericht (SG) hat der Kläger geltend gemacht, J sei deshalb sein drittes Kind im Sinne des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG), weil er erst mit dem Zeitpunkt der Adoption dessen Vater geworden sei. Das SG hat die Klage durch Urteil vom 12. November 1975 abgewiesen. Es hat sich der zum Kindergeldgesetz vom 13. November 1954 (BGBl I 333) ergangenen Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. November 1966 - 7 RKg 10/65 - (BSGE 25, 291, 294 = SozR Nr 1 zu § 1 KGG) angeschlossen, wonach für die Reihenfolge der Kinder im Sinne des Kindergeldrechts das Lebensalter - Geburtsdatum - maßgebend ist, und zwar auch bei Stief- und Pflegekindern sowie bei an Kindes Statt angenommenen Kindern. Danach sei der Adoptivsohn J das zweite Kind des Klägers. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) unter Zulassung der Revision durch Urteil vom 9. Februar 1977 zurückgewiesen. Es ist ebenfalls von der genannten Entscheidung des BSG ausgegangen und hat ergänzend auf die amtliche Begründung zu der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung des § 10 BKGG (BT-Drucks 7/2232 S. 10 zu Nr 9) verwiesen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 17. März 1977 zugestellte Urteil am 14. April 1977 Revision eingelegt und diese am 16. Mai 1977 begründet. Er rügt eine Verletzung des § 10 BKGG und macht geltend, wenn D und J für ihn sogenannte Zählkinder seien, könne dies nach dem Sprachgebrauch sowie nach der Lebens- und Verkehrsauffassung nur dazu führen, daß J als drittes Kind seinem Lebens- und Pflichtenkreis hinzugerechnet werde. Der Adoptivsohn könne somit nicht nach seinem Geburtsdatum, das zufällig zwischen den Geburtsdaten seiner ehelichen Kinder liege, als sein zweites Kind bezeichnet werden. Anlaß zu einem Manipulationsverdacht könne nur bestehen, wenn der Zeitpunkt der Adoption aus finanziellen Überlegungen gewählt werde. Solche Erwägungen könnten für einen Adoptivwilligen nur dann eine Rolle spielen, wenn man es mit den Vorinstanzen auf den Zeitpunkt der Geburt abstelle. Im übrigen führe deren Auffassung zu dem vom Gesetz nicht vorgesehenen Ergebnis, daß zwei verschiedene Anspruchsberechtigte für zwei verschiedene Kinder jeweils auf der zweiten Stufe des § 10 BKGG Kindergeld bezögen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides des Arbeitsamts M - Kindergeldkasse - vom 2. Dezember 1974 in der Fassung der Entscheidung vom 1. April 1975 und des Widerspruchsbescheides vom 7. April 1975 sowie des Urteils des SG München vom 12. November 1975 und des Urteils des Bayerischen LSG vom 9. Februar 1977 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für das Adoptivkind J Kindergeld in Höhe von 120,- DM monatlich ab 1. Juli 1975 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Revision ist zulässig (§§ 160 Abs 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie erweist sich jedoch nicht als begründet.

Zu Recht hat das LSG die Berufung für zulässig erachtet, weil in Kindergeldsachen - abweichend von § 147 SGG - der Berufungsausschluß nach § 27 Abs 2 BKGG allein die Fälle erfaßt, in denen nur Beginn oder Ende des Anspruchs auf Kindergeld oder nur das Kindergeld für bereits abgelaufene Zeiträume von der Berufung betroffen wird. Ein solcher Ausschlußgrund kommt aber im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Streitig ist unter den Beteiligten, ob der Kläger für seinen Adoptivsohn J ab 1. Juli 1975 Anspruch auf Drittkindergeld in Höhe von 120,- DM monatlich hat. Dies haben die Vorinstanzen zutreffend verneint. Nach § 10 BKGG hätte der Kläger Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 120,- DM, wenn sein Adoptivsohn J das dritte Kind für ihn wäre. Das trifft jedoch nicht zu.

Dem Kläger ist zuzugeben, daß sich aus § 10 BKGG nicht unmittelbar ergibt, in welcher Reihenfolge die von § 2 Abs 1 BKGG als Kinder bezeichneten Personen zu berücksichtigen sind. Auch aus den übrigen Bestimmungen des BKGG ist dies nicht unmittelbar herzuleiten. Dagegen folgt aus § 2 Abs 2 Satz 1, Abs 3 Satz 1, Abs 4 Satz 1 und Abs 4a Satz 1 BKGG, daß für die Frage, ob eine der in § 2 Abs 1 BKGG genannten Personen überhaupt als Kind für den Anspruch auf Kindergeld berücksichtigt wird, das Lebensalter maßgebend ist. Der Kindergeldanspruch endet nämlich grundsätzlich mit der Vollendung des 18. Lebensjahres; er wird darüber hinaus bis zum 23. Lebensjahr (Abs 4a), bis zum 27. Lebensjahr (Abs 3 Satz 1) bzw darüber hinaus (Abs 3 Satz 2 und Abs 4) nur unter den dort genannten besonderen Voraussetzungen gewährt. Ist aber das Lebensalter für alle in § 2 Abs 1 BKGG als Kinder im Sinne dieses Gesetzes bezeichneten Personen von rechtlicher Bedeutung hinsichtlich des für sie zustehenden Anspruchs auf Kindergeld, so muß daraus hergeleitet werden, daß der Gesetzgeber das Lebensalter auch zur Grundlage der Höhe des Anspruchs auf Kindergeld machen wollte. Das muß, wie auch die Revision einräumt, jedenfalls für die Mehrzahl aller Fälle - für die ehelichen Kinder - ohne weiteres gelten. Denn hier gibt es ein anderes Datum als das der Geburt, an dem ihre Rangfolge als Kinder orientiert werden könnte, nicht. Hätte nun der Gesetzgeber für die in § 2 Abs 1 Nrn 2-7 genannten Personen - insbesondere aber für die nicht ehelichen Kinder (vgl hierzu Art 6 Abs 5 des Grundgesetzes - GG -) - wegen der Höhe des Anspruchs auf Kindergeld und somit wegen ihrer Rangfolge auf einen anderen Zeitpunkt abstellen wollen, etwa auf die Feststellung der Vaterschaft oder auf die rechtskräftige Verurteilung zum Unterhalt, so hätte es insoweit eines besonderen Ausspruches im Gesetz bedurft. Da dieser fehlt, kann nur davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber im Kindergeldrecht den nicht ehelichen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre Stellung in der Gesellschaft verschaffen wollte wie den ehelichen Kindern, und daß auch die übrigen als Kinder im Sinne des Gesetzes berücksichtigten Personen gegenüber der Mehrheit aller Kinder keine unterschiedliche Behandlung erfahren sollten. Das muß insbesondere auch für die als Kind Angenommenen gelten, die nach § 1754 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) - auch schon in der Fassung vor dem Adoptionsgesetz vom 2. Juli 1976 (BGBl I 1749) - durch die Adoption die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes erlangen.

Im vorliegenden Fall hatte der Adoptivsohn Joachim im Zeitpunkt des Antrags auf Kindergeld - August 1974 - wegen der mit Wirkung vom 9. Januar 1974 an erfolgten Adoption bereits die rechtliche Stellung eines ehelichen Kindes. Unter diesem Gesichtspunkt durfte die Kindergeldkasse für die Rangfolge der Kinder nicht auf das Adoptionsdatum abstellen; sie mußte vielmehr auch hier wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Gleichstellung und mangels eines im Gesetz erkennbar zum Ausdruck gekommenen anderweitigen Willens des Gesetzgebers für die Rangfolge der Kinder und damit für die Höhe des Kindergeldanspruchs vom Geburtsdatum ausgehen.

Wollte man das Datum der Adoption - wie es die Revision vertritt - im Zuge einer "natürlichen Betrachtungsweise" als das "rechtliche Geburtsdatum" des Adoptivkindes einsetzen, so würde jedenfalls die natürliche Gegebenheit des Lebensalters des Adoptivkindes ignoriert werden, obwohl es nach dem Gesetz darauf schon für den Grund des Anspruchs auf Kindergeld ankommt. Eine das Lebensalter unberücksichtigt lassende Betrachtungsweise muß im Rahmen des Kindergeldgesetzes aber auch deshalb als unnatürlich betrachtet werden, weil sie zu dem Ergebnis führen könnte, daß ein Kind von der Adoption an gerechnet etwa erst ein Jahr alt sein könnte, obwohl es bereits seit einem halben Jahr wegen Vollendung eines bestimmten Lebensalters nicht mehr als Kind zu berücksichtigen wäre. Dafür, daß dies so gewollt wäre, bietet das Gesetz keinerlei Anhalt.

Aber auch der Gesichtspunkt einer möglichen Manipulation spricht nicht für die vom Kläger vertretene Auffassung. Würde es nämlich dem Annehmenden überlassen, durch Stellung des Adoptionsantrages den Zeitpunkt zu bestimmen, nach dem sich schließlich die Rangfolge der Kinder nach dem BKGG zu richten hätte, so hätte er weitaus eher die Möglichkeit einer Einflußnahme auf die Voraussetzungen des Anspruchs auf Kindergeld, als es bei der Bestimmung nach dem Lebensalter der Fall ist. Denn die Möglichkeit, Adoptivkinder nach dem Lebensalter passend auszuwählen, ist nicht so groß, wie die Möglichkeit, durch Verzögerung des Adoptionsantrages eine Rangverschiebung zu erreichen.

Nach alledem sieht der Senat keinen Anlaß, von dem im Urteil des BSG vom 25. November 1966 - 7 RKg 10/65 - (BSGE 25, 292, 294 = SozR Nr 1 zu § 1 KGG) aufgestellten Grundsatz abzuweichen, daß aus Gründen der Rechtssicherheit bei allen Kindern im Sinne des Kindergeldrechts das Geburtsdatum für die Reihenfolge der Kinder maßgebend ist. Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652557

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