Leitsatz (redaktionell)
Behaupten, zB in einem Rentenberechnungsstreit, Arbeitskameraden schriftlich die Verrichtung versicherungspflichtiger Arbeiten eines Klägers in Zeiten, für die der an sich zuständige Versicherungsträger keine Beitragsunterlagen hat, so haben die SG - zur Vermeidung der Rüge eines für die Urteilsfindung wesentlichen Verfahrensmangels - eidliche Zeugenvernehmungen durchzuführen und ggf zu prüfen, ob die Beiträge nicht auch an einen anderen Versicherungsträger, dessen Unterlagen vernichtet sind, abgeführt worden sein können, ehe die SG zu dem Schluß gelangen, es müßten trotz glaubhafter Verrichtung versicherungspflichtiger Arbeiten ausnahmsweise keine Beiträge abgeführt worden sein.
Normenkette
RVO § 1268 Fassung: 1937-12-21; SGG § 117 Fassung: 1953-09-03, § 150 Fassung: 1953-09-03, § 159 Fassung: 1953-09-03, § 128 Fassung: 1953-09-03, § 103 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 5. Oktober 1954 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte hat durch Bescheid vom 10. November 1951 den Anspruch des Klägers auf Gewährung der Rentenleistung aus der knappschaftlichen Rentenversicherung (Knappschaftsvollrente) und der Rentenversicherung der Arbeiter (Invalidenversicherung) als begründet anerkannt und gewährt ihm die Rente ab 1. Januar 1951. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 22. November 1951 mit der Begründung Einspruch ein, daß er entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nur bis 1924, sondern bis 1934 Beiträge gezahlt habe. Er sei zwar 1924 zunächst zweimal kürzere Zeit arbeitslos gewesen (März bis Mai und Mitte Mai bis Mitte August), habe dann aber ununterbrochen bis 1934 auf der Zeche ... gearbeitet. Anschließend sei er selbständiger Landwirt geworden. Der Einspruch wurde auf Grund der Entscheidung des Geschäftsausschusses vom 23. Juni 1952 durch Bescheid vom 1. Juli 1952 mit der Begründung zurückgewiesen, es sei nicht erwiesen, daß der Kläger über den 29. Februar 1924 hinaus auf der Zeche ... beschäftigt gewesen sei. Dies ergebe sich daraus, daß auf der Beitragskarte des Klägers nur bis zu diesem Zeitpunkt Beiträge vermerkt seien.
Die gegen diesen Bescheid vom Kläger eingelegte Berufung wurde vom Knappschaftsoberversicherungsamt (KOVA) ... durch Urteil vom 6. Februar 1953 zurückgewiesen, da nicht erwiesen sei, daß für die Zeit von 1924 bis 1934 Beiträge entrichtet worden seien.
Der Kläger hat im Laufe des Verwaltungsverfahrens bzw. des Verfahrens vor dem KOVA eine Reihe von Bescheinigungen von Arbeitskameraden und Vorgesetzten eingereicht und beantragt, diese als Zeugen zu vernehmen. Diese haben schriftlich im wesentlichen folgendes bescheinigt:
1.) Maschinenfahrsteiger ...
Ich bescheinige Herrn ..., daß er in der Zeit von ca. 1922 längere Jahre bei mir im Revier "..." beschäftigt war. Da die Unterlagen auf "..." durch Kriegseinwirkung vernichtet sind, kann ich keine genauen Angaben über die Abkehrzeit machen.
2.) ...
Herr ... aus ... war von 1922 mein Arbeitskamerad auf Zeche .... ... war 1924 zweimal arbeitslos und ist zweimal wieder eingestellt worden. Wie lange ... gearbeitet hat, kann ich nicht bescheinigen. Ich habe bis zum Jahre 1939 gearbeitet, da hatte ... seine Arbeit schon einige Jahre aufgegeben.
... ist nach Angabe des Klägers Anfang 1951 verstorben.
3.) ...
Bescheinige hiermit dem Herrn ... aus ..., daß er auf der Zeche ... im Jahre 1924 zweimal arbeitslos war und zweimal wieder seine Arbeit aufgenommen hat. Wie lange ... gearbeitet hat, kann ich nicht bescheinigen. Ich habe bis 1930 auf Zeche ... gearbeitet, da war ... noch am arbeiten.
... ist nach Angabe des Klägers am 9. Oktober 1950 verstorben.
4.) ...
Ich bekam Anfang Mai 1924 von der Zeche ... den Auftrag, meinem Arbeitskollegen ... Nachricht zu geben, daß er die Arbeit auf ... wieder aufnehmen sollte. ... hat die Arbeit wieder aufgenommen. Wie lange er gearbeitet hat, weiß ich nicht, da ich Ende 1924 meine Tätigkeit auf ... aufgegeben habe.
5.) ...
Hiermit bescheinige ich ..., ..., daß derselbe nach 1924 noch auf ... tätig war. Das Jahr der Entlassung kann ich nicht angeben. Ich bin bis heute noch auf ... tätig.
6.) ...
Leider sind die alten Kohlenbücher von 1924 bis 1934 nicht mehr vorhanden, so daß ich Ihnen nicht bestätigen kann, daß Sie in den fraglichen Jahren Belegschaftsmitglied waren. Wohl ist es mir erinnerlich, daß Sie in den fraglichen Jahren Deputatkohlen geholt haben, aber leider kann ich mein Erinnerungsvermögen nicht so konzentrieren, daß ich eine eidesstattliche Versicherung abgeben kann, daß es sich um Ihre Kohlen gehandelt hat.
7.) ...
Ich bescheinige, daß ... nach 1924 und noch länger beschäftigt war. Ich habe im Jahre 1930 meine Arbeit auf ... aufgegeben.
8.) ...:
Bestätige hiermit, daß ... 1929 auf ... (...) gearbeitet hat.
9.) ...
Hiermit bestätige ich, daß ich Ende 1932 bis 1933 bei ... in Kost war. ... war damals auf der Zeche beschäftigt.
Die Zeche ... gab außerdem auf nochmalige Rückfrage am 30. Mai 1952 folgende Erklärung ab:
Wie lange ... auf ... beschäftigt war, kann nicht angegeben werden, da sämtliche Unterlagen durch Kriegseinwirkung vernichtet sind. Der jetzige Bekohlungsmeister ... weiß sich zu erinnern, daß ... im Jahre 1925 bzw. 1926 noch im Schlammbetrieb tätig war. Ob ... in Diensten der Zeche gestanden oder bei einem Unternehmer beschäftigt war, läßt sich nicht feststellen. Sonstige Zeugen sind nicht vorhanden.
Die gegen dieses Urteil erhobene Klage vor dem Landesverwaltungsgericht ... ging nach § 215 Abs. 7 SGG als Berufung auf das Landessozialgericht (LSGer.) ... über.
Obwohl der Kläger selbst vorgetragen hat, daß er nur auf der Zeche ... nicht aber auf dem Hydrierwerk ..., auch nicht bei einem auf der Zeche eingesetzten Unternehmer gearbeitet habe, wurden Erhebungen bei den in Frage kommenden Landesversicherungsanstalten (LVA. en) in ... und ... mit dem Ziel angestellt, festzustellen, ob dort vielleicht Beiträge für den Kläger gezahlt worden seien. Diese Erhebungen verliefen jedoch negativ. Bei der LVA. in ... waren die Unterlagen durch Kriegseinwirkung vernichtet, bei der LVA. in ... ist der Kläger nicht geführt worden. Bei den Ortskrankenkassen ... und ... angestellte Ermittlungen verliefen ebenfalls ergebnislos. Zudem bescheinigte der als Zeuge benannte ..., daß in den Jahren von 1922 bis 1934 keine Unternehmerfirmen in der Kläranlage, in welcher der Kläger nach seinen Angaben während dieser Zeit zum Teil gearbeitet haben will, eingesetzt gewesen seien. Das Hydrierwerk ... erteilte ebenso wie zwei in Frage kommende Unternehmerfirmen die Auskunft, daß der Kläger nicht bei ihm beschäftigt gewesen sei. Die Zeche ... konnte keine Auskunft erteilen, da ihre Unterlagen ebenso wie die des Klägers durch Kriegseinwirkung vernichtet sind.
Das LSGer. wies die Berufung durch Urteil vom 5. Oktober 1954 mit im wesentlichen folgender Begründung zurück:
"Der Senat hatte darüber zu entscheiden, ob die Eintragungen in der erhalten gebliebenen Beitragskarte der Beklagten auf Grund der vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen früherer Arbeitskameraden als unvollständig betrachtet werden müssen. Für die Entscheidung dieser Frage kommen mangels anderer Nachweise und auf Grund der ergebnislos verlaufenen Ermittlungen der Beklagten und des erkennenden Gerichts nur diese Zeugenerklärungen in Betracht.
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers, wonach er in dem strittigen Zeitraum von 1924 bis 1934 nicht bei einer Unternehmerfirma beschäftigt gewesen, bei der Zeche geführt worden sein und auch den Lohn nur von dieser erhalten haben will, scheidet die Möglichkeit aus, daß der Kläger nach seiner Abkehr von der Zeche ... lediglich invalidenversicherungspflichtig beschäftigt war. Es wären demnach für ihn, ebenso wie für die von ihm benannten Zeugen, Beiträge nur an die Knappschaft abzuführen gewesen. Eine solche Beitragszahlung ist jedoch ausweislich der Beitragskarte des Klägers nicht erfolgt ....
Nach ständiger und von der Rechtsprechung gebilligter Praxis ist es zulässig, bei völligem oder teilweisem Verlust der Beitragsunterlagen entsprechend den ergangenen Richtlinien auch nicht belegte Versicherungszeiten bei der Berechnung der Rentenleistung für den Versicherten als rentensteigernd zu berücksichtigen, wenn wenigstens die Tatsache einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in bestimmten Zeiträumen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als erwiesen angesehen werden kann. Von dieser Möglichkeit wird Gebrauch gemacht, wenn behauptete Beschäftigungszeiten durch einwandfreie Zeugenaussagen glaubhaft bestätigt werden. Ein derartiger Sachverhalt ist jedoch im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beitragsunterlagen über das knappschaftliche Versicherungsverhältnis des Klägers liegen in Gestalt der Beitragskarte des Klägers vor. Wenn daher in einem solchen Falle die Beweiskraft der vorhandenen Beitragsunterlagen durch andere Beweismittel entkräftet werden soll, sind an diese Beweismittel strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt auch hier hinsichtlich der vom Kläger vorgelegten Zeugenerklärungen.
Die Bescheinigungen des Maschinenfahrsteigers ... und der Zeugen ... und ... können die Eintragungen in der Beitragskarte schon deshalb nicht entkräften, weil sie zu unbestimmt gehalten sind. Der Maschinenfahrsteiger ... bescheinigt lediglich, daß der Kläger in der Zeit von etwa 1922 ab längere Zeit in der Aufbereitung beschäftigt gewesen sei. Aus der Bescheinigung geht nicht eindeutig hervor, daß der Kläger auch in der Zeit nach 1924 noch auf der Zeche beschäftigt war. Auch der Zeuge ... weiß nicht, wie lange der Kläger auf der Zeche gearbeitet hat, da er Ende 1924 - nach den Feststellungen der Beklagten Anfang Mai 1924 - die Arbeit auf der Zeche ... aufgab. Ebenso hat der Zeuge ... nur erklärt, daß der Kläger 1924 noch auf der Schachtanlage ... tätig gewesen sei. Das Jahr der Entlassung kann er nicht angeben. Bis Anfang 1924 ist aber die Entrichtung knappschaftlicher Beiträge ausweislich der Beitragskarte der Beklagten auch anerkannt und nachgewiesen. Schließlich ist auch die Bescheinigung des Zeugen ... zu unbestimmt gehalten, da er nur bescheinigt, daß der Kläger 1924 "und noch länger" beschäftigt gewesen sei.
Gegenüber diesen von vornherein nicht verwertbar erscheinenden Erklärungen haben lediglich ... und ... sowie der Zeuge ... Erklärungen abgegeben, welche in einem Widerspruch zu den Beitragsunterlagen stehen. So soll der Kläger bei der Abkehr des Zeugen ... im Jahre 1939 schon einige Jahre nicht mehr in Arbeit gestanden und nach der Bescheinigung des Zeugen ... im Jahre 1930 noch gearbeitet haben. Ausdrücklich wird vom Zeugen ... bescheinigt, daß der Kläger im Jahre 1929 auf der Zeche ... gearbeitet habe. Die Zeugen ... und ... sind verstorben. Gegenüber ihren Erklärungen und der des Zeugen ... über ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der Zeche im Jahre 1929 mußte jedoch den Eintragungen in der Beitragskarte der Beklagten der Vorzug gegeben werden.
Abgesehen davon, daß nach den angestellten Ermittlungen die Zeche hinsichtlich der früheren Arbeitskameraden des Klägers ihrer Meldepflicht nachgekommen ist, kann nicht angenommen werden, daß die Nachtragung der Beitragskarte des Klägers im Falle einer erneuten Beschäftigung auf der Zeche über einen derartig langen Zeitraum hinweg unterblieben wäre. Die theoretische Möglichkeit, daß für den Kläger bei zweimaliger Wiederanlegung nach den erneuten Meldungen der Zeche etwa irrtümlicherweise eine zweite Beitragskarte ausgestellt wurde, scheidet nach Auffassung des Senats nach den überzeugenden Ausführungen der Beklagten im Termin deshalb aus, weil eine solche zweite Beitragskarte von der Beklagten nicht ermittelt wurde, obwohl die Beitragskarten erhalten sind und ein solcher Irrtum in der Zeit von 1924 bis 1934 zweifellos bemerkt worden wäre und die Beklagte zur Richtigstellung veranlaßt hätte. Das bei der Beklagten übliche Verfahren läßt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmöglich erscheinen, daß für den Kläger eine zweite Karte oder überhaupt keine weitere Karte trotz erneuter versicherungspflichtiger Beschäftigung ausgestellt wurde. Die Meldungen der Zeche über die Anlegung und Abkehr ihrer Arbeiter werden nicht nur in der Beitragskarte vermerkt. Die entsprechenden Unterlagen werden vielmehr auch zu den Beitragsakten der einzelnen Versicherten genommen. Wenn auch die Beitragsakte des Klägers nicht mehr vorliegt, wäre es doch mit Sicherheit in den Jahren 1924 bis 1934 bei der Bearbeitung der Beitragsvorgänge durch die Beklagte aufgefallen, wenn für den Kläger irrtümlicherweise zwei Beitragskarten oder Beitragsakten vorgelegen hätten. Der Kläger wäre zudem von der Zeche bei einer erneuten Anlegung unter Mitteilung des Geburtsdatums als wiederangelegt gemeldet worden, so daß zwangsläufig auf die alte Beitragskarte zurückgegriffen worden wäre. Ebenso wären aber auch die seit dem Jahre 1926 notwendigen laufenden Meldungen in der Beitragskarte vermerkt worden. Diese Eintragungen weist die Beitragskarte des Klägers ebenfalls nicht auf.
In Anbetracht dieser Umstände hat sich der Senat nicht davon überzeugen können, daß für den Kläger in dem strittigen Zeitraum Beiträge zur Knappschaft entrichtet wurden. ... Solange der Kläger nicht in der Lage ist, durch Vorlage geeigneter Beweismittel den Nachweis der Unvollständigkeit der Unterlagen der Beklagten zu erbringen, muß es bei der im Bescheid vom 10. November 1951 errechneten Rentenleistung verbleiben ...."
Das LSGer. hat die Revision nicht zugelassen. Das Urteil wurde dem Kläger am 13. November 1954 zugestellt. Er hat hiergegen am 8. Dezember 1954 durch den Rechtsberater ... vom DGB - Bundesrechtsstelle -, Kassel, Revision eingelegt und diese am 22. Dezember 1954 begründet.
Er rügt als wesentlichen Verfahrensmangel die Verletzung der Amtsermittlungspflicht durch das LSGer.; dieses hätte noch eine Auskunft bei dem Finanzamt und bei der Gewerbeabteilung der Stadtverwaltung einholen müssen, um festzustellen, ob der Kläger in der strittigen Zeit selbständig oder unselbständig gewesen sei; weiterhin hätten die benannten Zeugen und auch der Kläger selbst vernommen werden müssen.
Er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Sie verneint das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist auch statthaft, weil das Verfahren des LSGer. an einem schlüssig gerügten wesentlichen Verfahrensmangel leidet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Das LSGer. geht ohne Rechtsirrtum davon aus, daß der noch streitige Anspruch ausschließlich davon abhängt, ob der Kläger für die Zeit von 1924 bis 1934 Beiträge entrichtet hat, daß dagegen die Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit während dieser Zeit allein nicht ausreicht, da in der Rentenversicherung nur entscheidend ist, ob die Beiträge auch tatsächlich entrichtet sind.
Es hat auch zu Recht angenommen, daß der Nachweis für die Entrichtung oder Nichtentrichtung von Beiträgen überzeugend durch die Akten und Beitragskarten der Beklagten erbracht werden kann, dieser Nachweis aber u. U. durch andere Beweise, z. B. durch Unterlagen der Zeche, aus denen sich ergibt, daß in Wirklichkeit die strittigen Beiträge doch abgeführt worden sind, entkräftet werden kann, daß dagegen der Nachweis der Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung während dieser Zeit für sich allein grundsätzlich jedenfalls dann nicht den fehlenden Nachweis der Entrichtung der Beiträge ersetzen kann, wenn die Beitragsunterlagen der Beklagten vorhanden und in dieser keine Beiträge für die strittige Zeit vermerkt sind.
Wenn auch die Gründe des angefochtenen Urteils insoweit nicht ganz ohne Widerspruch sind, muß doch davon ausgegangen werden, daß das LSGer. wegen der Besonderheiten dieses Falles ausnahmsweise den Beweis der Ausübung der versicherungspflichtigen Beschäftigung während des strittigen Zeitraumes gleichzeitig auch als Nachweis der Entrichtung der Beiträge ansehen wollte, wenn dieser Beweis unzweideutig hätte erbracht werden können; denn es hat die verschiedenen schriftlichen Erklärungen der benannten Zeugen, die nur über die Beschäftigung, nicht aber über die Entrichtung der Beiträge Erklärungen abgeben konnten, einer Würdigung unterzogen. Ob das LSGer. seine Feststellungen auf Grund dieser Beweise überhaupt hätte treffen dürfen, kann von dem erkennenden Senat in diesem Verfahren schon deshalb nicht untersucht werden, weil eine die Beweiswürdigung betreffende Verfahrensrüge nicht erhoben ist. Der Senat mußte daher die vom Kläger erhobene Rüge der mangelnden Sachaufklärung insoweit unter Beachtung des Standpunkts des LSGer. überprüfen. Diese Überprüfung ergibt aber, daß das LSGer. seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt hat. Die eingereichten Bescheinigungen der Vorgesetzten und Arbeitskameraden des Klägers über die Tätigkeit des Klägers von 1924 bis 1934 sind der Beklagten bzw. dem KOVA vorgelegt worden und konnten von letzterem nach dem vor dem Inkrafttreten des SGG geltenden Verfahrensrecht verwertet werden. Wenn auch im Gegensatz hierzu seit dem Inkrafttreten des SGG ein solches Verfahren nicht mehr statthaft ist, die Zeugen vielmehr grundsätzlich vernommen werden müssen (§ 117 SGG), besteht für das LSGer. als Berufungsinstanz in derartigen Übergangsfällen doch an sich nicht die Pflicht, derartige Beweise in der jetzt vorgesehen Form zu wiederholen. Wenn allerdings aus solchen Bescheinigungen kein klares Bild von den streitigen Tatsachen zu gewinnen ist, hat das LSGer. nach § 103 SGG die Pflicht, weitere Nachforschungen anzustellen, gegebenenfalls also aus diesem Grunde die Vernehmung der Zeugen durchzuführen. Da im vorliegenden Falle die eingereichten Bescheinigungen Zweifel aufkommen lassen, ob der Kläger nicht doch von 1924 bis 1934 auf der Zeche gearbeitet hat, hätte das LSGer., wenn auch nicht alle, so doch einige der benannten Zeugen vernehmen müssen. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß diese bei einer Vernehmung u. U. etwas Genaueres hätten aussagen können; denn es ist eine bekannte Tatsache, daß Zeugen vielfach erst bei ihrer Vernehmung durch den Richter Aussagen machen, die sie vorher unterlassen haben, da sie deren Bedeutung für den Rechtsstreit nicht erkannt hatten Da die Zeugen ... und ... inzwischen verstorben sind hätten zumindest die Zeugen ... und ... vernommen werden müssen. Besonders schwerwiegend erscheint es, daß das LSGer. den Bekohlungsmeister ... nicht vernommen hat, der doch zumindest für das Jahr 1925 sehr bestimmte Angaben machen zu können scheint und der zudem nicht etwa vom Kläger befragt, sondern ganz unabhängig davon seine Angaben gemacht hat. Es bestand die Möglichkeit, daß gerade durch seine Vernehmung eine weitere Klärung der Angelegenheit hätte herbeigeführt werden können. Das LSGer. hat hierdurch die Grenzen des ihm nach § 128 SGG zustehenden Rechts, den Umfang der von ihm zu erhebenden Beweise frei zu bestimmen, ersichtlich überschritten und hat daher gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. Das Verfahren leidet somit an einem wesentlichen Mangel.
Die Revision ist auch begründet, da das angefochtene Urteil anders hätte ausfallen können, wenn dieser Mangel nicht vorläge.
Da es nach § 163 SGG an einer bindenden Feststellung, ob die strittigen Beiträge entrichtet oder nicht entrichtet sind, mangelt, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSGer. zurückverwiesen werden.
Das LSGer. wird, falls es weiterhin der Auffassung ist, daß in diesem Einzelfall durch den Nachweis der versicherungspflichtigen Beschäftigung der durch die Beitragskarte der Beklagten erbrachte Beweis widerlegt werden kann, die erwähnten Zeugen zu vernehmen haben. Wenn es dagegen diese Auffassung nicht aufrechterhält, wird es erneut zu prüfen haben, ob nicht bei Nachweis der versicherungspflichtigen Beschäftigung davon ausgegangen werden muß, daß die Beiträge an die LVA. in ... abgeführt sein könnten. Hierbei wird es zu untersuchen haben, ob nicht der Kläger entgegen seiner bisherigen Angaben vielleicht doch bei einer Unternehmerfirma beschäftigt gewesen ist. Es besteht bei den seinerzeit recht unübersichtlichen Verhältnissen zwischen Zechen und Unternehmerfirmen immerhin die Möglichkeit, daß sich der Kläger vielleicht selbst darüber geirrt hat, ob er seinerzeit bei der Zeche selbst oder bei einem auf der Zeche eingesetzten Unternehmer geführt worden ist. Wenn die Zeugenvernehmungen ergeben, daß der Kläger in der damaligen Zeit tatsächlich auf der Zeche ... gearbeitet hat, andererseits aber keine Beiträge an die Beklagte abgeführt worden sind, kann immerhin die Möglichkeit bestehen, daß der Kläger bei einem auf der Zeche eingesetzten Unternehmer beschäftigt gewesen ist. Zwar bestände dann die Möglichkeit, daß dieser Unternehmer die Beiträge nicht abgeführt hat. Es würde aber zu prüfen sein, ob nicht angesichts der Tatsache, daß die Unterlagen der LVA. Westfalen in ... durch Kriegseinwirkung vernichtet sind, deshalb der Nachweis der Entrichtung der Beiträge an die LVA. ausnahmsweise durch den Nachweis der Verrichtung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als erbracht angesehen werden kann. Sollte das LSGer. zu diesem Ergebnis kommen, wären diese Beiträge insoweit von der Beklagten bei der Berechnung der Invalidenrente mitzuberücksichtigen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen