Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzkassenzuständigkeit. Bleiberecht. Wahlrecht. Krankenversicherung der Rentner. beschäftigter Rentner. Zwischenbeschäftigung. Arbeiter-Tätigkeit. Angestellten-Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Wer als versicherungspflichtiger Angestellter Mitglied einer Angestellten-Ersatzkasse geworden ist und ihr als versicherungspflichtiger Rentner weiterhin angehört hat, kann nicht ihr Mitglied bleiben, wenn er eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Arbeiter aufnimmt.
Normenkette
SGB V §§ 182, 183 Abs. 1 S. 2, § 184 Abs. 3 Nr. 1, § 190 Abs. 12, § 5 Abs. 8; SVAufbauV 12 Art. 2 § 4 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. März 1991 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist die Zuständigkeit von Krankenkassen.
Die Versicherte G. T. war als Verkäuferin beschäftigt und im Jahre 1970 der klagenden Angestellten-Ersatzkasse beigetreten. Nach Bewilligung des Altersruhegeldes wurde ihre Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) ab April 1978 bei der Ersatzkasse fortgeführt. In der Zeit vom 15. März bis zum 28. Oktober 1989 war die Versicherte als Küchenhilfe und damit als Arbeiterin bei einem gemeinnützigen Verein versicherungspflichtig beschäftigt und wurde auf ihren Wunsch bei der Ersatzkasse angemeldet. Im Juni 1989 beanstandete die beklagte Ortskrankenkasse die Anmeldung und beanspruchte die Mitgliedschaft der Versicherten und die Beiträge für sich. Gegen den entsprechenden Beitragsbescheid erhob der Arbeitgeber Widerspruch. Das Widerspruchsverfahren ist ausgesetzt, bis die Kassen den Zuständigkeitsstreit untereinander ausgetragen haben.
Auf die Klage der Ersatzkasse hat das Sozialgericht (SG) die Versicherte (Beigeladene zu 1) und den Arbeitgeber (Beigeladener zu 2) beigeladen und mit Urteil vom 1. März 1991 festgestellt, daß die Versicherte auch in der Zeit vom 15. März bis zum 28. Oktober 1989 Mitglied der Klägerin war. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Versicherte sei Mitglied der Ersatzkasse geblieben. Scheide ein Angestellter aus seiner bisherigen Berufstätigkeit aus und werde er Rentner, so verliere er dadurch nicht seinen Angestelltenstatus, der ihm die Mitgliedschaft in der Ersatzkasse eröffnet habe. Diesen Status verliere er erst, wenn er tatsächlich eine Beschäftigung als Arbeiter aufnehme. Für diesen Fall sehe dann aber § 183 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) ein Bleiberecht in der Ersatzkasse vor. Der Wortlaut dieser Vorschrift biete keinen Anhalt für die Annahme, daß eine Mitgliedschaft kraft versicherungspflichtiger Beschäftigung als Angestellter bis zum Verlust der Eigenschaft des Angestellten bestanden haben müsse.
Mit der Sprungrevision rügt die beklagte Ortskrankenkasse die Verletzung des § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V iVm § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 SGB V.
Sie beantragt,
das Urteil des SG vom 1. März 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie stimmt dem Urteil des SG im Ergebnis zu.
Die Beigeladenen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der beklagten Ortskrankenkasse ist begründet.
Der Streit unter den Krankenkassen um die Zuständigkeit wird zutreffend im Wege der Feststellungsklage ausgetragen (BSGE 18, 190 = SozR Nr. 1 zu § 245 RVO). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen nicht deswegen, weil das Beschäftigungsverhältnis, für das die Zuständigkeit umstritten ist, abgeschlossen in der Vergangenheit liegt (BSGE 67, 286 = SozR 3-5428 § 4 Nr. 2). Die Feststellungsklage ist auch nicht etwa gegenüber dem bereits anhängigen Beitragsstreitverfahren subsidiär, weil dieses Verfahren andere Hauptbeteiligte betrifft und den hier zu entscheidenden Zuständigkeitsstreit lediglich als Vorfrage enthält.
Die Versicherte durfte während ihrer Beschäftigung als versicherungspflichtige Arbeiterin (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) nicht Mitglied der klagenden Angestellten-Ersatzkasse bleiben; sie ist nach § 173 Satz 2 SGB V Mitglied der beklagten Ortskrankenkasse geworden. Zwar steht die Zuständigkeit der Ortskrankenkassen nach § 173 Satz 1 SGB V unter dem Vorbehalt davon abweichender anderer Vorschriften. Solche greifen indessen nicht ein.
Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB V konnte die Versicherte die Ersatzkasse nicht wählen, weil sie nicht als Angestellte, sondern als Arbeiterin beschäftigt war und somit – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – nicht zum Mitgliederkreis der klagenden Angestellten-Ersatzkasse gehörte.
Ein Beitrittsrecht ergibt sich auch nicht daraus, daß die Versicherte vor ihrer Beschäftigung als Rentnerin versicherungspflichtig und Mitglied bei der Ersatzkasse war (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V, ggf iVm Art. 56 Abs. 2 Gesundheits-Reformgesetz ≪GRG≫). Die Versicherungspflicht als Rentnerin – und damit die Mitgliedschaft – wurde nämlich nach § 5 Abs. 8 SGB V durch die Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung beendet; sie hat während der Beschäftigung nicht nur (mit der Möglichkeit des Wiederauflebens) geruht, sondern sie ist erloschen. In diesem Sinne hat das BSG die entsprechende, bis 1988 geltende Regelung in § 165 Abs. 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ausgelegt (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 3; BSGE 42, 113 = SozR 2200 § 165 Nr. 13); für die Versicherungspflicht als Student hat es ebenso entschieden (BSGE 55, 185 = SozR 2200 § 517 Nr. 6; jetzt: § 5 Abs. 7 SGB V). An diesem Grundsatz hat sich durch das 1989 in Kraft getretene Recht nichts geändert.
Die Versicherte konnte während ihrer Beschäftigung als Arbeiterin auch nicht nach § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Mitgliedschaft bei der Ersatzkasse fortführen. Nach dieser Vorschrift kann Mitglied der gewählten Ersatzkasse bleiben, wer nach dem Beitritt die Zugehörigkeit zu diesem Mitgliederkreis verliert. Mit „diesem Mitgliederkreis” sind diejenigen Angestellten bzw Arbeiter gemeint, die die Ersatzkasse aufgrund einer Beschäftigung nach Satz 1 aufnehmen darf; die Auslegung als Bezugnahme auf Beitrittsrechte, die in anderen Vorschriften enthalten sind, wird den gesetzlichen Regelungen über die Kassenzuständigkeit und die Wahlrechte in ihrem systematischen Zusammenhang nicht gerecht.
Mit § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V wird ein Recht, die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse fortzusetzen (Bleiberecht), nur demjenigen eingeräumt, dessen Wahlrecht auf Satz 1 der Vorschrift, also auf einer Beschäftigung beruht. Denn § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB V betrifft ausschließlich versicherungspflichtig Beschäftigte, und Satz 2 ist lediglich eine Ergänzungsregelung zu Satz 1, was im Hinweis auf den Mitgliederkreis und in der systematischen Einordnung als unselbständiger Teil eines Absatzes zum Ausdruck kommt.
§ 183 SGB V kann vom Wortlaut und vom systematischen Zusammenhang her nicht als Regelung für eine andere Versichertengruppe als die der versicherungspflichtig Beschäftigten angesehen werden. Seit dem 1. Januar 1989 fassen die §§ 173 bis 185 SGB V die Vorschriften über „Zuständigkeit und Wahlrechte” (was vorher in verschiedenen Vorschriften der RVO und der 12. Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung ≪12. AufbauVO≫ geregelt war) in einem eigenen Abschnitt zusammen. Von diesen Vorschriften enthält nur § 173 SGB V, und zwar unter dem ausdrücklichen Vorbehalt anderweitiger abweichender Bestimmungen, Zuständigkeitsregeln für alle Versicherten. Die Ausnahmen dazu, nämlich sowohl die in den §§ 174 bis 182 SGB V zwingend vorgeschriebenen Kassenzuständigkeiten als auch die in den §§ 183 bis 185 SGB V eröffneten Wahlrechte, knüpfen an den jeweils aktuellen Versicherungsgrund an und enthalten jeweils unterschiedliche Zuständigkeitsregeln, Wahl- und Bleiberechte für die verschiedenen Versichertengruppen, Greifen die für eine einzelne Versichertengruppe geltenden Bestimmungen (beispielsweise die §§ 174 bis 180, 183 SGB V für versicherungspflichtige Beschäftigte, die §§ 181, 182, 184 SGB V für versicherungspflichtige Rentner usw) im konkreten Fall nicht ein, gelangt § 173 SGB V zur Anwendung; insofern handelt es sich für jede Versichertengruppe um abschließende Regelungen. Demnach ist die Zuständigkeit für versicherungspflichtig Beschäftigte in den §§ 174 bis 180 SGB V, diejenige für nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 bis 12 SGB V bzw als Rentenantragsteller Versicherungspflichtige in den §§ 181, 182 SGB V geregelt. Auch die Wahlrechte sind vom Versicherungsgrund abhängig. § 183 SGB V enthält die Wahlrechte der Beschäftigten, § 184 SGB V diejenigen der Rehabilitanden, Studenten und Rentner und § 185 SGB V diejenigen der freiwilligen Mitglieder. Dasselbe System gilt für die Bestimmungen über die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft. Die Fortsetzung der bisherigen Kassenzuständigkeit ist in den §§ 181 und 182 SGB V zwingend vorgeschrieben (Kontinuitätsregeln); § 183 Abs. 1 Satz 2 und § 185 Abs. 1 SGB V räumen den Versicherten Bleiberechte ein. Jede dieser Vorschriften gilt nur für die jeweils genannte Versichertengruppe.
Anderenfalls würden für alle Versicherten gleichzeitig zwingende Kontinuitätsregeln und vom freien Entschluß abhängige Bleiberechte gelten; unverständlich wäre auch, warum § 183 Abs. 1 Satz 2 einerseits und § 185 Abs. 1 SGB V andererseits zwei unterschiedlich formulierte Bestimmungen über das Bleiberecht enthalten. Im übrigen wird die Formulierung „Mitgliederkreis, den die gewählte Ersatzkasse aufnehmen darf”, vom Gesetz nur an einer einzigen anderen Steile verwendet (§ 185 Abs. 2 Nr. 4 SGB V) und kann auch hier praktische Bedeutung ausschließlich für Beschäftigte erlangen. Soweit freiwillig Versicherte, die keiner Beschäftigung nachgehen, eine Ersatzkasse wählen können, sind sie durch § 185 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB V bereits erfaßt.
Eine Bestätigung für die Beschränkung des in § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V enthaltenen Bleiberechts auf vorher versicherungspflichtig Beschäftigte findet sich auch in § 184 Abs. 3 Nr. 1 SGB V. Danach können versicherungspflichtige Rentner (unter weiteren, hier unerheblichen Voraussetzungen) die Mitgliedschaft bei ihrer früheren Krankenkasse wählen, wenn wegen der Aufnahme einer Beschäftigung während des Rentenbezugs eine andere Krankenkasse zuständig ist. Das Recht, die „frühere” Kasse zu wählen, besteht nur dann, wenn der Rentner durch Aufnahme einer Beschäftigung die Mitgliedschaft bei seiner Rentnerkrankenkasse verloren hat und nach Beendigung dieser Beschäftigung – als Ausnahme zu § 182 Abs. 1 SGB V – zu der Krankenkasse zurückkehren möchte, der er als Rentner angehört hat. Das ergibt sich aus den bereits aufgezeigten systematischen Zusammenhängen, wonach die Wahlrechte des § 184 SGB V nicht für versicherungspflichtig Beschäftigte gelten können, und entspricht der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 11/2237 S 215 zu § 193 Abs. 3), die ua auf § 257 a Abs. 5 RVO verweist, wo der Fall des eine Zwischenbeschäftigung aufgebenden Rentners ausdrücklich in diesem Sinne geregelt war (so auch Rühling/Renner, Die Krankenversicherung der Rentner, § 184 SGB V RdNr. 7; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, § 184 SGB V RdNr. 15; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 184 SGB V RdNr. 24). Würde nun § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V dem Rentner das Recht einräumen, bei Aufnahme einer Beschäftigung in seiner bisherigen Ersatzkasse zu bleiben, bestünde für das Rückkehrrecht des § 184 Abs. 3 Nr. 1 SGB V nur außerhalb der Ersatzkassen ein Bedürfnis, denn ein zwingender Kassenwechsel bei Zwischenbeschäftigungen eines Rentners könnte nur zwischen Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen eintreten. Für die andere Behandlung der als Rentner versicherungspflichtigen Ersatzkassenmitglieder wäre jedoch kein Grund ersichtlich.
Der Auslegung des § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausschließlich iS eines Bleiberechts für bisher (hier: als Angestellte) Beschäftigte steht die Entstehungsgeschichte nicht entgegen. Nach den Gesetzesmotiven zum GRG soll die Vorschrift dem bisherigen Recht entsprechen (BT-Drucks 11/2237 S 214 zu § 192 Abs. 1). Dieses räumte jedenfalls versicherungspflichtigen Rentnern kein Bleiberecht ein. § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 der bis 31. Dezember 1988 geltenden 12. AufbauVO gestattete den Ersatzkassen für Angestellte nur die Aufnahme von Angestellten und den Ersatzkassen für Arbeiter nur die Aufnahme von Arbeitern; das Bleiberecht war an den Verlust der Eigenschaft als Angestellter oder Arbeiter geknüpft. Daraus wurde in der Rechtsprechung nur für Beschäftigte in den Fällen des Berufs- oder Stellenwechsels ein Bleiberecht abgeleitet (BSGE 42, 113, 116 f = SozR 2200 § 165 Nr. 13 mwN, wo auch die frühere Entscheidung in BSG SozR Nr. 10 zu § 4 der 12. AufbauVO präzisiert wurde); im übrigen hing das Bleiberecht nicht von § 4 der 12. AufbauVO, sondern davon ab, ob dem bisherigen Grund für die Mitgliedschaft nach Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung noch Bedeutung zukam. Dies war, wie erwähnt, für die Versicherungspflicht als Rentner und als Student verneint worden (BSG aaO; BSGE 55, 185; bei zwei Beschäftigungen: vgl. auch BSGE 28, 202 = SozR Nr. 6 zu § 212 RVO), während es für freiwillig bei einer Ersatzkasse Versicherte wegen des nur eingeschränkten Geltungsbereichs von § 312 Abs. 1 RVO bejaht worden war (BSGE 49, 19 = SozR 2200 § 517 Nr. 4; BSG USK 83115).
Ein Bleiberecht kann schließlich nicht mit § 190 Abs. 12 SGB V begründet werden. Nach dieser Vorschrift endet die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger bei einer Ersatzkasse zu den in § 190 Abs. 2 bis 11 SGB V genannten Zeitpunkten nur, wenn das Mitglied innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeit seinen Austritt erklärt. Durch eine Verweisung auf Abs. 3 Satz 2 ist klargestellt, daß sich ohne Austrittserklärung die Mitgliedschaft als freiwillige Mitgliedschaft fortsetzt, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt sind. § 190 Abs. 12 SGB V regelt nur den Fall, daß die Versicherungspflicht endet, nicht aber denjenigen, daß sie fortbesteht und nur der Versicherungsgrund (zB als Beschäftigter, Rentner oder Student) wechselt. Anderenfalls müßte es sich um eine Ausnahme zu § 5 Abs. 6, 7 und 8 SGB V handeln, was nach Wortlaut und systematischer Stellung im Gesetz ausgeschlossen ist. Die Aufnahme der Regelung in eine Bestimmung über das „Ende der Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger” und nicht in den Abschnitt über „Zuständigkeit und Wahlrechte” ergibt iVm § 185 Abs. 1 SGB V darüber hinaus, daß in § 190 Abs. 12 SGB V weder eine Regelung über die Zuständigkeit noch über Wahl- oder Bleiberecht enthalten ist. Regelungsinhalt ist vielmehr, daß sich ein freiwillig Versicherter über das ihm in § 185 Abs. 1 SGB V eingeräumte Bleiberecht nicht ausdrücklich zu erklären braucht, sondern daß grundsätzlich von seinem Willen ausgegangen wird, auch die freiwillige Versicherung bei der Ersatzkasse durchzuführen. Die Zuständigkeit der Ersatzkasse wird in § 190 Abs. 12 SGB V (wie diejenige einer sonstigen Kasse in § 190 Abs. 3 SGB V) nicht begründet, sondern vorausgesetzt; die entsprechende Bestimmung über die Zuständigkeit trifft ausschließlich § 185 Abs. 1 SGB V.
Das in § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V für versicherungspflichtig Beschäftigte vorbehaltene Bleiberecht kann nur solchen Versicherten zugute kommen, deren versicherungspflichtige Beschäftigung sich nahtlos an die zum Beitritt berechtigende Beschäftigung anschließt. Die beiden Voraussetzungen für das Bleiberecht, eine vorhergehende versicherungspflichtige Beschäftigung und der Verlust der Zugehörigkeit zum Mitgliederkreis des § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB V, müssen nämlich mangels anderer Anhaltspunkte zeitlich zusammenfallen. Ein „Aufschub” des Bleiberechts für diejenigen Fälle, in denen sich der Verlust der Arbeiter- oder Angestellteneigenschaft wegen eines anderen Bleiberechts (§ 185 Abs. 1 SGB V) oder einer Kontinuitätsregel (§§ 181, 182 SGB V, § 159 Abs. 1 AFG) erst in einem späteren Zeitpunkt auf die Kassenzugehörigkeit tatsächlich auswirkt, ist nicht vorgesehen und kann nicht ohne weiteres angenommen werden. Sonst würde jede, auch eine noch so weit zurückliegende Wahl nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB V ein unbeschränktes Bleiberecht für alle Fälle der Beschäftigungsaufnahme auslösen, wobei kaum zu erklären wäre, warum Mitgliedern, deren Beitritt nicht auf einer Beschäftigung beruht (vgl. etwa § 184 Abs. 1, 2 und 4; § 185 Abs. 2 Nr. 1 und 3 SGB V), kein derartig unbeschränktes Bleiberecht eingeräumt wird. Die hier vertretene Ansicht nimmt allerdings einen relativ häufigen Kassenwechsel in Kauf; wie das für Rentner geltende Beispiel des § 184 Abs. 3 Nr. 1 SGB V zeigt, war es jedoch nicht die Absicht des Gesetzgebers, Kassenwechsel im allgemeinen zu vermeiden.
Im vorliegenden Verfahren stand der Versicherten bei Aufnahme ihrer Beschäftigung als Arbeiterin das Bleiberecht des § 183 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht zu. Denn sie hat nicht erst dadurch die Zugehörigkeit zum Mitgliederkreis nach Satz 1 verloren, sondern bereits durch den Wechsel zur KVdR, auch wenn sie dank der Kontinuitätsregel des § 182 SGB V (bzw der entsprechenden Vorschriften des früheren Rechts) zunächst Mitglied der Ersatzkasse hatte bleiben können. Der Rentenbezug kann wegen des generellen Vorrangs der Beschäftigtenversicherung nicht dieselben Rechtsfolgen auslösen wie eine versicherungspflichtige Beschäftigung.
Der Senat hat mit Urteilen vom 21. September 1993 ein Bleiberecht auch verneint, wenn ein nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, § 159 Abs. 1 AFG Versicherungspflichtiger (12 RK 38/91) oder ein freiwilliges Mitglied (12 RK 19/93) eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnimmt, die dem Mitgliederkreis der früher gewählten Ersatzkasse nicht entspricht. Damit hat der Senat dem Umstand Rechnung getragen, daß die gesetzliche Krankenversicherung nach ihrer Entwicklung und auch heute noch im Kern eine Versicherung der abhängig Beschäftigten ist. Der sich daraus ergebende Vorrang der Beschäftigungs-Versicherung bestimmt auch die Zuständigkeit unter den Krankenkassen, so daß die Zuständigkeit einer Orts-, Betriebs- oder Innungskrankenkasse für eine Beschäftigung als Arbeiter allenfalls durch eine gleichrangige vorherige Beschäftigung als Angestellter mit Wahl einer Ersatzkasse verdrängt werden kann. Der auch gesetzlich in § 5 Abs. 6, 7 und 8 SGB V, § 191 Nr. 2 SGB V festgelegten Rangfolge unter den Versicherungspflichten würde es widersprechen, wenn die Kassenzuständigkeit durch einen zeitlich vorangegangenen, aber untergeordneten Versicherungspflicht-Tatbestand oder eine vorangegangene freiwillige Versicherung statt durch das aktuelle Beschäftigungsverhältnis bestimmt würde. Der Berücksichtigung der Rangfolge nach geltendem Recht steht nicht entgegen, daß diese Rangfolge ab 1996 für die Kassenzuständigkeit keine Bedeutung mehr haben wird, wenn durch die Neufassung der §§ 173 bis 179 SGB V (Art. 1 Nr. 116, Art. 35 Abs. 6 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) das freie Kassenwahlrecht wirksam wird.
Da die beklagte Ortskrankenkasse die Versicherte während der Zwischenbeschäftigung als Arbeiterin zu Recht als ihr Mitglied ansieht, ist das Urteil des SG aufzuheben und die Klage der Ersatzkasse abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG; die Beigeladenen haben sich am Verfahren nicht beteiligt, so daß eine Kostenerstattung nicht gerechtfertigt ist.
Fundstellen
Haufe-Index 927575 |
BSGE, 97 |
Breith. 1994, 631 |