Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligtenfähigkeit des Prothetik-Einigungsausschusses
Orientierungssatz
1. Der Prothetik-Einigungsausschuß iS des § 4 Anl 12 zum BMV-Zahnärzte ist im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (vgl BSG 18.2.1986 6 RKa 10/85 = SozR 1500 § 70 Nr 3).
2. In § 368n Abs 5 RVO ist das Verfahren für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der kassenärztlichen und kassenzahnärztlichen Versorgung abschließend geregelt. Die Vertragspartner können keine davon abweichende Bestimmungen treffen.
Normenkette
SGG § 70 Nr 4; RVO § 368g Abs 2; RVO § 368g Abs 3; BMV-Z Anl 12 § 4; RVO § 368n Abs 5
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 06.11.1985; Aktenzeichen L 12 Ka 48/83) |
SG München (Entscheidung vom 05.07.1983; Aktenzeichen S 33 Ka 397/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die zeitgerechte Erhebung einer Prothetik-Mängelrüge.
Am 30. Januar 1980 gliederte der Beigeladene zu 2) bei der Patientin K. eine Oberkieferbrücke ein. Der Kläger leitete am 14. Oktober 1980 ein Gutachterverfahren ein und erhob am 23. Oktober 1980 die Mängelrüge zur Durchführung des Prothetik-Einigungsverfahrens. Mit Beschluß vom 20. Mai 1981 lehnte der Prothetik-Ausschuß die Anerkennung der Mängelrüge ab mit der Begründung, die Sechsmonatsfrist des § 4 Abs 1 der Vereinbarung über das Gutachterverfahren bei der Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen (ZM 1975, 100 - im folgenden: Vereinbarung) sei verstrichen. Der Beklagte hat den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen (Beschluß vom 17. Juli 1981).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen und ausgeführt, dem Beklagten fehle die nach § 70 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erforderliche Parteifähigkeit. Die Installierung von RVO-Prothetik- und Prothetik-Einigungsausschüssen stütze sich nicht auf eine Vorschrift der Reichsversicherungsordnung (RVO), sondern beruhe auf § 2 Abs 3 des Bundesmantelvertrages-Zahnärzte (BMV-Z). Den Ausschüssen seien nur vertraglich normierte, nicht gesetzlich vorgesehene Aufgaben übertragen. Dagegen beruhe die Bestimmung des § 70 Nr 4 SGG auf dem Gedanken, daß die dort genannten Stellen zur Prozeßführung besonders berufen sind, weil sie die abschließende Entscheidung aufgrund gesetzlicher Vorgabe weisungsfrei treffen könnten.
Der Kläger hat Revision eingelegt. Er beruft sich zur Beteiligtenfähigkeit des Beklagten auf das Urteil des Senats vom 18. Februar 1986 - 6 RKa 10/85 - (SozR 1500 § 70 SGG Nr 3). Weiter macht er geltend, die Frist des § 4 Abs 1 der Vereinbarung sei hier nach § 639 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehemmt gewesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 6. November 1985 - L 12/Ka 48/83 - und des Sozialgerichts München vom 5. Juli 1983 - S 33 Ka 397/81 Z - und den Beschluß des Prothetik-Ausschusses vom 20. Mai 1981 in Gestalt des Beschlusses des Prothetik-Einigungsausschusses vom 17. Juli 1981 aufzuheben und dem Antrag der S.-Betriebskrankenkasse auf Mängelrüge vom 23. Dezember 1980 stattzugeben. Hilfsweise festzustellen, daß infolge der eingetretenen Hemmung bzw Unterbrechung der Verjährungsfrist der Prothetik-Ausschuß verpflichtet ist, über den Mängelanspruch eine Entscheidung zu treffen.
Der Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Klägers zur Beteiligtenfähigkeit an.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinn der Zurückverweisung an das LSG zu neuer Verhandlung und Entscheidung begründet.
Der beklagte Prothetik-Einigungsausschuß ist im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig. Wie der Senat im Urteil vom 18. Februar 1986 - 6 RKa 10/85 - (aaO) entschieden hat, kommt diese Fähigkeit den selbständigen Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung in der kassenzahnärztlichen Versorgung zu, soweit sie die allgemeine Voraussetzung erfüllen, Zuordnungssubjekt der bezüglich des Streitgegenstandes in Frage stehenden Rechte und Pflichten sein zu können. Diese Voraussetzungen liegen beim Beklagten vor. Er ist auf gesetzlicher Grundlage (§ 368g Abs 2 und 3 RVO) durch normative Regelungen des BMV-Z und gesamtvertragliche Vereinbarungen als ein selbständiger Ausschuß der gemeinsamen Selbstverwaltung der beigeladenen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) und der Krankenkassen errichtet worden. Nach der Vereinbarung vom 4. März 1975 zum Landesmantelvertrag-Zahnärzte, die der Senat hier seiner Entscheidung zugrunde legen kann, besteht der beklagte Ausschuß aus je drei von der KZÄV und den Landesverbänden der Krankenkassen benannten Vertretern. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften berechtigen und verpflichten ihn, im Rahmen der prothetischen Versorgung der Versicherten auch Entscheidungen zur Regelung eines Einzelfalls zu treffen, die auf unmittelbare Wirkung nach außen gerichtet sind und deshalb Verwaltungsakte darstellen (§ 31 Satz 1 SGB X). Nach § 4 der Anlage 12 zum BMV-Z hat der Prothetik-Einigungsausschuß die Aufgabe, über Ansprüche zu entscheiden (Urteil des Senats vom 18. Februar 1986, aaO). Die im vorliegenden Fall geltenden landesrechtlichen Vorschriften haben dem Beklagten diese Aufgabe ebenfalls zugewiesen. Nach der Vereinbarung vom 4. März 1975 gelten für das Verfahren - gemeint ist das Verfahren des Prothetik-Ausschusses und des Prothetik-Einigungsausschusses - die Vorschriften des BMV-Z und der Verfahrensordnung - VerfO - (Anlage 4 zum BMV-Z) entsprechend. Diese - auch in § 4 Abs 2 der Anlage 12 zum BMV-Z vorgesehene - Verweisung richtet sich auf die für die Wirtschaftlichkeitsprüfung maßgeblichen Vorschriften (Urteil des Senats vom 18. Februar 1986, aaO). Dazu gehört insbesondere die in § 5 Abs 1 Buchst b der VerfO geregelte Entscheidung der Prüfungsausschüsse darüber, ob die berechneten Leistungen den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen über die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit entsprechen. Die Vorschrift schließt die im BMV-Z nicht ausdrücklich geregelte Befugnis ein, die Honorarforderung des Zahnarztes zu kürzen. In entsprechender Anwendung des BMV-Z und der VerfO hat der Beklagte über Mängelansprüche zu entscheiden, so daß alle Voraussetzungen für die Beteiligtenfähigkeit gegeben sind.
Damit ist nicht entschieden, daß der Beklagte ohne weiteres rechtmäßig Verwaltungsakte erlassen kann, die sich inhaltlich als Maßnahme zur Überwachung der Wirtschaftlichkeit darstellen. Das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung ist in § 368n Abs 5 RVO geregelt. Die Vertragspartner können für die Wirtschaftlichkeitsprüfung keine davon abweichenden Bestimmungen treffen. In § 368n Abs 5 RVO ist ein Verfahren in zwei paritätisch besetzten Instanzen vorgesehen mit einem Beschwerderecht der Krankenkassen. Nach der Vereinbarung vom 4. März 1985 ist zwar dem Beklagten ein Prothetik-Ausschuß vorgeschaltet. Dieser ist aber nicht paritätisch besetzt.
Die Sache ist an die Vorinstanz zurückzuverweisen, da das LSG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zur Sache getroffen hat.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen