Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher in der SBZ
Leitsatz (redaktionell)
Die von einem anerkannten SBZ-Flüchtling ausgeübte Beschäftigung gilt dann als versicherungspflichtig und infolgedessen anwartschaftsbegründend, wenn sie in der Bundesrepublik versicherungspflichtig wäre. Nach den in der Bundesrepublik geltenden Justizgesetzen werden die Aufgaben der Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher regelmäßig von Beamten wahrgenommen. Der Gleichstellungsbescheid hat keine eigene rechtserzeugende Bedeutung; die konstitutiven Wirkungen des G 131 sind unmittelbar mit seinem Inkrafttreten erfolgt.
Normenkette
AVAVG § 95 Abs. 1, § 69; G131 § 4 Abs. 2; RVO § 169 Fassung: 1945-03-17
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1958 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Der 1908 geborene Kläger war von September 1946 bis April 1955 als Rechtspflegeranwärter, Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher im Justizdienst der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) beschäftigt. Dort hatte er auch Beiträge zur Sozialversicherung entrichtet. Im Notaufnahmeverfahren erhielt er die Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik, später den Flüchtlingsausweis C. Durch Bescheid des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. April 1956 wurde der Kläger gemäß § 4 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes (GG) fallenden Personen vom 11. Mai 1951 (BGBl I 307 - G 131 -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. September 1953 (BGBl I 1297) als ehemaliger Beamter oder Berufssoldat den Anspruchsberechtigten nach dem G 131 gleichgestellt.
Vom 29. April 1955 bis zum 26. April 1956 bezog er Arbeitslosenunterstützung (Alu) und vom 27. April bis zum 30. November 1956 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Als der Arbeitsverwaltung von der Oberfinanzdirektion (OFD) Düsseldorf, Wehrmachtsversorgungsstelle, mitgeteilt worden war, daß der Kläger auf Grund des G 131 vom 1. Mai 1955 an Versorgungsbezüge nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen erhalte, entzog sie ihm durch Bescheid vom 20. November 1956 mit Wirkung ab 1. Mai 1955 die gewährten Unterstützungen, stellte eine Überzahlung von insgesamt 4.220,20 DM fest (Alu = 2.770,95 DM; Alhi = 1.449,25 DM) und verlangte deren Erstattung. In demselben Bescheid teilte sie dem Kläger gleichzeitig mit, daß zur Deckung dieses Betrages Ersatzanspruch (in Höhe von 4,220,20 DM) bei der OFD geltend gemacht wurde. Der Kläger erhob Widerspruch, soweit von ihm die Rückzahlung der Alu (2.770,95 DM) gefordert wurde. Hinsichtlich der Alhi (1.449,25 DM) erkannte er den Erstattungsanspruch der Beklagten an. Durch Bescheid vom 18. Dezember 1956 wurde sein Widerspruch zurückgewiesen.
II. Im Klagewege hob das Sozialgericht - SG - (Urteil vom 30. Juli 1957) die Verfügung des Arbeitsamts (ArbA) insoweit auf, als damit Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zurückgefordert wurden. Nach den Entscheidungsgründen hielt es die Entziehung der Alu für unberechtigt, weil die für die Anwartschaft maßgebende Versicherungspflicht des Klägers in der SBZ bestanden habe und nicht durch die Gleichstellung nach G 131 rückwirkend entfallen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten hiergegen zurück (Urteil vom 21. Oktober 1958) und bestätigte die sozialgerichtliche Auffassung. Entziehung und Rückforderung seien rechtswidrig, da der Kläger bei seiner Arbeitslosmeldung alle Voraussetzungen für den Alu-Bezug im geleisteten Umfang erfüllt habe. Er sei als anerkannter Sowjetzonenflüchtling in der Arbeitslosenversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des GG gleichgestellt (§ 90 des Bundesvertriebenengesetzes - BVFG -). Demzufolge sei seine Tätigkeit in der SBZ als Rechtspflegeranwärter, Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher unter Berücksichtigung der dort geltenden tatsächlichen Verhältnisse als versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne des § 95 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aF zu werten. Es handele sich um eine Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt. Für eine gesetzliche Freistellung von der Versicherungspflicht, wie sie § 169 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vorsehe, sei nach dem in der SBZ geltenden System der Sozialversicherung kein Raum. Hätte der Kläger die Beschäftigung, wie sie in der SBZ gestaltet war, ohne Gewährleistung einer Anwartschaft auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung unter denselben Bedingungen im Bundesgebiet verrichtet, habe Versicherungspflicht gemäß §§ 69 AVAVG, 165 RVO bestanden. Die damit erfüllte Anwartschaft (§§ 87, 95 AVAVG) könne nicht nachträglich durch Gleichstellung nach § 4 Abs. 2 G 131 wegfallen. Dieses Verfahren schaffe keinen unmittelbaren Anknüpfungspunkt für eine Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes, sondern bedeute lediglich die Erweiterung des Personenkreises, der vom G 131 erfaßt werde. Auch aus § 73 G 131 könne nicht gefolgert werden, daß eine im öffentlichen Dienst der SBZ geleistete Tätigkeit nachträglich als versicherungsfrei beurteilt werden müsse. Versicherungspflicht und -freiheit ergäben sich allein aus §§ 165 ff, insbesondere aus § 169 RVO. Hiernach sei die Tätigkeit des Klägers in der SBZ trotz der späteren Gleichstellung versicherungspflichtig geblieben, weil ihm bis dahin weder eine Versorgung im Sinne des § 169 RVO gewährleistet war noch es sich überhaupt um eine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe. § 169 RVO und ihm folgend § 73 G 131 könnten hinsichtlich der Versicherungspflicht ausschließlich eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst des Bundesgebietes privilegieren. Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst der SBZ jedoch müsse den tatsächlichen Umständen nach als Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes des Bundesgebiets angesehen und versicherungsrechtlich entsprechend behandelt werden. Einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 G 131 habe der Kläger nicht gestellt. Mithin dürfe ihm bei erfüllter Anwartschaft und ausreichender Beschäftigungsdauer der Alu-Anspruch nicht versagt werden.
Revision wurde zugelassen.
III. Die Beklagte legte gegen das ihr am 19. Dezember 1958 zugestellte Urteil am 16. Januar 1959 Revision ein und begründete diese am 9. Februar 1959. Abweichend von dem sonst das deutsche Sozialversicherungsrecht beherrschenden "Grundsatz der Maßgeblichkeit des Tatsächlichen" enthalte das G 131 die Regelung, daß Beamtem z.Wv. und ihnen gleichgestellten Personen die versorgungsrechtlichen Ansprüche vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses, Gesetzes an (1. April 1951) gewährleistet seien. Die nach § 4 Abs. 2 G 131 ausgesprochene Gleichstellung des Klägers begründe daher rückwirkend die Versicherungsfreiheit seiner in der SBZ ausgeübten Tätigkeit. Eine gemäß § 73 G 131 in Verbindung mit § 169 RVO versicherungsfreie Beschäftigung könne aber nicht zur Erfüllung der Anwartschaft dienen. Die Auffassung des LSG, daß eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst der SBZ versicherungsrechtlich als eine Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes anzusehen sei, würde die anerkannten Vertriebenen und Flüchtlinge gegenüber den unter das G 131 fallenden Personen, die stets in der Bundesrepublik wohnhaft waren, besser stellen. Eine derartige Rechtsanwendung würde gegen Art. 3 GG verstoßen.
Die Beklagte beantragte,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragte,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er ist der Meinung, eine Gleichstellung gemäß § 4 Abs. 2 G 131 führe nicht zu einer rückwirkenden Anerkennung von Rechten. Die Gleichstellungsentscheidung wirke vielmehr konstitutiv; nur nach ihrem Ausspruch begründe sie Rechte und Pflichten. Das G 131 treffe Regelungen allein für das Bundesgebiet und nur für den Zeitraum des Wohnsitzes in der Bundesrepublik. Damit scheide auch eine Verletzung von Art. 3 GG aus, da in bezug auf den Kläger allenfalls unterschiedliche Tatbestände ungleich behandelt würden. Im übrigen nahm er auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Entscheidungsgründe des Urteils des LSG Bezug.
IV. Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG -). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und deswegen zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Gegenstand der Klage ist der Bescheid der Beklagten vom 20. November 1956 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1956 gefunden hat (§ 95 SGG). Zum Inhalt hat er im angefochtenen Umfang nicht nur - wie das LSG annimmt - die Entziehung und Rückforderung der vom 29. April 1955 bis zum 26. April 1956 an den Kläger geleisteten Alu, sondern überdies die Bekanntgabe des seitens der Beklagten geltend gemachten Erstattungsanspruchs bei der OFD Düsseldorf im Hinblick auf die dem Kläger zustehende Nachzahlung seiner Versorgungsbezüge.
V. Soweit die Beklagte dem Kläger die Alu entzogen hat, ist der angefochtene Verwaltungsakt rechtlich nicht zu beanstanden. Anspruch auf Alu hat - neben anderen, hier nicht strittigen Voraussetzungen -, wer die Anwartschaft erfüllt hat (§ 87 Nr. 2 AVAVG aF). Die Anwartschaft ist erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor der Arbeitslosmeldung wenigstens 26 Wochen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden hat (§ 95 Abs. 1 AVAVG aF). Wie der erkennende Senat bereits in seinen Urteilen vom 30. Oktober 1956 (BSG 4, 102 ff) und vom 23. Juni 1959 (BSG 10, 103 ff) festgestellt hat, gilt auch die von einem anerkannten Sowjetzonenflüchtling in der SBZ ausgeübte Beschäftigung dann als versicherungspflichtig und infolgedessen anwartschaftsbegründend, wenn sie in der Bundesrepublik versicherungspflichtig gewesen wäre. Nach § 90 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (BVFG) vom 19. Mai 1953 (BGBl I 201) sind nämlich Vertriebene und Flüchtlinge in der Sozialversicherung und in der Arbeitslosenversicherung den Berechtigten im Geltungsbereich des GG und in Berlin (West) gleichgestellt. Diese Gleichstellung, deren unmittelbare Geltung der Senat in ständiger Rechtsprechung bejaht hat (vgl. BSG aaO), bedeutet, daß jene rechtlich so zu behandeln sind, als wenn sie ihre Berufstätigkeit nicht im Bereich der Sowjetzone, sondern im Bundesgebiet verrichtet hätten. § 90 BVFG eröffnet jedoch für den erfaßten Personenkreis keinen Anspruch auf Besserstellung; er bietet deshalb keine Rechtsgrundlage dafür, Ansprüche in der Arbeitslosenversicherung allein wegen der Gestaltung der Versicherungspflicht in der SBZ zuzuerkennen, die sich mit den für die Bundesrepublik geltenden Normen nicht deckt. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung kommt es daher im Falle des Klägers - Inhaber des Flüchtlingsausweises C (§ 15 BVFG) - für die Beurteilung der Versicherungspflicht wie der Anwartschaft letztlich nicht auf die arbeits- und sozialrechtlichen, gesellschafts- oder staatspolitischen Umstände seiner Tätigkeit in der Sowjetzone an, sondern darauf, welche gesetzliche Regelung für dieselbe Beschäftigung im Geltungsbereich des GG zutrifft. Nach den in der Bundesrepublik geltenden Justizgesetzen werden die Aufgaben der Rechtspfleger und Gerichtsvollzieher regelmäßig von Beamten wahrgenommen. Beamte sind im Bundesgebiet für den Fall der Arbeitslosigkeit nach § 69 AVAVG aF nicht versichert; sie sind in der Sozialversicherung nach § 169 RVO versicherungsfrei, wenn die entsprechende Versorgung gewährleistet ist. Seiner fachlichen Tätigkeit zufolge unterliegt hier der Kläger mithin nicht der Versicherungspflicht. Er ist ferner durch Entscheidung des Innenministers des Landes Nordrhein-Westfalen auf Grund von § 4 Abs. 2 G 131 den nach diesem Gesetz Berechtigten gleichgestellt. Für diesen Personenkreis ist die Einräumung von Rechtsansprüchen, darunter fällt auch die Gewährleistung von Anwartschaften im Sinne des § 169 RVO (Versorgung), durch den Gesetzgeber allgemein mit Inkrafttreten des G 131 erfolgt (vgl. BSG 10, 103 ff). Demzufolge ist seit dem 1. April 1951 im Bundesgebiet seine Beschäftigung im öffentlichen Dienst versicherungsfrei, gleichgültig ob als Beamter, Angestellter oder Arbeiter. Nur bei Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes bedarf es eines Antrags für die Befreiung von der Versicherungspflicht (§ 73 Abs. 1 G 131). Wie das LSG zutreffend erkannt hat, beinhaltet die Gleichstellung nach § 4 Abs. 2 G 131, daß der gleichgestellten Person dieselben Rechte eingeräumt sind wie denjenigen, denen sie gleichgestellt wird. Deshalb sind aber dann seine Schlußfolgerungen rechtsirrig, daß die Gleichstellung nicht die Gewährleistung von Versorgungsansprüchen erfasse, weil sie keine Rückwirkung besitze. Der Gleichstellungsbescheid selbst hat, wie der Senat bereits im Urteil vom 23. Juni 1959 (BSG 10, 103, 106) ausgeführt hat, keine eigene rechtserzeugende Bedeutung; die konstitutiven Wirkungen des G 131 sind unmittelbar mit seinem Inkrafttreten erfolgt. Da sonach eine gleichartige Tätigkeit des Klägers ohne besondere Antragstellung im Bundesgebiet vom 1. April 1951 an kraft Gesetzes versicherungsfrei war, konnte er die Anwartschaft für den Anspruch auf Alu mit den bis 1955 in der SBZ ausgeübten Beschäftigungen nicht erfüllen. Diese Tätigkeiten haben zwar ihren versicherungspflichtigen Charakter "trotz der Gleichstellung nicht verloren", wie das LSG mißverständlich sich ausdrückt, sie sind aber im Geltungsbereich des GG, wie dargelegt, mangels Gleichheit (beamtenrechtliche Versorgung) nicht verwertbar. Es ergibt sich auch keine rechtliche Möglichkeit, zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis dadurch zu gelangen, daß seine Tätigkeit im öffentlichen Dienst der SBZ - wie dem LSG im Hinblick auf § 73 G 131 offenbar vorschwebt - als eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes des Bundesgebiets angesehen wird. Alsdann würden die für die Gleichstellung nach § 90 BVFG zu berücksichtigenden Vergleichsmerkmale (Aufgabenbereich, Berufsstellung, Organisationsform u.a.) mißachtet, zugleich aber auch die Vertriebenen und Flüchtlinge gegenüber jenem ständig in der Bundesrepublik ansässigen und unter G 131 fallenden Personenkreis besser gestellt, der hier im öffentlichen Dienst nach dem 1. April 1951 einen Alu-Artspruch nicht erlangt.
Nach alledem war die Beklagte befugt, die dem Kläger gezahlte Alu nach § 177 Abs. 1 Satz 1 AVAVG aF zu entziehen, weil die Voraussetzungen zum Bezugs nicht vorgelegen haben. Da das Urteil des LSG diese Rechtsfolge verneint hat, mußte es aufgehoben werden.
VI. Der Senat konnte indessen nicht zugleich über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG befinden, da es hinsichtlich der geltend gemachten Rückforderung an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen der Vorderinstanzen fehlt. Bei der Entscheidung über den Rückforderungsanspruch ist nicht mehr von § 177 AVAVG aF als der ursprünglichen Rechtsgrundlage der Entziehung, sondern von der für den Unterstützungsempfänger günstigeren Regelung des § 185 Abs. 2 AVAVG in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. April 1957 (BGBl I 322) auszugehen. Im Urteil vom 10. Dezember 1959 (SozR AVAVG § 185 Bl. Ba2Nr. 2) hat der erkennende Senat entschieden, daß diese Vorschrift, obzwar erst seit 1. April 1957 in Kraft, auf Grund ihres zeitlichen Geltungswillens auch diejenigen Fälle erfaßt, die bei ihrem Inkrafttreten noch anhängig sind. An dieser Rechtsprechung wird auch für den vorliegenden Fall festgehalten. Um zu prüfen, ob die Beklagte das ihr bei der Rückforderung obliegende Ermessen in ausreichendem und zweckentsprechendem Umfange ausgeübt hat, sind nähere Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers (Gesundheitszustand, Familienverhältnisse, sonstige finanzielle Verpflichtungen) nachzuholen. Die Sache muß deshalb an das LSG zurückverwiesen werden, das nunmehr erneut über die Berufung der Beklagten unter Beachtung der vom erkennenden Senat dargelegten Rechtsauffassung zu entscheiden hat (§170 Abs. 2 und 4 SGG).
VII. Indem das SG die Verfügung der Beklagten hinsichtlich der Rückforderung gezahlter Alu aufhob, hat es gleichzeitig - allerdings ohne jede Begründung - die seitens der Beklagten bei der OFD geltend gemachte Erstattung des Alu-Betrages beseitigt. Für diesen gegenüber der OFD vertretenen Ersatzanspruch ist selbst dann, wenn die Rückforderung gerechtfertigt wäre, keine Rechtsgrundlage erkennbar, es sei denn, daß der Kläger sein Einverständnis dazu erklärt hatte, § 177 Abs. 1 Satz 2 AVAVG aF ließ nur den Erstattungsanspruch gegen den Unterstützungsempfänger selbst zu. Ein Forderungsübergang durch Überleitungsanzeige an Dritte war vor der Neufassung des AVAVG (1. April 1957) unmittelbar nur hinsichtlich der Rückforderung überzahlter Arbeitslosenfürsorge durch Länder- oder Zonenrecht (vgl. § 7 Abs. 4 des Anhangs zur MRVO Nr. 117 für die ehemalige Britische Besatzungszone) festgelegt. Dafür, daß es sich bei dem Erstattungsweg der Beklagten um die Beitreibung in einem ordnungsgemäß durchgeführten Verwaltungs-Vollstreckungsverfahren (§ 185 AVAVG aF) handelte, sind Anhaltspunkte nicht gegeben. Jedenfalls fehlen bisher diesbezügliche Feststellungen. Somit wird das LSG auch diese Maßnahme der Beklagten bei seiner erneuten Entscheidung einer rechtlichen Prüfung und Würdigung zu unterziehen haben.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen