Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall des Kindergeldanspruches. Student. Erwerbseinkommen von wenigstens 750 DM im Kalendermonat. Verfassungsmäßigkeit. Erwerbseinkommen von wenigstens 750 DM aus einer im Laufe des Monats aufgenommenen Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung über den Wegfall des Anspruchs auf Kindergeld für Kinder, die als Studenten aus einer Erwerbstätigkeit einen Anspruch auf Bruttobezüge von wenigstens 750 DM im Kalendermonat erworben haben, ist verfassungsgemäß (Fortführung von BSG vom 24.9.1986 – 10 RKg 6/85 = SozR 5870 § 2 Nr 46).
2. Der Anspruch auf Kindergeld für den laufenden Monat entfällt auch dann, wenn ein Kind monatliche Bruttobezüge von wenigsten 750 DM aus einer Erwerbstätigkeit bezogen hat, die erst im Laufe des Kalendermonats aufgenommen worden ist (Aufgabe von BSG vom 6.4.1989 – 10 RKg 13/88 = SozR 5870 § 9 Nr 9).
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
BKGG § 2 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1994-01-31, § 9 Fassung: 1994-01-31, § 44g Fassung: 1994-01-31; SGB X §§ 48, 50; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Mai 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung und die Erstattung von Kindergeld (Kg) für die Monate Februar und März 1994 in Höhe von insgesamt 140 DM.
Der Kläger, Beamter des beklagten Landes, bezog 1993 und 1994 Kg für seine Töchter B. … (B), geboren 1972, und K. … (K). B hatte nach Abschluß ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau (Juli 1993) im Wintersemester 1993/94 ein betriebswirtschaftliches Studium an der Fachhochschule Augsburg aufgenommen. Das Kg betrug 1994 monatlich 140 DM, und zwar 70 DM für das erste und weitere 70 DM (Sockelbetrag) für das zweite Kind. Im April 1994 teilte der Kläger dem Beklagten mit, B sei in der Zeit vom 14. Februar bis zum 11. März 1994 (Semesterferien) als Bankkauffrau bei der Stadtsparkasse F. … beschäftigt gewesen und habe ein Gehalt von brutto 2.610,06 DM bezogen. Daraufhin hob der Beklagte die Kg-Bewilligung für B für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. März 1994 auf (Bescheid vom 10. Juni 1994): B sei nach § 2 Abs 2 Satz 2 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) idF des Gesetzes vom 21. Dezember 1993 (aF) in beiden Monaten beim Kg-Anspruch des Klägers nicht zu berücksichtigen gewesen, da sie aus einer Erwerbstätigkeit anteilige monatliche Bruttogehaltsansprüche von wenigstens 750 DM erworben habe. Der Kläger habe seit Januar 1994 Kg nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung bezogen (§ 44g BKGG aF). Die entstandene Überzahlung von 140 DM werde zurückgefordert und gegen die laufenden Dienstbezüge aufgerechnet. Mit gleichem Bescheid wurde der für die Monate Februar und März 1994 gezahlte kinderbezogene Anteil im Ortszuschlag in Höhe von insgesamt 291,02 DM nach den §§ 12 Abs 2, 40 Abs 3 und 41 Abs 2 Satz 2 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) zurückgefordert und auch hier die Aufrechnung angeordnet. Der gegen beide Maßnahmen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1994).
Die vorliegende Klage betrifft die Kg-rechtlichen Entscheidungen des Beklagten. Der Kläger hält die Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF für verfassungswidrig. Sie benachteilige Eltern von Studenten im Vergleich zu Eltern von Auszubildenden in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise, da das Gesetz nicht auf die durchschnittlichen monatlichen Arbeitseinkünfte des Kindes innerhalb eines Jahres abstelle, sondern stets nur die konkreten Arbeitseinkünfte eines jeden Kalendermonats maßgebend dafür seien, ob ein in Schul- oder Berufsausbildung befindliches Kind im jeweiligen Monat für den Kg-Anspruch zu berücksichtigen sei. Die Regelung führe nur bei regelmäßigen Arbeitseinkünften, wie sie Auszubildenden gezahlt werden, zu tragbaren Ergebnissen, nicht aber bei Einkünften aus kurzzeitigen, auf nur wenige Wochen oder Monate im Jahr beschränkten Erwerbstätigkeiten, wie sie für Studenten typisch seien. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung bestehe ferner zwischen den Eltern von Studenten und den Eltern von Schülern allgemeinbildender Schulen, da die von Schülern in den Ferien erzielten Arbeitseinkünfte in keinem Fall Kg-schädlich seien. Darüber hinaus führe die Kopplung von Kg-Berechtigung, Ortszuschlag und Beihilfeanspruch im Beamtenrecht zu einer zusätzlichen Ungleichbehandlung von Beamten gegenüber allen anderen Kg-Beziehern.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. November 1994). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, die Anordnung der Aufrechnung des überzahlten Kg-Betrages gegen die laufenden Dienstbezüge wegen unterbliebener Ermessensausübung (§ 44g Abs 3 Satz 2 BKGG aF) aber aufgehoben (Urteil vom 18. Mai 1995). Beide Vorinstanzen halten die Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF nicht für verfassungswidrig.
Mit der Revision wiederholt der Kläger seine verfassungsrechtlichen Bedenken. Er ist der Ansicht, § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG), gegen den Schutz der Familie (Art 6 Abs 1 GG), gegen das Recht auf freie Berufswahl (Art 12 Abs 1 GG) sowie gegen den zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählenden Anspruch auf angemessene Alimentierung (Art 33 Abs 5 GG).
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen LSG vom 18. Mai 1995 und des SG Augsburg vom 7. November 1994 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 10. Juni 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juli 1994 insgesamt aufzuheben, soweit sie das Kg für die Monate Februar und März 1994 betreffen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit dem Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Ihm ist für seine Tochter B im Februar und März 1994 das Kg zu Unrecht gewährt worden. Er ist zur Rückzahlung des überzahlten Kg-Betrages von 140 DM verpflichtet. Dabei kann offenbleiben, ob der Rückforderungsanspruch des Beklagten auf die allgemeine Regelung der §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und 50 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder – wie im Bescheid ausgeführt – auf die Übergangsregelung des § 44g BKGG aF zu stützen ist, obwohl ein Übergangsfall wegen der erst im Februar 1994 eingetretenen Änderung der Verhältnisse nicht vorliegt. Beide denkbaren Anspruchsgrundlagen führen zum gleichen Ergebnis; eine unrichtige Begründung allein macht einen Verwaltungsakt nicht rechtswidrig.
Nach § 48 Abs 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Satz 2 Nr 3). Dies gilt auch im Falle der Erzielung des Einkommens durch einen Dritten, sofern dieses Einkommen für den Bestand oder die Höhe des Leistungsanspruchs des Betroffenen von Bedeutung ist (BSG SozR 1300 § 48 Nr 53; Schroeder-Printzen/Wiesner, SGB X, 3. Aufl 1996, § 48 RdNr 24). Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung sind hier erfüllt. Der Beklagte hat daher die Kg-Bewilligung für B für die Monate Februar und März 1994 zu Recht aufgehoben.
Maßgebend für den Anspruch auf Kg ist § 2 Abs 2 BKGG idF des Art 5 Nr 2 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I S 2353). Diese Fassung entspricht der am 31. Januar 1994 bekanntgemachten Neufassung des BKGG (BGBl I S 168). Sie ist am 1. Januar 1994 in Kraft getreten (Art 14 Abs 1 des 1. SKWPG) und war bis zum 31. Dezember 1995 gültig (BKGG aF). Nach § 2 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 BKGG aF werden für den Kg-Anspruch Kinder, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, nur dann berücksichtigt, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden. Dies gilt jedoch nicht, wenn dem Kind aus dem Ausbildungsverhältnis oder einer Erwerbstätigkeit Bruttobezüge in Höhe von wenigstens 750 DM monatlich zustehen oder nur deswegen nicht zustehen, weil das Kind auf einen Teil der vereinbarten Bruttobezüge verzichtet hat. Außer Ansatz bleiben dabei während der Ferien erzielte Bruttobezüge von Schülern, die allgemeinbildende Schulen besuchen, Ehegatten- und Kinderzuschläge und einmalige Zuwendungen sowie vermögenswirksame Leistungen, die dem Kind über die geschuldete Vergütung hinaus zustehen, soweit sie den nach dem jeweils geltenden Vermögensbildungsgesetz begünstigten Höchstbetrag nicht übersteigen.
Die Voraussetzungen dieses Ausschlußtatbestandes haben bei der Tochter B des Klägers in der fraglichen Zeit vorgelegen. Sie war Anfang 1994 21 Jahre alt und befand sich als Studentin der Betriebswirtschaftslehre in weiterer Berufsausbildung, nachdem sie die Ausbildung zur Bankkauffrau abgeschlossen hatte. In ihrem erlernten Beruf war B in der Zeit vom 14. Februar bis zum 11. März 1994 als Angestellte tätig. Die Erwerbstätigkeit fiel in die Semesterferien. Die Berufsausbildung war daher nicht unterbrochen; der Status als Studentin bestand trotz der befristeten Arbeitnehmertätigkeit fort. Die Bruttobezüge überstiegen auch die in § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF genannte Grenze von 750 DM monatlich. Bei Beschäftigungen, die – wie hier – in zwei Kalendermonaten ausgeübt werden, diese aber jeweils nur teilweise erfassen, sind die Bruttobezüge anteilmäßig aufzuteilen, ohne daß es darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die Bezüge tatsächlich ausgezahlt worden sind (BSG SozR 5870 § 2 Nr 63). Entscheidend ist dabei der erworbene Anspruch auf Ausbildungsvergütung bzw Arbeitsentgelt, nicht aber jener Anspruch, der – fiktiv – bei einer den gesamten Kalendermonat umfassenden Tätigkeit jeweils erworben worden wäre (BSG aaO). Demgemäß entfallen von den erzielten Bruttobezügen in Höhe von 2.610,06 DM auf den Monat Februar 1994 rund 1.500 DM (15 Tage zu je 100,39 DM) und auf den Monat März 1994 rund 1.100 DM (11 Tage zu je 100,39 DM), also jeweils mehr als 750 DM monatlich.
Die Erfüllung des Ausschlußtatbestandes des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF führt dazu, daß der Beklagte die Tochter B beim Kg-Anspruch des Klägers für die Monate Februar und März 1994 nicht berücksichtigen durfte. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Regelung des § 9 Abs 1 BKGG aF. Danach wird Kg stets vom Beginn des Monats an gewährt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, und es wird bis zum Ende des Monats gewährt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Nach der Rechtsprechung des 10. Senats des Bundessozialgerichts (BSG), der bis Ende 1996 für das Kg-Recht zuständig war, wurden die Vorschriften des § 2 BKGG aF über die Nichtberücksichtigung von Kindern mit eigenem Einkommen durch die Regelung des § 9 Abs 1 BKGG aF eingeschränkt (BSG SozR 5870 § 9 Nr 9 zu § 2 Abs 4 BKGG aF). Der 10. Senat vertrat den Standpunkt, daß sich eine Kg-Behörde bei Erzielung eines die relevanten Grenzen überschreitenden Einkommens aus einer erst im Laufe eines Kalendermonats aufgenommenen Erwerbstätigkeit nicht auf § 48 Abs 1 Satz 3 SGB X berufen könne. Die Erzielung von Einkünften aus einem in der Monatsmitte beginnenden Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis berühre die Erfüllung der Kg-Voraussetzungen in der ersten Monatshälfte nicht, was nach § 9 Abs 1 Halbsatz 2 BKGG aF zu einem Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen erst im Folgemonat führe (BSG SozR 5870 § 9 Nr 9). Im umgekehrten Fall, nämlich der Erzielung der Einkünfte aus einer vor dem Monatsende beendeten Tätigkeit, führe die Regelung des § 9 Abs 1 Halbsatz 1 BKGG aF hingegen nicht zu einem Anspruch auf Kg für diesen Monat. Die Überschreitung der Einkommensgrenze wirke in solchen Fällen bis zum Monatsende fort (BSG SozR 5870 § 2 Nr 63). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wäre dem Kläger für den Monat Februar 1994 zu Recht Kg für B gewährt worden. Der erkennende Senat folgt der Rechtsprechung des 10. Senats insoweit nicht. Sie führt zu sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen, wenn es bei gleichen monatlichen Einkünften darauf ankommt, ob diese am Anfang oder erst am Ende des Monats erzielt werden. Dies kann durch die folgende Gesetzesauslegung vermieden werden: Die Erzielung von Einkommen im Laufe eines Monats führt nicht dazu, daß der Anspruch auf Kg wegfällt, wie es § 9 Abs 1 Halbsatz 2 BKGG aF voraussetzt, um die Fortzahlung des vollen Kg bis zum Monatsende zu bewirken. Vielmehr folgt aus der Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF, daß ein Anspruch auf Kg für den jeweiligen Monat gar nicht erst entsteht, wenn in seinem Verlauf Einkommen in einer bestimmten Mindesthöhe erzielt wird. Im Einzelfall kann danach sogar bis zum Monatsende ungewiß bleiben, ob im Hinblick auf ein solches Einkommen ein – dann vom Beginn des Monats zu gewährendes (§ 9 Abs 1 Halbsatz 1 BKGG aF) – Kg zusteht. Der erst in der Mitte des Monats Februar entstandene Anspruch von B auf Entgelt in einer Höhe von mehr als 750 DM hat danach den Kg-Anspruch des Klägers für diesen Monat rückwirkend entfallen lassen. Der Monatsbeginn ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Änderung der Verhältnisse rechtlich auswirkt.
Die Änderung der Rechtsprechung erfordert nicht die Anfrage beim 10. Senat, ob er an seiner Ansicht zur Auslegung der §§ 2 und 9 BKGG aF festhält, und auch nicht die Anrufung des Großen Senats des BSG (§ 41 SGG), da der 10. Senat seit dem 1. Januar 1997 nicht mehr für das Kg-Recht zuständig ist (vgl BSGE 58, 188 = SozR 1500 § 42 Nr 10).
Der Anwendung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF stehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen.
Art 3 Abs 1 GG ist nicht dadurch verletzt, daß der Gesetzgeber bei der Nichtberücksichtigung von Kindern wegen nicht unerheblicher eigener Einkünfte aus Ausbildungs- oder Erwerbstätigkeit im Rahmen des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF Studenten und Auszubildende gleich behandelt. Art 3 Abs 1 GG enthält die allgemeine Weisung an den Gesetzgeber, „bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln” (BVerfGE 3, 58, 135 f; 18, 38, 46). Eine Maßnahme ist nicht am Gerechtigkeitsgedanken orientiert und damit der Gleichheitssatz verletzt, „wenn sich für sie keine vernünftigen Erwägungen finden lassen, die sich aus der Natur der Sache ergeben oder sonstwie einleuchtend sind” (BVerfGE 10, 234, 246), die Maßnahme also als willkürlich bezeichnet werden muß (BVerfGE 1, 14, 52; 25, 101, 105; 27, 364, 371; stRspr). Der Gleichheitssatz verlangt folglich nicht, daß bei der Ordnung eines bestimmten Lebensgebietes alle tatsächlichen Verschiedenheiten berücksichtigt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine am Gleichheitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, daß sie beachtet werden müssen (BVerfGE 1, 264, 276; 4, 31, 42; 9, 124, 130; stRspr). Die Regelung ist dabei aber nicht darauf zu überprüfen, ob der Gesetzgeber jeweils die gerechteste und zweckmäßigste Lösung gefunden hat (BVerfGE 3, 58, 135; 4, 7, 18; 19, 354, 367 f; BSG SozR 5870 § 2 Nrn 11, 42, 46).
Diesem Maßstab wird § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF gerecht. Die Regelung überschreitet nicht die dem Gesetzgeber von der Verfassung auferlegten Schranken. Mit Urteil vom 24. September 1986 – 10 RKg 6/85 – (SozR 5870 § 2 Nr 46) hat der 10. Senat die Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Kindern, denen aus einem Ausbildungsverhältnis monatliche Bruttobezüge von mindestens 750 DM zustehen, bejaht. Dem schließt sich der erkennende Senat an. Die grundsätzlichen Erwägungen jener Entscheidung sind auch auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar. Das Kg dient dem sozialpolitischen Zweck eines Familienlastenausgleichs. Der durch Kinder bedingte höhere Aufwand einer Familie soll zumindest teilweise ausgeglichen werden (BVerfGE 23, 261, 263). Von diesem Zweck aus betrachtet ist es eine vernünftige Regelung, bei der Anrechnung eigenen Einkommens Studenten und Auszubildende gleich zu behandeln. Der Grund für die Kg-Gewährung, der auch bei einem über 16 Jahre alten Kind in einem Ausgleich von finanziellen Belastungen der Familie liegt, entfällt in gleicher Weise bei einem Studenten wie bei einem Auszubildenden, wenn das Kind die festgelegte Einkommensgrenze überschritten hat und so in der Lage ist, sich aus eigenen Arbeitseinkünften im wesentlichen selbst zu unterhalten. Dabei ist es auch sachgerecht, auf die Fähigkeit des Kindes abzustellen, den Unterhalt im jeweiligen Kalendermonat aus eigenen Einkünften sicherstellen zu können und nicht darauf abzuheben, ob das in einem Kalenderjahr insgesamt erzielte Arbeitseinkommen rechnerisch ausreicht, ein monatliches Durchschnittseinkommen von wenigstens 750 DM zu erbringen, wie es der Kläger wünscht. Diese Berechnungsmethode, die der Sache nach dem ab 1. Januar 1996 geltenden neuen Kg-Recht mit der maßgebenden Jahreseinkommensgrenze von 12.000 DM (1996 und 1997) bzw 12.360 DM (1998) und 13.020 DM (ab 1999) zugrunde liegt (vgl §§ 32 Abs 4 Satz 2, 63 Abs 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz idF des Art 2 Jahressteuergesetz 1996 und § 2 Abs 2 Satz 2 iVm § 20 Abs 2 BKGG nF), vermeidet zwar weitgehend die sich aus § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF ergebenden Nachteile für den Kg-Anspruch bei wechselnden, die Monatsverdienstgrenze nur sporadisch überschreitenden Einkommen, wie sie bei jenen Studenten, die nur oder vermehrt in den Semesterferien arbeiteten, nicht selten vorkamen. Dieser für Auszubildende wie für Studenten gleichermaßen geltende Wechsel in der Berechnungsmethode für den einkommensabhängigen Ausschluß des Kg-Anspruchs war jedoch nicht verfassungsrechtlich geboten, sondern beruht allein auf Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten, die sich aus der weitgehenden Integration des Kg-Rechts in das Steuerrecht zum 1. Januar 1996 erklären. Verfassungsrechtlich wäre der Gesetzgeber nicht gehindert gewesen, auch nach dem 31. Dezember 1995 uneingeschränkt und nicht nur partiell (vgl § 2 Abs 2 Satz 5 BKGG nF) an dem Prinzip festzuhalten, die Notwendigkeit von Kg-Zahlungen weiterhin nach den Einkommensverhältnissen des Kindes im jeweils laufenden Kalendermonat zu beurteilen. Dieses Prinzip ist im Vergleich zum Prüfungsmaßstab des Jahresgesamteinkommens von Sinn und Zweck der Regelung her gleichermaßen sachgerecht und angemessen, so daß verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Aspekt des Art 3 Abs 1 GG selbst dann noch nicht zu erheben gewesen wären, wenn die Eltern der Mehrzahl aller Studenten während des Studiums von der Ausschlußregelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF aufgrund hoher Einkünfte ihrer Kinder aus Erwerbstätigkeit in den Semesterferien in den fraglichen Monaten betroffen gewesen wären. Auch in diesem Falle wäre die Gleichbehandlung von Auszubildenden und Studenten und der Verzicht auf die Einführung des Jahresgesamteinkommens als maßgebliche Berechnungsgröße des Ausschlußtatbestandes nicht als willkürlich anzusehen. Aufgrund des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Gestaltungsspielraums bei nicht beitragsfinanzierten sozialrechtlichen Leistungen (BVerfGE 23, 261, 264; stRspr) ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, eine sachgerechte, aber in Einzelfällen möglicherweise zur Erfüllung des Ausschlußtatbestandes führende Regelung zugunsten einer den Kreis der vom Ausschlußtatbestand tatsächlich Betroffenen einengenden Regelung aufzugeben (vgl BVerfGE 3, 58, 135; 4, 7, 18; 19, 354, 367 f; BSG SozR 5870 § 2 Nrn 11, 42, 46).
Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt auch nicht darin, daß § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF während der Ferien erzielte Bruttobezüge von Schülern allgemeinbildender Schulen ausnahmslos als für den Kg-Anspruch unschädlich bezeichnet. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung den typischen Fall des Ferienjobs von Schülern im Blick gehabt. Wegen der zeitlich eng begrenzten, die Dauer von Semesterferien deutlich unterschreitenden Schulferien war und ist eine Beschäftigung von Schülern mit monatlichen Bruttobezügen von 750 DM oder mehr in einer nennenswerten Anzahl von Fällen nicht zu erwarten (BT-Drucks 12/5502, S 44; BR-Drucks 502/93, S 130). Zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen und unwirtschaftlichen Verwaltungsaufwands durfte daher der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze auf die Erfassung und Berücksichtigung der Erwerbseinkünfte von Schülern allgemeinbildender Schulen verzichten. Eine Rechtfertigung dafür, die von Studenten in den Semesterferien erzielten Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit voll zu berücksichtigen, ergibt sich hingegen daraus, daß angesichts der rund fünf Monate dauernden Semesterferien nicht nur in seltenen Ausnahmefällen beträchtliche Einkünfte erzielt werden können (Wickenhagen/Krebs, § 2 RdNr 197).
Auf Art 6 Abs 1 GG kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen. Diese Vorschrift schützt Ehe und Familie und garantiert zugleich eine Sphäre privater Lebensgestaltung. In erster Linie bestehen Abwehrrechte gegen schädigende und störende Eingriffe des Staates. Ein Anspruch auf bestimmte den Lebensunterhalt der Familie unterstützende Sozialleistungen kann hingegen aus dieser Vorschrift nicht abgeleitet werden (BVerfGE 39, 316, 326; BSG SozR 5870 § 8 Nr 7 mwN).
Das Vorbringen des Klägers zu einem Verstoß gegen die Berufswahlfreiheit des Art 12 Abs 1 GG ist schon im Ansatz unschlüssig. Da es um den Anspruch auf Kg geht, wäre nur ein Verstoß gegen die Berufswahlfreiheit des Kg-Berechtigten, nicht aber die Beeinträchtigung anderer Personen von Belang. Es fehlt daher an der Verletzung einer eigenen Rechtsposition des Klägers. Unabhängig davon bleibt festzuhalten, daß der Regelung des § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF eine die Berufswahl der Tochter steuernde oder deren Wahlfreiheit auch nur indirekt beeinflussende Wirkung nicht zukommt. Aus der Gewährleistung der freien Berufswahl folgt nicht, daß der Staat ohne Rücksicht auf die Einkommenssituation der Studenten Leistungen des Familienlastenausgleichs als Studienförderung erbringen müßte.
Das zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehörende Recht auf amtsangemessene Alimentation (Art 33 Abs 5 GG) ist durch § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF ebenfalls nicht verletzt. Aus der verfassungsrechtlichen Vorgabe, Beamte müßten sich entsprechend ihrer beamten- und besoldungsrechtlichen Einstufung unabhängig von ihrer Familiengröße annähernd den gleichen Lebenszuschnitt leisten können, läßt sich für die Ausgestaltung des Kg nach dem BKGG, das für alle Familien mit dem gleichen Inhalt gilt, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nichts herleiten (BVerfGE 44, 249, 267; BVerfG SozR 3-5870 § 10 Nr 1). Soweit im Rahmen der Beamtenbesoldung durch eine Minderung des Kg und damit einhergehend eine Senkung des Ortszuschlages (§§ 40 Abs 3, 41 Abs 2 Satz 2 BBesG) eine Verminderung des verfügbaren Gesamteinkommens von Beamten eintritt, muß dem bei Unvereinbarkeit mit Verfassungsgrundsätzen auf dem Gebiet der Beamtenbesoldung Rechnung getragen werden (BSG SozR 5870 § 10 Nr 8). Die Frage, ob sich aus der Anknüpfung der Höhe des Ortszuschlages an den Bezug von Kg und damit aus der automatischen Senkung des Ortszuschlages bei Nichtberücksichtigung eines Kindes für den Kg-Anspruch besoldungsrechtliche Bedenken von verfassungsrechtlicher Relevanz ergeben, ist somit allein von den insoweit zuständigen Verwaltungsgerichten zu prüfen. Entsprechendes gilt für die beihilferechtlichen Regelungen.
Das Kg für B ist dem Kläger somit für die Monate Februar und März 1994 zu Unrecht gewährt worden. Die Aufhebung der Kg-Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist rechtmäßig. Ein zur Ausübung von Ermessen zwingender atypischer Fall liegt nicht vor. Angesichts der Tatsache, daß der Kläger im Rahmen der Bezügemitteilung für den Monat Dezember 1994 auf einen allgemeinen Rückforderungsvorbehalt beim Kg und beim Ortszuschlag wegen Änderungen des BKGG ab 1. Januar 1994 hingewiesen worden ist und es hier nur um eine Erstattungsforderung von 140 DM geht, sind Gründe für einen besonderen Vertrauensschutz nicht erkennbar. Der Kläger ist auch zur Erstattung des überzahlten Betrages von 140 DM verpflichtet. Die Erstattungspflicht folgt aus § 50 Abs 1 SGB X.
Die von dem Beklagten als Rechtsgrundlage herangezogene Vorschrift des § 44g BKGG aF sieht eine Rückforderung unter erleichterten Voraussetzungen vor, führt aber zum selben Ergebnis. Aufgrund der Übergangsvorschriften zu Art 5 des 1. SKWPG wurde das Kg ab 1. Januar 1994 wegen der notwendigen Überprüfung der Voraussetzungen des § 2 Abs 2 Sätze 2 bis 4 BKGG aF insoweit unter dem gesetzlichen Vorbehalt der Rückforderung gezahlt, wobei hierüber grundsätzlich kein Bescheid erteilt zu werden brauchte (§ 44g Abs 1, 4 BKGG aF). Auf die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 48 und 50 SGB X kam es dabei nicht an. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber allerdings nur jene zum Jahreswechsel 1993/1994 bereits laufenden Kg-Fälle erfassen, bei denen die Einkommenserzielung des Kindes nach der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Rechtslage für das Kg unschädlich war (zB die Einkommenserzielung von Studenten), der Anspruch aber ab 1. Januar 1994 bei unverändertem Sachverhalt möglicherweise entfiel. Der gesetzliche Vorbehalt der Rückforderung des Kg sollte sicherstellen, daß die Kg-Behörden Anfang 1994 genügend Zeit hatten, alle relevanten Fälle zu erfassen und zu prüfen, ohne die mit der Anwendung des § 48 SGB X verbundenen Einschränkungen der Aufhebung der Kg-Bewilligung und der Rückforderung überzahlter Beträge befürchten zu müssen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist der Rückforderungsvorbehalt allerdings nicht auf derartige Fälle beschränkt, sondern betrifft alle einschlägigen Kg-Zahlungen ab 1. Januar 1994 ohne zeitliche Begrenzung und damit auch die – vom Gesetzgeber wohl nicht gemeinten – Fälle erst nach dem 1. Januar 1994 eingetretener Änderungen der Sach- und Rechtslage, die an sich von § 48 SGB X erfaßt werden. Die Übergangsregelung wäre dann eine Dauerregelung. Nach § 44g BKGG aF ist schon ausreichend, daß der Kläger das Kg für B im Februar und März 1994 nach § 2 Abs 2 Satz 2 BKGG aF objektiv zu Unrecht bezogen hat. Zwar sind auch im Rahmen des § 44g BKGG von der Kg-Behörde bei der Geltendmachung des Rückforderungsvorbehalts aus verfassungsrechtlichen Gründen Vertrauensschutzgesichtspunkte zu berücksichtigen (Urteil des erkennenden Senats vom 28. Mai 1997 – 14/10 RKg 27/95 – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Diese gehen aber jedenfalls nicht über die Regelung des § 48 SGB X hinaus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175339 |
MDR 1998, 1232 |
SozR 3-5870 § 9, Nr.4 |
SozSi 1999, 118 |