Orientierungssatz
Der Verzicht auf eine Befreiung von der Beitragspflicht nach GALÄndG 6 läßt den Verzicht des Hofvorgängers auf Ansprüche nach dem GAL (hier: Verzicht auf Altersgeld) unberührt.
Normenkette
GAL § 26; GAL 1957 § 26; GALÄndG 6 Art. 2 § 2 Fassung: 1972-07-26; GAL § 9; GAL 1961 § 9
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 24.07.1974; Aktenzeichen L 8 Lw 1/74) |
SG Detmold (Entscheidung vom 28.11.1973; Aktenzeichen S 8 Lw 19/73) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Juli 1974 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosen des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Altersgeld ab Oktober 1972 zusteht.
Der im Jahre 1890 geborene Kläger verpachtete seinen Hof, den er seit 1918 bewirtschaftet hatte, im Juli 1952 auf zwölf Jahre an seinen Sohn Heinrich T; der Vertrag wurde inzwischen bis Juni 1976 verlängert.
Heinrich T beantragte im Dezember 1957 die Befreiung von der Beitragspflicht nach § 26 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063 - GAL 1957 -) unter Vorlage eines Versicherungsvertrages auf Rentenbasis und einer vom Kläger und dessen Ehefrau unterschriebenen Erklärung vom 6. Oktober 1958, worin beide "unwiderruflich auf alle Ansprüche auf Leistungen aus der Altershilfe für Landwirte verzichten". Die Beklagte entsprach dem Antrag.
Im Dezember 1972 erklärte Heinrich T gegenüber der Beklagten, daß er gemäß Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL vom 26. Juli 1972 (BGBl I 1293) auf die Befreiung von der Beitragspflicht verzichte; er bat um Ratenzahlungen für die ab Oktober 1957 nachzuentrichtenden Beiträge.
Nunmehr beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm Altersgeld zu gewähren. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Januar 1973 unter Hinweis auf den vom Kläger am 6. Oktober 1958 erklärten Verzicht ab.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Nach Ansicht des Landessozialgerichts (LSG) ist der Verzicht ebenso unwiderruflich wie es die darauf beruhende Beitragsbefreiung des Heinrich T gewesen war; die grundsätzliche Unwiderruflichkeit der letzteren sei durch § 9 GAL 1961 bestätigt worden. Wenn Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL einen rückwirkenden Verzicht auf die Beitragsbefreiung ermöglicht habe, so werde dadurch die Unwiderruflichkeit des Verzichts des Hofvorgängers nicht berührt; ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers habe im Gesetz keinen Niederschlag gefunden.
Mit der zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, daß das LSG zu Unrecht von einer Unwiderruflichkeit von Verzicht und Beitragsbefreiung ausgegangen sei; aus § 9 GAL 1961 könnten keine Schlüsse auf § 26 GAL 1957 gezogen werden. Zudem bestehe zwischen Verzicht und Befreiung ein untrennbarer Zusammenhang; der Verzicht könne als Voraussetzung für die Befreiung nur für deren Dauer Geltung haben. Durch den Widerruf der Befreiung von der Beitragspflicht sei die Geschäftsgrundlage des Verzichts auf Altersgeld entfallen. Die Ansicht des LSG würde der Beklagten einen nicht mehr gerechtfertigten Vorteil belassen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld ab 1. Oktober 1972 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist entgegen der Ansicht der Beklagten zulässig. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) idF vor dem 1. Januar 1975. In ihr ist eingehend dargelegt, daß und warum § 26 GAL 1957 für verletzt gehalten wird.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Altersgeld, weil er im Oktober 1958 auf Altersgeldansprüche verzichtet hat. Die Wirksamkeit dieses Verzichts ist durch den Verzicht seines Sohnes auf die Beitragsbefreiung nicht berührt worden.
Nach Sinn und Zweck des § 26 GAL 1957 waren, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, sowohl der Verzicht auf Altersgeldansprüche als auch die Beitragsbefreiung endgültig, dh nicht mehr änderbar. Der Umstand, daß Beitragsbefreiungen erstmals in § 9 GAL 1961 ausdrücklich als unwiderruflich bezeichnet worden sind, erlaubt nicht den Schluß, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers für vorherige Befreiungen etwas anderes gelten sollte. Gerade aus Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL ergibt sich, daß ein Verzicht auf eine Befreiung einer gesetzlichen Zulassung bedurfte. Dem entspricht andererseits die Endgültigkeit des Verzichts auf Altersgeldansprüche. Dieser Verzicht war Voraussetzung der Beitragsbefreiung des Hofnachfolgers; er hätte seinen Sinn verfehlt, wäre ein Widerruf noch nach Ausspruch der endgültigen Beitragsbefreiung möglich gewesen. Allerdings hat das 6. Änderungsgesetz zum GAL an der Endgültigkeit der Beitragsbefreiung nicht mehr festgehalten. Bei der Einführung der landwirtschaftlichen Altershilfe im Jahre 1957 war die Befreiung den Landwirten freigestellt worden, die sich durch eine Lebensversicherung ausreichend gesichert fühlten (§ 26 GAL 1957). Der Gesetzgeber hat jedoch in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL dem Anliegen dieses Personenkreises, in die Altershilfe für Landwirte aufgenommen zu werden, entsprochen und ihnen bis zum 31. Dezember 1973 die Möglichkeit eingeräumt, auf die Befreiung zu verzichten. Ein Grund dafür, den oft als Härte empfundenen Ausschluß von der landwirtschaftlichen Altershilfe widerrufbar zu machen, mag darin gelegen haben, daß nur mit zusätzlich 600 Altersgeldempfängern infolge der Gesetzesänderung gerechnet wurde (vgl BT-Drucks VI/3463, Amtl Begründung S 11 C). Außerdem war wohl nicht zu übersehen, daß die landwirtschaftliche Altershilfe mehr und mehr attraktiv geworden war und das Altersgeld nicht mehr wie früher reinen Zuschußcharakter hatte.
Die Folgen eines Verzichts auf die Beitragsbefreiung sind in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes ausdrücklich geregelt worden. Nach dessen Satz 2 "bewirkt die Verzichtserklärung" Versicherungspflicht für die ohne die Beitragsbefreiung versicherungspflichtig gewesene Zeit. Damit wird aber die Beitragsbefreiung nicht einfach rückgängig gemacht; vielmehr sind nach Satz 3 für die zurückliegende Zeit die Monatsbeiträge in der für 1973 maßgebenden Höhe zu zahlen. Satz 4 bestimmt die zuständige Alterskasse und Satz 5 erlaubt dieser schließlich, für die nachzuentrichtenden Beiträge Ratenzahlungen bis zum 31. Dezember 1974 zuzulassen.
Über die Vorgänger im Unternehmen und über ein Aufleben etwaiger Ansprüche auf Altersgeld wird in Art 2 § 2 dagegen nichts gesagt. Wie das LSG muß jedoch auch der Senat annehmen, daß dies mit Absicht nicht geschehen ist. Zwar ergeben die Gesetzesmaterialien darüber keine eindeutigen Erkenntnisse. Wie der Vertreter des Gesamtverbandes der landwirtschaftlichen Alterskassen in dem Parallelverfahren 11 RLw 2/75 glaubhaft vorgetragen hat, hat indessen der Gesamtverband im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens versucht, eine andere Regelung zu erreichen, dh auch dem noch lebenden Unternehmensvorgänger die Möglichkeit zu geben, seine frühere Verzichtserklärung zu widerrufen. Der Vorschlag ist allerdings nicht durchgedrungen und auch später nicht mehr erörtert worden. Die Frage der Auswirkung auf die Unternehmensvorgänger war mithin offensichtlich bekannt; der Gesetzgeber hat aber davon absehen wollen, die Begünstigung auch auf diesen Personenkreis zu erstrecken. Dafür spricht auch, daß dieser Personenkreis in die Vorauskalkulation der Folgekosten nicht einbezogen worden ist. Da der Gesetzgeber sich mit den Folgen des Verzichts auf die Beitragsbefreiung in Art 2 § 2 des 6. Änderungsgesetzes zum GAL ausdrücklich befaßt hat, kann hiernach eine durch die Rechtsprechung ausfüllbare Gesetzeslücke nicht angenommen werden. Zwar hätte auch die Verzichtserklärung der Unternehmensvorgänger für widerruflich erklärt werden können; dies hätte jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, zumal auch ua der Beginn von Leistungen an Unternehmensvorgänger zweifelhaft sein konnte. Jedenfalls kann somit aus dem Schweigen des Gesetzes nicht gefolgert werden, daß der frühere Verzicht gegenstandslos geworden sei. Es kann daher - entgegen der Ansicht der Revision - dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er betrachte Verzicht und Befreiung in der Weise als eine Einheit, daß die Wirksamkeit des Verzichts von der Fortdauer der Befreiung abhänge.
Das Aufleben etwaiger Altersgeldansprüche der Unternehmensvorgänger läßt sich auch nicht damit begründen, daß mit dem Wegfall der Beitragsbefreiung die "Geschäftsgrundlage" des Verzichts weggefallen sei; denn eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt eine Vertragsbeziehung zwischen den Beteiligten voraus, während sich hier die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte zusteht, allein nach zwingenden Normen öffentlichen Rechts richtet. Schließlich ist eine Verletzung von Grundrechten bei der getroffenen Regelung nicht erkennbar. Die verzichtenden Unternehmensvorgänger hatten in der Regel kaum eigene Beiträge zur Alterskasse geleistet; sie konnten möglicherweise für die Bereitschaft zum Verzicht auf Altersgeldleistungen Ausgleichsleistungen des Hofnachfolgers erlangt haben; sie hatten bisher ohne Altersgeldleistungen auskommen müssen und konnten mit solchen Leistungen nicht mehr rechnen. Insofern unterschied sich ihre Lage wesentlich von der anderer Anspruchsberechtigter. Anders als die Mehrzahl der Hofnachfolger standen sie nicht mehr im Erwerbsleben; der Gesetzgeber konnte in dem weiteren Ausschluß der Hofnachfolger von der landwirtschaftlichen Altershilfe eine größere Härte sehen als in dem weiteren Festhalten der Hofvorgänger an ihrem Leistungsverzicht.
Die Beklagte hat es somit zu Recht abgelehnt, dem Kläger Altersgeld zu gewähren; seine Revision muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen