Beteiligte
Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich als Rechtsnachfolgerin der B. gegen die Konkursausfallgeld (Kaug)-Umlage für das Kalenderjahr 1993.
Die 1991 mit Sitz in M. gegründete B. stellte Audio- und Videokassetten sowie Computerbänder her. Am Stammkapital war allein die Klägerin beteiligt. Die GmbH hatte in den Jahren 1991 bis 1993 jeweils Verluste in Millionenhöhe, die sie für 1993 im Bereich der Kassetten- und Bänderproduktion mit 91 Millionen angab. Die beklagte Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie (BG) stellte mit Bescheid vom 26. April 1994 die Kaug-Umlage aufgrund einer Lohnsumme von 190.816.887 DM nach einem Beitragsfuß von 1,25 Promille mit 238.521,11 DM fest. Den Widerspruch, mit dem die GmbH geltend machte, die Rechtsgrundlagen der Kaug-Umlage in §§ 186b und 186c Arbeitsförderungsgesetz (AFG) seien verfassungs- und systemwidrig, sie verstießen gegen die Art 3 Abs 1, 14 und 20 Grundgesetz (GG), wies die BG mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1994 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zurück. Weiter führte sie aus, der Beitragsfuß sei seit der Einführung des Kaug 1974 zwar auf das 2 ½-fache angestiegen, jedoch sei eine unverhältnismäßige Belastung der GmbH nicht gegeben.
Im Klageverfahren hat die GmbH ihr Vorbringen aufrechterhalten und ergänzend einen Verstoß der Kaug-Regelungen gegen Art 12 Abs 1 GG geltend gemacht. Die Finanzierung des Kaug allein durch Beiträge von Arbeitgebern stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Rechte dar, gefährde ihre Existenz und sei auch wegen des Fehlens einer Härteregelung verfassungswidrig. Konkursgefährdete Unternehmen hätten durch die Absicherung ihrer Arbeitnehmer durch Kaug ungerechtfertigte wirtschaftliche Vorteile. Sie rege deshalb eine Aussetzung des Verfahrens und eine Vorlage an das BVerfG zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit der §§ 186b und 186c AFG an.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 13. Dezember 1995 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist im wesentlichen ausgeführt, die Rechtsgrundlagen für die Kaug-Umlage seien verfassungsgemäß. Die Möglichkeit eines Mißbrauchs des Kaug zur Konkursverschleppung in Einzelfällen, die strafbewehrt sei, beeinflusse die Beitragsbelastung von Arbeitgebern nicht wesentlich. Die Steigerung der Kaug-Umlage seit 1974 sei Folge der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, halte sich im Rahmen der allgemeinen Kostensteigerungen und sei deshalb nicht zu beanstanden. Das Kaug führe auch nicht zu einer Einschränkung des Grundrechts auf freie wirtschaftliche Betätigung. Die behauptete wirtschaftliche Lage der GmbH und ihre Existenzgefährdung belege die Wichtigkeit der Sicherung ihrer Arbeitnehmer durch Kaug. Die Notwendigkeit einer Härteregelung könne dahinstehen, denn ein Härtefall sei im Falle der GmbH ohnehin zu verneinen, weil die Kaug-Umlage nur 0,26 % des für 1993 angegebenen Verlustes ausmache.
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ein in ihrem Auftrag erstattetes Rechtsgutachten von Prof. Dr. A., vorgelegt und sich seine Rechtsansicht zu eigen gemacht, die Kaug-Regelung sei wegen Fehlens einer Härteklausel verfassungswidrig. Die Härtefallregelung des § 76 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) sei nur für Sozialversicherungsbeiträge, nicht aber für die Kaug-Umlage heranzuziehen. Die Umlageregelung verstoße im übrigen gegen das Beihilfeverbot des Art 92 des Vertrages über die Europäische Union (EGVtr). Sie bewirke eine indirekte Subvention für zahlungsunfähige Arbeitgeber, weil sie diese faktisch von der Lohnzahlung für drei Monate entlaste. Dies verfälsche in der Praxis den Wettbewerb der konkurrierenden Unternehmen. Für eine Genehmigung der Kommission fehle die erforderliche Notifizierung der Kaug-Regelung nach Art 93 Abs 3 EGVtr. Deshalb sei die Kaug-Regelung nicht als Umsetzung der Richtlinie (RL) 80/987 vom 20. Oktober 1980 anzusehen. Die Klägerin hat die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) angeregt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 29. Oktober 1998 zurückgewiesen und zur Begründung weitgehend auf die Ausführungen des SG Bezug genommen. Ergänzend hat das LSG ausgeführt, an einer Härteregelung fehle es nicht, weil § 76 Abs 2 SGB IV entsprechend anzuwenden sei. Ob für das Beitragsjahr 1993 ein Härtefall vorgelegen habe, sei nicht zu entscheiden, weil insoweit eine Verwaltungsentscheidung der Beklagten nicht vorliege. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage der Verfassungsmäßigkeit sei mithin nicht entscheidungserheblich. Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht sei nicht zu erkennen. Die Umlageregelung entspreche der RL 80/987. Diese schreibe den Mitgliedsstaaten Sicherungen der Arbeitnehmer gegen die Zahlungsunfähigkeit von Arbeitgebern vor. Der Art 5 RL räume den Mitgliedsstaaten einen großen Gestaltungsspielraum für die Aufbringung der Mittel von Garantieeinrichtungen ein. Einer Notifizierung der deutschen Regelung gegenüber der Europäischen Union (EU) habe es nicht bedurft, weil diese schon vor Erlaß der RL den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprochen habe. Im übrigen sei von einer ausreichenden Notifizierung der Regelung gegenüber der EU auszugehen, zumal die Kommission gegenüber der Bundesrepublik ein Beanstandungsverfahren nicht eingeleitet habe. Auch wenn Sequester zahlungsunfähiger Unternehmen Kaug-Leistungen in Sanierungspläne einbezögen, enthielten Kaug-Leistungen nicht wettbewerbsverfälschende Beihilfen iS des Art 92 Abs 1 EGVtr. Durch diese Leistungen würden zahlungsunfähige Arbeitgeber nicht von ihren Verpflichtungen frei, weil Ansprüche auf Arbeitsentgelt nach §§ 141m und 141n AFG auf die Bundesanstalt für Arbeit (BA) übergingen. Die mangelnde Realisierbarkeit dieser Ansprüche charakterisiere die Kaug-Leistungen nicht als Beihilfen. Auch eine Wettbewerbsverfälschung sei nicht zu erkennen. Vielmehr sei § 141k Abs 2a AFG zu beachten, der sich auf die Praxis der Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt vor Eröffnung des Konkursverfahrens auswirke und Mißbräuche bei der Inanspruchnahme von Kaug verhindern solle. Gegen die Annahme einer Beihilfe spreche auch, daß der EuGH sich mehrfach mit der RL 80/987 befaßt habe, ohne einen Verstoß gegen das Vertragsrecht in Erwägung zu ziehen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Art 12 Abs 1, 2 Abs 1 und 3 Abs 1 GG und der Art 92 Abs 1 und 93 Abs 3 EGVtr. Jedenfalls in einer höchst angespannten wirtschaftlichen Situation enthalte die Umlage einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Berufsfreiheit und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Die Solidarität zwischen Arbeitgebern werde verdrängt durch die Vorteile, die sich gefährdete Unternehmen durch das Kaug verschafften. Die Umlageregelung bedürfe einer Härtefallregelung zugunsten von Unternehmen mit negativem Betriebsergebnis, da diese von der Umlage härter betroffen seien und einer gesonderten Behandlung bedürften. Bei der Bezugnahme auf das Solidaritätsprinzip zur Rechtfertigung der Umlage sei darauf hinzuweisen, daß gegenüber der Gruppensolidarität von Arbeitgebern auch das Verhältnis zwischen einem Unternehmen und seinen Arbeitnehmern im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung gewürdigt werden müsse. Ihre Arbeitnehmer hätten in einem Solidarvertrag für 1992 bis 1994 durch Verzicht auf Zahlungen in Höhe von 19,7 Millionen DM und auf Pensionsurlaub und Prämien in Höhe von 27 Millionen DM zur Fortführung des Unternehmens beigetragen. Betriebliche Möglichkeiten zur Rationalisierung und Preisgestaltung seien ausgeschöpft gewesen. Die Härtefallregelung des § 76 SGB IV sei auf die Umlage zur Konkursausfallgeldversicherung nicht anwendbar. Bei dem Kaug handele es sich um staatliche Beihilfen iS des Art 92 Abs 1 EGVtr. Durch die Möglichkeit der Vorfinanzierung von Personalkosten eröffne sich die Möglichkeit der Geschäftsfortführung neben der Zerschlagung des Unternehmens. Sie begründe Liquidität gefährdeter Unternehmen auf Kosten leistungsfähiger Konkurrenten. Die Inanspruchnahme von Kaug gehöre zum „selbstverständlichen Instrumentarium eines jeden Verwalters” und führe zu einer immensen Quersubventionierung konkursgefährdeter Betriebe durch noch solvente Unternehmen. Die Bewilligung von Kaug stelle mithin eine Beihilfe iS des Art 92 EGVtr dar, denn diese Regelung erfasse jede aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigung ohne Rücksicht auf Gründe oder Ziele der Maßnahme. Der gemeinschaftsrechtliche Begriff der Beihilfe sei weiter als der Begriff der Subvention. Die deutsche Praxis der Vorfinanzierung von Personalkosten durch das Kaug verstoße gegen den Zweck der RL 80/987. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 10. Juli 1997 - Rs C 373/95 – dargelegt, Zweck der RL sei nur der unmittelbare Arbeitnehmerschutz, nicht aber die Unternehmensfortführung. In dieser Entscheidung habe der EuGH auch ausgesprochen, Insolvenztatbestand sei – entgegen der deutschen bisherigen Regelung – der Zeitpunkt der Antragstellung auf Eröffnung des Verfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung. Kaug-Leistungen für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung widersprächen deshalb den Art 3 Abs 2 und 4 Abs 2 der RL 80/987. Eine Wettbewerbsverfälschung iS des Art 92 Abs 1 EGVtr trete ein, weil durch die Sicherstellung von Arbeitsentgeltansprüchen durch das Kaug konkursgefährdete Betriebe im Inland begünstigt würden. Die mangelnde Notifizierung der deutschen Regelung führe zur Unwirksamkeit staatlicher Rechtsakte zur Durchführung von Beihilfemaßnahmen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Oktober 1998, das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1994 hinsichtlich der Umlage zum Konkursausfallgeld aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie nimmt auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug und trägt ergänzend vor, das operative Betriebsergebnis und das Verfehlen von Umsatz- oder Ergebniszielen seien nicht geeignete Maßstäbe zur Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Nachfolgeunternehmen der GmbH hätten mit kaum verändertem Umsatz bei erhöhtem Beitragsfuß für das Kaug Gewinn erzielt. Gegenüber dem Solidaropfer der Arbeitnehmerschaft von 46,7 Millionen DM und den Verlusten in der Kassetten- und Bänderproduktion von 91 Millionen DM falle die Kaug-Umlage von 238.521,11 DM kaum ins Gewicht. Die unter Berücksichtigung von Grundrechten hinnehmbare Belastung des Unternehmens mit Sozialabgaben und Lohnnebenkosten sei nicht überschritten. Die Argumentation der Klägerin könne nicht überzeugen, weil es anderenfalls möglich wäre, sich durch gesellschaftsrechtliche Verselbständigung defizitärer Unternehmensbereiche Umlagepflichten zu entziehen. Entgegen der Annahme der Klägerin werde § 76 Abs 2 SGB IV auf die Kaug-Umlage angewandt. Auch wenn das Kaug faktisch die Wirkung einer Subvention haben könne, handele es sich primär um eine Sozialleistung für Arbeitnehmer, die eine Subvention zugunsten von Arbeitgebern allenfalls als Rechtsreflex bewirke.
II
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung. Die Rechtsgrundlagen für die Umlage stehen mit der Verfassung im Einklang. Gegenüber der Umlageforderung kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, die Vorfinanzierung von Personalkosten durch Kaug sei mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.
1.1 Die Mittel für das Kaug einschließlich der Beiträge nach § 141n AFG, der Verwaltungskosten und der sonstigen Kosten, die mit der Gewährung des Kaug zusammenhängen, werden von den Berufsgenossenschaften jährlich nachträglich aufgebracht (§ 186b AFG). Der Anteil jeder Berufsgenossenschaft an den aufzubringenden Mitteln entspricht dem Verhältnis ihrer Lohnsumme zu der Gesamtlohnsumme der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der See-BG (§ 186c Abs 2 Satz 1 AFG). Den von ihnen aufzubringenden Anteil legen die Berufsgenossenschaften nach dem Entgelt der Versicherten in den Unternehmen auf ihre Mitglieder um (§ 186c Abs 3 Satz 1 AFG). Die Vorschriften über den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung gelten entsprechend (§ 186c Abs 3 Satz 3 AFG). Die Rechtsgrundlagen für die Umlage übernehmen damit das „Finanzierungssystem der gesetzlichen Unfallversicherung” und belasten mit dem Finanzaufwand für diese Sozialleistung allein die Arbeitgeber (BSG SozR 4100 § 186b Nr 1).
Diesen Vorschriften hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 26. April 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1994 für das Jahr 1993 entsprochen. Dabei ist sie von einer Lohnsumme von 190.816.887 DM und einem Beitragsfuß von 1,25 Promille ausgegangen. Diese tatsächlichen Feststellungen des LSG sind nicht mit Revisionsrügen angegriffen, so daß sie für den Senat bindend sind (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Der danach geltend gemachte Umlagebetrag von 238.521,11 DM erweist sich als rechnerisch richtig. Einfachgesetzlich ist ein Rechtsverstoß nicht zu erkennen. Das macht die Klägerin auch nicht geltend.
1.2 Die Prüfung, ob die Härteregelung des § 76 Abs 2 SGB IV zu einem für die Klägerin günstigen Ergebnis führen könnte, hat das LSG ohne Rechtsverstoß unterlassen. Zwar ist die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten grundsätzlich unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (BSGE 66, 168, 173 ff = SozR 3-2400 § 7 Nr 1; BSGE 83, 95, 99 = SozR 3-4100 § 120 Nr 2). Dies gilt jedoch nicht hinsichtlich der Frage, ob der Durchsetzung des Anspruchs bei Beiträgen oder Umlagen ausnahmsweise der § 76 Abs 2 SGB IV mit seinen unterschiedlichen Tatbeständen und Rechtsfolgen entgegensteht. Die Regelung setzt das Bestehen von Ansprüchen und damit die Rechtmäßigkeit ihrer Feststellung voraus. Über die Rechtsfolgen des § 76 Abs 2 SGB IV und ihre tatbestandlichen Voraussetzungen, die mit der Feststellung einer „besonderen Härte” und der Abwägung der „versicherungsrechtlichen Interessen der Versicherten” regelmäßig die Feststellung betrieblich sensibler Daten voraussetzen, ist danach nur außerhalb der Prüfung der Rechtmäßigkeit von Beitrags- bzw Umlagebescheiden zu entscheiden (BSG SozR 3-2400 § 76 Nr 1). Ggf wäre dabei zu berücksichtigen, daß es sich bei der BASF Magnetics-GmbH um ein Konzernunternehmen handelte, dessen Entwicklung und Schicksal Zweifel an der Angemessenheit einer Härtefallbehandlung aufkommen läßt.
2. Die Klägerin wendet sich gegen ihre Inanspruchnahme mit verfassungsrechtlichen Einwänden. Sie hält einen Verstoß der Umlageregelung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für gegeben, weil sie gesetzlich keine Möglichkeit habe, aufgrund einer Härtefallregelung bei Verlusten von rund 91 Millionen DM im Jahr 1993 die Umlageforderung abzuwenden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin greifen nicht durch.
2.1 BVerfG und BSG haben die Umlage zur Finanzierung des Kaug bereits am Maßstab der Art 14 und 3 Abs 1 GG geprüft und nicht als verfassungswidrig angesehen (BVerfG SozR 4100 § 186b Nr 2; BSG SozR 4100 § 186b Nr 1). Dabei hat das BVerfG zu Art 14 GG die Ansicht des BSG gebilligt, die Gewährleistung des Eigentums schütze nicht das Vermögen gegen die Belastung mit öffentlichen Geldleistungspflichten. Das entspricht auch der neueren Rechtsprechung des BVerfG, wonach öffentlich-rechtliche Abgaben die Eigentumsgarantie erst berühren, wenn sie konfiskatorischen Charakter annehmen (BVerfGE 81, 108, 122). Davon kann bei einer Umlage von 238.521,11 DM im Verhältnis zu einer betrieblichen Lohnsumme von 190.816.887 DM nach wie vor keine Rede sein.
2.2 Die Rechtsetzungsgleichheit ist auch nach den Maßstäben, die das BVerfG entwickelt hat, durch die Regelungen über die Kaug-Umlage gewahrt. Art 3 Abs 1 GG setzt zwar als Gebot der Rechtsetzungsgleichheit der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Grenzen. Diese besteht indes gerade darin, „diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er (der Gesetzgeber) dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will” (BVerfGE 90, 226, 239 mwN). Danach ist die Zuordnung von Rechtsfolgen zu Sachverhalten jeweils „sachbereichsbezogen” auszuweisen (BVerfGE 75, 108, 157; 90, 226, 239; BSGE 76, 224, 227 f = SozR 3-8120 Kap VIII E III Nr 5 Nr 4 mwN). Die sachlichen Erwägungen, die den Gesetzgeber bewogen haben, das Kaug durch eine Umlage der Arbeitgeber zu finanzieren, beruhen im wesentlichen auf der Überlegung, daß Arbeitnehmer vorleistungspflichtig sind und damit ein hohes Risiko eingehen, mit ihrem Anspruch auf Arbeitsentgelt auszufallen (BSG SozR 4100 § 186b Nr 1 mit Hinweis auf die Materialien). Die Inanspruchnahme der Arbeitgeber bei der Finanzierung erscheint gerade deshalb sachgerecht, weil das Kaug dem Ausgleich objektiver Verletzung der Lohnzahlungspflicht durch Arbeitgeber dient. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Argument überzeugen, die branchenübergreifende Umlage nach Lohnsummen sei nicht sachgerecht, weil der Finanzbedarf für das Kaug in der chemischen Industrie wegen der geringeren Zahl von Konkursen niedriger als in anderen Wirtschaftszweigen sei. Selbst wenn in der chemischen Industrie weniger Konkurse anfallen, läßt dies einen zwingenden Schluß auf den Finanzbedarf für das Kaug nicht zu. Eine nach Wirtschaftszweigen gesonderte Feststellung des Finanzbedarfs für das Kaug erforderte erheblichen Verwaltungsaufwand und dürfte auch auf Abgrenzungsschwierigkeiten stoßen. Der Finanzbedarf eines Wirtschaftszweigs für das Kaug korreliert schon wegen unterschiedlicher Personalintensität nicht notwendig mit der Zahl der Konkurse. Zu § 186c AFG hat das BVerfG die Praktikabilität als Sachgrund für eine pauschalisierende gesetzliche Regelung angesehen (BVerfGE 89, 132, 142 = SozR 3-4100 § 186c Nr 1).
Einen weiteren Anhaltspunkt für die Wahrung der Rechtsetzungsgleichheit bietet das europäische Gemeinschaftsrecht. Die RL 80/987 verlangt von den Mitgliedsstaaten eine Kaug-Regelung, ohne allerdings die Mitgliedsstaaten auf eine bestimmte Finanzierung festzulegen. Art 5 der RL 80/987 überläßt „Einzelheiten der Mittelaufbringung” den Mitgliedsstaaten, stellt aber unter Buchst b klar: Die Arbeitgeber müssen zur Mittelaufbringung beitragen, es sei denn, daß diese in vollem Umfange durch die öffentliche Hand gewährleistet ist. Im übrigen ist daran zu erinnern, daß eine Verletzung der Rechtsetzungsgleichheit nicht schon anzunehmen ist, wenn der Gesetzgeber unter mehreren möglichen Lösungen nicht die zweckmäßigste oder vernünftigste gewählt hat (BVerfGE 89, 132, 142 = SozR 3-4100 § 186c Nr 1). Eine Differenzierung der Arbeitgeber-„Beiträge” zur Kaug-Finanzierung nach der wirtschaftlichen Leistungskraft der Unternehmen ist danach verfassungsrechtlich nicht geboten.
2.3 Die Klägerin fordert die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf der Grundlage der in Art 12 Abs 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit. Dieser Ansatz überzeugt nicht, denn der Schutzbereich des Art 12 GG ist nur durch Regelungen mit objektiv berufslenkender Tendenz betroffen (BVerfGE 81, 108, 121 f). Die Kaug-Regelung ist im Hinblick auf die Berufswahl und die Berufsausübung neutral. Sie zielt nicht auf Art oder Inhalt der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit von Unternehmen. Das unterscheidet sie zB von der Erstattungspflicht der Unternehmen nach Entlassung langjähriger älterer Mitarbeiter nach § 128 AFG (jetzt: § 147a SGB III). Mit dem Erstattungsanspruch der BA will der Gesetzgeber der verbreiteten Praxis von Großbetrieben entgegenwirken, ältere Arbeitnehmer vor Erreichen der Altersgrenze zu entlassen und bei ihrer Sicherung bis zur Inanspruchnahme der Altersrente Leistungen bei Arbeitslosigkeit einzukalkulieren (BVerfGE 81, 156, 197 = SozR3-4100 § 128 Nr 1). Eine Tendenz des Gesetzgebers, durch die Leistung und Finanzierung von Kaug auf unternehmerische Entscheidungen einzuwirken, ist nicht zu erkennen. Die Ausführungen der Revision zur Berufsfreiheit der Klägerin treffen mithin nicht den Kern der Sache.
2.4 Die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Klägerin wird nur im Rahmen des Art 2 Abs 1 GG geschützt (BVerfGE 38, 281, 298; 50, 290, 366; 65, 196, 210 uö). Verfassungsrechtlich gewährleistet ist sie nur, soweit sie nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung, zu der jedes nach der Verfassung zustande gekommene Gesetz gehört, oder das Sittengesetz verstößt. Fragen der Verhältnismäßigkeit öffentlicher Abgaben wie der Kaug-Umlage unterliegen auch auf dieser Grundlage verfassungsrechtlicher Prüfung (BVerfGE 75, 108, 155 f). Insoweit gilt jedoch, was das BVerfG bereits zum Verhältnis von Kaug-Umlage und Lohnsumme im Rahmen des Art 14 GG gesagt hat (BVerfG SozR 4100 § 186b Nr 2). Bei der festgestellten Lohnsumme von über 190 Millionen DM ist die Umlageforderung von 238.521 DM nicht unverhältnismäßig. Der Verzicht auf Ausführungen zu Art 2 Abs 1 GG im vorliegenden Zusammenhang ist als beredtes Schweigen zu deuten.
Soweit die Revision eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das Fehlen einer Härtefallregelung stützt, sind ihre Ausführungen verfehlt. Für die Kaug-Umlage verweist § 186c Abs 3 Satz 3 AFG ausdrücklich auf die Vorschriften über den Beitrag zur gesetzlichen Unfallversicherung. Für diese gilt jedenfalls § 76 Abs 2 SGB IV, der Ausnahmetatbestände gegenüber dem Grundsatz der Anspruchsverwirklichung enthält. Selbst wenn diese Tatbestände nicht durch die Verweisung des § 186c Abs 3 Satz 3 AFG anwendbar wären, wären die Regelungen über die Kaug-Umlage für Härtefälle jedenfalls im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung für die Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände offen. Das steht der Annahme der Verfassungswidrigkeit der Umlagepflicht unter dem Gesichtspunkt Fehlen einer Härteregelung entgegen. Versuchen, die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen mit Hilfe formalistisch-restriktiver Gesetzesauslegung zu begründen, ist das BVerfG stets entgegengetreten. Um eine Vorlage nach Art 100 GG zulässig zu begründen, ist nicht nur die Entscheidungserheblichkeit der zur Prüfung gestellten Norm, sondern auch darzulegen, daß eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes ausgeschlossen ist (BVerfGE 89, 132, 141 = SozR 3-4100 § 186c Nr 1; BSG NZS 1997, 426 f). Das ist hier nicht möglich.
2.5 Mit der Berufung auf einander angeblich ausschließende Grundsätze (Solidarität-Konkurrenz) läßt sich die Verfassungswidrigkeit der Umlageregelung nicht rechtfertigen. Die in der Revisionsbegründung erörterten Prinzipien sind dem Gesetzgeber nicht vorgegeben. Vielmehr bestimmt dieser, inwieweit sie durch die Rechtsordnung zu verwirklichen sind. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß das GG den Gesetzgeber nicht etwa auf eine bestimmte Wirtschaftsordnung festlegt. Die Annahme, wirtschaftlich gefährdete Unternehmen dürften nicht mit Hilfe der Umlage („Quersubventionierung”) saniert werden, postuliert marktwirtschaftliche Konsequenz, die sich verfassungsrechtlich nicht belegen läßt.
3. Auch ein Verstoß gegen Vorschriften oder Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, der die Umlageregelung nicht anwendbar machte, ist nicht zu erkennen.
3.1 Bedenken gegenüber der Argumentation der Klägerin ergeben sich daraus, daß sie sich gegen die Inanspruchnahme mit einer Umlage wendet, die Rechtsgrundlagen dieser Umlage aber nicht an abgaberechtlichen, sondern leistungsrechtlichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts mißt. Die Revision wirft die Frage auf, ob die Zahlung von Kaug – jedenfalls wenn sie in das Sanierungskonzept für wirtschaftlich gefährdete Unternehmen einbezogen ist – als verbotene Beihilfe iS des Art 92 Abs 1 = neu 87 Abs 1 EGVtr anzusehen sei. Diese Möglichkeit eröffne das deutsche Recht, weil es Kaug für die letzten drei Monate der Arbeitsverhältnisse vor Konkurseröffnung vorsehe. Bestimmte es den „Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers wie Art 3 Abs 2 und Art 4 Abs 2 RL 80/987 nach dem Zeitpunkt der Stellung des Konkursantrags oder der Entscheidung des Konkursgerichts, ermäßige sich die Umlage entsprechend”. Das Bedenken gegenüber dem Prüfungsansatz der Revision besteht darin, ob sich – wie der EuGH zu formulieren pflegt – die Frage nach dem Beihilfecharakter einer Kaug-Zahlung in einem Verfahren stellt, welches sich gegen die Inanspruchnahme mit der Umlage richtet. Nur unter dieser Voraussetzung kommt eine Vorlage nach Art 177 = neu Art 234 EGVtr in Betracht. Sie ist hier nicht erfüllt. Die Verpflichtung der Berufsgenossenschaften und über diese die der Unternehmen (Arbeitgeber), den gesamten Aufwand für das Kaug (§ 186b Abs 1, § 186c Abs 3 AFG) jährlich nachträglich aufzubringen, umfaßt ggf auch den Aufwand, der durch mit deutschem oder Gemeinschaftsrecht nicht übereinstimmende Leistungen entstanden ist. Als Umlageschuldner ist der Arbeitgeber mit dem Einwand ausgeschlossen, die BA habe im Vorjahr bestimmte Leistungen zu Unrecht erbracht. Deshalb kann er auch nicht einwenden, Regelungen des deutschen Kaug-Rechts seien mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar.
Das BSG hat sich mehrfach mit der Frage befaßt, ob Einwände gegen die Verwendung von Beitragsaufkommen für Leistungen (zB versicherungsfremde Leistungen) gegen die Inanspruchnahme mit Beiträgen zu verwenden sind. Es hat diese Frage verneint und Einwände gegen die Beitragshöhe nur behandelt, „soweit sie sich nicht auf die Leistungsseite, sondern auf die Beitragsseite beziehen” (BSGE 81, 276, 280 = SozR 3-2600 § 158 Nr 1; vgl ferner BSGE 57, 184, 188 = SozR 2200 § 385 Nr 10; BSG Beschluß vom 9. Mai 1995 - 12 RK 94/94 – unveröffentlicht; dazu BVerfG Beschluß vom 27. September 1995 - 1 BvR 1680/95 – Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß des BSG). Das beruht auf dem Gebot, die öffentliche Hand bei Einwänden gegen die Verwendung von Haushaltsmitteln nicht durch Vorenthalten von Beiträgen am Vollzug gesetzlicher Aufgaben zu hindern (vgl auch: BVerfGE 67, 26, 36 = SozR 1500 § 54 Nr 60; BVerfGE 78, 320, 331 = SozR 1500 § 54 Nr 86; BVerwGE 59, 242).
Etwas anderes läßt sich dem Urteil BSGE 25, 243, 245 = SozR Nr 2 zu § 54 BVG nicht entnehmen. In jenem Verfahren hatte ein Unternehmer als Mitglied der See-BG gegen die Höhe der Beiträge zur Unfallversicherung eingewandt, sie seien dadurch bedingt, daß aufgrund einer verfassungswidrigen Vorschrift bestimmte Kriegsfolgen als Unfallfolgen zu entschädigen seien. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat das BSG zwar die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit künftiger Rentenzahlungen zur Sache dahin beschieden, die den Kläger belastende Regelung sei nicht verfassungswidrig. Das Bedenken der Vorinstanzen, es handele sich „um die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage aufgrund eines Sachverhalts, dessen Eintritt noch ungewiß” sei, hat das BSG damit ausgeräumt, der Leistungsaufwand aufgrund der vom Kläger für verfassungswidrig gehaltenen Regelung beeinflusse zwangsläufig das Ausmaß der Umlagen und damit die Höhe der von den Mitgliedern aufzubringenden Beiträge (aaO 245).
Der Revision liegt eine vergleichbare Überlegung zugrunde. Sie ist jedoch nicht auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit künftiger Leistungen gerichtet, sondern gegen die 1994 erhobene Umlage für den 1993 entstandenen Aufwand. Ein weiterer Unterschied zu dem vom BSG aaO beurteilten Sachverhalt besteht darin, daß die Klägerin eine abstrakte Normenkontrolle betreibt, die ihr nicht zusteht. Sie führt aus, bestimmte das deutsche Recht den „Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers” entsprechend Art 3 Abs 2 und 4 Abs 2 RL 80/987 nach dem Zeitpunkt der Stellung des Konkursantrags oder der Entscheidung über den Konkursantrag, so entfielen Leistungen für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung, wie sie das deutsche Recht vorsehe, und die Umlage ermäßige sich entsprechend. Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob der EuGH in seinem Urteil vom 10. Juli 1997 - Rs C 373/95 – aus der RL 80/987 Grenzen für die Bewilligung von Kaug-Leistungen entnommen hat. Entscheidend ist, ob die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Art 92 = neu 87 EGVtr zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Umlagebescheides 1993 heranzuziehen sind, obwohl die Klägerin nicht geltend macht, sie werde durch Leistungen an andere konkret als Wettbewerber betroffen. Insoweit unterscheidet sich die Verfahrenslage von der erwähnten Umlageproblematik in der Unfallversicherung, die das BSG entschieden hat. Dort war über die Verfassungsmäßigkeit und damit Rechtmäßigkeit bestimmter Leistungen zu befinden, während sich die Klägerin auf die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen über Beihilfen beruft, obwohl sie eine Wettbewerbslage überhaupt nicht geltend macht. Sie wirkt auf eine konkrete Normenkontrolle (Art 177 = neu 234 EGVtr) hin, betreibt aber der Sache nach eine abstrakte Normenkontrolle. Eine konkrete Normenkontrollage bestände allenfalls, wenn die Klägerin Fälle, in denen die Zahlung von Kaug zu Sanierungsversuchen und Fortführung von Unternehmen verwandt wird, zum Anlaß nähme, sich gegen die Bewilligung von Leistungen zu wenden. Nur dann wäre der in BSGE 25, 243, 245 = SozR Nr 2 zu § 54 BVG aufgezeigte Zusammenhang von Leistungsaufwand und Beitragslast gegeben. Indem die Klägerin Kaug-Leistungen allgemein an Art 92 Abs 1 = neu Art 87 Abs 1 EGVtr mißt, versucht sie nicht nur den wirtschaftlich gefährdete Unternehmen begünstigenden Effekt von Kaug-Leistungen, sondern auch die Finanzierung dieser Sozialleistung und damit die Sozialleistung insgesamt zu Fall zu bringen. Es widerspricht jedoch – wie erwähnt – rechtsstaatlichen und haushaltsrechtlichen Grundsätzen, Körperschaften des öffentlichen Rechts bei Einwänden gegen die Verwendung von Haushaltsmitteln durch Vorenthalten von Beiträgen am Vollzug der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben zu hindern. Im Hinblick auf die durch RL 80/987 angestrebte Sicherung von Arbeitnehmern durch Kaug kann Gegenteiliges auch nicht der Wettbewerbsregel des Gemeinschaftsrechts entnommen werden. Der angeführte Grundsatz zeigt, daß Art 92 Abs 1 = neu Art 87 Abs 1 EGVtr nicht der richtige Entscheidungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit der Kaug-Umlage nach Grund und Höhe sein kann.
3.2 Ein Rechtssatz des Gemeinschaftsrechts, der dem erörterten Grundsatz des deutschen Verwaltungsrechts entgegensteht, wonach Einwände gegen die Verwendung von Haushaltsmitteln die Rechtmäßigkeit gesetzlicher Beitrags- oder Umlagepflichten unberührt lassen, ist nicht zu erkennen.
Verfahrensrechtlich hat der EuGH aus der Gestaltung des Beihilfeverbots („weder absolut noch unbedingt”) und der Aufgabe der Kommission nach Art 93 Abs 1 = neu 88 Abs 1 EGVtr („fortlaufende Überprüfung”) entnommen, die Feststellung der Unvereinbarkeit sei ausschließlich Sache der Kommission; dem einzelnen sei es grundsätzlich verwehrt, sich auf das Beihilfeverbot vor einem nationalen Gericht zu berufen (EuGHE 1977, 557, 572, 575).
Etwas anderes kann gelten, wenn der Mitgliedsstaat die nach Art 93 Abs 3 = neu Art 88 Abs 3 EGVtr gebotene Notifizierung gegenüber der Kommission unterlassen hat. Die unmittelbare Wirkung des Durchführungsverbots (Sperrwirkung) nach Art 93 Abs 3 Satz 3 = neu Art 88 Abs 3 Satz 3 EGVtr (EuGHE 1964, 1255, 1273) eröffnet für mitgliedstaatliche Gerichte lediglich die Möglichkeit, „den in Art 92 = neu Art 87 EGVtr enthaltenen Begriff der Beihilfe aus(zu)legen und an(zu)wenden”, um über die Notifizierungspflicht zu entscheiden (EuGHE 1991 I-5505, 5523, 5527 f = NJW 1993, 49 f). Die Sperrwirkung betrifft indes nur die Wirksamkeit der „Beihilfemaßnahme” und sich daraus ergebender rechtlicher Folgerungen. Wegen der ausschließlichen Zuständigkeit der Kommission entscheiden die mitgliedstaatlichen Gerichte nicht über die Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem gemeinsamen Markt (EuGHE 1991 I-5505, 5523, 5528). Die Fragen, ob und unter welchen Umständen die Bewilligung von Kaug an Arbeitnehmer eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beihilfe ihres Arbeitgebers enthalten kann, stellen sich damit in diesem Verfahren nicht. Die zur Durchsetzung der Sperrwirkung gebotenen „rechtstechnischen Voraussetzungen” richten sich nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates (EuGHE 1973, 1471, 1483). Da die Sperrwirkung des Art 93 Abs 3 Satz 3 = neu Art 88 Abs 3 Satz 3 EGVtr und die sich daraus ergebende Unwirksamkeit von Rechtsakten nach deutschem Recht sich nur gegen die Rechtmäßigkeit von Beihilfen, nicht aber die Umlagepflicht richtet, kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob die Bundesrepublik Deutschland einer Notifizierunspflicht nicht nachgekommen ist.
3.3 Der Justizgewährungsanspruch der Klägerin nach Art 19 Abs 4 GG wird dadurch nicht berührt. Er umfaßt nicht einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch, sondern setzt die Betroffenheit der Klägerin in eigenen Rechten voraus (BVerfGE 78, 214, 226; 83, 182, 195; BSGE 43, 134, 141 = SozR 4100 § 34 Nr 6; BSG Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 45/98 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen; BVerwGE 39, 329, 336; 96, 302, 305; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee – Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 1998, 69; P.-M. Huber, Konkurrenzschutz im Verwaltungsrecht, 1991, 316 ff). Im Falle der Verletzung des Notifizierungsgebots könnte die Klägerin die Unwirksamkeit von Kaug-Bewilligungen und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen bei Bestehen eines Feststellungsinteresses mit der Feststellungsklage (§ 55 Abs 1 SGG) oder bei Betroffenheit in eigenen Rechten mit der Unterlassungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) geltend machen (BSGE 25, 243, 245 = SozR Nr 2 zu § 54 BVG; BSGE 43, 134, 136 = SozR 4100 § 34 Nr 6; BSGE 60, 248, 250 = SozR 1500 § 54 Nr 67; BSG Urteil vom 11. Mai 1999 - B 11 AL 45/98 R –; vgl auch BVerfGE 67, 26, 36 = SozR 1500 § 54 Nr 60; BVerfGE 78, 320, 331 = SozR 1500 § 54 Nr 86). Als Klagegegner käme aber nicht die beklagte BG, die die zur Deckung des von ihr aufzubringenden Anteils des Kaug-Aufwands erforderlichen Umlagen festzustellen und einzuziehen hat, sondern die BA als zuständiger Sozialleistungsträger in Betracht. Sie hat über die Bewilligung von Kaug-Leistungen zu entscheiden und diese im Falle der Verletzung des Notifizierungsgebots zu unterlassen.
Da eine Klage gegen die Umlage nicht mit Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Verwendung der Mittel zu begründen ist, kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
BSGE, 83 |
KTS 2000, 453 |
NZA 2000, 200 |
NZI 2001, 93 |
NZS 2000, 409 |
ZInsO 2000, 174 |