Leitsatz (amtlich)
1. Ein inhaltlich richtiger Bescheid des Versicherungsträgers über die Rentenaufteilung nach RVO § 1268 Abs 4 S 2 ist nicht deshalb unwirksam, weil er der Empfangsberechtigten unter Verletzung von Zustellungsvorschriften zugegangen ist.
2. Zur Frage der Heilung von Zustellungsmängeln nach VwZG § 9.
Leitsatz (redaktionell)
Die Gewährung von Versorgung für den Unfall eines Kriegsgefangenen setzt voraus, daß der Unfall den versorgungsrechtlich geschützten Tatbestand des BVG § 1 Abs 2 Buchst b iVm § 1 Abs 1 erfüllt.
Normenkette
RVO § 1268 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1957-02-23, S. 1 Fassung: 1957-02-23, § 1631 Abs. 4 Fassung: 1924-12-15, § 1633 Fassung: 1924-12-15; VwZG § 9 Abs. 2 Fassung: 1952-07-03, Abs. 1 Fassung: 1952-07-03; BVG § 1 Abs. 2 Buchst. b Fassung: 1950-12-20, Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
1) Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. April 1971 aufgehoben, soweit es zu Ziffer 1, 2 und 4 des Urteilstenors ergangen ist.
2) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 5. September 1969 wird auch, soweit sie sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 1966 richtet, zurückgewiesen mit der Maßgabe, daß die Witwenrente an die Klägerin für den Monat Juli 1966 ungekürzt zu zahlen ist.
3) Die Klägerin hat der Beigeladenen die Kosten des Klage- und Berufungsverfahrens sowie die Hälfte der Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Beklagte hat der Beigeladenen die andere Hälfte der dieser im Revisionsverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Umstritten ist, ob die Witwenrente wegen des Hinzutretens einer Hinterbliebenenrente nach § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu Recht herabgesetzt worden ist; dies hängt davon ab, ob der Rentenaufteilungsbescheid wirksam "zugestellt" worden ist (§ 1268 Abs. 4 Satz 1 und 2 RVO).
Der Versicherte ist 1964 gestorben. Die Beklagte gewährte der Witwe des Versicherten, der Klägerin, mit Bescheid vom 7. Dezember 1964 Witwenrente.
Im März 1965 beantragte die Beigeladene, die frühere Ehefrau des Versicherten, deren Ehe aus Verschulden des Versicherten 1943 geschieden worden war, Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 13. Mai 1966 diese Rente von März 1965 an. Bei der Höhe derselben berücksichtigte sie von vornherein die Aufteilung nach S 1268 Abs. 4 RVO. Der Bescheid wurde der Beigeladenen durch einfachen Brief, abgesandt am 8. Juni 1966, übermittelt. Der Klägerin wurde der Bescheid nicht übersandt.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1966 an die Klägerin stellte die Beklagte die Witwenrente wegen der der Beigeladenen zuerkannten Hinterbliebenenrente für die Zeit von Juli 1966 an gemäß § 1268 Abs. 4 RVO neu auf einen niedrigeren Betrag fest. Dieser Bescheid wurde am 8. Juni 1966 durch einfachen Brief an die Klägerin abgesandt.
Die Klägerin meinte, die Beigeladene könne Hinterbliebenenrente nicht beanspruchen, weil die Voraussetzungen des § 1265 RVO nicht erfüllt seien. Sie begehrte die Aufhebung der Bescheide vom 13. Mai 1966 und vom 7. Juni 1966 und die Weitergewährung der vollen Witwenrente. Das Sozialgericht (SG) Speyer hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 5.9.1969). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG geändert. Es hat den Bescheid vom 7. Juni 1966 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die volle Witwenrente auf der Rechtsgrundlage des ursprünglichen Bescheides vom 7. Dezember 1964 über Juni 1966 hinaus bis zur wirksamen Zustellung eines Rentenaufteilungsbescheides nach § 1268 Abs. 4 RVO weiterzuzahlen; die Berufung der Klägerin gegen den Bescheid an die Beigeladene vom 13. Mai 1966 hat es zurückgewiesen. Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 2. 4. 1971).
Das LSG hat zunächst ausgeführt, Gegenstand des Verfahrens seien die Bescheide vom 13. Mai 1966 an die Beigeladene und vom 7. Juni 1966 an die Klägerin, mit denen der ursprüngliche Witwenrentenbescheid vom 7. Dezember 1964 teilweise widerrufen worden sei. Es hat einen Anspruch der Beigeladenen auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO bejaht und deshalb die Berufung der Klägerin gegen den Bescheid vom 13. Mai 1966 zurückgewiesen. Dagegen hat es der Berufung der Klägerin gegen den Bescheid vom 7. Juni 1966 aus formellen Gründen stattgegeben. Es hat ausgeführt, die angefochtenen Bescheide hätten noch nicht die Rentenneufeststellung zu Lasten der Klägerin bewirkt, weil sie nur durch einfachen Brief bekanntgegeben und nicht förmlich zugestellt worden seien. Die Beklagte habe als landesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts zuzustellen, wie in § 1 Abs. 1 und § 2 des Landesgesetzes über die Zustellung in der Verwaltung vom 14. März 1955 (GVBl für das Land Rheinland-Pfalz 1955, 25) in Verbindung mit §§ 2 bis 17 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) bestimmt sei. In § 1268 Abs. 4 RVO sei eine Zustellung im juristisch-technischen Sinne gemeint (Hinweis auf den übereinstimmenden Wortgebrauch in § 1286 Abs. 2, §§ 1635, 1651 Abs. 4 RVO). Da mit dem Bescheid vom 7. Juni 1966 an die Klägerin die ursprünglich höhere Witwenrente teilweise entzogen werde, habe der Bescheid zugestellt werden müssen. Der Zustellungsmangel werde auch nicht durch den Nachweis des tatsächlichen Zugangs geheilt, weil mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage beginne (§ 9 Abs. 2 VwZG). Die Beklagte müsse deshalb, um die Rente zu Lasten der Klägerin wirksam zu mindern, einen neuen Feststellungsbescheid nach § 1268 Abs. 4 RVO fehlerfrei in gesetzlicher Weise zustellen. Bis dahin sei für die Klägerin der Bescheid vom 7. Dezember 1964 maßgebend. Der Bescheid vom 13. Mai 1966 an die Beigeladene sei vorerst nicht aufzuheben, weil er materiell-rechtlich richtig sei und die Klägerin nicht beschwere, solange diese mangels wirksamer Zustellung eines Neufeststellungsbescheides noch die volle Witwenrente beanspruchen könne.
Die Beklagte hat Revision eingelegt und sinngemäß beantragt, das Urteil des LSG insoweit zu ändern, als sie verurteilt wurde, der Klägerin auf der Grundlage des Bescheides vom 7. Dezember 1964 über Juli 1966 hinaus bis zur wirksamen Zustellung eines Rentenaufteilungsbescheides nach § 1268 Abs. 4 RVO die volle Witwenrente weiterzuzahlen, und die Berufung der Klägerin auch insoweit zurückzuweisen.
Die Beklagte meint, die Zustellung der Bescheide nach § 1268 Abs. 4 RVO sei weder durch eine Rechtsvorschrift noch durch eine behördliche Anordnung geregelt. Deshalb habe der Bescheid vom 7. Juni 1966 formlos übermittelt werden können. "Zugestellt" in § 1268 Abs. 4 Satz 2 RVO bedeute nicht, daß der Bescheid unter Beachtung der im VwZG zugelassenen Zustellungsarten bekanntzugeben sei. Wenn man aber davon ausgehe, daß der Bescheid vom 7. Juni 1966 unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften übermittelt worden sei, so sei nach § 9 VwZG die Heilung des Zustellungsmangels möglich. Nach § 9 Abs. 1 VwZG gelte das Schriftstück als in dem Zeitpunkt zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten habe. Nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 11 Abs. 1 lasse sich der Empfang des Schriftstücks, das nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei, mit jedem Beweismittel, auch mit einer schlüssigen Handlung des Zustellungsempfängers, dartun. Die schlüssige Handlung der Klägerin bestehe in der Einlegung der Klage beim SG am 24. Juni 1966. Dadurch sei der Zugang des Bescheids vom 7. Juni 1966 nachgewiesen. Deshalb gelte er als im Monat Juni 1966 zugestellt. Ein etwaiger Zustellungsmangel sei somit geheilt und der Bescheid vom 7. Juni 1966 sei wirksam geworden. Die Witwenrente sei daher ab 1. August 1966 neu festzustellen. § 9 Abs. 2 VwZG stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Danach sei Abs. 1 der Vorschrift nur dann nicht anzuwenden, wenn mit der Zustellung eine Frist für die Erhebung der Klage usw. beginne. § 9 Abs. 2 VwZG bedeute, daß ein Verwaltungsakt bei Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften nicht rechtsunwirksam sei, spreche aber aus, daß dann die Rechtsbehelfsfrist nicht in Lauf gesetzt werde. Hier gehe es jedoch nicht um den Beginn einer Rechtsbehelfsfrist, sondern um die Frage der Wirksamkeit des Bescheides vom 7. Juni 1966.
Die Klägerin (Witwe) hält die Gründe des angefochtenen Urteils für zutreffend. Sie beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beigeladene (Geschiedene) hat von einer eigenen Stellungnahme abgesehen, weil gegen die Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen den sie betreffenden Rentenbescheid vom 13. Mai 1966 keine Revision eingelegt worden sei.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Bescheid vom 7. Juni 1966 ist wirksam erlassen und zugestellt worden.
Ein Bescheid ist zu erteilen, wenn der Anspruch auf Rente anerkannt oder abgelehnt wird (§ 1631 RVO) und wenn Rente entzogen oder eingestellt wird (§ 1633 RVO). Ein Fall der teilweisen Entziehung der Rente ist hier bei der Aufteilung der Hinterbliebenenrente nach § 1268 Abs. 4 RVO gegeben, wie das LSG zu Recht angenommen hat. § 1268 und § 1631 Abs. 4 RVO sprechen zwar von der "Zustellung" des Bescheids. Die RVO regelt aber in § 135 nicht erschöpfend, welche Arten, einen Bescheid dem Empfänger zu übermitteln, eine Zustellung im Sinne der RVO darstellen. Für Bundesbehörden und bundesunmittelbare Körperschaften ist dies in § 1 Abs. 1 VwZG bestimmt. Nach § 1 Abs. 2 VwZG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes ferner, wenn Gesetze eines Landes sie für anwendbar erklären. Das LSG hat festgestellt, daß nach § 2 des oben genannten Landesgesetzes vom 14. März 1955 zugestellt wird, soweit dies durch Rechtsvorschrift bestimmt ist, und daß nach § 1 dieses Landesgesetzes auf das Zustellungsverfahren der landesunmittelbaren Körperschaften die Vorschriften der §§ 2 bis 17 VwZG entsprechend Anwendung finden.
Die Beklagte hat mit der Übersendung des Bescheides vom 7. Juni 1966 als einfachen Brief zwar keine der in § 2 VwZG aufgeführten Zustellungsarten gewählt. Jedoch gilt der Bescheid nach § 9 Abs. 1 VwZG als zugestellt, weil die Klägerin als Empfangsberechtigte das Schriftstück nachweislich erhalten hat.
Bei der in § 1631 RVO genannten Zustellung ist zwischen verschiedenen Wirkungen der Zustellung zu unterscheiden. So ist ein Bescheid wirksam erteilt, wenn er zugestellt ist (SozR Nr. 6 zu § 87 SGG, Nr. 7 zu § 1288 RVO). Ferner richtet sich nach dem Zeitpunkt der Zustellung der Zeitpunkt der Entziehung oder Herabsetzung der Rente (§ 1268 Abs. 4, § 1268 Abs. 2 RVO). Schließlich bestimmt der Zeitpunkt der Zustellung den Beginn der Rechtsmittelfrist (§ 87 SGG).
Die ersten beiden Wirkungen einer Zustellung sind hier eingetreten, weil feststeht, daß die Klägerin den Bescheid vom 7. Juni 1966 tatsächlich erhalten hat; denn § 9 Abs. 1 VwZG ist hier entgegen der Auffassung des LSG anzuwenden. In diesem Sinn haben auch Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten zum VwZG entschieden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgesprochen, § 9 VwZG wolle einerseits einem übertriebenen Formalismus begegnen und deshalb die Möglichkeit der Heilung von Zustellungsmängeln begründen, andererseits aber im Interesse einer eindeutigen Klarheit und des Schutzes der Betroffenen die Heilung von Zustellungsmängeln für die Ingangsetzung von Rechtsmittelfristen ausschließen (NJW 1966, 1042 1043).
Der Bundesfinanzhof hat zur Frage der Nichtigkeit eines fehlerhaft zugestellten Steuerbescheids ausgeführt, § 9 VwZG gehe davon aus, daß das Schriftstück dem Empfänger tatsächlich zugegangen sei. In Absatz 1 sei ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt, in dem das Schriftstück als zugestellt gelte. Daraus könnte entnommen werden, daß eine mit der Zustellung beginnende Rechtsmittelfrist in diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden sei. Wenn demgegenüber in Abs. 2 bestimmt sei, daß Abs. 1 nicht anzuwenden sei, wenn mit der Zustellung eine Rechtsmittelfrist beginne, so solle damit nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur gesagt sein, daß in diesem Fall die erwähnte Folgerung nicht zu ziehen sei, d.h., daß die Frist nicht in Gang gesetzt worden sei. Für empfangsbedürftige Verwaltungsakte komme es darauf an, daß sie so in den Lebensbereich des Empfängers gelangt seien, daß er unter normalen Umständen davon habe Kenntnis erlangen können. Die fehlerhafte Bekanntgabe habe nicht die Nichtigkeit des Bescheides zur Folge (BStBl III 1959, 203, 204).
Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat zur Bedeutung des § 9 Abs. 2 VwZG für die Wirksamkeit von Verwaltungsakten gesagt (DVBl 1961, 212), diese Vorschrift gelte nur für den Lauf der dort genannten Fristen. Ein zustellungsbedürftiger, aber mit Zustellungsmängeln behafteter Verwaltungsakt sei wirksam, wenn der Empfangsberechtigte nachweislich seine Ausfertigung erhalten hat. Über die Einschränkung in § 9 Abs. 2 VwZG hinaus bestehe kein Anlaß, die allgemeine Regel des § 9 Abs. 1 VwZG zu durchbrechen, die verhindern wolle, daß die vom Gesetz an die Zustellung eines Schriftstücks geknüpfte Wirkung an Mängeln des Zustellungsakts scheitere, obwohl feststehe, daß der Empfangsberechtigte das Schriftstück erhalten habe und damit sachlich so gestellt sei, wie wenn die Zustellung in Ordnung wäre.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bei Anwendung des § 187 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der dem § 9 VwZG als Vorbild gedient hat (s. BT-Drucks. I 2963, Begründung zu § 10 des Entwurfs), auf Verwaltungsakte ebenfalls zwischen Wirksamwerden und dem Ingangsetzen von Fristen unterschieden; § 187 ZPO finde auch Anwendung auf die Zustellung eines Enteignungsbeschlusses; § 187 Satz 2 ZPO sei dabei nicht anzuwenden; § 187 Satz 1 ZPO enthalte einen allgemeinen Grundsatz (BGHZ 17, 348). Der BGH hat in einer Entscheidung zur Wirksamkeit einer Willenserklärung nach § 132 Abs. 1 BGB ausgesprochen, dem § 187 ZPO liege der Rechtsgedanke zugrunde, den an sich zweifelsfreien Zugang eines rechtserheblichen Schriftstücks nicht in jedem Fall an der Einhaltung von Förmlichkeiten scheitern zu lassen, die ihrerseits nicht Selbstzweck seien, sondern lediglich den Nachweis der Tatsache und des Zeitpunkts des Zugangs sicherstellen sollen. Dieser Gedanke verdiene nicht nur in dem mit besonderen Förmlichkeiten ausgestatteten Gerichtsverfahren Beachtung, sondern erst recht im außerprozessualen Bereich (MDR 1967, 585).
Dieser Rechtsprechung ist zu entnehmen, daß die Regel des § 9 Abs. 1 VwZG für alle diejenigen Wirkungen eines Bescheides gilt, die nicht die Ingangsetzung einer Rechtsmittelfrist betreffen. Der Senat hält diese Rechtsprechung für zutreffend. Er schließt sich ihr für §§ 1268, 1631, 1633 RVO an, weil § 187 ZPO und § 9 VwZG in Sinn und Zweck übereinstimmen. In der Rentenversicherung und der Sozialgerichtsbarkeit sind keine Umstände zu erkennen, die eine andere Auslegung der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 9 VwZG, als von den anderen Gerichten vertreten, rechtfertigen würde.
Das bedeutet, daß der Bescheid, auch wenn er dem Empfänger nur durch einfachen Brief übermittelt worden ist, wirksam erlassen ist. Diese Auffassung steht nicht in Widerspruch zu SozR Nr. 6 zu § 87 SGG und Nr. 7 zu § 1288 RVO, denn dort ist bei anderen Sachverhalten nicht zur Auslegung des § 9 VwZG entschieden worden.
Diese Auslegung des § 9 VwZG bedeutet weiter, daß die Wirkungen, die von der Zustellung des Bescheides an den Empfänger abhängen, mit dem Zeitpunkt eintreten, in dem der Bescheid nach § 9 Abs. 1 VwZG als zugestellt gilt; lediglich der Lauf der Rechtsmittelfrist hat nicht begonnen.
Nach § 9 Abs. 1 VwZG können die Wirkungen eines Bescheides - ausgenommen der Beginn von Rechtsbehelfsfristen - nur eintreten, wenn nachgewiesen ist, daß der Empfangsberechtigte den Bescheid tatsächlich bekommen hat. Es geht zu Lasten des Versicherungsträgers, der die Zustellungsarten des § 2 VwZG nicht beachtet hat, wenn nicht nachgewiesen werden kann, wann der Empfangsberechtigte den Bescheid erhalten hat. In einem derartigen Fall können die Wirkungen nach § 1268 Abs. 4 RVO, § 1286 Abs. 2 RVO gegebenenfalls erst später als vom Versicherungsträger vorgesehen eintreten. Ist nicht nachgewiesen, daß der Empfangsberechtigte den Bescheid überhaupt erhalten hat, muß der Bescheid nochmals zugestellt werden und die Wirkungen nach diesen Vorschriften treten dann erst entsprechend später ein. Der Empfangsberechtigte ist einerseits geschützt, wenn der Versicherungsträger nicht die Zustellungsarten des § 2 VwZG verwendet. Er ist andererseits durch § 9 Abs. 1 VwZG so gestellt - ausgenommen der Beginn der Rechtsbehelfsfristen -, wie wenn der Versicherungsträger formgerecht nach den Zustellungsarten des § 2 VwZG zugestellt hätte.
Nach dieser Auslegung ist hier, wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, die Hinterbliebenenrente vom 1. August 1966 an auf geteilt nach § 1268 Abs. 4 RVO zu zahlen.
Das LSG hat den Rentenaufteilungsbescheid vom 7. Juni 1966 auch nicht etwa zu Recht aus anderen Gründen als wegen nicht formgerechter Zustellung aufgehoben.
Die Beklagte hat zwar den Rentenbescheid vom 13. Mai 1966 nicht der Klägerin übermittelt und den Rentenaufteilungsbescheid vom 7. Juni 1966 nicht der Beigeladenen zugeleitet. Beide Bescheide waren jedoch Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens und sowohl die Witwe als auch die Geschiedene sind Beteiligte dieses Verfahrens. Über den Anspruch der Beigeladenen auf Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO ist im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden, weil die Klägerin die Zurückweisung ihrer Berufung gegen den Bescheid vom 15. Mai 1966 nicht angefochten hat.
Auf die Revision der Beklagten ist somit das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es den Bescheid vom 7. Juni 1966 aufgehoben und die Beklagte zur Weiterzahlung der ungekürzten Witwenrente über Juli 1966 hinaus verurteilt hat. Die Berufung der Klägerin ist auch insoweit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es erscheint sachgemäß (vgl. BSG im Sozialrecht Nr. 3 zu § 193 SGG), der Beklagten die Erstattung eines Teils der der Beigeladenen im Revisionsverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen, weil die nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe des Bescheids vom 7. Juni 1966 mit Anlaß zum Revisionsverfahren gegeben hat, in dem nur noch die Auslegung des § 9 VwZG umstritten war.
Fundstellen