Entscheidungsstichwort (Thema)
Mit Verlust arbeitender Gewerbebetrieb
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Entnahme von 110 DM monatlich aus dem einen Verlust ausweisenden Gewerbebetrieb bedeutet kein Einkommen, auch kein Nettoeinkommen, sondern ist ein Verzehr der Substanz des gewerblichen Vermögens. Ein Vermögensausgleich ist aber in BVG § 17 nicht vorgesehen. Der Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis der Ware stellt nur den Bruttoerlös, nicht aber den Reinerlös und somit nicht das Nettoeinkommen dar.
2. Der Einkommensausgleich richtet sich nach dem im Vorjahr erzielten Nettoeinkommen im Gewerbebetrieb.
Normenkette
BVG § 17
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. November 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger betreibt eine Handweberei. Er bezieht wegen verschiedener Leiden eine Versorgungsrente. Für die Zeit vom 2. Januar 1962 bis 30. Januar 1962 wurde ihm eine Badekur bewilligt. Er begehrt für diese Zeit sowie für die anschließenden 14 Tage Nacherholung (Schonzeit) Einkommensausgleich nach § 17 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Der Gewerbebetrieb des Klägers brachte 1960 einen Verlust von 1.448,- DM und für 1961 von 211,- DM (Einkommenssteuerbescheid für 1961 des Finanzamts L vom 22. August 1962). Verwaltung und Vorinstanzen haben einen Einkommensausgleich abgelehnt, weil der Kläger im Jahre 1961 keinen Gewinn erzielt hat.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 17 Abs. 2 Satz 3 BVG; nach dieser Vorschrift sei das Nettoeinkommen zu ermitteln. Der Einkommensbegriff im § 8 Abs. 3 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 BVG dürfe nicht Maßstab zur Ermittlung des Nettoeinkommens sein, weil die genannten Vorschriften eine gegensätzliche Zweckbestimmung hätten. Es sei fraglich, ob Tilgungsraten und Zinsen als Betriebsunkosten berücksichtigt werden dürften.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der vorangegangenen Entscheidungen den Beklagten zu verurteilen, ihm Einkommensausgleich für die Zeit vom 2. Januar 1962 bis 13. Februar 1962 zu gewähren,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Im Gegensatz zur Auffassung der Revision kenne das BVG einen eigenen Einkommensbegriff. Der Kläger führe aber nicht aus, wie der Begriff des Nettoeinkommens definiert werden müßte. Die vorgebrachten Billigungserwägungen entsprächen nicht dem Gesetz.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist form- und fristgerecht eingelegt, jedoch nicht begründet.
Der Kläger begehrt Einkommensausgleich für eine Zeit im Jahre 1962, in der sein Gewerbebetrieb infolge seiner Kurabwesenheit geschlossen war. Nach § 17 Abs. 4 BVG idF des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) vom 27. Juni 1960 erhält der Beschädigte Einkommensausgleich während der Badekur und der anschließenden notwendigen Schonzeit. Dieser Einkommensausgleich ist nach § 17 Abs. 1 und 4 BVG zu gewähren, soweit und solange das Einkommen des Beschädigten infolge der Arbeitsunfähigkeit gemindert ist, mag der Beschädigte auch nicht arbeitsunfähig im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sein (§ 17 Abs. 4 Satz 2 BVG). Der damit an sich zustehende Einkommensausgleich ist aus dem Nettoeinkommen zu berechnen, und zwar ist maßgebend für die Ermittlung des Nettoeinkommens der Durchschnitt des im vorausgegangenen Kalenderjahr vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit aus dem Gewerbebetrieb erzielten Einkommens. Da der Kläger 1961 kein Nettoeinkommen erzielt hat, vielmehr einen gewerblichen Verlust von 211,- DM hatte, ergibt sich auch für die Berechnung des Tagesdurchschnitts kein Nettoeinkommensbetrag. Der Kläger hat wohl nach der unangegriffenen Feststellung des Landessozialgerichts (LSG) monatlich 110,- DM seinem Gewerbebetrieb 1961 entnommen, aber diese Entnahme bedeutet kein Einkommen, auch kein Nettoeinkommen, sondern ist eine Verzehr der Substanz des gewerblichen Vermögens. Ein Vermögensschadensausgleich ist aber in § 17 BVG nicht vorgesehen.
Der Kläger will allerdings, wie aus seinem Antrag in der Schlußverhandlung vor dem Sozialgericht (SG) ersichtlich ist, entsprechend seiner Betriebsübersicht für das Jahr 1961 vom 30. April 1962 als Nettoeinkommen des Jahres 1961 den Unterschiedsbetrag anerkannt haben, der sich aus dem Warenverkauf von 6.194,30 DM und dem Wareneinkauf von 3.057,78 DM ergibt, nämlich 3.136,52 DM. Aus dem Wort Nettoeinkommen ergibt sich als Gegensatz das Wort Bruttoeinkommen. Es sind daher dem Bruttoeinkommen (Betriebseinkommen, Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes) die Betriebsausgaben gegenüberzustellen; der Unterschiedsbetrag ist das Nettoeinkommen. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt daher der Unterschiedsbetrag zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis der Ware nur den Bruttoerlös, nicht aber den Reinerlös und somit nicht das Nettoeinkommen dar. Denn die eingekauften Rohstoffe mußten erst verarbeitet werden; dadurch sind Kosten entstanden und darüber hinaus auch Betriebsunterhaltungskosten (werbende Kosten) angefallen, darunter Zinsen (448,56 DM), Abschreibungen (296,90 DM) und der in der Betriebsübersicht als sonstige "Unkosten" bezeichnete Betrag von 1.869,76 DM. Diese Posten sind im Gegensatz zu der Auffassung der Revision ebenfalls zu berücksichtigen und daher von dem Bruttoerlös abzusetzen. Insbesondere müssen auch die Kapitalunkosten des Gewerbebetriebes berücksichtigt werden. Denn ohne das Fremdkapital ist die Aufrechterhaltung des Betriebes und damit die Erzielung von Einnahmen nicht möglich. Durch den ständigen Gebrauch der Fabrikationsanlagen entsteht aber eine Wertminderung des gewerblichen Vermögens. Die damit verbundene Vermögensminderung muß bei der Ermittlung des Nettoeinkommens ebenfalls durch Abschreibung berücksichtigt werden. Da nach dem Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 1961 vom 22. August 1962, der voll der dem SG vom Kläger vorgelegten Betriebsübersicht (Erfolgsbilanz) vom 30. April 1962 entspricht, kein Reingewinn nachgewiesen, sondern ein Verlust in Höhe von 211,- DM ausgewiesen ist, brauchte sich der Senat mit der Berechnung des Nettoeinkommens im einzelnen nicht zu befassen. Soweit sich der Kläger gegen die Berechnung der Einkünfte aus dem Gewerbebetriebe nach dem Einkommenssteuergesetz (vgl. § 8 der DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 - BGBl I 19 -) wendet, ist zu beachten, daß er in seiner Betriebsübersicht weder Sonderausgaben noch Einkommens- oder Vermögenssteuern abgesetzt hat und solche Beträge auch im Steuerbescheid vom 22. August 1962 für das Jahr 1961 nicht abgesetzt worden sind. Es ist also durch die entsprechende Anwendung der DVO zu § 33 BVG keine Einkommensminderung erfolgt; der Kläger ist mithin nicht benachteiligt worden. Bei dieser Sachlage brauchte der Senat zur Frage der Anwendbarkeit des § 8 der DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 keine Stellung zu nehmen; denn dem Kläger ist weder wegen Fehlens eines Einkommens und der etwa einem Einkommen zuzurechnenden Ausgaben i. S. des § 8 aaO noch durch die allgemeine Prüfung (nach dem Sprachgebrauch des Wortes "Nettoeinkommen") ein Nachteil zugefügt worden. Er muß gegen sich gelten lassen, daß der vom Finanzamt festgestellte Einkommensverlust aus Gewerbebetrieb sich nicht in ein Nettoeinkommen verwandeln kann. Seine Entnahmen haben nur zu einem Vermögensverlust geführt, einen Vermögensausgleich sieht aber das Gesetz in § 17 BVG nicht vor. Der Kläger hat somit im Jahre 1961 kein gewerbliches Einkommen gehabt; das LSG hat daher ohne Rechtsirrtum entschieden, daß ihm für die Badekur im Jahre 1962 ein Einkommensausgleich nicht zusteht. Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen