Leitsatz (amtlich)
1. Das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 168 SGG) steht dem Übergang von der Aufhebungsklage zur Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts (SGG § 131 Abs 1 S 3) nicht entgegen.
2. Ein "berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts (SGG § 131 Abs 1 S 3) kann mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung einer Amtshaftungsklage (BGB § 839) dann nicht begründet werden, wenn ein Verschulden bei Erlaß des Verwaltungsakts offensichtlich nicht vorliegt und deshalb die sozialgerichtliche Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts für den Amtshaftungsprozeß ohne Bedeutung wäre.
3. Auch das Interesse des Klägers an einer - auf erschöpfender Klärung der Sach- und Rechtslage beruhenden - Kostenentscheidung stellt kein "berechtigtes Interesse" dar.
Normenkette
SGG § 55 Fassung: 1953-09-03, § 131 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1953-09-03, § 168 Fassung: 1953-09-03, § 193 Fassung: 1953-09-03; BGB § 839 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 18. November 1955 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben Kosten des Revisionsverfahrens einander nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der im Jahre 1922 geborene Kläger hatte wegen seiner jüdischen Abstammung im Jahre 1938 die Oberschule verlassen müssen; er bildete sich auf Privatschulen fort und erwarb im März 1943 das Zeugnis der Reife. Da ihm die Genehmigung zum Studium wegen seiner Abstammung versagt wurde, konnte er das Medizinstudium erst 1946 aufnehmen. Im Jahre 1951 erhielt er die Bestallung als Arzt. In das Arztregister wurde er nach Ableistung der Pflichtassistentenzeit im Dezember 1952 eingetragen.
Im April 1954 beantragte der Kläger beim beklagten Zulassungsausschuß unter Berufung auf § 27 in Verbindung mit § 51 des Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung - BEG - vom 18. September 1953 (BGBl. I S. 1387) seine Zulassung zur Kassenpraxis. Hierbei legte er die Fotokopie eines Bescheids des Entschädigungsamts Berlin vom 17. März 1954 vor, in dem festgestellt wurde, daß der Kläger die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 27 BEG auf Zulassung zur Kassenpraxis erfülle. Der beklagte Zulassungsausschuß lehnte mit Schreiben vom 8. Mai 1954 die Zulassung mit der Begründung ab, der Kläger erfülle nicht die fachliche Voraussetzung der dreijährigen Vorbereitungszeit.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger beim Sozialgericht (SG.) Berlin Klage mit dem Antrag,
unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Mai 1954 den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zur Sozialversicherungspraxis zuzulassen.
Das SG. hob durch Urteil vom 22. April 1955 den angefochtenen Bescheid auf und erklärte den Beklagten für verpflichtet, dem Kläger die Zulassung zur Ausübung der sozialversicherungsärztlichen Praxis zu erteilen.
Gegen dieses Urteil legte der beklagte Zulassungsausschuß beim Landessozialgericht (LSG.) Berlin Berufung ein. Das LSG. hob das Urteil des SG. auf und wies die Klage ab; die Revision wurde zugelassen. Es sah die Ablehnung der Zulassung als rechtmäßig an: Der beklagte Zulassungsausschuß sei trotz der Feststellung des Entschädigungsamts Berlin, daß die Voraussetzungen des Anspruchs nach § 27 BEG auf Zulassung zur Kassenpraxis gegeben seien, zur Prüfung berechtigt und verpflichtet gewesen, ob der Kläger die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen zur Zulassung erfülle. Da er eine dreijährige Vorbereitungszeit nach Ablegung der staatlichen Prüfung nicht nachgewiesen habe (§ 15 Abs. 1 der Zulassungsordnung für Sozialversicherungsärzte in Berlin - BerlZulO - vom 28.8./3.9.1951 [BerlGVOBl. S. 632]), habe er nicht zugelassen werden dürfen.
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Revision ein und beantragte zunächst,
den Bescheid des beklagten Zulassungsausschusses vom 8. Mai 1954 aufzuheben und den Beklagten für verpflichtet zu erklären, dem Kläger die Zulassung zur Ausübung der sozialversicherungsärztlichen Praxis zu erteilen.
Während des Revisionsverfahrens wurde der Kläger auf seinen erneuten Antrag (21.2.1956) hin, in dem er sich darauf berief, er habe inzwischen durch weitere ärztliche Tätigkeit auch die Voraussetzung des § 15 Abs. 1 BerlZulO erfüllt, durch Beschluß des beklagten Zulassungsausschusses vom 21. März 1956 zur Kassenpraxis zugelassen. Unter Berücksichtigung dieses Umstands beantragte er nunmehr
festzustellen, daß der beklagte Zulassungsausschuß verpflichtet gewesen ist, ihn schon auf Grund seines Antrags vom 17. April 1954 mit sofortiger Wirkung zur Kassenpraxis zuzulassen.
Der Kläger hält an seiner Auffassung fest, daß die Vorschrift des § 15 Abs. 1 BerlZulO über die Zurücklegung einer Vorbereitungszeit von drei Jahren auf ihn nicht anzuwenden gewesen sei. Sein berechtigtes Interesse an der von ihm beantragten Feststellung bestehe darin, daß er wegen der Verzögerung seiner Zulassung unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen den beklagten Zulassungsausschuß habe, wobei dahingestellt bleiben könne, ob er diese geltend mache oder nicht. Auch aus kostenrechtlichen Gesichtspunkten sei eine Klärung der Grundsatzfrage erforderlich.
Der beklagte Zulassungsausschuß hat
Zurückweisung der Revision
beantragt. Er bezweifelt die Zulässigkeit der Revision, weil der Revisionsantrag zwar innerhalb der Revisionsfrist, aber nicht in der Revisionsschrift gestellt sei und außerdem nicht auf Aufhebung oder Änderung des Urteils des LSG. gerichtet sei. In dem Übergang vom Aufhebungsantrag zum Feststellungsantrag sieht er eine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung. Die vom Kläger beantragte Feststellung sei auch deshalb unzulässig, weil die Frage, ob der beklagte Zulassungsausschuß bereits vor der Zulassung vom März 1956 zur Erteilung der Zulassung verpflichtet gewesen sei, kein Rechtsverhältnis im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) betreffe und außerdem ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung nicht erkennbar sei.
II
1. Die Zulässigkeit der Revision unterliegt keinen Bedenken.
Der "bestimmte Antrag" (§ 164 Abs. 2 Satz 1 SGG) ist zwar nicht schon in der Revisionsschrift, aber innerhalb der für die Einlegung der Revision bestimmten Frist (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) gestellt worden. Das ist ausreichend; denn in § 164 SGG wird nicht gefordert, daß der "bestimmte Antrag" schon in dem ersten Schriftsatz gestellt wird, mit dem der Revisionskläger die Revision einlegt.
Auch ist es - entgegen der Auffassung des beklagten Zulassungsausschusses - unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit der Revision unschädlich, daß der Kläger in dem ursprünglichen Revisionsantrag nicht ausdrücklich die Aufhebung des Urteils des LSG. beantragt, sondern sich auf den Antrag beschränkt hat, den angefochtenen Verwaltungsakt aufzuheben und den Beklagten zur Erteilung der Zulassung zu verpflichten. Damit hat der Kläger das Ziel seiner Revision klar zum Ausdruck gebracht. Nur mit anderen Worten würde inhaltlich dasselbe gesagt, wenn der Kläger beantragt hätte, das Urteil des LSG. aufzuheben und das erstinstanzliche Urteil wiederherzustellen.
2. Der beklagte Zulassungsausschuß ist zur Prozeßführung - auch im gegenwärtigen Stande des Verfahrens - berechtigt.
Daß der Zulassungsausschuß für Sozialversicherungsärzte in Berlin wach § 70 Nr. 3 SGG fähig ist, an Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit beteiligt zu sein, ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (BSG. Bd. 2 S. 201 [203 ff.]). Es erübrigt sich daher eine Prüfung, ob Zulassungsausschüsse allgemein wie die in § 70 Nr. 4 SGG (in der Fassung des Art. 2 Nr. 3 GKAR) ausdrücklich genannten Berufungsausschüsse und Schiedsämter parteifähig sind.
Zweifel an der Prozeßführungsbefugnis des beklagten Zulassungsausschusses könnten sich jedoch daraus ergeben, daß nach Inkrafttreten der Zulassungsordnung für Kassenärzte - ZO-Ärzte - vom 28. Mai 1957 (BGBl. I S. 572) auch in Berlin ein Berufungsausschuß (§ 35 ZO-Ärzte) gebildet worden ist, der über Widersprüche gegen die Entscheidungen des Zulassungsausschusses zu entscheiden hat. Nach geltendem Recht wäre somit die abschließende Verwaltungsentscheidung in Zulassungssachen nicht vom Zulassungsausschuß, sondern vom Berufungsausschuß zu treffen. Damit ist jedoch nicht eine - auch die Passivlegitimation des beklagten Zulassungsausschusses berührende (vgl. BSG. Bd. 7 S. 60 [63]) - Funktionsnachfolge des Berufungsausschusses eingetreten. Der beklagte Zulassungsausschuß hat vielmehr seine Entscheidungszuständigkeit in Zulassungssachen behalten. Deshalb ist der beklagte Zulassungsausschuß in den Fällen die er oder seine Widerspruchsstelle noch während der Geltung der BerlZulO für den Verwaltungsbereich abschließend entschieden haben, als die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, nach wie vor der richtige Beklagte (vgl. BSG. Bd. 7 S. 129 [132]):
3. Es können auch keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage daraus hergeleitet werden, daß der Kläger im Laufe des Revisionsverfahrens von seiner mit einer unselbständigen Aufhebungsklage verbundenen Vornahmeklage zu einer Feststellungklage übergegangen ist. Diese Umstellung erwies sich deshalb als notwendig, weil das ursprüngliche Klagebegehren durch die Zulassung des Klägers gegenstandslos geworden ist. Ihr steht nicht das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren (§ 168 SGG) entgegen (die Frage offenlassend BVerwG Bd. 3 S. 67 [68]; grundsätzlich zustimmend BVerwG Bd. 4 S. 177 [178]). Der Zweck dieses Verbots ist, im Hinblick auf die regelmäßig auf Rechtskontrolle beschränkte Funktion der Revisionsinstanz solche Veränderungen des Prozeßgegenstands auszuschließen, die die Klagegrundlage betreffen, in aller Regel neue Ermittlungen notwendig machen und damit eine das Verfahren abschließende Entscheidung verzögern würden. In einem Falle wie dem vorliegenden ändert sich jedoch durch den Übergang zur Feststellungsklage nur die Form, in der für den geltend gemachten Anspruch Rechtsschutz begehrt wird. Der dem Anspruch zugrunde liegende Sachverhalt bleibt bis auf den Umstand, der zur Befriedigung des Vornahmeanspruchs geführt hat, der gleiche. Die Prozeßlage ist daher mit der in § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG geregelten vergleichbar, wonach es nicht als eine Änderung der Klage anzusehen ist, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird. Würde der Kläger trotz Erledigung in der Hauptsache an seinem ursprünglichen Klageantrag festhalten, so müßte die Klage abgewiesen werden, auch wenn der Umstand, der zur Erledigung des Rechtsstreits geführt hat, erst während des Revisionsverfahrens eingetreten ist (vgl. BVerwG in NJW 1958 S. 312 mit dem letzten Leitsatz). Deshalb muß der Kläger, will er die Klageabweisung vermeiden, sein Prozeßbegehren der veränderten Sachlage anpassen, sei es, daß er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und nur noch eine Entscheidung im Kostenpunkt beantragt (vgl. SozR. SGG § 193 Bl. Da 1 Nr. 3 und Bl. Da 2 Nr. 4), sei es, daß er - allerdings dann unter der weiteren Voraussetzung des berechtigten Interesses an der Feststellung - einen neuen Sachantrag auf Feststellung im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 3 oder § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG stellt. Eine solche notwendige Anpassung des Klageantrags an die veränderte Sachlage muß aber in jeder Phase des Rechtsstreits, also auch im Revisionsverfahren, vorgenommen werden können, damit der Prozeß sachgerecht, den veränderten Verhältnissen entsprechend, zum Abschluß gebracht werden kann.
4. Dem Kläger kann jedoch kein berechtigtes Interesse an der Feststellung zugebilligt werden, daß der beklagte Zulassungsausschuß zur Zulassung verpflichtet gewesen sei.
Hierbei kann die Frage offen bleiben, ob der Kläger mit seinem Klageantrag, wie er nunmehr vorliegt, allein die Rechtswidrigkeit des die Zulassung versagenden Verwaltungsakts vom 8. Mai 1954 nach § 131 Abs. 1 Satz 2 SGG festgestellt wissen will oder ob er die Feststellung eines "Rechtsverhältnisses "(§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) begehrt. Für beide Ziele eröffnet das SGG den Weg der Feststellungsklage, sofern der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Daß das den Zulassungsanspruch begründende Rechtsverhältnis - infolge der Zulassung des Klägers - nicht mehr besteht, macht eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG nicht von vornherein unzulässig. Es kann auch auf Feststellung des Bestandenhabens eines Rechtsverhältnisses geklagt werden, wenn aus dem erledigten Rechtsverhältnis Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft abgeleitet werden (BVerwG Bd. 2 S. 229; RG. in JW. 1910 S. 66 [67]; Stein-Jonas-Schönke-Pohle, ZPO 18 Aufl. Anm. II 4 zu § 256 [N.47]; Wieczorek, ZPO 23. Aufl. Anm. 2 D zu § 256). Damit ist aber nichts anderes zum Ausdruck gebracht, als daß für die Klage auf Feststellung, es habe ein anspruchsbegründendes Rechtsverhältnis bestanden, wie für jede Feststellungsklage ein aktuelles Feststellungsinteresse gegeben sein muß. Dieses Feststellungsinteresse - als "berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung" in § 55 Abs. 1 SGG bezeichnet - ist das gleiche wie das in § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG geforderte berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der seine Erledigung gefunden hat.
Die vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte - andere kamen nach Lage der Dinge von vornherein nicht in Betracht - können ein Feststellungsinteresse nicht begründen. Mit dem Hinweis der Revision auf das Kosteninteresse ist offenbar gemeint, daß der Kläger bei einer ihm günstigen Entscheidung in der Sachfrage auch eine entsprechende Entscheidung im Kostenpunkt erwarten dürfe. Für den Standpunkt des Klägers ließe sich anführen, daß das Gericht, wenn der Rechtsstreit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt und vom Kläger nur eine Kostenentscheidung beantragt wird, von dem im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen hat und davon absehen kann, zu allen für den Ausgang des Rechtsstreits bedeutsamen Rechtsfragen Stellung zu nehmen (vgl. BSG. in SozR. SGG § 193 Bl. Da 2 Nr. 4). Der Kläger muß sich somit bei Beschränkung auf eine Kostenentscheidung damit abfinden, daß sie auf Grund einer summarischen Überprüfung des bisherigen Sach- und Streitstandes ergeht. Trifft jedoch das Gericht auf einen entsprechenden Feststellungsantrag des Klägers hin eine Sachentscheidung, so ist zwar auch in diesem Fall über die Kosten nach § 193 SGG, d.h. nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. BSG. in SozR. SGG § 193 Bl. Da 1 Nr. 3). Immerhin ist eine nur summarische Erörterung der Sach- und Rechtsfragen dann ausgeschlossen, und der Kläger erhält eine auf genauer Erforschung der Sach- und Rechtslage gegründete Kostenentscheidung.
Der gesetzgeberische Grund, der zu der Regelung der summarischen Kostenentscheidung - mit den Härten, die sich für die Beteiligten daraus ergeben können - geführt hat, zwingt jedoch zu dem Schluß, daß das Rechtsschutzinteresse für eine Sachentscheidung fehlt, wenn in Wahrheit nicht mehr um die Sache, sondern um die Kosten gestritten wird. Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit dient in erster Linie der Verwirklichung materiellen Rechts. Die Entscheidung im Kostenpunkt ist demgegenüber grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung. Es kommt hinzu, daß für die nach sachgemäßem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren ohnehin nur begrenzt Raum ist, da die Kostenfrage in diesem Verfahren weitgehend unabhängig vom Verfahrensausgang geregelt ist (vgl. §§ 183, 184, 193 Abs. 4 SGG). Aufgabe dieser Kostenentscheidung kann es nicht sein, einen Rechtsstreit ungeachtet seiner Erledigung zur Hauptsache hinsichtlich aller rechtlichen Zweifelsfragen auszuschöpfen, nur um eine besser gegründete Kostenentscheidung zu ermöglichen. Eine solche Auffassung würde den Willen des Gesetzes verkennen, das Gericht zu entlasten und seine Zeit und Arbeitskraft anderen, wichtigeren und vordringlicher erscheinenden Streitigkeiten zuzuwenden (BSG., Beschl. vom 25.3.1957 in SozR. SGG § 193 Bl. Da 2 Nr. 4; vgl. auch BGH in NJW. 1954 S. 1038). Dieser Gesichtspunkt schließt es aus, daß das Rechtsschutzinteresse an der Sachentscheidung aus dem Kosteninteresse hergeleitet werden kann. Wenn schon das Interesse am Kostenpunkt ein "berechtigtes Interesse" ergäbe, so würde in Wirklichkeit die Kostenfrage zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden und die Einschränkung des "berechtigten Interesse" für Feststellungsanträge dieser Art praktisch bedeutungslos sein, da ein Interesse des Klägers an der Kostenentscheidung regelmäßig vorliegt. Es kann nicht dem Belieben eines Klägers überlassen sein, durch entsprechende Gestaltung seines Prozeßbegehrens zum Zwecke der Kostenentscheidung eine Sachentscheidung zu erzwingen.
Auch die Möglichkeit, eine auf Amtspflichtverletzung der Mitglieder des beklagten Zulassungsausschusses gestützte Schadensersatzklage zu erheben, kann im vorliegenden Streitfall ein berechtigtes Interesse des Klägers nicht begründen. Zwar kann das Rechtsschutzinteresse in diesem Verfahren nicht schon deshalb verneint werden, weil das für die Schadensersatzklage zuständige ordentliche Gericht über die öffentlich-rechtlichen Vorfragen seiner Entscheidung in eigener Zuständigkeit zu befinden hat (so noch BVerwG [V. Senat] in DVBl. 1955 S. 706 und BVerwG Bd. 3 S. 67 [68]; eingeschränkt in BVerwG Bd. 4 S. 177). Nach der Rechtsprechung des BGH. (vgl. BGHZ. Bd. 9 S. 329, Bd. 15 S. 17, Bd. 20 S. 379, DVBl. 1954 S. 331), die auch im Schrifttum (Bettermann in MDR. 1954 S. 9, Naumann in DVBl. 1954 S. 331) Zustimmung gefunden hat, ist das ordentliche Gericht an die vom Verwaltungsgericht getroffene rechtskräftige Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gebunden. Andererseits kann füglich nicht bezweifelt werden, daß die Verwaltungsgerichtsbarkeit in besonderem Maße dazu berufen ist, über die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts zu befinden, und daß es daher sinnvoll ist, eine solche Frage vorab durch das Verwaltungsgericht klären zu lassen, anstatt sie als Vorfrage durch das Zivilgericht zu entscheiden. Grundsätzlich kann daher die Möglichkeit eines Amtshaftungsprozesses das Feststellungsinteresse im verwaltungsgerichtlichen Verfahren begründen (so BVerwG [VI. Senat] Urt. vom 20.5.1958 in DÖV. 1958 S. 665 = DVBl.1958 S.713; die Frage offenlassend BVerwG [I. Senat] Beschl. vom 8.7.1958 in DVBl. 1958 S. 714; vgl. auch Bayer.VerwGH. in VerwRspr. Bd. 9 S. 638; Naumann a.a.O.; Meyer in DVBl. 1956 S. 190; Tietgen in DVBl. 1958 S. 714 mit weiteren Nachweisen).
Jedoch genügt nicht die abstrakte Möglichkeit, daß ein Amtshaftungsprozeß angestrengt werden könnte. Anderenfalls wäre die in § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG geforderte Voraussetzung des "berechtigten Interesses" für das Feststellungsverfahren inhaltsleer, weil sie nämlich - das Vorliegen eines Vermögensschadens vorausgesetzt - immer vorläge; wer sich durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt geschädigt glaubt, ist jederzeit in der Lage, eine Amtshaftungsklage zu erheben. Die konkrete Beziehung, die zwischen Amtshaftungsprozeß und Feststellungsinteresse bestehen muß, ist zwar nicht darin zu erblicken, daß der Amtshaftungsprozeß bereits anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (so BVerwG Bd. 4 S.177 [179]). Das Kriterium der Willensrichtung des Klägers ist unzulänglich. Einerseits wird der Kläger überfordert, wenn man von ihm schon während des sozialgerichtlichen Verfahrens den Nachweis des ernstlichen Willens fordert, später eine Amtshaftungsklage zu erheben; es muß ihm zugestanden werden, daß er erst den Ausgang des sozialgerichtlichen Verfahrens abwartet, um sich an Hand dieser Entscheidung über die Einleitung des Schadensersatzprozesses schlüssig zu werden. Andererseits kann es für die Frage des Feststellungsinteresses nicht von Bedeutung sein, ob der Kläger einen sinnlosen Amtshaftungsprozeß angestrengt hat oder mit Sicherheit einleiten wird; denn das Feststellungsinteresse muß objektiv schutzwürdig sein, wie der Senat entschieden hat (Beschl. vom 16.7.1958 in SozR. SGG § 131 Bl. Da 3 Nr. 8).
Die Abgrenzung des "berechtigten Interesses" im Hinblick auf einen Amtshaftungsprozeß kann nur in der Beziehung zwischen dem sozialgerichtlichen und dem zivilgerichtlichen Verfahren gefunden werden: nämlich in der Bedeutung der sozialgerichtlichen Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil. So viel kann jedenfalls negativ hieraus geschlossen werden, daß ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts dann nicht anerkannt werden kann, wenn die sozialgerichtliche Entscheidung für den Ausgang des zivilgerichtlichen Verfahrens unter jedem verständigerweise zu berücksichtigenden Gesichtspunkt nicht von Bedeutung ist. Damit wird nicht die Entscheidung des ordentlichen Gerichts vorweggenommen; ein "berechtigtes Interesse" ist schon dann gegeben, wenn die verwaltungsgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Verfahren erheblich sein kann. Dieses Mindestmaß an Beziehung zwischen Feststellungsinteresse und Amtshaftungsprozeß muß aber gewahrt bleiben, wenn man nicht zu einem rein theoretischen Interesse, dem keine praktischen Folgerungen anhaften können, gelangen will (vgl. Beschl. des Senats vom 16.7.1958 a.a.O.).
Im vorliegenden Fall wäre eine Sachentscheidung über die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Ablehnungsbescheids für die Entscheidung in einem Amtshaftungsprozeß offensichtlich ohne Bedeutung. Der beklagte Zulassungsausschuß hat seine Entscheidung allein auf den rechtlichen Gesichtspunkt gegründet, daß auch der Kläger für seine Zulassung dem Erfordernis der dreijährigen Vorbereitungszeit (§15 Abs. 1 BerlZulO) genügen müsse, die er unstreitig im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts nicht nachweisen konnte. Selbst wenn die dieser Entscheidung zugrunde liegende Auslegung der §§ 27 BEG, 15 BerlZulO unrichtig wäre, würde dieser Irrtum nicht ausreichen, um das für die Amtshaftung erforderliche Verschulden (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG) der verantwortlichen Mitglieder des Beklagten zu begründen; denn ein Verschulden ist zu verneinen, "wenn eine unrichtige Stellungnahme bei Gesetzesbestimmungen erfolgt, die für die Auslegung Zweifel in sich tragen, Unklarheiten über die Tragweite des Wortlauts enthalten und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt worden sind" (RG. in RGZ Bd. 133 S. 137 [142]). Alle diese Merkmale für das Fehlen eines Verschuldens der Mitglieder des Zulassungsausschusses sind im vorliegenden Fall gegeben; die auf Schadensersatz in Anspruch genommenen Trägerkörperschaften könnten sich sogar darauf berufen, daß das LSG., das für die Entscheidung der Sachfrage zuständige höchste Landesgericht, die Auffassung des Zulassungsausschusses bestätigt hat. Ohne Rücksicht darauf, wie das Bundessozialgericht seine Sachentscheidung treffen würde, ist mit Sicherheit zu erwarten, daß das ordentliche Gericht eine Amtshaftungsklage schon wegen fehlenden Verschuldens der Mitglieder des beklagten Zulassungsausschusses abweisen würde. Deshalb kann auch ein "berechtigtes Interesse" an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts im vorliegenden Fall nicht anerkannt werden.
Das Urteil des LSG. erweist sich somit im Ergebnis als richtig; denn die von ihm bestätigte Abweisung der Klage durch das SG. - wenn auch nunmehr aus dem Grunde, daß sie unzulässig geworden ist - bleibt bestehen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 178 |
NJW 1959, 262 |
MDR 1959, 157 |