Entscheidungsstichwort (Thema)
Poliklinikvertragswesen. Rechtsschutzbedürfnis
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Besetzung des Gerichts nach § 12 Abs 3 SGG.
2. Zum Rechtsschutzbedürfnis bei nachträglicher Eröffnung eines speziellen Rechtsschutzweges (hier: nach § 368n Abs 3 S 7 RVO).
Orientierungssatz
1. Das Poliklinikvertragswesen ist insgesamt als eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten anzusehen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für die unmittelbare Anrufung des Gerichts ist dadurch zum Wegfall gekommen, daß § 368 Abs 3 S 7 RVO nunmehr einen speziellen Rechtsschutzweg vorschreibt, denn nach dieser Bestimmung hat die für die Sozialversicherung zuständige oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit der für die Hochschule zuständigen obersten Landesbehörde auch über alle bei Inkrafttreten dieser Bestimmung noch offenen, den Umfang der Untersuchungen betreffenden Streitigkeiten zwischen den Vertragspartnern eines Poliklinikvertrages zu entscheiden.
3. § 368n Abs 3 S 7 RVO gilt nicht nur bei einem Streit über den Umfang von Untersuchungen in den Poliklinikvertrag, sondern auch bei einer Uneinigkeit über die rechtliche Zuordnung einer bestimmten Leistungsart zum poliklinischen Bereich.
4. Kommt es bei Nichteinigung über einen Poliklinik-Vertrag zu der gesetzlich vorgesehenen "ministeriellen" Entscheidung, so unterliegt diese - ähnlich einem Schiedsspruch - nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (vgl BSG 1963-10-30 6 RKa 4/62 = BSGE 20, 73).
Normenkette
SGG § 33 Fassung: 1972-05-26, § 12 Abs 3 Fassung: 1972-05-26; RVO § 368n Abs 3 S 7 Fassung: 1981-12-22
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 08.04.1981; Aktenzeichen L 10 Ka 600/79) |
SG Reutlingen (Entscheidung vom 06.12.1978; Aktenzeichen S 10 Ka 1918/77) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Teilkündigung sogenannter Poliklinikverträge.
Am 26. April 1975 schloß die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit dem klagenden Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Universität Ulm - Medizinisch-Naturwissenschaftliche Hochschule -, einen Vertrag. Darin wurde im Rahmen der Lehr- und Forschungsaufgaben der Universität die ambulante ärztliche Untersuchung, Behandlung und Betreuung von Mitgliedern (einschließlich ihrer mitversicherten Angehörigen) der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen (RVO-Kassen) sowie der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und der Bundesknappschaft durch die im Vertrag näher bezeichneten universitären Ambulanzen geregelt. Nach § 7 Ziff 1 dieses - ab 1. Januar 1975 geltenden - Poliklinikvertrages (im folgenden: RLK-Vertrag) ist die Ambulanz für Geburtshilfe und Gynäkologie berechtigt, unter anderem Erst- und Basisuntersuchungen bei Säuglingen (U1 und U2, letztere durch einen Facharzt für Kinderkrankheiten) entsprechend den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres (Kinder-Richtlinien) und den dazu für die kostenpflichtige Krankenkasse getroffenen Regelungen zu erbringen. In § 12 Ziff 3 heißt es, daß der Vertrag von beiden Vertragspartnern mit einer Frist von drei Monaten zum Schluß eines Kalendervierteljahres - frühestens zum 31. März 1977 - durch eingeschriebenen Brief gekündigt werden könne. Eine damit im wesentlichen übereinstimmende Regelung wurde durch Vertrag vom selben Tage auch für Ersatzkassenmitglieder und ihre Angehörigen getroffen (im folgenden: ErsK-Vertrag). Beide Verträge lösten bereits vorher bestehende, hinsichtlich des § 7 im wesentlichen gleichlautende Vereinbarungen ab.
Mit Schreiben vom 27. Juni 1977 kündigte die Beklagte aufgrund eines Beschlusses ihres Vorstands die in § 7 der Poliklinikverträge vom 26. April 1975 hinsichtlich der U1 und U2 getroffene Regelung zum 30. September 1977, weil es sich bei diesen Untersuchungen nicht um poliklinische Leistungen im Sinne des Gesetzes handele. Diese würden nämlich nicht im Bereich der Universität, sondern im Bereich der Städtischen Krankenanstalten Ulm/Donau erbracht.
Dagegen hat die Universität als Vertreterin des Landes Baden-Württemberg Feststellungsklage erhoben. Für sie ist der Akademische Rat Dr. L. aufgetreten, welcher eine von Dr. B., Regierungsdirektor im Kultusministerium, unterzeichnete Prozeßvollmacht des Klägers zu den Gerichtsakten gereicht hat. Gegen das klageabweisende Sachurteil des Sozialgerichts (SG) Reutlingen hat Dr. L. mit einer Vollmacht des Prorektors der Universität Berufung eingelegt, die ebenfalls erfolglos geblieben ist. Zur Begründung der Entscheidung, die das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreise der Kassenärzte getroffen hat, wird im wesentlichen ausgeführt: Die Kündigungsregelungen der Verträge vom 26. April 1975 ließen auch eine Teilkündigung der in § 7 hinsichtlich der U1 und U2 getroffenen Regelung zu, da die verschiedenen in den Poliklinikverträgen geregelten ambulanten Untersuchungen und Behandlungen keine untrennbare Einheit bildeten. Auch sonst bestünden keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Kündigungen. Zwar sei die Beklagte grundsätzlich verpflichtet, poliklinischen Einrichtungen zur Förderung von Forschung und Lehre die Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung durch entsprechende Verträge zu ermöglichen, auch gehörten die U1 und U2 zur ambulanten kassenärztlichen Tätigkeit, es sei jedoch bereits fraglich, ob eine Einbeziehung der U1 und U2 in die Poliklinikverträge erforderlich sei, da alle neugeborenen Kinder in der Klinik ohnehin für Forschung und Lehre zur Disposition stünden. Jedenfalls fielen die U1 und U2 aus dem Rahmen der für die poliklinischen Einrichtungen der Hochschulen vorgesehenen Aufgaben. Nicht jede ambulante Maßnahme sei nämlich automatisch eine poliklinische Leistung. Da in den poliklinischen Einrichtungen, die den Universitätskliniken angegliedert seien, Kranke ambulant behandelt würden, sei die Einbeziehung der U1 und U2 in die Poliklinikverträge systemwidrig. Denn die Notwendigkeit der Durchführung von U1 und U2 ergebe sich in der Regel gerade aus der stationären Behandlung der Mutter und des neugeborenen Kindes.
Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision des Klägers, welche von seinen Rechtsanwälten zunächst ohne Vorlage einer Vollmacht eingelegt und begründet worden ist. Auf Hinweise des Gerichts hin haben diese eine von Dr. L. unterzeichnete Vollmachtsurkunde der Universität Ulm und später noch eine Erklärung des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst, Baden-Württemberg, vom 6. Oktober 1983 vorgelegt, die von Ministerialdirigent S. unterzeichnet ist. Darin werden alle bislang für den Kläger vorgenommenen Prozeßhandlungen genehmigt. Außerdem hat der Kläger zur Frage der Vertretungsbefugnis im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzend Stellung genommen (vgl Schriftsatz vom 20. März 1984).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 368n Abs 3 Sätze 3 und 4 Reichsversicherungsordnung (RVO). Er betont die Bedeutung der Durchführung von U1 und U2 für die Forschung und Lehre an der Universität und trägt insbesondere vor, daß die U1 und U2 durch die stationäre Unterbringung von Mutter und Kind nicht ihren Charakter als ambulante ärztliche Leistungen verlören. Sei die Erbringung solcher Leistungen Wesensmerkmal der poliklinischen Einrichtungen der Hochschule, so seien die U1 und U2 als poliklinische Leistungen anzusehen.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Urteile des SG Reutlingen vom 6. Dezember 1978 - S 10 Ka 1918/77 - und des LSG Baden-Württemberg vom 8. April 1981 - L 10 Ka 600/79 - festzustellen, daß die mit Schreiben der Beklagten vom 27. Juni 1977 ausgesprochene Teilkündigung der in § 7 der Ambulanzverträge vom 26. April 1975 hinsichtlich der Erst- und Basisuntersuchungen bei Neugeborenen (U1 und U2) getroffenen Regelung unwirksam ist.
Die Beklagte beantragt, Die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat - anders als das LSG - in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte entschieden (§ 33 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- iVm § 12 Abs 3 Satz 1 SGG). Der Rechtsstreit betrifft keine reine Angelegenheit der Kassenärzte iS von § 12 Abs 3 Satz 2 SGG, sondern eine Angelegenheit des Kassenarztrechts, da die Poliklinikverträge zum Bereich der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassenärzte und Krankenkassen gehören.
Was den RLK-Vertrag angeht, so waren hier zwar nicht Vertreter der Krankenkassen beschließend an dem Zustandekommen einer Verwaltungsentscheidung beteiligt (vgl BSGE 42, 268 f = SozR 2200 § 368n Nr 9), der Abschluß von Poliklinikverträgen hängt jedoch nach § 368n Abs 3 Satz 3 RVO - jedenfalls soweit Mitglieder von RVO-Kassen betroffen sind - vom Vorliegen eines Einvernehmens mit den Landesverbänden der Krankenkassen (LdKK) ab, was grundsätzlich ausreicht für die Annahme einer Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung (vgl BSGE 44, 244, 246 = SozR 7323 § 3 Nr 1). Insoweit ist es unschädlich, daß diese Fassung des § 368n Abs 3 Satz 3 RVO erst mit Wirkung ab 1. Januar 1977 durch Art 1 § 1 Nr 15 des Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetzes (KVWG) vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) eingeführt worden ist. Auch wenn das Einvernehmenserfordernis bei Abschluß des RLK-Vertrages am 26. April 1975 noch nicht bestand, so galt diese Gesetzesänderung jedenfalls im Zeitpunkt der Teilkündigung, welche die Beklagte mit Schreiben vom 27. Juni 1977 ausgesprochen hat. Auf den letztgenannten Vorgang ist abzustellen, weil sich der anhängige Rechtsstreit darauf bezieht.
Im Rahmen des § 12 Abs 3 SGG kann es dahingestellt bleiben, ob die Beklagte die Teilkündigung des RLK-Vertrages nur im Einvernehmen mit den LdKK aussprechen durfte oder ob diese Verbände lediglich beim Abschluß neuer Vereinbarungen in der genannten Weise zu beteiligen waren. Jedenfalls ist den LdKK durch § 368n Abs 3 Satz 3 RVO eine entscheidende Mitwirkungsmöglichkeit bei der Gestaltung von Poliklinikverträgen eingeräumt worden. Mit Rücksicht darauf ist das Poliklinikvertragswesen insgesamt als eine Angelegenheit der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Kassenärzten anzusehen. Maßgebend ist nämlich insoweit der Gegenstand des materiellen Begehrens - hier: Einbeziehung der U1 und U2 in den Poliklinikvertrag - und nicht, wie es zu dem anhängigen Rechtsstreit gekommen ist, sei es, daß gegen eine (Teil-)Kündigung des Vertrages vorgegangen, sei es, daß der Abschluß einer neuen Vereinbarung erstrebt wird (vgl BSG KVRS A- 6000/1). Eine Differenzierung zwischen den vorgenannten Fallkonstellationen erscheint in diesem Zusammenhang nicht sachgerecht, zumal uU beide - bezogen auf verschiedene Zeiträume - in einem Verfahren zusammentreffen können, was in jedem Fall eine einheitliche Besetzung des Gerichts mit je einem Vertreter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Kassenärzte zur Folge hätte (vgl BSGE 27, 154, 156).
Für diese Auslegung des § 12 Abs 3 SGG sprechen nicht nur Gründe der Praktikabilität, sondern auch der Sinn und Zweck dieser Regelung. Wie allgemein die Bestimmungen über die Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern in der Sozialgerichtsbarkeit soll auch § 12 Abs 3 SGG sicherstellen, daß jeweils diejenigen Personenkreise, die an der Durchführung der betreffenden Aufgaben beteiligt und mit ihnen vertraut sind, bei der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus diesen Bereichen herangezogen werden (BSGE 5, 50, 51). Diesem Gedanken ist dadurch Rechnung zu tragen, daß man in sich abgeschlossene Regelungsbereiche nicht weiter aufgliedert, sondern sie als Ganzes entweder den Angelegenheiten des Kassenarztrechts oder den Angelegenheiten der Kassenärzte zuordnet. Anderenfalls würden die inneren rechtlichen Zusammenhänge verkannt, und die Besetzung des Gerichts wäre häufig von Zufälligkeiten abhängig. Dies gilt insbesondere im vorliegenden Fall. Ergibt sich die für eine Anwendung des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG erforderliche enge Beziehung der Krankenkassen zum Poliklinikvertragswesen aus dem Umstand, daß die LdKK beim Zustandekommen derartiger Vereinbarungen einen mitbestimmenden Einfluß ausüben, so hat diese Besetzungsregelung auch für andere Streitigkeiten zu gelten, die aus einem derartigen Vertrag erwachsen können. Denn dabei handelt es sich lediglich um Folgeerscheinungen des Vertragsschlusses.
Diese Erwägungen gelten erst recht, soweit die teilweise Kündigung des ErsK-Vertrages im Streit ist, da das Mitbestimmungsrecht der Kassen hier noch stärker ausgestaltet ist. Nach § 5 Nr 4 Arzt/Ersatzkassenvertrag (EKV) wird nämlich die Behandlung der Versicherten in Universitätspolikliniken insgesamt, dh ohne Beschränkung auf den Abschluß von Verträgen, im Einvernehmen zwischen der zuständigen KÄV und dem Verband der Angestelltenkrankenkassen (VdAK) geregelt.
Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist jedoch weitgehend unbegründet. So ist das Berufungsurteil nicht schon wegen einer fehlerhaften Besetzung des LSG aufzuheben. Die Mitwirkung von zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreise der Kassenärzte stellt nach den vorstehenden Ausführungen zwar einen Verfahrensmangel dar (vgl § 202 SGG iVm § 551 Nr 1 Zivilprozeßordnung -ZPO-); dieser hat jedoch entsprechend § 202 SGG, § 559 Abs 2 Satz 2 ZPO unberücksichtigt zu bleiben, weil er von keinem Beteiligten gerügt worden ist (BSGE 44, 244, 246).
Soweit sich der Rechtsstreit auf die Teilkündigung des RLK-Vertrages bezieht, hat das LSG das klageabweisende Urteil des SG im Ergebnis zu Recht bestätigt. Allerdings ergibt sich die Abweisung der Feststellungsklage nicht aus einer Anwendung materiellen Rechts, sondern bereits aus dem Fehlen einer von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzung. Die Klage ist nämlich inzwischen als unstatthaft bzw wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig anzusehen.
Ursprünglich bestanden gegen die Feststellungsklage insoweit keine Bedenken, da im sozialgerichtlichen Verfahren nicht nur die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, sondern auch die Rechtswidrigkeit einer Kündigung und das Fortbestehen eines öffentlich-rechtlichen Vertrages geltend gemacht werden kann (BSG KVRS A-6000/1). Sie ist jedoch mit Inkrafttreten des § 368n Abs 3 Satz 7 RVO idF des Art 2 Nr 5 Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz (KHKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1568) am 1. Juli 1982 unzulässig geworden.
Die Statthaftigkeit der Klage - insbesondere das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses - ist auch im Revisionsverfahren zu prüfen (BSGE 3, 142, 153; BSG SozEntsch BSG 1/4 § 53 Nr 1; BSG SozR 2200 § 352 RVO Nr 2, Seite 6). Hier fehlt das Rechtsschutzinteresse, weil für das von dem Kläger erstrebte Ziel nunmehr gem § 368n Abs 3 Satz 7 RVO ein spezieller Rechtsschutzweg gegeben ist (vgl BAG AP Nr 12 zu § 256 ZPO; A. Schönke, Das Rechtsschutzbedürfnis, 1950, Seite 25). Nach dieser Vorschrift entscheidet auf Antrag eines der Vertragspartner eines Poliklinikvertrages die für die Sozialversicherung zuständige oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit der für die Hochschule zuständigen obersten Landesbehörde, wenn eine Einigung über den Umfang der Untersuchungen und Behandlungen oder über die Vergütung nicht erzielt werden kann.
Diese Vorschrift ist im vorliegenden Fall anzuwenden, obwohl sie erst im Laufe des Revisionsverfahrens in die RVO eingefügt worden ist. Das Revisionsgericht hat nämlich grundsätzlich auch jedes nach Erlaß des angefochtenen Urteils ergangene neue Gesetz zu berücksichtigen, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen das streitige Rechtsverhältnis erfaßt (BGHZ 9, 101; BVerwGE 1, 291, 298 f; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur SGb, 1968 ff, § 162 SGG Anm 7). Mangels spezieller Übergangsvorschriften kann § 368n Abs 3 Satz 7 RVO Anwendbarkeit für alle im Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. Juli 1982 (Art 10 KHKG) noch nicht abgeschlossene Streitigkeiten zwischen Vertragspartnern von Poliklinikverträgen beanspruchen. Es entspricht nämlich einem allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts, daß neue Bestimmungen auch für schwebende Verfahren gelten, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist (BSGE 1, 264, 265; BVerfGE 11, 139; BVerwGE 15, 48, 50; BFHE 110, 484, 485; 121, 379, 380; BGH, NJW 1978, 889; vgl auch Art II § 37 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - -SGB X-; dazu BSGE 52, 98). Außerdem legt es der Sinn und Zweck des § 368n Abs 3 Satz 7 RVO nahe, das darin vorgesehene Regelungsverfahren auch auf noch offene Streitigkeiten anzuwenden, die sich auf zurückliegende Zeiträume beziehen. Denn auf diese Weise kann in möglichst großem Umfang eine schnelle und pragmatische Konfliktlösung erzielt werden (vgl Stellungnahme des Bundesrates zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum KHKG, BT-Drucks 9/570, Seite 39).
Die Voraussetzungen für das Einschalten der obersten Landesbehörden sind hier gegeben. Insbesondere greift § 368n Abs 3 Satz 7 RVO auch bei einem Streit über die Wirksamkeit einer Teilkündigung des RLK-Vertrages ein. Diese Vorschrift stellt zwar ihrem Wortlaut nach auf den Fall ab, daß "eine Einigung ...nicht erzielt werden" kann. Dies könnte dafür sprechen, daß die Regelung nur die Situation vor dem Abschluß eines Poliklinikvertrages und nicht auch Streitigkeiten betrifft, die aus bestehenden Verträgen erwachsen. Die fragliche Formulierung dürfte jedoch in erster Linie damit zusammenhängen, daß die Bestimmungen des § 368n Abs 3 Sätze 3 bis 7 RVO insgesamt eher das Zustandekommen von Poliklinikverträgen vor Augen haben (Satz 3: "... schließen ...Verträge"; Satz 6: "... kann vereinbart werden"). Jedenfalls spricht mehr dafür, daß mit § 368n Abs 3 Satz 7 RVO die Einführung einer umfassenden Streitentscheidungsbefugnis der zuständigen obersten Landesbehörden beabsichtigt war. Denn es erschiene nicht sachgerecht, je nach der Fallkonstellation, in der eine Uneinigkeit zutage tritt, unterschiedliche Verfahrensweisen vorzusehen, wo doch die materiellen Streitpunkte identisch sein können.
Der Streit betrifft auch den Umfang der poliklinischen Untersuchungen iS von § 368n Abs 3 Satz 7 RVO. Der Begriff "Umfang" hat hier nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Bedeutung. Er bezieht sich nämlich auf Satz 4 des § 368n Abs 3 RVO, wonach die Poliklinikverträge den poliklinischen Einrichtungen der Hochschulen die Untersuchung von Versicherten in dem für die Durchführung ihrer Lehr- und Forschungsaufgaben benötigten Umfang gewährleisten müssen. Dort ist ersichtlich nicht nur die Anzahl, sondern auch die Art der Untersuchungen gemeint, da ansonsten nicht vorgegeben ist, welche ärztlichen Leistungen zum Inhalt eines Poliklinikvertrages gehören sollen. Dies richtet sich vielmehr, ebenso wie die zahlenmäßige Begrenzung, nach den Erfordernissen von Forschung und Lehre. Zudem gilt § 368n Abs 3 Satz 7 RVO nicht nur bei einem Streit über den Umfang von Untersuchungen, deren Aufnahme in den Poliklinikvertrag von beiden Beteiligten als grundsätzlich zulässig angesehen wird, sondern auch bei einer Uneinigkeit über die rechtliche Zuordnung einer bestimmten Leistungsart zum poliklinischen Bereich. Eine Differenzierung zwischen diesen beiden Aspekten erscheint nämlich weder im vorhinein möglich, noch läge sie im Interesse einer umfassenden Entscheidungsbefugnis der obersten Landesbehörden. Im übrigen hinge sonst das Eingreifen der Regelung des Satzes 7 letztlich von den vorgetragenen Argumenten der Vertragsparteien ab.
Der Kläger, dessen (materielle) Aktivlegitimation als Vertragspartner des Poliklinikvertrages hier - bei der Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses (als bloßer Zulässigkeitsvoraussetzung) - zu unterstellen ist, muß auch im gegenwärtigen Stand des Gerichtsverfahrens auf die danach bestehende Möglichkeit verwiesen werden, durch seine eigenen obersten Landesbehörden eine Entscheidung iS von § 368n Abs 3 Satz 7 RVO zu treffen. Eine Wahlmöglichkeit besteht insoweit nicht, da es sich um ein obligatorisches Regelungsverfahren handelt (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 1950 ff, § 368n RVO Anm 3.cbb). Die Durchführung dieses Verfahrens erscheint auch unter Beachtung des Gesichtspunkts der Prozeßökonomie zumutbar (vgl BSG vom 20. Oktober 1977 - 11 RA 19/77 -, Leitsatz in SozSich 1978, 59). Dies wäre allerdings dann nicht der Fall, wenn feststünde, daß sich das Gericht in absehbarer Zeit wieder in derselben Entscheidungssituation befinden wird wie jetzt. Dafür bestehen jedoch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es ist nämlich nicht abzusehen, ob das Verfahren nach § 368n Abs 3 Satz 7 RVO zu einer Entscheidung der obersten Landesbehörden führt, die im Klagewege angegriffen wird. Zum einen ist das Ergebnis dieser Entscheidung offen, da in dem Verfahren nach § 368n Abs 3 Satz 7 RVO die für die Sozialversicherung zuständige oberste Landesbehörde federführend ist, die bislang - soweit ersichtlich - noch nicht eingeschaltet worden ist. Zum anderen steht in Frage, ob es zu einer Klage gegen die Entscheidung der Ministerien kommt. Denn es ist nicht ausgeschlossen, daß Kläger wie Beklagte eine zwischen den beiden obersten Landesbehörden einvernehmlich getroffene Regelung hinnehmen werden. Selbst wenn diese ministerielle Entscheidung im Klagewege angegriffen werden würde, unterläge sie schließlich - anders als der jetzige Streitgegenstand - nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Ähnlich einem Schiedsspruch ist sie nämlich nur wegen Rechtsverstößen angreifbar (vgl BSGE 20, 73, 76 ff). Anderenfalls würde das Regelungsverfahren nach § 368n Abs 3 Satz 7 RVO seinen Zweck nicht erfüllen können, die fehlende Einigung der Vertragsparteien durch eine ministerielle Entscheidung zu ersetzen und dadurch einen umfassenden Interessenausgleich herbeizuführen (vgl auch die Stellungnahme des Bundesrates zum KHKG-Entwurf, BT-Drucks 9/570, S 39, wonach insoweit eine Zuständigkeit der nach § 368i RVO gebildeten Landesschiedsämter begründet werden sollte, sowie die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 9/976, S 18, welche eine besondere Schlichtungsvereinbarung vorsah).
Die Zurückweisung der Revision bedeutet, daß der Streit über die Wirksamkeit der Teilkündigung des RLK-Vertrages weiterhin offen bleibt. Da die insoweit erhobene Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird, hat der Kläger - wenn er sich weiterhin als Vertragspartner ansieht - die Möglichkeit, nach § 368n Abs 3 Satz 7 RVO eine Entscheidung über diesen Streitpunkt durch die zuständigen obersten Landesbehörden herbeizuführen oder sich unter Berücksichtigung der Bemerkungen, welche der Senat in folgendem zur Frage der Teilkündigung des ErsK-Vertrages macht, mit der Beklagten zu einigen.
Soweit über die Wirksamkeit der Teilkündigung des ErsK-Vertrages gestritten wird, ist die Revision insofern begründet, als das angefochtene Urteil in diesem Umfang aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist. Das Berufungsurteil beruht insoweit auf einem Verfahrensfehler, der von Amts wegen zu beachten ist. Es ist nämlich unterlassen worden, den VdAK zum Verfahren notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 SGG).
Anders als § 368n Abs 3 Satz 3 RVO, der nur beim Abschluß von Poliklinikverträgen ein Einvernehmen der KÄVen mit den LdKK vorsieht, unterliegt es gem § 5 Nr 4 EKV auch der Mitbestimmung des VdAK, wenn die Beklagte eine Teilkündigung des ErsK-Vertrages aussprechen will. Diese Vorschrift bestimmt nämlich ganz allgemein, daß die Behandlung der Versicherten in Universitätspolikliniken im Einvernehmen zwischen der zuständigen KÄV und dem VdAK geregelt wird. Eine derartige Regelung erfolgt naturgemäß auch, wenn bestimmte ärztliche Leistungen aus dem Vertrag herausgenommen werden sollen.
Kraft dieses Zustimmungserfordernisses ist der VdAK an dem streitigen Rechtsverhältnis iS von § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (vgl BSG vom 31. August 1983 - 2 RU 65/82 - in SozR 1500 § 75 SGG Nr. 49; BVerwGE 42, 8, 10). Die in diesem Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über die Wirksamkeit der Teilkündigung des ErsK-Vertrages greift insoweit zugleich unmittelbar in die Rechtssphäre des VdAK ein, die sich aus dessen Mitwirkungsrecht ergibt (vgl zB BSG SozR 1500 § 75 SGG Nrn 8, 15, 21 und 34).
Die Zurückverweisung der Sache an das LSG ist erforderlich (§ 170 Abs 2 SGG), weil die unterlassene Beiladung in der Revisionsinstanz nicht mehr nachgeholt werden kann (§ 168 SGG).
Unbeschadet der Möglichkeit des beizuladenden Verbandes, durch seine Stellungnahme zur Entscheidungsfindung beizutragen, sieht sich der Senat zu folgenden Bemerkungen veranlaßt: Man wird nunmehr davon ausgehen können, daß der Kläger im Klage- und Berufungsverfahren ordnungsgemäß vertreten war. Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Prozeßvollmacht iS von § 73 Abs 2 Satz 1 SGG noch nachgeholt werden kann, wenn die Klage bereits als unzulässig abgewiesen worden ist (kritisch dazu Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, 2. Aufl 1981, § 73 RdNr 13, mwN). Hier bestehen insoweit - wegen der Nachholbarkeit - keine Bedenken, da die Vorinstanzen in der Sache entschieden haben, ohne die vorgelegten Vollmachten in Zweifel zu ziehen. Auch ergeben sich bezüglich des Streits über die Kündigung des ErsK-Vertrages keine Probleme hinsichtlich des Rechtsschutzbedürfnisses, da § 368n Abs 3 Satz 7 RVO im Ersatzkassenbereich nicht gilt (vgl § 525c RVO).
In materieller Hinsicht wird zu prüfen sein, ob das klagende Land überhaupt noch aktiv legitimiert ist oder ob nicht die Universität Ulm mit Erlangung ihrer Rechtsfähigkeit auch in die Rechte und Pflichten aus dem ErsK-Vertrag eingetreten ist. Sodann wäre festzustellen, ob hinsichtlich der Teilkündigung der Beklagten gemäß § 5 Nr 4 EKV ein Einvernehmen mit dem VdAK besteht. Darüber hinaus erscheint es fraglich, wie der streitige § 7 des ErsK-Vertrages auszulegen ist. Wenn die nach dieser Bestimmung zur Erbringung von U1 und U2 berechtigte "Ambulanz für Geburtshilfe und Gynäkologie" eine abgeschlossene organisatorische Einheit der Universitätsklinik sein sollte, so erscheint es zweifelhaft, ob der ErsK-Vertrag überhaupt solche U1 und U2 erfaßt, die in anderen - insbesondere stationären - Bereichen erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, dh sind bereits nach § 7 des ErsK-Vertrages nur solche U1 und U2, die von dem Personal der genannten Ambulanz in deren Räumlichkeiten durchgeführt werden, als poliklinische Leistungen abrechnungsfähig, so dürfte sich eine Teilkündigung dieses Vertrages hinsichtlich der in § 7 für die U1 und U2 getroffenen Regelung erübrigen. Eine dennoch ausgesprochene bzw aufrechterhaltene Kündigung dieser Bestimmung wäre grundsätzlich als rechtswidrig anzusehen, weil ein in dieser Weise auf den engeren Ambulanzbereich beschränkter Vertragsinhalt jedenfalls dem gesetzlichen Rahmen entspräche. Wirksam wäre die Teilkündigung allenfalls dann, wenn für die verbleibende geringe Anzahl von in der Ambulanz erbrachten U1 und U2 kein poliklinisches Forschungs- bzw Lehrinteresse der Universität mehr geltend gemacht werden könnte.
Sofern § 7 des ErsK-Vertrages jedoch in dem offenbar von beiden Beteiligten zugrundegelegten, weiten Sinne zu verstehen ist und die in diesem Zusammenhang getroffenen - möglicherweise noch einmal zu überprüfenden - tatsächlichen Feststellungen zugrundegelegt werden können, hätte die Beklagte Anlaß zu der von der Beklagten erklärten Teilkündigung gehabt; denn eine vertragliche Regelung, welche die Erbringung von U1 und U2 auch bei stationär aufgenommenen Neugeborenen als poliklinische Leistungen ermöglicht, begegnet rechtlichen Bedenken. Jedenfalls erscheint dem Senat - nach dem jetzigen Stand der Dinge - die Auffassung des LSG überzeugend, daß die im stationären Bereich erbrachten U1 und U2 trotz ihrer bis zum 31. Dezember 1981 geltenden rechtlichen Zuordnung zur kassenärztlichen bzw vertragsärztlichen Versorgung (vgl BSGE 40, 125) nicht als Behandlung "in Universitätspolikliniken" iS von § 5 Nr 4 EKV qualifiziert werden können. Im übrigen dürfte die Frage der Einbeziehung von U1 und U2 in den ErsK-Vertrag für die Zeit ab 1. Januar 1982 durch die gesetzliche Neuregelung des § 368 Abs 2 Satz 3 RVO idF des Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetzes vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1578), der gem § 525c Abs 3 Satz 2 RVO auch für die vertragsärztliche Versorgung gilt, geklärt sein (vgl auch § 1 Nr 4 Buchst d) EKV).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs 4 SGG, soweit die Revision als unbegründet zurückgewiesen worden ist. Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen