Leitsatz (amtlich)
Auch Bezieher eines Knappschaftsruhegeldes nach RKG § 48 Abs 1 Nr 2 haben, wenn sie während einer Beschäftigung in einem nichtknappschaftlichen Betrieb arbeitsunfähig werden, nur Anspruch auf Krankengeld für höchstens 6 Wochen (RVO § 183 Abs 4).
Leitsatz (redaktionell)
Dauer des Anspruchs auf Krankengeld für Bezieher von Knappschaftsruhegeld
1. Als Altersruhegeld iS des RVO § 183 Abs 3 und 4 ist auch das Knappschaftsruhegeld nach RKG § 48 Abs 1 Nr 1 und 2, Abs 2, 3 und 5 anzusehen.
2. Auf die Leistungsdauer nach RVO § 183 Abs 4 ist die Zeit anzurechnen, während der das Krankengeld wegen Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach RVO § 189 ruht. Hat der Versicherte für die gesamte Leistungsdauer nach RVO § 183 Abs 4 Arbeitsentgelt bezogen, so ist der Anspruch auf Krankengeld damit erschöpft.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 3 Fassung: 1961-07-12, Abs. 4 Fassung: 1961-07-12, § 189 Fassung: 1930-07-26; RKG § 48 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1967-12-21, Nr. 2 Fassung: 1967-12-21, Abs. 2 Fassung: 1967-12-21, Abs. 3 Fassung: 1967-12-21, Abs. 5 Fassung: 1967-12-21
Tenor
Die Sprungrevision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 18. August 1971 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von erhaltenem Krankengeld und verlangt dessen Weiterzahlung. Er bezieht seit April 1969 Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (EKG), das Versicherten gewährt wird, die das 60. Lebensjahr vollendet und eine besondere Wartezeit erfüllt haben, wenn sie eine Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb nicht mehr ausüben. Der Kläger, der während des Rentenbezugs in einem nichtknappschaftlichen Betrieb beschäftigt war, wurde am 7. September 1970 arbeitsunfähig krank und erhielt zunächst vom Arbeitgeber für sechs Wochen (bis zum 18. Oktober) seinen Lohn weiter. Anschließend zahlte ihm die beklagte Krankenkasse, der der Kläger den Rentenbezug nicht mitgeteilt hatte, bis zum 11. Dezember 1970 Krankengeld, stellte dessen Zahlung jedoch ein, nachdem sie von der Rente des Klägers erfahren hatte, und forderte das gezahlte Krankengeld in Höhe von 1.397,60 DM zurück: Nach § 183 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestehe während des Bezugs von "Altersruhegeld", zu dem auch das fragliche Knappschaftsruhegeld gehöre, nur Anspruch auf Krankengeld für höchstens sechs Wochen, dieser sei hier mit der Lohnfortzahlung des Arbeitgebers abgegolten.
Das Sozialgericht (SG) ist der Ansicht der Beklagten gefolgt und hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. August 1971, in welchem die Berufung zugelassen worden ist).
Der Kläger hat mit Einwilligung der Beklagten Sprungrevision eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, daß sein Knappschaftsruhegeld kein "echtes" Altersruhegeld, sondern eine Sonderleistung für Bergleute sei, für die § 183 Abs. 4 RVO nicht gelte.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt die Zurückweisung der Sprungrevision.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig, obwohl das SG die Berufung nicht hätte zulassen dürfen, da sie ohnehin nach § 143 SGG zulässig war. Ein Berufungsausschließungsgrund, insbesondere nach § 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), lag nicht vor; die Beteiligten streiten weder über eine einmalige noch über eine wiederkehrende, auf höchstens 13 Wochen beschränkte Leistung (§ 144 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 SGG). Streitig war und ist vielmehr außer der Rückforderung von Krankengeld dessen Weiterzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Klägers, über deren Dauer bisher keine Feststellungen getroffen worden sind. Obwohl hiernach eine Zulassung der Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG nicht in Betracht kam, durften die Beteiligten auf die Rechtmäßigkeit der vom SG ausgesprochenen Zulassung und damit auf die Zulässigkeit der Sprungrevision (§ 161 SGG) vertrauen (vgl. SozR Nr. 22 zu § 161 SGG).
Die Sprungrevision ist nicht begründet. Das SG hat die Klage mit Recht abgewiesen.
Ob die beklagte Krankenkasse das gezahlte Krankengeld zurückfordern oder der Kläger dieses behalten darf und darüber hinaus dessen Weiterzahlung verlangen kann, hängt in erster Linie von der Auslegung und Anwendung des § 183 Abs. 4 RVO ab. Danach besteht, wenn während des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente oder Altersruhegeld Krankengeld gewahrt wird, Anspruch auf Krankengeld für höchstens sechs Wochen, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Der Kläger, der während des Bezugs des (ab April 1969 bewilligten) Knappschaftsruhegeldes eine krankenversicherungspflichtige Beschäftigung in einem nichtknappschaftlichen Betrieb ausübte, war seit dem 7. September 1970 arbeitsunfähig krank. Für die Zeit dieser Arbeitsunfähigkeit stand ihm Anspruch auf Krankengeld nur für höchstens sechs Wochen zu, wenn sein Knappschaftsruhegeld ein "Altersruhegeld" im Sinne des § 183 Abs. 4 RVO war. Das ist mit der Beklagten und dem SG zu bejahen.
Die knappschaftliche Rentenversicherung kennt - ebenso wie die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten - neben Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit und wegen Erwerbsunfähigkeit (§§ 46 und 47 EKG) auch die Gewährung von Altersruhegeld (§ 48: "Knappschaftsruhegeld"). Soweit dieses Ruhegeld unter den gleichen Voraussetzungen wie in den anderen Zweigen der Rentenversicherung gewährt wird (§ 48 Abs. 1 Nr. 1, Abse. 2, 3 und 5 = § 1248 Abse. 1, 2, 3 und 5 RVO = § 25 Abse. 1, 2, 3 und 5 AVG), ist es unzweifelhaft ein Altersruhegeld i. S. der Abse. 3 und 4 des § 183 RVO; anderenfalls wären Empfänger von Knappschaftsruhegeld ohne erkennbaren Grund bessergestellt als Empfänger anderer Altersruhegelder, obwohl es oft nur vom Zufall abhängt, ob bei Wanderversicherten das Ruhegeld vom Träger des einen oder des anderen Zweiges der Rentenversicherung festgestellt und gezahlt wird. Zuständig für die Feststellung und Zahlung der "Gesamtleistung" ist nämlich grundsätzlich der Träger desjenigen Versicherungszweiges, an den der letzte Beitrag entrichtet worden ist (§ 102 RKG - § 1311 RVO = § 90 AVG).
Außer den genannten Renten sieht die knappschaftliche Rentenversicherung indessen noch Sonderleistungen vor, zu denen namentlich die Bergmannsrente und das Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG gehören. Bergmannsrente erhält nach § 45 Abs. 1 RKG, wer entweder vermindert bergmännisch berufsfähig ist und eine Wartezeit von 60 Kalendermonaten erfüllt hat (Nr. 1) oder wer das 50. Lebensjahr vollendet hat, eine Wartezeit von 300 Kalendermonaten mit ständigen Arbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellten Arbeiten zurückgelegt hat und im Vergleich zu der von ihm bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit keine wirtschaftlich gleichwertigen Arbeiten mehr ausübt (Nr. 2). Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG wird gewährt, wenn das 60. Lebensjahr vollendet, die gleiche Wartezeit wie bei der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 erfüllt ist und eine Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb nicht mehr ausgeübt wird. Den unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen der zuletzt genannten Renten - der Bezug einer Bergmannsrente schließt im Gegensatz zum Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG die Fortsetzung einer knappschaftlichen Beschäftigung nicht aus -, entspricht eine unterschiedliche Rentenberechnung: Bei der Bergmannsrente werden für jedes anrechnungsfähige Versicherungsjahr nur 0,8 v. H. der für den Versicherten maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage angerechnet, während der Vomhundertsatz bei allen Arten des Knappschaftsruhegeldes, auch dem nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG gewährten, 2 v. H. beträgt (§ 55 RKG). Schon diese Regelung zeigt, daß das Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG - entgegen der Ansicht des Klägers - ein "echtes" Altersruhegeld ist, das dem Versicherten unter der Voraussetzung, daß er keine knappschaftliche Beschäftigung mehr ausübt, eine ausreichende Lebensgrundlage auch für den Fall bieten soll (und wegen der langen Wartezeit in der Regel auch bieten wird), daß er überhaupt keiner Beschäftigung mehr nachgeht. Der vom Kläger gezogene Vergleich zwischen dem Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG und der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG - beide legend verschiedenen Rentenberechnung nicht passend. Deshalb kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, daß nach § 183 Abs. 5 RVO beim Zusammentreffen der genannten Bergmannsrente mit Krankengeld, beide Leistungen unverkürzt nebeneinander gewährt werden (vgl. dazu SozR Nr. 67 zu § 183 RVO). Was für die mit einem niedrigen Rentenfaktor berechnete Bergmannsrente sinnvoll sein mag, würde beim Knappschaftsruhegeld auf eine ungerechtfertigte Privilegierung der Knappschaftsversicherten hinauslaufen. Ein innerer Grund, Empfänger von Knappschaftsruhegeld (einschließlich eines Ruhegeldes nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG) von den - die Gewährung des Krankengeldes einschränkenden - Vorschriften des § 183 Absätze 3 ff RVO auszunehmen, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Auch der Knappschaftssenat des BSG hat in einem neuen Urteil ohne weitere Begründung als selbstverständlich angesehen, daß der Empfänger des Knappschaftsruhegeldes nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 RKG § 183 Abs. 4 nach Ablauf der 6. Woche … keinen Anspruch auf Krankengeld mehr" hat (SozR Nr. 37 zu § 184 RVO, Bl. Aa 28; ebenso Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Auflage § 183 Anm. 5 b). Schließlich werden auch im Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beim Zusammentreffen mit Arbeitslosengeld alle Knappschaftsruhegelder gleichbehandelt (vgl. § 118 Nr. 4 AFG und dazu SozR Nr. 3 und Nr. 4 zu § 74 AVAVG).
Dem Kläger stand somit für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit ab 7. September 1970 nach § 183 Abs. 4 RVO wegen des Bezugs von Knappschaftsruhegeld nur Krankengeld für höchstens sechs Wochen zu. Dieser Anspruch ruhte, solange der Arbeitgeber den Lohn weiterzahlte (§ 189 RVO). Da die Ruhenszeit auf die Bezugszeit des Krankengeldes anzurechnen ist (BSG 27, 66), war der Krankengeldanspruch des Klägers mit dem Ende der Lohnfortzahlung erschöpft, so daß ihm die Beklagte für die Zeit seiner weiteren Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeld hätte zu zahlen brauchen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, beruht die Überzahlung des Krankengeldes allein auf dem Verhalten des Klägers, der trotz Befragung durch die Beklagte ihr von dem Bezug des Knappschaftsruhegeldes nichts mitgeteilt hatte. Die Beklagte hat deshalb mit Recht das überzahlte Krankengeld vom Kläger zurückgefordert (vgl. SozR Nr. 3 und 4 zu § 223 RVO).
Die gegen den Rückforderungsbescheid erhobene Klage und der Anspruch auf Weiterzahlung des Krankengeldes sind unbegründet, wie das SG richtig entschieden hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1646938 |
BSGE, 52 |