Entscheidungsstichwort (Thema)
Referendare
Leitsatz (redaktionell)
Der Senat sieht keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Insbesondere kommt dem Umstand, daß der Kläger in den ersten beiden Referendarjahren keinen Unterhaltszuschuß bezogen hat, keine entscheidende Bedeutung zu.
Normenkette
AnVNG Art. 2 § 4 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 3 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 30. Mai 1967 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Rechtsstreit wird um die Nachversicherung des Klägers in der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) geführt (Art. 2 § 4 Abs. 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG -); der Kläger will mit den Nachversicherungs- und sonstigen Beiträgen auf die Mindestzahl von Beiträgen kommen, die ihn zur freiwilligen Fortsetzung der Versicherung berechtigt (§ 10 Abs. 1 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -). Bisher sind für ihn nur 44 Beitragsmonate nachgewiesen.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) befand sich der Kläger als Gerichtsreferendar vom 14. Oktober 1953 an im juristischen Vorbereitungsdienst des Landes Hessen. Mit der Ablegung der Großen juristischen Staatsprüfung am 11. Oktober 1957 schied er ohne Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung aus dem Justizdienst aus. Für die Zeit vom 1. März 1957 bis zum 11. Oktober 1957 wurde er nach § 9 AVG idF des AnVNG in der AnV nachversichert. Eine Nachversicherung auch für die vorhergehenden Zeiten des Vorbereitungsdienstes lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10. Dezember 1962).
Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers waren ohne Erfolg. Das LSG sah die Bescheide der Beklagten als rechtmäßig an. Der Kläger habe nach seinem Vortrag zwar während der gesamten Referendarzeit Unterhaltszuschuß und damit Entgelt im Sinne der Rentenversicherungsgesetze erhalten. Damit habe er eine an sich versicherungspflichtige Beschäftigung nach § 1 AVG ausgeübt. Seine Versicherungsfreiheit habe aber nicht auf Vorschriften beruht, die dem § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und § 8 AVH sinngemäß entsprochen haben.
Er sei vielmehr wegen wissenschaftlicher Ausbildung für den zukünftigen Beruf (§ 172 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, § 1 Abs. 2 AVG aF, § 12 AVG aF) versicherungsfrei gewesen. Diese Versicherungsfreiheit sei in das neue Recht der AnV nicht übernommen worden. Die Beklagte habe daher die Nachversicherung für den streitigen Zeitraum mit Recht abgelehnt. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht vor. Auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24. November 1965 - 11/1 RA 166/62 - (BSG 24, 106) könne sich der Kläger nicht berufen.
Das LSG ließ in seinem Urteil vom 30. Mai 1967 die Revision nicht zu. Der Kläger legte gleichwohl dieses Rechtsmittel ein mit dem Antrag,
die vorausgegangenen Urteile und Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Nachversicherung auch für die Zeit vom 14. Oktober 1953 bis zum 28. Februar 1957 zuzulassen sowie festzustellen, daß er zur freiwilligen Weiterversicherung in der AnV berechtigt sei.
Er stützte die Revision auf die Rüge wesentlicher Verfahrensmängel.
Die Beklagte beantragte,
die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Nach ihrer Meinung beruht das Urteil des LSG nicht auf dem vom Kläger gerügten Verfahrensmangel.
Die Revision des Klägers ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; die Rüge, das LSG habe gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen, trifft zu.
Der Kläger bemängelt mit der Revision die - nach seiner Meinung das Urteil tragende - Feststellung auf Seite 8 der Urteilsgründe, er habe während der gesamten Referendarzeit Unterhaltszuschuß bezogen. Diese Feststellung sei, worüber die Oberjustizkasse in Frankfurt/Main Auskunft geben könne, nicht richtig, weil er in der Zeit vom 14. Oktober 1953 bis zum 10. Oktober 1955 keinen derartigen Zuschuß erhalten habe. Die Feststellung des LSG verstoße gegen § 136 Abs. 1 Nr. 5 SGG, weil sich das Urteil in den Entscheidungsgründen auf eine Tatsache stütze, die nicht im Tatbestand festgehalten worden sei. Außerdem habe das LSG seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung nicht genügt (Verstoß gegen §§ 103, 106 SGG), weil es jene Feststellung getroffen habe, ohne die Personalakten des Klägers vom Oberlandesgericht Frankfurt beizuziehen. Das LSG habe es auch unterlassen, den Kläger nach seinen Bezügen in der Referendarzeit überhaupt zu fragen; darin liege eine Verletzung der Vorschriften in § 106 Abs. 1 und § 112 Abs. 2 in Verbindung mit § 153 SGG. Schließlich beruhe das Urteil auf einer Tatsache, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei, so daß sich der Kläger zu ihr nicht habe äußern können; hierin sei ein Verstoß gegen § 128 Abs. 2 SGG zu erblicken. Hilfsweise werde die Revision noch auf einen Restitutionsgrund gestützt; der Kläger habe nämlich nachträglich eine Urkunde aufgefunden, aus der sich ergebe, daß er erst vom 10. Oktober 1955 an Unterhaltszuschuß bezogen habe (§ 580 Nr. 7 b der Zivilprozeßordnung - ZPO -).
Das Vorbringen der Revision wird durch den Inhalt des angefochtenen Urteils bestätigt. Die Feststellung des LSG, der Kläger habe nach seinem Vortrag während der gesamten Referendarzeit Unterhaltszuschuß erhalten, findet sich nicht in dem mit "Tatbestand" überschriebenen Teil der Urteilsbegründung, sondern erst in dem Abschnitt "Entscheidungsgründe". Das Urteil sagt auch nicht, wann und wo der Kläger dem Gericht gegenüber die betreffende Tatsache vorgetragen hat. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG enthält dazu keine Angaben. Auch der Inhalt der Akten gibt darüber keinen Aufschluß; ersichtlich ist weder im Verfahren vor dem Versicherungsträger noch im gerichtlichen Verfahren die Frage, ob und wie lange der Kläger als Referendar einen Unterhaltszuschuß bezogen hat, angeschnitten worden. Danach hat aber das LSG, wie die Revision zutreffend ausführt, der Entscheidung eine nicht ordnungsgemäß zustande gekommene Tatsachenfeststellung zugrunde gelegt. Der Senat braucht nicht näher zu prüfen, ob dies auf einen Mangel der Sachaufklärung (Verstoß gegen §§ 103, 106, 112 Abs. 2 SGG) oder auf ein Überschreiten des Rechts der freien Beweiswürdigung (Verstoß gegen § 128 SGG) zurückzuführen ist. Für die Annahme eines wesentlichen Verfahrensmangels im Sinne von § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG genügt schon einer der beiden hier in Betracht kommenden Gründe; er macht die Revision des Klägers statthaft (wegen der Möglichkeit einer Alternativfeststellung vgl. Urteil des Senats vom 26. Februar 1958 - 1 RA 63/67 -); es kommt nicht mehr darauf an, ob das LSG, wie die Revision vorträgt, noch weitere Verfahrensvorschriften verletzt hat. Entgegen der Meinung der Beklagten setzt die Statthaftigkeit der Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht auch voraus, daß zwischen der Verletzung der verfahrensrechtlichen Vorschriften und der Entscheidung des LSG ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Die Möglichkeit, daß das LSG anders entschieden hätte, wenn es die verfahrensrechtlichen Vorschriften - hier die Feststellung des Urteilstatbestandes - richtig angewandt hätte, betrifft nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht die Statthaftigkeit, sondern die Begründetheit der Revision.
Die danach statthafte Revision ist aber unbegründet. Die Auffassung des LSG, der Kläger sei für die vor dem 1. März 1957 liegenden Zeiten der Referendarausbildung in der Rentenversicherung der Angestellten nicht nachzuversichern, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist es im Ergebnis ohne rechtliche Bedeutung, ob und wie lange der Kläger als Referendar einen Unterhaltszuschuß bezogen hat. Der Senat kann auch ohne Feststellung dieser tatsächlichen Umstände in der Sache entscheiden; einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz bedarf es nicht.
Wie das LSG aus der Regelung in Art. 2 § 4 Abs. 1 AnVNG und aus § 9 AVG zutreffend gefolgert hat, kommt es für die streitige Nachversicherung des Klägers entscheidend darauf an, ob er von Oktober 1953 bis Februar 1957 der Versicherungspflicht unterlegen hätte, wenn er nicht nach Vorschriften, die dem § 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und § 8 AVG sinngemäß entsprechen, versicherungsfrei gewesen wäre. Auf diesen Vorschriften beruhte aber die Versicherungsfreiheit des Klägers weder während der Zeit, in der er als Referendar einen Unterhaltszuschuß und damit Entgelt im Sinne der Rentenversicherungsgesetzes erhalten hat (nach den Ausführungen der Revision in der Zeit vom 10. Oktober 1955 an), noch während der Zeit, in der er keine solchen Bezüge erhalten hat (14. Oktober 1953 bis 9. Oktober 1955). Wie der Senat schon wiederholt in Streitfällen entschieden hat, in denen es um die Nachversicherung für die Zeiten vor dem Inkrafttreten des beitragsrechtlichen Teils der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze (Art. 3 § 7 AnVNG) ging, waren Referendare während des juristischen Vorbereitungsdienstes zu ihrer wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf tätig und deshalb nach § 172 Abs. 1 Nr. 5 der Reichsversicherungsordnung in Verbindung mit § 1 Abs. 2 AVG aF bzw. nach § 12 Nr. 4 AVG aF versicherungsfrei. Die Regelung nach dieser Vorschrift ist aber nicht in das seit 1957 geltende Recht der Angestelltenversicherung übernommen worden; es handelt sich deshalb nicht um eine Versicherungsfreiheit, die derjenigen nach den §§ 6 und 8 AVG sinngemäß entsprochen hätte (vgl. dazu die Urteile vom 10. Februar 1960 - 1 RA 23/59 -, BSG 11, 278, 281; vom 18. Juli 1962 - 1 RA 309/61 -, BSG 17, 206; vom 18. Juli 1962 - 1 RA 254/61 -, SozR Nr. 2 zu Art 2 § 3 ArVNG; vom 28. September 1966 - 1 RA 91/63 -). Von dieser Rechtsprechung abzugehen, bietet der vorliegende Rechtsstreit keinen Anlaß.
Insbesondere kommt dem Umstand, daß der Kläger - wie er in der Revision vorträgt - in den ersten beiden Referendarjahren keinen Unterhaltszuschuß bezogen hat, keine entscheidende Bedeutung zu. Zwar steht nach Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 AnVNG der Nachversicherung von Beamten nicht entgegen, daß sie für die Zeit des Vorbereitungsdienstes keinen Entgelt bezogen haben. Damit wird aber - wie sich aus den Worten "Dies gilt ... auch dann ..." in Satz 2 ergibt - nur der entgeltlose Vorbereitungsdienst so behandelt, als ob es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 1 AVG aF gehandelt hätte. Eine weitergehende Bedeutung kommt dieser Bestimmung nicht zu. Wird aber der Vorbereitungsdienst des Klägers auch in den ersten beiden Referendarjahren als entgeltlicher Dienst gedacht, so greift auch insoweit § 172 Abs. 1 Nr. 5 RVO als Grund für die Versicherungsfreiheit ein; es kann also für die Nachversicherung der Zeiten der entgeltlosen Referendarausbildung nichts anderes gelten als für die Zeiten, in denen ein Unterhaltszuschuß gewährt worden ist.
Soweit der Kläger dieses Ergebnis mit Erwägungen verfassungsrechtlicher und allgemeinrechtlicher Art bekämpft, ist seiner Auffassung bereits das LSG mit eingehender Begründung und unter Hinweis auf die bisherige Rechtsprechung entgegengetreten. Es hat zutreffend ausgeführt, daß es nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstößt, wenn der Vorbereitungsdienst der Referendare entweder ganz oder nur zu einem Teil nachversichert wird, je nachdem ob er ganz oder zum Teil nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung (1. März 1957) liegt. Gesetzliche Regelungen, die Leistungen oder Vergünstigungen erst von einem bestimmten Stichtag an gewähren (und damit vor dem Stichtag liegende Sachverhalte unberücksichtigt lassen), bedeuten regelmäßig keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (BSG 11, 278, 287; 14, 95, 97; 15, 46, 51; 16, 177, 179). Ein solcher Verstoß liegt auch hier nicht vor; denn der juristische Vorbereitungsdienst aller Referendare wird gleichbehandelt, wenn er von einem Stichtag an der Nachversicherung unterliegt. Zutreffend hat das LSG auch den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verneint und ausgeführt, daß der mit Urteil des BSG vom 24. November 1965 (BSG 24, 106) entschiedene Fall der Nachversicherung eines Ruhestandsbeamten, der als solcher wegen disziplinarischer Verstöße seine Beamtenrechte verloren hat, mit dem Fall des Klägers nicht zu vergleichen sei. Der Auffassung des LSG, die mit der Rechtsprechung des Senats, insbesondere in seinem Urteil vom 28. September 1966, übereinstimmt, ist in vollem Umfange beizutreten; der Kläger hat in der Revisionsbegründung keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung rechtfertigen könnten.
Danach muß die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen