Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogenes Altersruhegeld aus der Angestelltenversicherung. überwiegend rentenversicherungspflichtige Beschäftigung
Orientierungssatz
Ein vorgezogenes Altersruhegeld kann einer weiblichen Versicherten aus der Angestelltenversicherung nicht gewährt werden, wenn sie in den letzten 20 Jahren vor Stellung des Rentenantrags wegen des Bezugs einer Witwenrente keine überwiegend rentenversicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat.
Normenkette
AVG § 25 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1248 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23
Verfahrensgang
LSG Bremen (Entscheidung vom 31.08.1961) |
SG Bremen (Entscheidung vom 20.02.1961) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 31. August 1961 und das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 20. Februar 1961 werden aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin (geboren 1899) beansprucht das vorzeitige Altersruhegeld nach § 25 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Der Streit der Beteiligten geht allein darum, ob die Klägerin in den letzten zwanzig Jahren überwiegend "eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit" im Sinne dieser Vorschrift ausgeübt hat.
Die Klägerin war innerhalb des in Frage stehenden Zeitraums (Juni 1940 bis Juni 1960) überwiegend, d. h. mehr als 120 Monate hindurch (nämlich von September 1947 bis Juni 1960 = 154 Monate) als Verwaltungsangestellte tätig. Für die Zeit bis Ende 1956 (= 112 Monate) war sie jedoch wegen des Bezugs einer Witwenrente aus der Angestelltenversicherung versicherungsfrei. Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sind für sie in dem maßgeblichen Zeitraum nur vom 1. Januar 1957 an (also für weniger als 121 Monate) geleistet worden. Die Klägerin ist der Meinung, die Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AVG seien schon dann erfüllt, wenn sie in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe, das rentenversicherungspflichtig gewesen wäre, wenn sie keine Witwenrente bezogen hätte. Die Beklagte lehnte den Ruhegeldantrag ab; dagegen verpflichteten beide Vorinstanzen die Beklagte, das Ruhegeld zu gewähren. Das Landessozialgericht ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte Revision ein mit dem Antrag,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügte eine Verletzung des § 25 Abs. 3 AVG durch das Berufungsgericht.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 165, 153, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Revision ist zulässig und begründet.
Zu der hier allein streitigen Rechtsfrage aus § 25 Abs. 3 Satz 1 AVG hat das Bundessozialgericht schon wiederholt Stellung genommen. Es hat dabei entschieden, eine Versicherte habe eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift nur dann ausgeübt, wenn die Beschäftigung oder Tätigkeit mit einer Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zur Rentenversicherung verbunden war; die bloße Ausübung einer ihrer Art nach rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit - ohne Berücksichtigung einer persönlichen Beitragsfreiheit - genüge nicht (BSG 16, 284; 17, 110). Danach können also nur solche Beschäftigungen als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des Gesetzes angesehen werden, aus denen konkrete Verbindungen zur Rentenversicherung derart hergestellt werden, daß - sofort oder später - Pflichten zur Entrichtung von Beiträgen erwachsen. Die Vergünstigung in § 25 Abs. 3 AVG soll nicht allen weiblichen Versicherten zugute kommen, die über 60 Jahre alt und irgendwie berufstätig gewesen sind, sondern solchen, die dazu eine besonders geartete Beitragsleistung aufweisen. Beitragsfreie Beschäftigungen, auch wenn sie im übrigen das Gepräge von versicherungspflichtigen Beschäftigungen tragen, können im Rahmen des § 25 Abs. 3 Satz 1 AVG nicht berücksichtigt werden. Von dieser Auffassung ist der Senat auch in seinem Urteil vom 29. Januar 1963 - 1 RA 322/61 - ausgegangen, das ebenfalls den Ruhegeldanspruch einer nur wegen des Bezugs einer Witwenrente versicherungsfrei beschäftigten Angestellten betraf; in diesem Urteil ist gesagt, eine Witwe habe keine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Sinne von § 25 Abs. 3 Satz 1 AVG ausgeübt, wenn sie während einer an sich versicherungspflichtigen Beschäftigung wegen des Bezugs einer Witwenrente in der Rentenversicherung versicherungsfrei war. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat nach erneuter Prüfung der Rechtslage fest.
Die Zeit, in der die Klägerin zwar berufstätig, aber wegen des Bezugs einer Witwenrente aus der Rentenversicherung der Angestellten versicherungsfrei war, darf danach nicht als rentenversicherungspflichtige Beschäftigung gewertet werden. Da die Zeit ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigung (vom 1.1.1957 an) den maßgeblichen Zeitraum nicht überwiegend ausfüllt, sind die Voraussetzungen für die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes bei ihr nicht erfüllt. Es steht ihr deshalb auch nicht zu.
Die von der gegenteiligen Auffassung ausgehenden Entscheidungen des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts müssen daher aufgehoben und die Klage abgewiesen werden (§§ 170 Abs. 2, 193 SGG).
Fundstellen