Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente unter Berücksichtigung einer pauschalen Vertreibungszeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG)
Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob der Klägerin eine höhere Witwenrente unter Berücksichtigung einer pauschalen Vertreibungszeit gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zusteht.
Die Klägerin ist die Witwe des im Jahr 1975 in Gleiwitz/Oberschlesien verstorbenen Versicherten. Beide Ehegatten sind - 1914 bzw. 1923 - in Gleiwitz als deutsche Staatsangehörige geboren. Der Versicherte leistete von 1940 bis 10. April 1945 deutschen Wehr- bzw. Kriegsdienst und kehrte danach wieder nach Gleiwitz zurück. Die Klägerin ist 1978 in die Bundesrepublik Deutschland ausgesiedelt worden und hat hier den Vertriebenenausweis A erhalten.
Mit Bescheid vom 8. März 1979 wurde ihr eine Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes gewährt, bei deren Berechnung die Zwischenzeit zwischen der Beendigung des Kriegsdienstes und der Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit des Ehemannes vom 11. April 1945 bis 6. Mai 1946 nicht berücksichtigt wurde.
Die im März 1980 von der Klägerin begehrte Neufeststellung ihrer Rente unter Berücksichtigung der vorgenannten Zeit als pauschale Ersatzzeit der Vertreibung wurde von der Beklagten mit der Begründung abgelehnt, daß der Versicherte selbst nicht Vertriebener gewesen sei; die Anerkennung der Klägerin als Vertriebene reiche nicht aus. Das Sozialgericht (SG) gab der hiergegen erhobenen Klage statt; das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Beklagten zurück (Urteil des SG Köln vom 8. August 1983; Urteil des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen vom 31. Januar 1984).
Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, die Zeit von April 1945 bis Mai 1946 sei gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG als Ersatzzeit anzurechnen, weil es nach dieser Bestimmung ausreiche, daß die rentenberechtigte Hinterbliebene Vertriebene i.S. des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) sei. Diese Bestimmung gehöre zum Vertriebenenrecht und diene ebenso wie § 2 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und das Fremdrentengesetz (FRG) der Verwirklichung des Eingliederungsprinzips, von dem das Vertriebenenrecht geprägt sei. Zu § 2 Abs. 2 BVG, der eine nahezu wortgleiche Verweisung auf das BVFG enthalte, habe das BSG bereits entschieden, daß derjenige, von dem der Hinterbliebene seinen Rentenanspruch ableite, nicht selbst Vertriebener i.S. von § 1 BVFG geworden sein müsse (SozR Nr. 72 zu § 1251 RVO). Für § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG könne insoweit nichts anderes gelten.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG. Sie hält daran fest, daß es für die Anerkennung von Ersatzzeiten nach dieser Vorschrift nicht ausreiche, daß die rentenberechtigte Hinterbliebene Vertriebene i.S. des BVFG ist. Sinn des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG sei es, den Vertriebenen einen Ausgleich für den durch die Vertreibung bedingten Schaden - Beitragsausfall - zu schaffen. Diese am Entschädigungsgedanken orientierte Zwecksetzung, die auch in den Motiven des Gesetzes zum Ausdruck gekommen sei (vgl. BT-Drucks II/3080 S. 8), lasse eine Auslegung des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG nur dahin zu, daß die dort erfaßten, als Einheit anzusehenden Tatbestände der pauschalen und individuellen Vertreibung insgesamt nur in der Person des Versicherten verwirklicht sein könnten, dieser also selbst Vertriebener i.S. des BVFG geworden sein müsse.
Die Beklagte beantragt,
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das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8. August 1983 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. |
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die Zeit vom 11. April 1945 bis 6. Mai 1946 als Ersatzzeit der Vertreibung auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin anzurechnen ist.
Nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG werden u.a. die Zeit vom 1. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 (pauschale Vertreibungszeit) sowie außerhalb dieses Zeitraums liegende Zeiten der Vertreibung, Flucht, Umsiedlung oder Aussiedlung (individuelle Vertreibungszeiten) "bei Personen i.S. der 1 bis 4 des Bundesvertriebenengesetzes" (BVFG) als Ersatzzeiten für die Erfüllung der Wartezeit angerechnet und, sofern die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AVG - wie im vorliegenden Fall - erfüllt sind, gemäß § 30ff., 40, 41 und 45 AVG auch bei der Berechnung der Versichertenrenten/Hinterbliebenenrenten berücksichtigt. Die Klägerin gehört zu den Personen i.S. der §§ 1 bis 4 BVFG, weil sie Gleiwitz nach Abschluß der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen im Jahre 1978 verlassen hat und daher als sog. Spätaussiedlerin i.S. von § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG selbst die Vertriebeneneigenschaft besitzt. Dies reicht entgegen der Ansicht der Beklagten für die Anrechnung der - vom Versicherten zurückgelegten - pauschalen Vertreibungszeit auf die Hinterbliebenenrente der Klägerin aus. Daß der Versicherte, von dem die Klägerin ihren Hinterbliebenenrentenanspruch ableitet, nicht selbst Vertriebener (Spätaussiedler) i.S. der vorgenannten Vorschriften geworden ist, weil er vor der Aussiedlung im Jahre 1975 verstorben ist, steht der Anrechnung seiner pauschalen Vertreibungszeit nicht entgegen.
Die Beklagte verkennt insoweit, daß § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG in Fällen der vorliegenden Art nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit dem FRG gesehen werden kann. Bei vertriebenen Hinterbliebenen, die ihre Anspruchsberechtigung auf Hinterbliebenenleistungen aus § 1 Buchst a FRG herleiten, findet gemäß § 14 FRG der § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG vielmehr auch dann Anwendung, wenn der Versicherte selbst nicht in den Geltungsbereich des BVFG gelangt und daher nicht Vertriebener i.S. dieses Gesetzes geworden ist, weil er vor der (individuellen) Vertreibung - aber nach dem Erleiden von Beitragsausfällen in der allgemeinen Vertreibungszeit - verstorben ist.
Die Klägerin gehört als anerkannte Vertriebene zu den Berechtigten i.S. des § 1 Buchst a FRG. Für die Berechtigung aus dieser Bestimmung ist es unerheblich, daß der verstorbene Ehegatte nicht selbst als Vertriebener anerkannt worden ist. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 1 Buchst a FRG, sondern entspricht auch der Absicht des Gesetzgebers und dem Sinn des das FRG beherrschenden Eingliederungsprinzips, wie der Große Senat (GS) des BSG in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 1979 (BSGE 49, 175, 181 = SozR 5050 § 15 Nr. 13) aufgrund der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung im einzelnen dargelegt hat. Danach sollte den Hinterbliebenen eine eigenständige Berechtigung auf Hinterbliebenenleistungen verschafft werden. Gehört der Versicherte selbst - etwa wegen Vorversterbens im Vertreibungsgebiet - nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG, wird die vorn Gesetzgeber gewollte Eingliederung seiner Hinterbliebenen nur dann wirklich erreicht, wenn auch bei diesen das Arbeits- und Versicherungsleben des Versicherten so behandelt wird, als ob es im Geltungsbereich des Gesetzes zurückgelegt worden wäre. Diesen Hinterbliebenen sollte, soweit sie selbst als Vertriebene anerkannt sind, durch § 1 Buchst a FRG in ihrer Rechtsposition zur Rentenversicherung eine dem "Versicherten" selbst zustehende Gleichrangigkeit eingeräumt, d.h. ihnen das "Guthaben" des Versicherten aus den im Herkunftsland zurückgelegten Versicherungszeiten als eigenes Guthaben zugerechnet werden. Insoweit wurde zumindest partiell der sonst im Rentenrecht vorherrschende Grundsatz verlassen, daß das Hinterbliebenenrecht nur ein von dem Versichertenrecht abgeleitetes Recht sein könne. Die weitgehende Loslösung der als eigenes Recht der Hinterbliebenen ausgestalteten Position von dem Bestand des Rechts des Versicherten ist aber nicht nur auf ihre grundsätzliche Leistungsberechtigung beschränkt. Vielmehr kommt der in § 1 Buchst a FRG enthaltene Grundsatz der eigenständigen Berechtigung Hinterbliebener auch in anderen Bestimmungen, insbesondere in § 14 FRG, zum Ausdruck. Danach werden zwar die Rechte und Pflichten Vertriebener aus Zeiten vor der Vertreibung dem allgemein geltenden Recht unterworfen. Dies gilt aber nur insoweit, als sich aus den Vorschriften des FRG nichts abweichendes ergibt (BSG a.a.O.). Bei der Beurteilung jedes Einzelrechts nach dem AVG (bzw. nach der RVO) sind die Vorschriften und Grundsätze des FRG, wie sich bereits aus den Motiven zu § 14 FRG ergibt, "ergänzend heranzuziehen" (BT-Drucks. 3/1109 S. 39). Insoweit müssen die auf vollständige Eingliederung auch der Hinterbliebenen gerichteten Intentionen des § 1 Buchst a FRG auch bei Anwendung der allgemeinen Ersatzzeitenregelungen des AVG berücksichtigt werden, jedenfalls wenn diese ihrerseits Ausdruck des Eingliederungsprinzips sind.
So hat der 11. Senat des BSG bereits entschieden, daß bei vertriebenen Hinterbliebenen ausländische Wehrdienstzeiten gemäß § 2 Abs. 2 BVG i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 1 AVG (= § 1251 Abs. 1 Nr. 1 RVO) auch dann anzurechnen sind, wenn der verstorbene Wehrdienstleistende nicht selbst Vertriebener i.S. des § 1 BVFG geworden ist (BSGE 36, 255, 256f. = SozR Nr. 72 zu § 1251 RVO; zustimmend BSG GS SozR 5050 § 15 Nr. 13 S. 41). Dies ist vornehmlich aus dem Eingliederungsprinzip des FRG abgeleitet und darauf hingewiesen worden, daß dieses Prinzip bei Anwendung des § 2 Abs. 2 BVG in einem doppelten Sinne gelte, weil sich auch diese Vorschrift, die "bei Vertriebenen i.S. des § 1 BVFG" eine Gleichstellung der ausländischen gesetzlichen Wehrpflicht mit derjenigen in der deutschen Wehrmacht vorsieht, als Auswirkung des Eingliederungsprinzips auf dem Gebiet der KOV darstelle (Hinweis auf BSGE 4, 193, 198, 199).
Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, daß insoweit auch bei Anwendung von § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG nichts anderes gelten könne. Der Wortlaut dieser Bestimmung "bei Personen im Sinne der §§ 1 bis 4 BVG" zwingt - wie bei § 2 Abs. 2 BVG - wegen der Erfassung der Begünstigten durch das Wort "bei" nicht zu der Auslegung, die pauschale Vertreibungszeit könne nur dann angerechnet werden, wenn der Versicherte selbst Vertriebener geworden sei. Vom Wortlaut her ist vielmehr auch die Auslegung vertretbar, daß es genügt, wenn der Hinterbliebene, der Hinterbliebenenleistungen nach dem AVG beansprucht, selbst Vertriebener ist und der Versicherte nur deshalb nicht Vertriebener geworden ist, weil er vor der (individuellen) Vertreibung verstorben ist. Diese Auslegung wird auch dem Sinn der Vorschrift gerecht. Sie soll Nachteile ausgleichen, die Versicherte aus den Vertreibungsgebieten dadurch erlitten haben, daß sie infolge der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen und politischen Wirren nach Ende des Zweiten Weltkrieges gehindert waren, genügend Versicherungszeiten zurückzulegen. Die pauschale Vertreibungszeit stellt sich insoweit als eine teilweise Verwirklichung des Eingliederungsprinzips im Bereich der allgemeinen Vorschriften des AVG (RVO) dar, wie sich bereits daraus ergibt, daß die Anerkennung dieser Ersatzzeit ausschließlich an die Vertriebeneneigenschaft i.S. des BVFG anknüpft (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 6. Aufl., § 1251 RVO Nr. 15). § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG soll i.S. des das BVFG beherrschenden Eingliederungsgrundsatzes bewirken, Vertriebene den Einheimischen insoweit wirtschaftlich gleichzustellen, als sie - bei unterstellter Zurücklegung ihres Versicherten- und Arbeitslebens im Geltungsbereich des AVG - in den Jahren 1945/1946 nicht allgemein vertreibungsbedingte Ausfälle in ihrem Versichertenleben erlitten hätten.
Dies zwingt dazu, im Rahmen des erst durch § 14 FRG begründeten "Rechts" auf Anrechnung von Ersatzzeiten die Vorteile des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG auch den vertriebenen Hinterbliebenen zugute kommen zu lassen. Denn da § 14 FRG im Lichte des § 1 Buchst a FRG zu sehen ist, der die vertriebenen Hinterbliebenen als Leistungsberechtigte den (verstorbenen) Versicherten gleichgestellt hat, muß dies auch bei Anwendung des ebenfalls vom Eingliederungsprinzip geprägten § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG gelten. Daß das FRG keine Sondervorschriften für Ersatzzeiten enthält, sondern auf die allgemeine Ersatzzeitenregelung des § 28 AVG zurückzugreifen ist, bedeutet weder, daß Anspruchsberechtigte nach dem FRG überhaupt keine Ansprüche auf Anrechnung von derartigen im Herkunftsland oder sonstigen Ausland zurückgelegten Ersatzzeittatbeständen haben (vgl. zu Anschlußersatzzeiten wegen Arbeitslosigkeit i.S. von § 1251 Abs. 1 Nr. 6 RVO BSGE 29, 120f. und Schmidinger, SozVers 1986, S. 10f.; allgemein Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, FRG, § 14 Rdnr. 3 m.w.N.), noch bedeutet es, daß die vertriebenen Hinterbliebenen i.S. von § 1 Buchst a FRG von derartigen Rechten generell ausgeschlossen wären, wenn der Versicherte selbst nicht zu dem Personenkreis des § 1 FRG gehört. Bei ihnen können vielmehr neben den Beitrags- und Beschäftigungszeiten des nicht vertriebenen - verstorbenen - Versicherten (§§ 15, 16 FRG) auch dessen Ersatzzeiten berücksichtigt werden, jedenfalls soweit die Tatbestände des § 28 Abs. 1 AVG an die Vertriebeneneigenschaft der berechtigten Personen anknüpfen. Der Grundsatz des originären Erwerbs von Hinterbliebenenrechten (§ 1 Buchst a FRG) führt hier dazu, daß die persönlichen Statusvoraussetzungen (Vertriebeneneigenschaft) auch von der Hinterbliebenen erfüllt werden können, hingegen die sonstigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Erfüllung fremder Wehrpflicht, anschließende Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit, Beitragsausfälle in der pauschalen Vertreibungszeit) beim Versicherten vorgelegen haben müssen.
Etwas anderes läßt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht den Motiven des Gesetzgebers zu § 28 AVG oder Besonderheiten seines Abs. 1 Nr. 6 entnehmen. Wenn im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik zum Entwurf eines Rentenversicherungsgesetzes (BT-Drucks. II/3080 S. 8) im Zusammenhang mit der Regelung über Ersatzzeiten pauschal von einem zu schaffenden "Ausgleich" für Beitragsausfälle die Rede ist, kann daraus nicht auf eine ausschließlich am Entschädigungsgedanken orientierte Bedeutung (auch) des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG geschlossen werden, die lediglich dem anspruchsberechtigten Versicherten - bei eigener Vertriebeneneigenschaft zugute kommen könne. Dem widerspricht schon - wie ausgeführt, daß die Anerkennung einer pauschalen Ersatzzeit nur an die Zugehörigkeit zum Personenkreis des BVFG anknüpft, dieses Gesetz selbst aber von dem Eingliederungsgedanken geprägt ist. Ein Nachteilsausgleich für einen vertreibungsbedingten Ausfall an Versicherungszeiten steht mit dem Eingliederungsprinzip nicht in Widerspruch, sondern dient gerade der Verwirklichung dieses Prinzips, weil eine soziale und wirtschaftliche Gleichstellung mit den von ähnlichen Ausfällen nicht betroffenen Einheimischen bezweckt ist. Von daher ist es sachgerecht, einer vertriebenen Hinterbliebenen den Ausgleich für die vom versicherten Ehemann in der allgemeinen Vertreibungszeit erlittenen Beitragsausfälle auch dann zuzubilligen, wenn der Versicherte nur deshalb nicht Vertriebener geworden ist, weil er vor der individuellen Vertreibung verstorben ist.
Schließlich sprechen auch keine überzeugenden Gründe dafür, daß der Gesetzgeber in § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG den pauschalen mit dem individuellen Vertreibungstatbestand dergestalt als Einheit hätte verbinden wollen, daß er für den Ausgleich von Beitragsausfällen in der allgemeinen Vertreibungszeit stets ein individuelles Vertreibungsschicksal (Ausweisung, Flucht, Aussiedlung) in der Person des Versicherten verlangt. Dagegen spricht insbesondere, daß die Pauschalzeit, die spätestens im Dezember 1946 endete, und die individuelle Vertreibung gerade bei Spätaussiedlern über Jahrzehnte (im vorliegenden Fall mehr als 30 Jahre) auseinanderfallen können, so daß es bei diesem Personenkreis häufig von Zufällen abhinge, ob der versicherte Ehemann die Aussiedlung noch erlebt hat und damit seine hinterbliebene Ehefrau an dem Nachteilsausgleich des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG teilnimmt. Da dem Gesetzgeber dieser Umstand und die eigenständige Berechtigung Hinterbliebener nach dem FRG nicht unbekannt gewesen sein kann, hätte jedenfalls bei Ergänzung des § 28 Abs. 1 Nr. 6 AVG um die Tatbestände der Aussiedlung und Umsiedlung durch das RVÄndG vom 9. Juni 1965 (BGBl. I S. 476) eine Klarstellung erwartet werden müssen, wenn der Gesetzgeber gleichwohl die Anrechnung der pauschalen Ersatzzeit von der Vertriebeneneigenschaft des Versicherten selbst hätte abhängig machen wollen.
Nach allem konnte die Revision der Beklagten keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen