Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Krankenversicherung. Beitragszuschuß. Besitzstand
Orientierungssatz
Ein Beitragszuschuß nach § 95 KVLG steht nur Personen zu, Inkrafttreten des KVLG am 1.10.1972 versicherungspflichtig geworden sind, nicht dagegen Personen, deren Versicherungspflicht erst das 2. ASEG begründet hat.
Normenkette
KVLG § 2 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1980-07-09, § 2 Abs 1a Fassung: 1980-07-09, § 95; ASEG 2 Fassung: 1980-07-09
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 27.02.1984; Aktenzeichen L 2 J 160/83) |
SG Koblenz (Entscheidung vom 20.01.1983; Aktenzeichen S 9 J 282/82) |
Tatbestand
Streitig ist ein Beitragszuschuß nach § 95 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG) - in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung (aF) - zu einer durch das 2. Agrarsoziale Ergänzungsgesetz (ASEG) vom 9. Juli 1980 eingetretenen Versicherung.
Der 1905 geborene Kläger betreibt eine Imkerei. Er bezieht seit November 1970 von der Beklagten Altersruhegeld und war nach § 165 Abs 1 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) als Rentner krankenversichert. Mit dem Inkrafttreten des 2. ASEG (1. Dezember 1980) wurde er nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG iVm § 2 Abs 1a und § 3 (Abs 1 Satz 2 Nr 3) in der Krankenversicherung der Landwirte versichert.
Im Februar 1982 stellte der Kläger bei der Beklagten den Antrag, ihm einen Beitragszuschuß nach § 95 KVLG aF zu gewähren. Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) setzt § 95 KVLG aF voraus, daß die Versicherungspflicht nach dem KVLG mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in seiner ursprünglichen Fassung, also am 1. Oktober 1972, eingetreten ist. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt, da der Kläger erst mit der Einfügung von § 2 Abs 1a KVLG durch das 2. ASEG versicherungspflichtig nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG geworden sei. Eine Ausdehnung des § 95 KVLG aF auf diesen Fall habe der Gesetzgeber nicht gewollt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 95 KVLG aF. Nach ihrem Sinn und Zweck müsse diese Vorschrift auch hier angewandt werden.
Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Urteile der Vorinstanzen sowie den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm den beantragten Beitragszuschuß zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 95 Satz 1 KVLG in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung erhält auf Antrag einen Beitragszuschuß, wer "beim Inkrafttreten dieses Gesetzes" ua nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG versicherungspflichtig wird und die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente aus der Rentenversicherung erfüllt. Da der Kläger seit 1970 ein Altersruhegeld bezieht und seit dem Inkrafttreten des 2. ASEG nach § 2 Abs 1 Nr 1 KVLG krankenversichert ist, hängt die Entscheidung davon ab, ob unter dem Zeitpunkt des Inkrafttretens "dieses Gesetzes" nur der 1. Oktober 1972, zu dem das KVLG in Kraft getreten ist, verstanden werden kann, oder ob in den von § 2 Abs 1a KVLG erfaßten Fällen an die Stelle dieses Zeitpunktes der des Inkrafttretens des 2. ASEG tritt.
Der klare Wortlaut des § 95 Satz 1 KVLG aF bezieht sich allein auf das Gesetz, dessen Bestandteil diese Vorschrift ist, also das KVLG; maßgebender Zeitpunkt ist damit der 1. Oktober 1972 als der Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes. Daß auch der Gesetzgeber des 2. ASEG von dieser Vorstellung ausgegangen ist, ergibt sich vor allem aus den durch das 2. ASEG in § 94 KVLG eingefügten Ergänzungen, insbesondere der des Abs 2a. In diesem Absatz hat der Gesetzgeber die in den Absätzen 1 und 2 "beim Inkrafttreten dieses Gesetzes" eingreifende Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungspflicht erneut für diejenigen vorgesehen, die "aufgrund des 2. ASEG" versicherungspflichtig werden. Dieser Einfügung hätte es nicht bedurft, wenn für letztere unter dem Inkrafttreten "dieses Gesetzes" das Inkrafttreten des das KVLG ändernden und ergänzenden 2. ASEG zu verstehen wäre; die in § 94 Abs 2a KVLG ausgesprochene Rechtsfolge hätte sich dann bereits aus § 94 Abs 1, 2 KVLG ergeben. Verständlich ist die Einfügung nur, wenn man davon ausgeht, daß im KVLG mit dem "Inkrafttreten dieses Gesetzes" nur das Inkrafttreten des KVLG gemeint ist. Für § 95 KVLG aF kann dann insoweit keine Ausnahme angenommen werden.
Für die Annahme einer Gesetzeslücke bei § 95 KVLG aF fehlt es auch an sonstigen Anhalten. § 95 Satz 1 KVLG aF differenzierte zwischen Versicherten, die beim Inkrafttreten des Gesetzes die Voraussetzungen für einen Rentenbezug erfüllten und somit in der Regel über einen kostenlosen Versicherungsschutz aus der Krankenversicherung der Rentner verfügten, und anderen, die bei einer Einbuße des damals kostenlosen Schutzes der Rentnerkrankenversicherung keinen Beitragszuschuß erhielten. Die Vorschrift begünstigte die ersteren durch Gewährung des Beitragszuschusses aus Gründen einer Besitzstandswahrung (vgl BT-Drucks VI/3012, Begründung zu § 79 des Entwurfes des KVLG, S 38; vgl ferner SozR 5420 Nrn 2, 4). Eine solche Besitzstandswahrung, deren Versagung die anderen vielfach als eine Härte empfanden (vgl SozR 5420 § 95 Nr 4), mag der Gesetzgeber damals insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art 14 des Grundgesetzes -GG-) für geboten gehalten haben. Dem späteren Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Juni 1979 (SozR 5420 § 3 Nr 8) konnte aber entnommen werden, daß die getroffene Regelung zwar im Einklang mit dem GG stand, daß es ihrer aber unter verfassungsrechtlichen Aspekten nicht bedurft hätte. Das BVerfG hat in diesem Beschluß ausgesprochen, daß es keine Überschreitung der dem Gesetzgeber im Rahmen von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zustehenden Gestaltungsfreiheit darstellt, wenn "die Kollisionsregelung für den Fall des Zusammentreffens des neuen Versicherungssystems mit anderen gesetzlichen Versicherungen entsprechend dem im übrigen geltenden Recht", hier: des Vorrangs der Pflichtversicherung aus aktiver Tätigkeit geordnet wird; demgegenüber wird die Übergangsregelung des § 95 Satz 1 KVLG aF nur als nicht im Widerspruch zu einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise stehend gekennzeichnet. Der Gesetzgeber hätte also gelegentlich der Einfügung des § 2 Abs 1a KVLG eine dem § 95 Satz 1 KVLG aF entsprechende Regelung treffen dürfen, er mußte es aber nicht. Wenn er die damalige Regelung nicht mehr wiederholt hat, so kann dies damit erklärt werden, daß er die mit dem 2. ASEG versicherungspflichtig gewordenen Personen nun all denen gleichstellen wollte, deren aufgrund einer Beschäftigung oder Tätigkeit bestehende Versicherungspflicht die Versicherungspflicht als Rentner ohne irgendeinen Ausgleich durch einen Beitragszuschuß verdrängt. Dieser sachlich einleuchtende Grund schließt hier zugleich eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG durch den Gesetzgeber aus.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG).
Fundstellen