Leitsatz (amtlich)
Zu den Nebeneinkünften eines landwirtschaftlichen Unternehmers iS von KVLG § 2 Abs 1 Nr 2 zählt auch die Grundrente nach dem BVG.
Normenkette
KVLG § 2 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1972-08-10; BVG § 31 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Oktober 1976 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11. November 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Das klagende Land, vertreten durch das Landesversorgungsamt, und die beklagte landwirtschaftliche Krankenkasse streiten darüber, ob der Beigeladene nach § 2 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist. Der Beigeladene bewirtschaftet ein landwirtschaftliches Unternehmen von ca. 3,5 ha, das keine Existenzgrundlage im Sinne des KVLG bildet. Er erhält vom Kläger Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); sie bestehen aus Grundrente, Ausgleichsrente, Ehegattenzuschlag und Kinderzuschlag und betrugen ab Oktober 1974 819,- DM, ab Januar 1975 769,- DM, ab Juli 1975 853,- DM und ab Juli 1976 945,- DM. Weitere Einkünfte hat der Beigeladene nicht.
Die Beklagte hat es im November 1974 abgelehnt, eine Versicherungspflicht des Beigeladenen anzuerkennen. Der Kläger hat daraufhin gegen sie Klage erhoben und die Feststellung beantragt, daß der Beigeladene ab 1. Oktober 1974 bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage wegen fehlenden Feststellungsinteresses (als unzulässig) abgewiesen. Auf die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil aufgehoben und festgestellt, daß der Beigeladene seit dem 1. Oktober 1974 versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.
Das LSG hielt das Feststellungsinteresse des Klägers für berechtigt; die Feststellungsklage sei der zweckmäßigste Weg für eine abschließende Klärung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten. Die Klage sei auch begründet; der Beigeladene sei nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG versicherungspflichtig, da er nur geringfügige Nebeneinkünfte im Sinne dieser Vorschrift habe. Von den Bezügen nach dem BVG dürfe die Grundrente nicht berücksichtigt werden; ohne sie erreichten die Versorgungsleistungen nicht ein Viertel der in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze. § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG stelle auf das Bestreiten des Lebensunterhaltes ab. Die Grundrente sei hierfür nicht bestimmt; sie solle die Beeinträchtigung der Integrität entschädigen und Mehraufwendungen wegen der Schädigung ausgleichen.
Mit der zugelassenen Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie rügt eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG. Nach ihrer Ansicht zählt die Grundrente zu den Nebeneinkünften. Außerdem setze die Vorschrift voraus, daß der Lebensunterhalt in erster Linie aus der Landwirtschaft bestritten werde; der Beigeladene bestreite ihn jedoch in erster Linie aus den vergleichsweise höheren Nebeneinkünften. Bei den nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG Versicherten beginne die Mitgliedschaft zudem erst mit der Aufnahme in das Mitgliederverzeichnis.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Ansicht hätte die Beklagte den Beigeladenen schon 1974 in das Mitgliederverzeichnis eintragen müssen; die Folgen dieser Unterlassung gingen zu ihren Lasten.
Der Beigeladene ist vor dem Revisionsgericht nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil des LSG schon deshalb keinen Bestand haben könnte, weil der Tenor vom Antrag des Klägers abweicht. Ob der Beigeladene nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG gegen Krankheit versichert oder ob er versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist, ist nicht gleichbedeutend (vgl § 38 Abs 1 KVLG). Das LSG hat nicht erläutert, warum es von dem Wortlaut des Feststellungsantrages abgewichen ist. Letztlich kommt es aber hierauf nicht an, weil der Beigeladene nicht nach dem KVLG versichert ist; somit muß auch eine Mitgliedschaft bei der Beklagten entfallen.
Zu Recht hat das LSG allerdings die Feststellungsklage für zulässig gehalten. Schon die Frage, ob der Beigeladene nach dem KVLG versichert ist, betrifft ein Rechtsverhältnis; erst recht gilt das für die Mitgliedschaft. Der Kläger hat an der gewünschten Feststellung auch ein berechtigtes Interesse. Es geht ihm nicht nur um Erstattungsansprüche für die Vergangenheit; er will ferner für die Zukunft klargestellt haben, daß er nicht gemäß § 10 Abs 2 BVG für Heilbehandlungskosten des Beigeladenen aufkommen muß. Für sein Begehren war die erhobene Feststellungsklage der schnellste und zweckmäßigste Weg.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Nach § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG sind versichert Personen, die ihren Lebensunterhalt, abgesehen von geringfügigen Nebeneinkünften, aus selbständiger Tätigkeit als landwirtschaftliche Unternehmer bestreiten, ohne daß das Unternehmen eine Existenzgrundlage bildet; als geringfügig gelten Nebeneinkünfte, die im Kalenderjahr ein Viertel der für Jahresbezüge in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Nebeneinkünfte des Beigeladenen sind entgegen der Ansicht des LSG nicht geringfügig, da auch die Grundrente zu den Nebeneinkünften gezählt werden muß.
§ 2 Abs 1 Nr 2 KVLG spricht schlechthin von Nebeneinkünften; er macht keine irgendwie geartete Einschränkung. Das bedeutet, daß dem Wortlaut nach alle Einkünfte zu berücksichtigen sind, die neben denen aus der Landwirtschaft erzielt werden. Dazu gehört die Grundrente. Ihre Zurechnung zu den Nebeneinkünften widerspricht auch weder Sinn und Zweck des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG noch den Funktionen der Grundrente.
§ 2 Abs 1 Nr 2 KVLG soll Personen in den Versicherungsschutz des KVLG einbeziehen, die die Aufwendungen für einen individuellen Versicherungsschutz vielfach nicht aus ihrem geringen Einkommen bestreiten könnten (vgl. die Begründung in BT-Drucks. VI/3012); die Möglichkeit hierzu unterstellt der Gesetzgeber, wenn die Nebeneinkünfte mehr als geringfügig sind. Hiernach ist es gerechtfertigt, bei der Bestimmung der Nebeneinkünfte von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszugehen und alle Mittel zu berücksichtigen, die im Bedarfsfall zur Deckung von Versicherungs- und Krankheitskosten verwendet werden können. Hierzu rechnen die Mittel der Grundrente.
Die Funktionen der Grundrente hat das LSG zutreffend dargelegt (s. hierzu insbesondere BSG 30, 21, 25). Es hat aber bei seiner Betrachtungsweise schon nicht bedacht, daß auch die Grundrente dem Lebensunterhalt dient, soweit sie Mehraufwendungen infolge der Schädigung ausgleichen soll; diese sind Teil des Lebensunterhalts. Davon abgesehen kommt es hier nicht auf die Zweckbestimmung der Grundrente, sondern auf ihre tatsächliche Verwendbarkeit an. Dementsprechend hat die Rechtsprechung des BSG die Grundrente schon mehrfach bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Beschädigten berücksichtigt; dies ist bei Prüfung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer Rückforderung (BSG 21, 27, 32), bei Prüfung der Bedürftigkeit (BSG 3, 64, 66; 40, 225, 227) und bei Prüfung der überwiegenden Unterhaltsgewährung (SozR 2200 § 1266 Nr. 6) geschehen. Da es im Rahmen des § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG ebenfalls auf die wirtschaftlichen Verhältnisse - nämlich auf die für einen individuellen Versicherungsschutz verfügbaren Mittel - ankommt, kann somit hier die Grundrente nicht außer Betracht bleiben. Die Frage, ob und inwieweit die Grundrente auf andere Leistungen anrechenbar ist, stellt sich dabei nicht.
Zweifelhaft kann allerdings sein, ob Zuschläge für Ehegatten und Kinder zu den Nebeneinkünften im Sinne von § 2 Abs 1 Nr 2 KVLG zu rechnen sind. Die Vorschrift betrifft Personen, die "ihren" Lebensunterhalt, abgesehen von geringfügigen Nebeneinkünften, aus selbständiger Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer bestreiten; sie stellt damit dem Wortlaut nach auf den Lebensunterhalt des Unternehmers selbst ab (vgl dazu einerseits § 26 Abs 2 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte - GAL - idF vom 3. Juli 1961 und andererseits § 32 Abs 2 GAL idF vom 14. September 1965). Die Frage kann jedoch offen bleiben. Denn der Jahresbetrag der Versorgungsbezüge des Beigeladenen überstieg schon 1974 auch ohne die Ehegatten- und Kinderzuschläge das Viertel der maßgebenden Beitragsbemessungsgrenze (7.824,- DM gegenüber 7.500,- DM); für die folgenden Jahre gilt das ebenfalls.
Demnach ist der Beigeladene schon deshalb nicht bei der Beklagten gegen Krankheit versichert, weil seine Nebeneinkünfte nicht geringfügig sind. Es kommt also nicht darauf an, ob er seinen Lebensunterhalt überwiegend aus der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer bestreitet (vgl dazu BT-Drucks. VI/3012 aaO). Auch auf die hinsichtlich der Mitgliedschaft streitigen Fragen braucht hiernach nicht mehr eingegangen zu werden.
Auf die Revision war sonach das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen