Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff des Feststellungsbescheids.

2. Ist eine nach ArVNG Art 2 §§ 32, 33 umgestellte Rente nach ArVNG Art 2 § 55 Abs 1 um 10 % zu erhöhen, so ist erst nach Vornahme dieser Erhöhung zu prüfen, ob noch eine Erhöhung um den Sonderzuschuß nach ArVNG Art 2 § 36 in Betracht kommt. Ist das der Fall, so kann der sich dann ergebende Rentenzahlbetrag nicht seinerseits noch um 10 % nach ArVNG Art 2 § 55 Abs 1 erhöht werden.

 

Normenkette

RVO § 1631 Fassung: 1924-12-15; ArVNG Art. 2 § 36 Fassung: 1957-02-23, § 55 Abs. 1 Fassung: 1957-02-23, § 32 Fassung: 1957-02-23, § 33 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Mai 1959 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Der Kläger bezieht vom 1. Dezember 1951 an Invalidenrente in Höhe von 66,50 DM. Die Beklagte stellte die Rente nach Art. 2 § 32 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) unter Gewährung des Sonderzuschusses nach § 36 a. a. O. auf 87,50 DM um, weil die Umstellung allein nach § 32 a. a. O. auch unter Berücksichtigung der vom Kläger beantragten 10 %igen Erhöhung der Rente nach Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. nur zu einem Rentenzahlbetrag von 74,80 DM (68,- DM + 6,80 DM) geführt hätte, also der um 21,- DM erhöhte alte Rentenzahlbetrag nicht erreicht worden wäre. Der Kläger hatte seinen Antrag, die Rente nach Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. um 10 v. H. zu erhöhen unter Beifügung entsprechender Arbeitgeberbescheinigungen mit der Begründung gestellt, daß für ihn vor dem 1. Januar 1957 während mindestens zehn Jahren Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem landwirtschaftlichen Unternehmen entrichtet worden seien und ihm während dieser Zeit neben Barbezügen als Sach- oder Dienstleistung freier Unterhalt gewährt worden sei. Die Beklagte gab dem Kläger am 15. Januar 1958 eine schriftliche Mitteilung über die Rentenumstellung und fügte dieser einen Berechnungsbogen über die Rentenumstellung bei. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt diese Mitteilung nicht.

Durch Schreiben vom 27. Februar 1958 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung eines rechtsmittelfähigen Bescheides. Er sei mit der Höhe der umgestellten Rente nicht einverstanden; die sich aus Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. ergebende 10 %ige Erhöhung müsse der von der Beklagten nach Art. 2 § 36 a. a. O. berechneten Rente noch hinzugerechnet werden. Dieses Schreiben hat die Beklagte, ohne einen weiteren Bescheid zu erlassen, an das Sozialgericht in Trier weitergeleitet, das dieses Schreiben als Klage behandelte. Der Kläger wies in der letzten mündlichen Verhandlung auf dieses Schreiben hin und beantragte die "Entscheidung des Gerichts". Das Sozialgericht erkannte durch Urteil vom 28. April 1958 wie folgt: "Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1958 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten."

Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein mit dem Antrag, das Urteil des Sozialgerichts in Trier vom 28. April 1958 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1958 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die festgestellte Rente um 10 v. H. zu erhöhen. Das Landessozialgericht wies die Berufung durch Urteil vom 13. Mai 1959 zurück; es ließ die Revision zu. Art. 2 § 55 ArVNG gestatte nur die Erhöhung einer nach Art. 2 §§ 32 und 33 a. a. O. umgestellten Rente. Die nach diesen Bestimmungen umgestellte Rente des Klägers errechnete sich auf 68,- DM monatlich. Bei einer Erhöhung um 10 v. H. nach Art. 2 § 55 ArVNG würde die umgestellte Monatsrente des Klägers sich auf 74,80 DM belaufen. Dieser monatliche Rentenbetrag sei aber geringer als die vom Kläger bisher bezogene Rente von monatlich 66,50 DM zuzüglich 21,- DM. Die Beklagte habe daher zu Recht die dem Kläger vor dem 1. Januar 1957 gewährte Rente nach Art. 2 § 36 ArVNG umgestellt, indem sie die alte Rente um 21,- DM erhöhte. Eine Erhöhung dieser Rente nach Art. 2 § 55 a. a. O. sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz am 16. Juni 1959 zugestellte Urteil legte der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten dritter Instanz mit Schriftsatz vom 22. Juni, eingegangen am 23. Juni 1959, Revision ein und begründete diese gleichzeitig. Er ist der Auffassung, daß Art. 2 § 55 ArVNG auch auf die durch Sonderzuschuß erhöhte Besitzstandsrente des Art. 2 § 36 ArVNG anzuwenden ist. Diese Sonderregelung des Art. 2 § 55 ArVNG sei zugunsten derjenigen Berufsgruppen getroffen worden, bei denen die bisher entrichteten Beiträge nicht dem wahren Wert ihres Einkommens entsprächen. Da im Gesetz selbst nicht gesagt sei, daß der nach § 36 des Art. 2 ArVNG zu gewährende Sonderzuschuß diese 10 %ige Erhöhung bereits einschließe, sei er der Ansicht, daß nach der Umstellung auf Grund des § 32 und einem Vergleich mit der nach § 36 des Art. 2 ArVNG um 21,- DM erhöhten alten Rente der höhere Betrag nochmals um 10 v. H. zu erhöhen sei.

Er hat beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts in Trier vom 28. April 1958 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 1958 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Rente von monatlich 87,50 DM um 10 v. H. zu erhöhen und der Beklagten seine außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge aufzuerlegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Art. 2 § 55 ArVNG gestatte nur die Erhöhung der nach Art. 2 §§ 32 und 33 a. a. O. umgestellten Renten. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes. Der Sinn der Bestimmung sei, daß die aus der tatsächlichen Beitragsleistung errechnete Rente (Leistungs- oder Faktorenrente) um 10 v. H. erhöht werden solle, nicht dagegen die Besitzstandsrente mit Sonderzuschuß (Art. 2 § 36 ArVNG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; sie ist statthaft, da das Landessozialgericht sie zugelassen hat. Gegen ihre Zulässigkeit bestehen somit keine Bedenken. Es mußte ihr jedoch der Erfolg versagt bleiben.

Der Kläger hat, wie die Beklagte und auch das Sozialgericht verkannt haben, zunächst keine Klage erhoben, sondern hat mit seinem an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 27. Februar 1958 lediglich die Erteilung eines Bescheides beantragt. Nach dem er sich aber an dem durch die irrtümliche Übersendung dieses Schreibens an das Sozialgericht in Gang gesetzten gerichtlichen Verfahren durch Einreichung von Schriftsätzen sowie Teilnahme an den mündlichen Verhandlungen, in denen er auch Klageanträge stellte, beteiligt hat, muß angenommen werden, daß er später, und zwar noch dem Sozialgericht gegenüber, wirksam Klage erhoben hat, und daß diese auch noch als fristgerecht angesehen werden muß, da hier nicht die Klagefrist von einem Monat nach § 87 SGG, sondern die Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 SGG einzuhalten war, weil die Mitteilung der Beklagten vom 15. Januar 1958 keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Das Berufungsgericht hat diese Klage zu Recht als zusammengefaßte Aufhebungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG behandelt; denn der Kläger hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, abweichend von seinem Antrag erster Instanz, den Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides und Verurteilung der Beklagten zur zusätzlichen Zahlung eines Rentenbetrages von 10 v. H. der festgestellten Rente gestellt. Da die Beklagte in diese Klageänderung eingewilligt hat - sie hat sich, ohne dem neuen Klageantrag zu widersprechen, in der mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen -, ist sie nach § 99 Abs. 1 und 2 SGG zulässig. Weicht der in der Berufungsinstanz gestellte Klageantrag von dem erstinstanzlichen Antrag ab, so ist der in der Berufungsinstanz gestellte Klageantrag, falls er nur wirksam gestellt ist, maßgebend. Weitere Voraussetzung der Zulässigkeit der Klage ist allerdings, daß die Mitteilung der Beklagten über die Rentenumstellung vom 15. Februar 1958 als Verwaltungsakt angesehen werden kann; denn eine zusammengefaßte Aufhebung- und Leistungsklage kann sich, ebenso wie eine reine Aufhebungsklage, nur gegen einen Verwaltungsakt richten. Es ist nicht unzweifelhaft, ob die nach Art. 2 § 31 Abs. 2 Satz 2 ArVNG über die Rentenumstellung zu gebende schriftliche Mitteilung als Verwaltungsakt angesehen werden kann; denn es ist fraglich, ob sie überhaupt eine Regelung enthält, da nicht ersichtlich ist, welche unmittelbare rechtliche Wirkung von ihr ausgehen sollte (Vgl. dazu Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts I, 7. Aufl. S. 182). Wie der erkennende Senat bereits anderweitig entschieden hat (BSG. 11 S. 96), tritt die Rentenumstellung nach Art. 2 §§ 32 bis 36 ArVNG nämlich kraft Gesetzes ein, so daß eine solche Mitteilung nur deklaratorische Bedeutung haben und daher keinen Einfluß auf den materiellen Anspruch des Versicherten haben kann. Im Gegensatz zu dem förmlichen Rentenfeststellungsbescheid, dem diese Wirkung allerdings ebenfalls abgeht, hat sie aber auch keine Feststellungswirkung, da diese nur förmlichen Rentenfeststellungsbescheiden nach § 1631 RVO anhaftet, wenn nicht der Gesetzgeber, was hier aber nicht geschehen ist, eine abweichende Regelung trifft. Einer Entscheidung dieser Frage bedurfte es im vorliegenden Falle jedoch nicht, da hier nicht nur eine bloße Mitteilung über die Rentenumstellung ergangen, sondern dieser Mitteilung noch ein Berechnungsbogen beigefügt worden ist und beide zusammen jedenfalls die in § 1631 RVO an eine förmliche Rentenfeststellung gestellten Bedingungen erfüllen. Unerheblich ist, daß diese Mitteilung nicht als "Bescheid" bezeichnet ist. Wenn auch nicht ausdrücklich gesagt ist, daß die umgestellte Rente anerkannt wird, so ist doch mit genügender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, daß die angegebene Rentenhöhe verbindlich sein soll. Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist erfüllt. Auch fehlt es nicht an der Begründung, der Rentenfeststellung, da der beigefügte Berechnungsbogen die Berechnung der umgestellten Rente enthält und eine weitere Begründung nach Lage der Sache nicht in Betracht kommt. Die Unterschrift entspricht dem Erfordernis des § 1631 Abs. 1 RVO. Ebenso sind, wie es in Abs. 3 dieser Vorschrift verlangt wird, Höhe, Beginn und - in dem Berechnungsbogen - die Art der Berechnung der Rente angegeben. Es fehlt lediglich die in Abs. 4 vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung. Dies hat aber nur zur Folge, daß die normale Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hat.

Die somit zulässige Klage ist jedoch, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat, unbegründet, da der Beklagten bei der Berechnung der umgestellten Rente keine Fehler unterlaufen sind. Der Kläger übersieht, daß die Rentenerhöhung nach Art. 2 § 55 Abs. 1 ArVNG lediglich eine Ergänzung der Rentenumstellung nach Art. 2 §§ 32, 33 darstellt. Diese Vorschrift ist nur deshalb nicht im unmittelbaren Anschluß an §§ 32, 33 und noch vor § 36 a. a. O. gebracht worden, weil, abweichend von der automatischen Umstellung nach §§ 32, 33 a. a. O. hier aus verständigen Gründen ein besonderer Nachweis des Versicherten verlangt werden mußte und dieses Verfahren, würde es mit dem automatischen Umstellungsverfahren nach §§ 32, 33 a. a. O. gekoppelt worden sein, das Umstellungsverfahren in einer nicht tragbaren Weise verzögert worden wäre. Es kommt also, wenn die Voraussetzungen des Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. erfüllt sind, immer nur eine Erhöhung der nach den Umstellungsvorschriften des Art. 2 §§ 32, 33 a. a. O. umgestellten Rente, nicht aber die Erhöhung einer nach Art. 2 § 36 a. a. O. erhöhten Rente in Betracht. Diese letzte Vorschrift ordnet lediglich eine außerordentliche Umstellungsmaßnahme an; sie enthält eine Besitzstandsklausel, die sicherstellen soll, daß die normal umgestellte Rente mindestens die Höhe der bisherigen Rente erreicht. Dem steht auch nicht entgegen, daß in Art. 2 § 36 a. a. O. aus allgemeinen sozialpolitischen Gründen darüber hinaus bestimmt ist, daß nicht nur die Höhe der alten Rente, sondern daß diese zuzüglich einem Sonderzuschuß gesichert sein soll. Dem Zweck einer Besitzstandsklausel aber entspricht es, daß sie erst zur Anwendung kommt, nachdem die normalen Vorschriften einer Neuregelung Anwendung gefunden haben. Dies bedeutet, daß auch hier zunächst alle normalen Umstellungsvorschriften, also einschließlich der des Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O., angewandt werden müssen, bevor diese Besitzstandsklausel zur Anwendung kommt. Bestätigt wird dies auch durch den Wortlaut des Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O., der die Erhöhung einer nach Art. 2 §§ 32, 33 a. a. O. umgestellten, nicht aber die Erhöhung einer nach diesen Vorschriften umgestellten und nach Art. 2 § 36 a. a. O. erhöhten Rente anordnet. Wenn aber Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. vor Art. 2 § 36 a. a. O. angewandt werden muß, dann kann diese Vorschrift nicht noch einmal nach Anwendung des Art. 2 § 36 a. a. O. zur Anwendung kommen; denn es kann keinesfalls richtig sein, daß sie zweimal angewandt werden müßte. Demgemäß hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, die Rente fehlerfrei berechnet; denn sie hat die nach Art. 2 § 32 a. a. O. umgestellte Rente nach Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. um 10 v. H. erhöht und hat diese Rente dann nach Art. 2 § 36 a. a. O. noch um einen Sonderzuschuß erhöht, weil sie nicht die Höhe des im Dezember 1956 maßgebenden Rentenzahlbetrages zuzüglich 21,- DM erreicht und hat zu Recht von einer weiteren Erhöhung des sich so ergebenden Rentenzahlbetrages um 10 % nach Art. 2 § 55 Abs. 1 a. a. O. abgesehen.

Die Revision des Klägers mußte somit als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 926544

BSGE, 83

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