Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Berechtigte die Heilbehandlung vor der Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge selbst durchgeführt, so sind ihm gemäß BVG § 10 Abs 6 nF mindestens die Kosten für diejenige Heilbehandlung zu ersetzen, die auch sonstigen Beschädigten in vergleichbaren Fällen zusteht. Hiernach können unter Umständen auch die Kosten der nächsthöheren Pflegeklasse iS des BVG § 14 Abs 4 nF übernommen werden.
2. Zur Frage, für welche Pflegeklasse die Kosten nach BVG § 14 Abs 4 nF zu übernehmen sind.
Normenkette
BVG § 10 Abs. 6 Fassung: 1964-02-21, § 14 Abs. 4 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. Juni 1966 - bei Zurückweisung der Revision im übrigen - dahin abgeändert, daß der Beklagte dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats einen neuen Bescheid zu erteilen hat.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Kläger erhielt wegen der Folgen einer Verwundung im 1. Weltkrieg (Hirnverletzung mit Krampflähmung des linken Armes und Beines sowie Hirnkrampfanfällen und Hirnleistungsschwäche) Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. nebst Pflegezulage der Stufe I. Nach einem im Dezember 1963 erlittenen Sturz, der einen Oberschenkelhalsbruch zur Folge hatte, wurden mit Bescheid vom 7. Dezember 1964 als weitere Schädigungsfolgen erhebliche Bewegungsbehinderung im linken Hüft- und Kniegelenk sowie in den Fuß- und Zehengelenken links und Verkürzung des linken Beines anerkannt und ab 1. Februar 1964 Pflegezulage nach Stufe III bewilligt. Mit Schreiben vom 1. Juni 1964 teilte der Kläger dem Versorgungsamt (VersorgA) mit, er befinde sich seit dem 5. Mai 1964 erneut in stationärer Krankenhausbehandlung, weil der Oberschenkelhalsbruch habe neu genagelt werden müssen. Er habe die 1. Pflegeklasse in Anspruch genommen, um die rechte Pflege zu finden und beantrage, ihm die dadurch entstandenen zusätzlichen Kosten zu erstatten; von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) B, bei der er freiwillig versichert sei, würden die Kosten für die 3. Klasse übernommen. Ihm habe besonders daran gelegen, von Prof. Dr. W, der nur Patienten der 1. oder 2. Pflegeklasse operiere, behandelt zu werden. Mit Bescheid vom 10. Juli 1964 lehnte das VersorgA den Anspruch ab, weil die Übernahme höherer Kosten nach § 14 Abs. 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nur erfolgen könne, wenn die stationäre Behandlung von der Versorgungsbehörde selbst durchgeführt werde. Außerdem sei die Heilbehandlung des Klägers durch die freiwillige Versicherung bei der AOK sichergestellt; der Einwand, daß die Operation in der 3. Klasse mit einem höheren Risiko verbunden sei, sei nicht gerechtfertigt. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er habe auf eine höhere Pflegeklasse auch schon auf Grund seiner Stellung (er ist Stadtamtsrat a. D.) Anspruch. Mit Bescheid vom 20. August 1964 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Die Krankenkasse sei ihren Mitgliedern gegenüber verpflichtet, die Kosten für die 3. Pflegeklasse als Regelleistung zu übernehmen. Im Rahmen des § 14 Abs. 4 BVG könne die Versorgungsbehörde die Heilbehandlung selbst übernehmen und die Kosten für die nächsthöhere Pflegeklasse tragen. An diesen Voraussetzungen fehle es; die Selbstdurchführung der Heilbehandlung sei hier nicht notwendig gewesen. Der Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 2 BVG sei gemäß § 10 Abs. 4 BVG ausgeschlossen. Im Klageverfahren gab der Kläger die Höhe der von ihm selbst getragenen Kosten mit 6.116,05 DM an. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage mit Urteil vom 29. Juni 1965 ab. Auf die zugelassene Berufung hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 2. Juni 1966 das SG-Urteil sowie die Bescheide vom 10. Juli 1964 und 20. August 1964 auf und verurteilte den Beklagten, dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen. Der Kläger habe bereits nach § 10 Abs. 2 BVG in der hier anzuwendenden Fassung des 2. Neuordnungsgesetzes vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) - 2. NOG - auch für Nichtschädigungsfolgen einen Anspruch auf Heilbehandlung gehabt. Die Versorgungsbehörde habe nicht geprüft, ob die Übernahme in die nächsthöhere Pflegeklasse nach den Umständen erforderlich war, weil sie die zwingende Voraussetzung einer von ihr selbst durchgeführten Heilbehandlung als nicht gegeben angesehen habe. Der Kläger habe aber eine Entscheidung, ob die Versorgungsbehörde die Krankenbehandlung selbst durchführe, wegen plötzlich erforderlich gewordener Krankenhausaufnahme nicht abwarten können, was der Beklagte auch nicht verkenne. Diese zwingenden Gründe hätten - wie bei § 14 Abs. 5 BVG - auch im Falle des § 14 Abs. 4 BVG berücksichtigt werden müssen. Das VersorgA hätte auf den Antrag vom 1. Juni 1964 noch die Heilbehandlung übernehmen können.
Wenn es eine solche Entscheidung nicht getroffen habe, so habe es sein Ermessen überhaupt nicht ausgeübt. Ebenso fehlerhaft seien auch die Folgerungen, die die Versorgungsbehörde aus der unterbliebenen Entscheidung gezogen habe. Deshalb hätten die Bescheide aufgehoben werden müssen.
Mit der zugelassenen Revision trägt der Beklagte vor, der Kläger habe gemäß § 10 Abs. 4 a BVG keinen Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 2 BVG, weil er freiwilliges Mitglied der AOK sei. Der Oberschenkelhalsbruch sei am 1. Juni 1964 noch nicht als Schädigungsfolge anerkannt gewesen, weshalb der Anspruch am 9. Juli 1964 und 20. August 1964 zu Recht abgelehnt worden sei. Da die Versorgungsbehörde damals nicht zur Gewährung von Heilbehandlung verpflichtet gewesen sei, habe sie auch nicht prüfen müssen, ob die Selbstdurchführung der Heilbehandlung und die Übernahme der nächsthöheren Pflegeklasse in Betracht komme. Im Zeitpunkt der Anerkennung der Sturzfolgen als Schädigungsfolgen (7. Dezember 1964) sei die Krankenhausbehandlung abgeschlossen gewesen, weshalb eine Selbstdurchführung der Behandlung nicht mehr habe stattfinden können; ohne eine solche sei eine Kostenübernahme nach § 14 Abs. 4 BVG nicht möglich. Eine Selbstdurchführung der Behandlung wäre außerdem gemäß Nr. 9 der Verwaltungsvorschrift zu § 14 BVG nur zulässig gewesen, wenn besondere Heilmaßnahmen (z. B. Behandlung in Spezialklinik) notwendig und zweckmäßig gewesen wären; dies sei bei einer täglich vorkommenden Nagelung eines Oberschenkelhalsbruches nicht der Fall. Überdies sei nur die Übernahme in die nächsthöhere, d. h. 2. Pflegeklasse, nicht aber in die 1. Klasse vorgesehen. § 14 Abs. 5 BVG komme hier nicht zur Anwendung, da er nur die Fälle regele, in denen der Versorgungsberechtigte die Krankenbehandlung nach Anerkennung des Versorgungsanspruchs selbst vorgenommen habe; außerdem greife er nicht ein, wenn ein Anspruch gegen die Krankenkasse bestanden habe. Hinzu komme, daß hiernach eine Kostenerstattung nur erfolge, soweit es sich um Leistungen handele, die die Versorgungsbehörde nach § 14 Abs. 1 BVG zu gewähren gehabt hätte. In den übrigen Fällen müßten sich die Kassenmitglieder unmittelbar an die Krankenkasse wenden. Demgemäß müsse § 14 Abs. 5 BVG 2. Halbsatz auch im Falle des § 10 Abs. 6 BVG analog angewandt werden. Die AOK müsse in Ausnahmefällen auch Kosten für eine höhere als die 3. Pflegeklasse übernehmen.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Berufung gegen das SG-Urteil zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Nagelung und sonstige Betreuung bei einem seit 1914 zu 100 v. H. kriegs- und hirnversehrten Mann mit linksseitiger Lähmung, nur einer gebrauchsfähigen Hand und einem Oberschenkelhalsbruch an dem gelähmten Bein erfordere eine über das übliche Maß hinausgehende Betreuung und Sachkenntnis. Der Kläger habe zunächst im Behring-Krankenhaus die 2. Pflegeklasse beansprucht, erst anläßlich der 2. Operation im Oskar-Helene-Heim habe er Anspruch auf die 1. Pflegeklasse erhoben, nachdem sich herausgestellt habe, daß allein in dieser Pflegeklasse mit einer Operation durch den ausbildenden Arzt habe gerechnet werden können. Er habe sich im Hinblick auf den Allgemeinzustand und auf die fehlgegangene 1. Operation nicht dem Risiko eines 2. Fehlschlages aussetzen können. Deshalb sei die hier beanspruchte Pflegeklasse dringend erforderlich gewesen.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie konnte jedoch im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Das LSG hat in den Urteilsgründen ausgeführt, daß der Kläger Erstattung der Kosten seiner Heilbehandlung, die er zwischen dem 14. Dezember 1963 und dem 27. Juli 1964 in Anspruch genommen habe, begehre; insoweit ist im Klageverfahren ein Betrag von DM 6.116,05 genannt worden. Ein solcher Zahlungsantrag ist jedoch weder vor dem SG noch vor dem LSG gestellt worden; vielmehr wurde nur die Aufhebung der Bescheide vom 10. Juli 1964 und 20. August 1964 und im Berufungsverfahren auch des SG-Urteils beantragt mit dem Zusatz, den Beklagten zur Erteilung eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen. Der erkennende Senat faßt das Begehren des Klägers unter Würdigung seines Antrages vom 1. Juni 1964, der sich auf § 14 Abs. 4 BVG in der Fassung des 2. NOG (nF) bezieht, dahin auf, daß er vom Beklagten auf Grund dieser durch das 2. NOG eingeführten Vorschrift die Aufhebung der angefochtenen Bescheide mit dem weiteren Ziel begehrt, den Ersatz der Kosten für die nächsthöhere Pflegeklasse bzw. die 1. Pflegeklasse - einschließlich der damit gegebenenfalls zusammenhängenden Arzt- usw. Kosten - zu erlangen, und zwar - nach seinem Schreiben vom 1. Juni 1964 - ab 15. Mai 1964. Der Senat hat daher den Anspruch des Klägers nach den Vorschriften des BVG in der Fassung des 2. NOG (nF) geprüft.
Bei Beginn der Krankenhausbehandlung am 5. Mai 1964 - wie auch schon vorher - hatte der Kläger als Schwerbeschädigter gemäß § 10 Abs. 2 BVG nF einen Anspruch auf Heilbehandlung gegen den Beklagten auch für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge einer Schädigung sind, somit auch für die Folgen des Sturzes vom Dezember 1963. Der Anspruch war aber nach § 10 Abs. 4 a BVG nF ausgeschlossen, soweit der Kläger einen Anspruch gegen die AOK aus seiner freiwilligen Krankenversicherung (vgl. hierzu auch Abs. b dieser Vorschrift) hatte. Nach dem Vorbringen des Klägers werden die Kosten der 3. Pflegeklasse von der AOK Berlin übernommen. " Soweit " ihm höhere notwendige Kosten entstanden sind, bestand an sich ein Ersatzanspruch, da der Kläger Ausgleichsrente bezieht und es deshalb auf die Höhe seines Einkommens gemäß § 10 Abs. 4 b BVG nF nicht ankommt. Diese Vorschriften enthalten aber keine Regelung, wie zu verfahren ist, wenn der Versorgungsberechtigte eine Heilbehandlung ohne Inanspruchnahme der zuständigen Verwaltungsbehörde selbst durchgeführt hat, weshalb der Kläger sein Begehren auf § 14 BVG nF stützt. Ob die in Abs. 5 dieser Vorschrift vorgesehene Erstattung der "Kosten in angemessenem Umfang" auch für Nichtschädigungsfolgen in den Fällen des § 10 Abs. 2 BVG nF gilt (vgl. hierzu Schönleiter in BVBl 1964, 46, der dies für § 14 Abs. 4 BVG bejaht, ebenso BMA in BVBl 1964, 35), konnte hier dahingestellt bleiben, da § 14 Abs. 5 BVG nF im vorliegenden Fall aus einem anderen Grunde nicht anwendbar ist. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, daß nach § 14 Abs. 5 BVG nF eine Erstattung der Kosten für die vom Versorgungsberechtigten durchgeführte Krankenbehandlung an den Versorgungsberechtigten, der - wie hier der Kläger - Mitglied einer Krankenkasse ist, nur hinsichtlich der Leistungen erfolgt, die nach Abs. 1 von der Verwaltungsbehörde zu gewähren sind (vgl. auch den Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen, Bundestagsdrucksache IV/1831 zu Nr. 12 Abs. 3 S. 4). Bei diesen Leistungen handelt es sich um Zahnersatz, orthopädische Versorgung, Ersatzleistungen, Badekuren, Heilstättenbehandlung und Krankenhausbehandlung für tuberkulös Erkrankte. Die Krankenhausbehandlung des Klägers wegen Oberschenkelhalsbruches bzw. wegen einer Nagelung dieses Bruches zählt nicht zu diesen Leistungen. § 14 Abs. 5 BVG verweist das Krankenkassenmitglied somit - außer in den Fällen, in denen die Behandlung von der Versorgungsbehörde hätte gewährt werden müssen - an seine Krankenkasse. Dies steht insoweit in Einklang mit der früheren Vorschrift des § 14 Abs. 5 BVG in der Fassung des 1. NOG vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453 - aF -), wonach sämtliche Krankenkassenmitglieder von dieser Art der Kostenerstattung ausgeschlossen waren. - Da § 14 Abs. 5 BVG nicht zum Zuge kommt, wäre unter Umständen zu prüfen gewesen, ob der Kläger im Mai/Juni 1964 die Erstattung der Mehrkosten gemäß § 10 Abs. 2, 4 BVG - möglicherweise in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BVG nF - beanspruchen konnte. Ob und inwieweit damals ein solcher Anspruch bestand, kann jedoch heute dahingestellt bleiben, da die Folgen des Unfalls, wegen dessen die Krankenhausbehandlung erforderlich wurde, am 7. Dezember 1964 als Schädigungsfolgen anerkannt worden sind. Seit dieser Zeit hat der Kläger gemäß § 10 Abs. 6 BVG nF, sofern dessen sonstige Voraussetzungen gegeben sind, einen Anspruch auf Kostenersatz. Diese Vorschrift ist gegenüber der Fassung des 1. NOG unverändert geblieben. Der in § 10 Abs. 6 BVG nF geregelte Tatbestand, daß eine Heil- oder Krankenbehandlung von dem Berechtigten vor der Anerkennung selbst durchgeführt wurde, ist erfüllt.
Aus dem Antrag des Klägers vom 1. Juni 1964, mit dem er dem VersorgA mitteilte, daß er sich in die 1. Klasse gelegt und die Kosten, die über die der 3. Klasse hinausgehen, bisher selbst gezahlt habe, ergibt sich, daß der Kläger die Heilbehandlung insoweit gemäß § 10 Abs. 6 BVG selbst durchgeführt hat. Hiernach sind dem Berechtigten die Kosten für die notwendige Behandlung in angemessenem Umfang zu ersetzen (§ 10 Abs. 6 Satz 1 BVG). Daß die Behandlung notwendig war, ist offensichtlich unstreitig. Zweifelhaft könnte nur sein, was unter angemessenem Umfang zu verstehen ist, d. h. ob der Kläger nach dieser Vorschrift Kostenersatz etwa nur bis zu der Höhe beanspruchen kann, die bei Inanspruchnahme der Krankenkasse entstanden wären (vgl. hierzu die Verwaltungsvorschriften zum BVG in der Fassung vom 23. Januar 1965 - Bundesanzeiger Nr. 19 vom 29. Januar 1965 - VV -, Nr. 12 zu § 14 Abs. 5 BVG).
Der Senat ist der Auffassung, daß das Gesetz, wenn es ohne weitergehende Einschränkung den Ersatz der notwendigen Behandlungskosten in angemessenem Umfang bestimmt hat, dem Berechtigten zumindest in einem Umfang Ersatz gewähren will, der auch sonst für die Heilbehandlung nach dem BVG maßgebend ist, d. h. daß es ihn insoweit jedenfalls nicht schlechter stellen will, als die übrigen Versorgungsberechtigten. Denn § 10 Abs. 6 BVG bringt in keiner Weise zum Ausdruck, daß die hier genannten Berechtigten gegenüber sonstigen Heilbehandlungsberechtigten benachteiligt werden sollten. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt man auch bei einer Würdigung der VV zu § 10 BVG. In Nr. 8 der VV zu § 10 BVG heißt es, Kostenersatz werde grundsätzlich bis zur Höhe der Kosten geleistet, die bei Anwendung des § 10 Abs. 5 BVG - d. h. also bei nicht vom Berechtigten selbst durchgeführter Heil- oder Krankenbehandlung - entstanden wären. Damit wird zum Ausdruck gebracht, daß der Beschädigte, der die Heilbehandlung vor der Anerkennung selbst durchgeführt hat, nicht ungünstiger behandelt werden soll, als sonstige Versorgungsberechtigte. In den VV Nr. 8 heißt es weiter, Kostenersatz werde bis zur Höhe der tatsächlich entstandenen Aufwendungen geleistet, dies jedoch nur, wenn und soweit den Antragsteller kein Verschulden daran trifft, daß Heil- oder Krankenbehandlung nicht nach dem BVG gewährt worden ist. Der Senat brauchte nicht zu prüfen, ob die VV, soweit hier auf den Gesichtspunkt des Verschuldens abgestellt wird, mit dem Gesetz in Einklang steht. Denn für die Beurteilung des vorliegenden Falles genügt die Feststellung, daß der Versorgungsberechtigte nach § 10 Abs. 6 BVG jedenfalls nicht schlechter gestellt ist, als sonstige Versorgungsberechtigte, denen Heilbehandlung nach dem BVG zu gewähren ist.
Die Regelung des § 10 Abs. 6 BVG, wonach der hier bestimmte Ersatz der Kosten in angemessenem Umfang zu erfolgen hat, bedeutet sonach, daß dem Kläger mindestens die Kosten für diejenige Heilbehandlung zu ersetzen sind, die auch sonstigen Beschädigten in vergleichbaren Fällen zusteht. Diese Beschädigten können nach § 14 Abs. 4 BVG nF in besonders gelagerten Fällen bei stationärer Behandlung den Ersatz der Kosten der nächsthöheren Pflegeklasse begehren. In dieser Vorschrift ist bestimmt, daß diese Kosten übernommen werden können, wenn es nach den Umständen, insbesondere im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen erforderlich erscheint. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß der Beschädigte auch im Falle des § 10 Abs. 6 BVG einen solchen Antrag nachträglich, d. h. nach der Anerkennung stellen kann.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bei bereits vorliegender Anerkennung der Schädigungsfolgen, wegen der Krankenhausbehandlung erforderlich wurde, eine Übernahme der Kosten der nächsthöheren Pflegeklasse nach § 14 Abs. 4 BVG nF nur möglich ist, wenn die Verwaltungsbehörde die Heilbehandlung - von vornherein oder alsbald nach Beginn der Krankenhausbehandlung - selbst durchführt, wie der Beklagte meint und wie es auch im Rundschreiben des BMA vom 27. Februar 1964 in BVBl 1964, 35 heißt. Im oben erwähnten Schriftlichen Bericht der Bundestagsdrucksache IV/1831 ist zu Nr. 12 Abs. 2 S. 4 keine solche Einschränkung gemacht. Vielmehr heißt es hier ganz allgemein: "Mit der Ergänzung des Absatzes 4 wird es möglich, Beschädigte in Sonderfällen in der 2. Pflegeklasse der Krankenhäuser unterzubringen. Das erscheint notwendig, weil es Fälle geben kann, bei denen die wegen der akuten Gesundheitsstörung oder des allgemeinen Gesundheitszustandes notwendige Ruhe und Pflege nicht in der 3. Pflegeklasse verschafft werden kann". Der Senat konnte diese Frage jedoch unentschieden lassen, da es sich hier um die Erstattung der vor Anerkennung der Schädigungsfolge entstandenen Kosten handelt. Von einem Berechtigten, dessen Leiden noch gar nicht als Schädigungsfolge anerkannt ist, kann ein Antrag nach § 14 Abs. 4 BVG kaum erwartet werden; ein solcher vor oder während der Krankenhausbehandlung gestellter Antrag ist auch nicht erforderlich, weil § 10 Abs. 6 BVG zum Ausdruck bringt, daß dem Berechtigten nachträglich die Kosten der Heilbehandlung zu ersetzen sind, und zwar - wie oben dargetan wurde - in angemessenem, d. h. zumindest in dem gleichen Umfang, wie sie anderen Beschädigten in vergleichbaren Fällen zu gewähren ist.
Die Bestimmung in § 10 Abs. 6 BVG, daß dem Berechtigten die Kosten für die notwendige Behandlung in angemessenem Umfang zu ersetzen sind, bedeutet sonach, daß die Versorgungsbehörde, da es sich bei der Anwendung des § 14 Abs. 4 BVG nF um eine Kannleistung handelt, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens prüfen muß, ob die Kosten der nächsthöheren Pflegeklasse nachträglich zu übernehmen sind. Das ist zu bejahen, wenn dies nach den Umständen, insbesondere im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen, erforderlich erscheint (§ 14 Abs. 4, 2. Halbsatz BVG) und die Versorgungsbehörde damals bei pflichtgemäßer Ermessensausübung auf Antrag die Behandlung in der nächsthöheren Pflegeklasse selbst durchgeführt hätte (vgl. hierzu auch das oben zitierte Rundschreiben des BMA in BVBl 1964, 35). Diese Prüfung hat der Beklagte nunmehr nachzuholen, ohne daß es darauf ankommt, ob die Versorgungsbehörde schon im Juli/August 1964 die Selbstdurchführung der Heilbehandlung hätte übernehmen müssen. Aus diesem Grunde war die im Urteil des LSG ausgesprochene Aufhebung der Bescheide vom 10. Juli 1964 und 20. August 1964 nicht zu beanstanden.
Der Beklagte wird bei der nun vorzunehmenden Prüfung, sofern die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 BVG als gegeben zu erachten sind, auch prüfen müssen, ob der Kläger die Kosten der 1. oder nur der 2. Pflegeklasse ersetzt verlangen kann. Dabei ist allerdings unklar, wann der Kläger die 1. Klasse in Anspruch nahm, denn in der von ihm selbst vorgelegten Bescheinigung der Orthopädischen Universitätsklinik vom 29. Juni 1964 heißt es, daß er in die 2. Klasse habe aufgenommen werden müssen. Dies wird der Beklagte zu klären haben. Der Senat verkennt nicht, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Krankenhausbehandlung im allgemeinen die Kosten der 3. Pflegeklasse übernommen werden. Auch der oben erwähnte Schriftliche Bericht (Bundestagsdrucksache IV/1831) geht von dieser Regel aus, indem er bezüglich der in § 14 Abs. 4 BVG erwähnten nächsthöheren Pflegeklasse nur von der 2. Pflegeklasse spricht. Das Gesetz hat jedoch eindeutig nicht die Übernahme der Kosten der "2. Klasse", sondern der "nächsthöheren Pflegeklasse" vorgesehen. Bereits hieraus wird deutlich, daß der Gesetzgeber nicht der Auffassung war, den Beschädigten werde in jedem Falle, d. h. ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 BVG nur Krankenhausbehandlung in der 3. Pflegeklasse gewährt. Das BVG schreibt auch sonst nicht vor, daß die Versorgungsberechtigten stets nur in der 3. Pflegeklasse behandelt werden dürfen. Insbesondere sehen die §§ 19, 20 BVG, die die Ersatzansprüche der Krankenkassen gegen die Versorgungsbehörden regeln, nicht vor, daß nur die Kosten für die 3. Klasse ersetzt werden; § 19 Abs. 1 Satz 1 BVG bestimmt, daß die Aufwendungen für Krankenhauspflege ... ersetzt werden. Hat also die Krankenkasse die Kosten einer höheren Pflegeklasse übernommen, so werden ihr diese ersetzt. Daß die AOK in Ausnahmefällen auch Kosten für eine höhere als die 3. Pflegeklasse übernehmen müsse, hat der Beklagte selbst vorgetragen. Im Rundschreiben des BMA vom 27. Februar 1964 in BVBl 1964, 35 wird im Zusammenhang mit § 14 Abs. 4 BVG auch nur von der allgemeinen Pflegeklasse gesprochen.
Es wird somit im vorliegenden Fall zunächst zu klären sein, ob der Kläger gegenüber der AOK ausnahmsweise einen Anspruch auf Behandlung in der 2. Pflegeklasse hat. Ist dies nicht der Fall, so wird der Beklagte zu prüfen haben, ob die 3. Pflegeklasse im Hinblick auf die anerkannten Schädigungsfolgen ausreichte, um, wie es z. B. in den VV Nr. 10 zu § 14 BVG heißt, für den Kläger die etwa erforderlichen besonderen ärztlichen Maßnahmen oder besondere Ruhe und Pflege sicherzustellen. Trifft dies zu, so entfällt eine Übernahme der Kosten für die nächsthöhere (2.) Pflegeklasse. Hat die AOK wegen der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die Kosten der 2. Pflegeklasse zu übernehmen, so ist zu prüfen, ob diese Pflegeklasse angesichts des Gesundheitszustandes des Klägers oder der Eigenart seiner Erkrankung genügte, um dem Kläger die den Umständen nach erforderliche Behandlung zukommen zu lassen. Ist dies nicht der Fall, so entspricht die Übernahme der Kosten der nächsthöheren, also der 1. Pflegeklasse, dem pflichtgemäßen Ermessen der Versorgungsbehörde. Fehlt es an den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 BVG, so hat der Kläger die Mehrkosten, die durch die Unterbringung in der höheren Klasse entstanden sind, selbst zu tragen (vgl. van Nuis-Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, III. Teil 1962/1965 Seite 61 - Abschnitt II 1 c -).
Nach alledem war das angefochtene Urteil im Ergebnis zu bestätigen und wie geschehen zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen