Entscheidungsstichwort (Thema)

Erteilung des Einvernehmens nach § 16 Abs 3 AFuU. Eigenkostenanteil bei beruflicher Fortbildung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über die Erteilung des Einvernehmens zur Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung nach § 16 Abs 3 AFuU darf das Arbeitsamt einheitlich für alle Teilnehmer entscheiden.

2. Nach der durch die Änderungsanordnung vom 23.7.1981 geschaffenen Rechtslage durfte das Arbeitsamt das Einvernehmen versagen, wenn die Mehrzahl der Teilnehmer nicht zum Personenkreis des § 44 Abs 2 S 2 AFG gehörte.

 

Leitsatz (redaktionell)

Werden einem Teilnehmer an Maßnahmen zur beruflichen Fortbildung durch den Kostenträger für deren Dauer nicht, wie üblich, Unterkunft und Verpflegung bereitgestellt, lösen die über die hierfür bewilligte Pauschale hinausgehenden, dem Teilnehmer entstandenen echten Mehrkosten keine Kostenerstattungspflicht aus.

 

Orientierungssatz

1. Mit der Regelung in § 16 Abs 3 AFuU hält sich die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen der Ermächtigung, "das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung", hier zu § 45 AFG, zu bestimmen (§ 39); mit dem "Einvernehmen" will sie offensichtlich auf die in § 45 AFG nicht festgelegte Höhe der zu erstattenden Kosten Einfluß nehmen.

2. Die Erteilung des Einvernehmens steht im pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitsamtes.

 

Normenkette

AFG § 39 Fassung: 1969-06-25, § 45 Fassung: 1981-12-22; AFuU § 16 Abs. 3 Fassung: 1981-07-23; AFG § 44 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen L 1 Ar 36/84)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 22.02.1984; Aktenzeichen S 3 Ar 104/82)

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Kosten für Unterkunft und Verpflegung über die bewilligte Pauschale hinaus.

Der Kläger bezog ab September 1981 Arbeitslosengeld (Alg). Vom 11. Januar bis zum 5. Februar 1982 nahm er an einem Vorbereitungsseminar des Bundesverbandes Deutscher Schwimmeister eV in D mit Abschlußprüfung zum Schwimmeistergehilfen teil. Die Beklagte bewilligte ihm für Unterkunft und Verpflegung eine Pauschale in Höhe von täglich 11,-- DM = 286,-- DM (Verfügung vom 3. Februar 1982; Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 1982).

Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, für die Unterkunft seien ihm Kosten in Höhe von 440,70 DM und für die Verpflegung in Höhe von 891,90 DM entstanden, so daß nach Abzug der Pauschale und eines Eigenanteils von 182,-- DM noch ein Betrag von 864,60 DM offenbleibe. Die Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) und die vom SG zugelassene Berufung hatte vor dem Landessozialgericht (LSG) keinen Erfolg (Urteil des SG vom 22. Februar 1984; Urteil des LSG vom 25. Januar 1985). Das LSG meint, nach § 16 Abs 2 der Anordnung Fortbildung und Umschulung (AFuU) in der Fassung der 11. Änderungsanordnung vom 23. Juli 1981 habe der Kläger nur Anspruch auf die Pauschale. Einen höheren Anspruch gewähre § 16 Abs 3 AFuU nur, wenn der Maßnahmeträger Unterkunft und Verpflegung im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt bereitstelle. Ein solches Einvernehmen habe nicht bestanden. Es könne daher unentschieden bleiben, ob der Maßnahmeträger Verpflegung auch dadurch bereitgestellt habe, daß er beim Mittag- und Abendessen die Einnahme in den Räumen des Fußballverbandes vermittelt habe. Die Beklagte sei zur Erteilung ihres Einvernehmens nicht verpflichtet gewesen. Die Entscheidung hierüber gehöre zu den organisatorischen Befugnissen, die § 33 Abs 1 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ihrem Ermessen überlassen. Sie habe das Einvernehmen nicht erklärt, weil an dem Seminar überwiegend Personen teilgenommen hätten, die in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Das sei nicht zu beanstanden; es könne nicht verlangt werden, daß sie bei einem arbeitslosen Teilnehmer im Einzelfall ihr Einvernehmen erkläre.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 16 AFuU. Da er arbeitslos gewesen sei, habe die Beklagte ihr Einvernehmen in seinem Falle erteilen müssen.

Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Beklagte in Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, weitere 864,60 DM nebst Zinsen ab Klageerhebung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision war zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine weitere Kostenerstattung.

Als Rechtsgrundlage hierfür kommt nur § 16 Abs 3 AFuU idF vom 23. Juli 1981 in Betracht. Danach trägt die Beklagte die Kosten der Unterkunft voll und die der Verpflegung bei Alleinstehenden (wie dem Kläger), soweit sie 210,-- DM übersteigen, dann, wenn der Träger der Maßnahme im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt die Unterkunft und Verpflegung bereitstellt. Diese Voraussetzung ist jedoch ungeachtet der beim Mittag- und Abendessen zweifelhaften Frage der Bereitstellung nicht erfüllt, weil das Arbeitsamt, wie das LSG unangegriffen festgestellt hat, zu einer Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung durch den Maßnahmeträger kein Einvernehmen erteilt hat.

Von einem solchen Einvernehmen, dessen Erteilung mangels dafür festgelegter Voraussetzungen im pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitsamtes steht, durfte die Beklagte die in § 16 Abs 3 AFuU vorgesehene Kostenerstattung abhängig machen. § 16 ergänzt § 45 AFG, nach dem die Beklagte unter den dort genannten, hier gegebenen Voraussetzungen bei Fortbildungsmaßnahmen die Kosten von Unterkunft und Verpflegung "ganz oder teilweise" trägt. Diesen vom Gesetz offengelassenen Spielraum füllt § 16 aufgrund des § 39 AFG aus. Nach § 16 Abs 2 wird grundsätzlich eine Pauschale, nach Absatz 3 ausnahmsweise "voller" Ersatz dann gewährt, wenn der Maßnahmeträger Unterkunft und Verpflegung "im Einvernehmen mit dem Arbeitsamt" bereitstellt. Mit dieser Regelung hält sich die Beklagte im Rahmen der Ermächtigung, "das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung", hier zu § 45 AFG, zu bestimmen (§ 39); mit dem "Einvernehmen" will sie offensichtlich auf die in § 45 AFG nicht festgelegte Höhe der zu erstattenden Kosten Einfluß nehmen.

Allerdings darf die Beklagte ihr Einvernehmen nicht ohne sachgerechten Grund, dh willkürlich verweigern. In diesem Falle müßte sie sich so wie bei einem erteilten Einvernehmen behandeln lassen. Dabei kann hier offen bleiben, ob sich das aus Treu und Glauben oder dem in der Rechtsprechung entwickelten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ergäbe. Denn im vorliegenden Falle hat die Beklagte ihr Einvernehmen auch nicht willkürlich versagt.

Das Arbeitsamt hat sein Einvernehmen nicht erteilt, weil an dem Vorbereitungslehrgang überwiegend Personen teilgenommen haben, die nicht zu dem vom Gesetzgeber als besonders schutzwürdig angesehenen Personenkreis des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG gehörten. Dies entsprach einem Runderlaß der Beklagten anläßlich der Einfügung des § 16 Abs 3 in die AFuU (Dienstbl. Runderlaß 143/78); dort hieß es, das Einvernehmen sei insbesondere dann herzustellen, wenn an der Bereitstellung von Unterkunft und/oder Verpflegung durch den Träger seitens der Beklagten unter angemessener Berücksichtigung der Belange der Teilnehmer ein besonderes Interesse bestehe und sich die geforderten Kosten im Rahmen der ortsüblichen Preise hielten; ein besonderes Interesse könne insbesondere dann als gegeben angesehen werden, wenn an der Maßnahme erfahrungsgemäß überwiegend Antragsteller teilnähmen, die die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG erfüllten. Hierbei ist weder die Berücksichtigung der Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG noch die auf die Mehrzahl der Teilnehmer abstellende Betrachtungsweise zu beanstanden.

Das AFG und die AFuU gehen mehrfach selbst schon davon aus, daß die Zugehörigkeit zum Personenkreis des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG für die Leistungshöhe relevant sein kann. Diese Personen erhalten nach § 44 Abs 2 AFG ein erhöhtes Unterhaltsgeld; nach § 12 Abs 4 AFuU werden ihnen im Gegensatz zu anderen die Lehrgangsgebühren in voller Höhe erstattet; zum Teil können sie auch bei der Fahrkostenerstattung bevorzugt werden (§ 14 Abs 3 AFuU). Aus diesen Begünstigungen muß jedoch nicht folgen, daß die Beklagte bei Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung durch den Maßnahmeträger für jeden zum Personenkreis des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG gehörenden Teilnehmer das in § 16 Abs 3 AFuU geforderte Einvernehmen zu erteilen habe. Zu einer solchen individuellen Betrachtungsweise ist die Beklagte im Rahmen des § 16 Abs 3 AFuU nicht verpflichtet. Schon der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, daß hier nicht das Bereitstellen von Unterkunft und Verpflegung für den einzelnen Teilnehmer, sondern für die Teilnehmer insgesamt gemeint ist. Auch der Zusammenhang mit Absatz 2 spricht dafür. Dort wird grundsätzlich eine Pauschale gewährt, um nicht in jedem Einzelfall die Kosten der Unterkunft und Verpflegung überprüfen zu müssen. Ein derartiger Verwaltungsaufwand ist dagegen sinnvoll, wenn bei einer Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung durch den Maßnahmeträger die Angemessenheit der Kosten für alle Teilnehmer in einem Verwaltungsgang geprüft werden kann. Daß es auf den Teilnehmerkreis und nicht auf jeden Einzelnen ankommt, bestätigt im übrigen der mit Wirkung vom 1. Mai 1982 durch die 12. Änderungsanordnung eingefügte Absatz 4 des § 16 AFuU, auch wenn er hier noch nicht anzuwenden ist; danach darf das Einvernehmen nur (noch) erteilt werden, wenn "die Teilnehmer" die Voraussetzungen des § 44 Abs 2 Satz 2 AFG erfüllen. Die Beklagte durfte daher auf den Teilnehmerkreis insgesamt abstellen; dabei konnte sie nach der noch maßgebenden Rechtslage für die Erteilung ihres Einvernehmens es für genügend, aber auch für erforderlich halten, daß die Teilnehmer überwiegend diesem Personenkreis angehörten. Da das bei dem streitigen Vorbereitungslehrgang nicht der Fall war, hat sie sonach ihr Einvernehmen nicht ohne sachgerechten Grund versagt.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1662069

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