Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzumutbare wirtschaftliche Belastung iS des § 128 Abs 4 AFG
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann die Erstattung des Arbeitslosengeldes für den Arbeitgeber eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bedeutet.
Orientierungssatz
1. In den Fällen vorübergehender saisonaler Arbeitslosigkeit bedeutet die Erstattung des Arbeitslosengeldes eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber, wenn die Kündigung vor dem Inkrafttreten des AFKG erfolgt ist.
2. Ob die Erstattung von Arbeitslosengeld bei vorübergehender saisonaler Arbeitslosigkeit allgemein dann eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellt, wenn nach Wegfall des saisonalen Arbeitsmangels der Arbeitgeber den entlassenen Arbeitnehmer alsbald wieder einstellt, bleibt offen.
Normenkette
AFG § 128 Abs 1 S 1 Fassung: 1981-12-22; AFG § 128 Abs 4 S 1 Fassung: 1981-12-22
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, ein Hoch-, Tief- und Straßenbauunternehmen, wehrt sich gegen ihre Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) und von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung.
Die Klägerin entließ in der Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 31. Januar 1982 31 Arbeitnehmer, von denen zwei das 59. Lebensjahr vollendet hatten. Einem von ihnen, dem 1920 geborenen und seit 1966 bei der Klägerin beschäftigten Bauarbeiter M. P. kündigte sie am 27. November 1981 unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist zum 31. Januar 1982, stellte ihn jedoch zum 1. April 1982 wieder ein. In der Zwischenzeit bezog P Alg.
Nachdem sie der Klägerin im Februar 1982 vergeblich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, setzte die Beklagte einen Erstattungsbetrag gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) von 3.635,88 DM (= 2.284,80 DM Alg, 509,58 DM Krankenversicherungsbeiträge und 841,50 DM Rentenversicherungsbeiträge) fest (Bescheid vom 27. April 1982). Der Widerspruch der Klägerin, mit dem diese geltend machte, es habe sich um eine saisonalbedingte Kündigung gehandelt, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1982). Das Sozialgericht (SG) hat die ergangenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 12. Oktober 1983).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das SG ausgeführt, zwar lägen die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128 Abs 1 AFG vor, die Erstattung würde jedoch eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bedeuten, so daß sie gemäß § 128 Abs 4 AFG entfalle. Das ergebe eine an Sinn und Zweck des § 128 AFG ausgerichtete Auslegung des Begriffs der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung. Ebenso wie bei den im Gesetz zum Erlaß führenden Tatbeständen, zB dem der Existenzgefährdung, müsse die vorzunehmende Abwägung der Interessen des Arbeitgebers mit denen der Solidargemeinschaft auch dann zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, wenn sein Handeln, das den Erstattungsanspruch auslöse, von der Rechtsordnung gebilligt werde. Demgemäß sei eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung anzunehmen, wenn zwingende betriebliche Gründe die Auflösung der Arbeitsverhältnisse einer Vielzahl von Arbeitnehmern erforderlich gemacht hätten und ältere Arbeitnehmer nur unter anderem betroffen seien, also kein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Lasten der Arbeitslosenversicherung vorliege. So sei § 128 Abs 4 AFG gegeben, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb einer anzeigepflichtigen Massenentlassung iS des § 17 Abs 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) erfolge und die Anzahl der betroffenen älteren Arbeitnehmer dem Zahlenverhältnis älterer zu jüngeren Arbeitnehmern im Betrieb entspreche. Bei saisonbedingten Kündigungen sei eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung ferner zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung des saisonbedingten Auftragsmangels und noch vor Ablauf eines Jahres wieder eingestellt werde. Das gleiche gelte, wenn eine zugesagte Wiedereinstellung nur an solchen Gründen scheitere, die nicht in den Verantwortungsbereich des Arbeitgebers fielen. Den Nachweis für die unzumutbare wirtschaftliche Belastung habe die Klägerin erbracht. Unstreitig sei P konjunkturbedingt im Rahmen einer Massenentlassung gekündigt worden. Die Kündigung sei zudem saisonbedingt erfolgt, weil P bereits zum 1. April 1982, dh nach Ablauf der Schlechtwetterzeit, der Zeit des für die Bauwirtschaft saisonbedingten Auftragsmangels, und noch vor Erlaß des Erstattungsbescheides wieder eingestellt worden sei. Da ein Leistungsmißbrauch also nicht vorliege, das Handeln der Klägerin gerechtfertigt sei, würde die Erfüllung des Erstattungsanspruchs für diese eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bedeuten.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 128 Abs 4 AFG und führt hierzu insbesondere aus: Da die Erstattungspflicht auf die Erfüllung eines Geldleistungsanspruchs gerichtet sei, müsse sich die Belastung wirtschaftlich, dh finanziell beim Arbeitgeber auswirken. Dies bedeute, daß auch bei der Prüfung der Frage der Unzumutbarkeit der Belastung ausschließlich finanzielle Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Auf die Rechtmäßigkeit der Kündigung oder ähnliches komme es nicht an. Zwar enthalte § 128 Abs 4 Satz 1 AFG zu der Frage, unter welchen Umständen eine Erstattungspflicht entfalle, lediglich eine Generalklausel, diese sei jedoch durch die in § 128 Abs 1 Satz 2 AFG genannten Fallbeispiele (Existenzgefährdung, öffentliche Kredite oder Bürgschaften zur Fortführung des Betriebes, öffentliche Anpassungshilfen wegen grundlegender Betriebsänderungen) weitgehend konkretisiert und ausgefüllt worden. Daher seien für eine Ausfüllung der Generalklausel durch die Rechtsprechung bereits bestimmte Maßstäbe gesetzt. Befreiungstatbestände, welche die Annahme einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung rechtfertigen könnten, müßten danach in ihrem Gewicht und in ihrer Eigenart den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen entsprechen. Eine Differenzierung nach den Gründen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Gesetzgeber nur insoweit vorgesehen, als dem Arbeitgeber die Übernahme des sozialen Schutzes des Arbeitnehmers bei Arbeitslosigkeit nicht zuzumuten sei, wenn dieser die Beendigung des Arbeitsverhältnisses selbst veranlaßt habe. Hier habe die Klägerin unstreitig die Kündigung wegen saisonbedingten Arbeitsmangels ausgesprochen. Selbst wenn sie dem Arbeitnehmer gleichzeitig eine Wiedereinstellung zugesagt haben sollte, ändere sich an ihrer Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 AFG nichts, denn einen derartigen Fall habe der Gesetzgeber nicht in den Ausnahmekatalog des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG aufgenommen. Seine Einbeziehung sei im Wege der Auslegung nicht möglich, da dies dem Wortlaut und der Zielsetzung des § 128 AFG widerspreche.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie führt aus, dem P sei im Rahmen einer Massenentlassung wegen Arbeits- und Auftragsmangels gekündigt worden; gleichzeitig sei ihm für den Fall der Besserung der Verhältnisse die Wiedereinstellung zugesagt worden. Dem auf diesem Sachverhalt beruhenden Urteil sei zuzustimmen. Die sich aus der Neuregelung des § 128 AFG für die Arbeitgeber ergebenden finanziellen Belastungen könnten nur dann als zumutbare Belastung im Rahmen des Art 14 des Grundgesetzes (GG) angesehen werden, wenn es der Zweck der gesetzlichen Bestimmung gebiete, daß der Arbeitgeber Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erstatte. Zu Recht führe das SG aus, daß bei saisonbedingten Kündigungen wegen auslaufender Baustellen und fehlender Winterbau-Anschlußaufträge in Baubetrieben keine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung vorliege. Im Vordergrund der Überlegungen zur Auslegung des § 128 Abs 4 AFG stehe die Frage, ob bei der Klägerin eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung wegen einer Betriebsänderung iS des § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) vorgelegen habe. Im Gegensatz zu den einschlägigen Runderlassen der Beklagten sei bei entsprechender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Betriebsänderung zu bejahen, wenn ein Personalabbau um mindestens 5 % der Belegschaft des Betriebes stattfinde. Danach sei die seinerzeitige Personalreduzierung eine Betriebsänderung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet. Das SG hat den Erstattungsbescheid der Beklagten vom 27. April 1982 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 1982 zu Recht aufgehoben.
Die Klägerin hat der Beklagten das dem P gezahlte Alg (einschließlich der auf das Alg entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung) nur dann zu erstatten, wenn sie hierzu nach dem durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) in das AFG eingefügten § 128 verpflichtet ist.
Zwar ist § 128 AFG durch das am 1. Mai 1984 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung des Rechts der Arbeitsförderung und der gesetzlichen Rentenversicherung an die Einführung von Vorruhestandsleistungen vom 13. April 1984 (BGBl I 610) umgestaltet worden; diese Neufassung ist jedoch im vorliegenden Falle nicht anwendbar, wie sich aus dem neuen § 242c Abs 1 AFG ergibt. Danach ist § 128 AFG grundsätzlich weiterhin in der bis zum 30. April 1984 geltenden Fassung anzuwenden, wenn das Arbeitsverhältnis wie hier vor dem 1. Mai 1984 beendet worden ist (§ 242c Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Allerdings gilt auch in diesen Fällen § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und Abs 3 AFG in der seit dem 1. Mai 1984 geltenden Fassung, soweit Alg für die Zeit nach dem 30. April 1984 gezahlt worden ist (§ 242c Abs 1 Satz 2 AFG), dh nicht für die hier streitige Erstattung von Alg für Zeiten vor dem 1. Mai 1984.
Der Anwendung des § 128 AFG steht nach dem AFKG nicht entgegen, daß die Klägerin dem P vor dem am 1. Januar 1982 erfolgten Inkrafttreten des AFKG am 27. November 1981 gekündigt hat; denn gemäß Art 1 § 2 Nr 15 AFKG ist § 128 AFG erstmals anzuwenden, wenn der Anspruch auf Alg nach dem 31. Dezember 1981 entstanden und nach dem 2. September 1981 das Arbeitsverhältnis gekündigt oder seine Beendigung vereinbart worden ist. Allerdings ist gegen die Verfassungsmäßigkeit der Übergangsvorschrift des Art 1 § 2 Nr 15 AFKG eingewandt worden, die Vorschrift verletze, soweit sie solche Arbeitsverhältnisse von der Anwendung des § 128 AFG nicht ausnehme, die der Arbeitgeber vor Inkrafttreten des AFKG gekündigt bzw deren Beendigung er vor Inkrafttreten des AFG vereinbart habe, das Rechtsstaatsprinzip, weil der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung bzw des Abschlusses der Beendigungsvereinbarung mit der Erstattung des Alg nicht habe rechnen müssen (vgl Beschluß gemäß Art 100 Abs 1 GG des SG Hamburg vom 3. Dezember 1982 -4 Ar 677/82 - und Beschluß des SG Kiel vom 23. März 1983 -S Ar 258/82 -; Frische DB 1983, 498, 499). Bedenken dieser Art ist allerdings entgegenzuhalten, daß das Vertrauen in den Bestand des geltenden Rechts im allgemeinen von dem Zeitpunkt an nicht mehr schutzwürdig ist, in dem der Bundestag eine Gesetzesänderung beschlossen hat (vgl BVerfGE 23, 12, 33; 43, 291, 392); jedoch kann die Frage, ob die in Art 1 § 2 Nr 15 AFKG vorgesehene Anwendbarkeit des § 128 AFG jedenfalls dann unbedenklich ist, wenn die Kündigung erfolgte, nachdem der Bundestag das AFKG in dritter Lesung am 12. November 1981 beschlossen hatte, dahinstehen. Ebenfalls bedarf es keiner Prüfung, ob und inwieweit die Regelung des § 128 AFG als solche mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl dazu Frische DB 1983, 498; Brückner ZfSH 1984, 97, 103 ff; vgl jetzt auch Hahn BB 1984, 1821, 1822 ff). Der § 128 AFG führt im vorliegenden Falle nämlich nicht zu einem Erstattungsanspruch der Beklagten.
Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der Rahmenfrist mindestens zwei Jahre in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Beklagten vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 59. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 312 Tage. Dies schließt die Erstattung der auf das Alg entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ein (§ 128 Abs 2 AFG). Die Voraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs nach § 128 Abs 1 Satz 1 AFG liegen nach den tatsächlichen Feststellungen des SG, an die der Senat nach § 163 SGG gebunden ist, vor. Auch einer der in § 128 Abs 1 Satz 2 AFG geregelten Ausnahmetatbestände greift nach den tatsächlichen Feststellungen des SG nicht ein. Nachdem insoweit zweifelsfreien Gesetzeswortlaut gilt § 128 Abs 1 Satz 1 AFG im Falle der Kündigung durch den Arbeitgeber nur dann nicht, wenn er das Arbeitsverhältnis wegen eines vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers beendet hat oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt gewesen war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 3 und 4 AFG). In allen anderen Fällen, also auch bei einer Kündigung wegen Arbeitsmangels soll nach dem Gesetz grundsätzlich die Erstattungspflicht Platz greifen. Das entspricht dem Willen des Gesetzgebers; denn dieser ging dahin, dem Arbeitgeber grundsätzlich das Risiko der Arbeitslosigkeit seines bei ihm langjährig beschäftigten Arbeitnehmers zu übertragen (vgl BT-Drucks 9/799 S 44, 9/846 S 45 und 9/966 S 80). Es besteht daher keine Möglichkeit einer einschränkenden Interpretation des § 128 Abs 1 AFG, auch nicht in dem Sinne, daß entsprechend dem mit § 128 AFG verfolgten Ziel eine Erstattungspflicht nur entsteht, wenn ein bewußtes und gewolltes, zweck- und zielgerichtetes Ausnutzen der Möglichkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes durch den Arbeitgeber vorliegt (so aber SG Frankfurt DB 1984, 1355; Brückner ZfSH 1984, 97, 104; vgl jetzt auch Hahn BB 1984, 1821, 1824). Die in § 128 Abs 1 AFG angeordnete Erstattungspflicht entfällt jedoch nach § 128 Abs 4 Satz 1 AFG, wenn der Arbeitgeber nachweist, daß die Erstattung für ihn eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bedeuten würde. Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG ist ein solcher Fall gegeben.
Allerdings ist nichts dafür dargetan, daß die Erstattung des Alg und der Sozialversicherungsbeiträge die Existenz des Betriebes gefährden könnte oder daß öffentliche Kredite oder Bürgschaften zur Fortführung des Betriebes geleistet worden sind. Es werden wegen grundlegender Betriebsänderungen an Unternehmen des Hoch-, Tief- und Straßenbaues auch keine öffentlichen Anpassungshilfen gewährt. Es ist somit keiner der Fälle gegeben, in denen § 128 Abs 4 Satz 2 AFG eine solche unzumutbare wirtschaftliche Belastung annimmt. Damit ist jedoch eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch die Erstattung nicht ausgeschlossen; denn wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" ergibt, hat das Gesetz in § 128 Abs 4 Satz 2 AFG die Fälle, in denen die wirtschaftliche Belastung mit der Erstattung unzumutbar würde, nicht abschließend geregelt. Die Feststellungen des SG enthalten aber auch dafür keine Anhaltspunkte, daß allein die finanziellen Auswirkungen der Erstattung der festgesetzten 3.635,88 DM (bzw des Betrages, der sich ergäbe, wenn der P den infolge seiner Arbeitslosigkeit ab 1. Februar 1982 begründeten Anspruch auf Alg voll ausschöpft - ca 22.000,-- DM -), wegen der finanziellen Verhältnisse der Klägerin zur Folge haben, daß die Erstattung für sie eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellen würde. Hieraus ist allerdings nicht schon der Schluß zu ziehen, daß es bei dem Erstattungsanspruch verbleibt; denn jedenfalls ausnahmsweise können andere als wirtschaftliche Verhältnisse des Arbeitgebers die Erstattungspflicht als unzumutbar erscheinen lassen.
Zwar wird im allgemeinen die Erstattungspflicht nach § 128 Abs 4 AFG nur entfallen, wenn die Erstattung wirtschaftlich dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann; jedoch kommt es nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht darauf an, ob die Erstattung für den Arbeitgeber finanziell nicht tragbar ist, sondern, ob die Erstattung eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellen würde. Da die Erstattung aber immer eine wirtschaftliche Belastung ist, führt somit im wesentlichen ihre Unzumutbarkeit zum Entfallen der Erstattungspflicht. Das läßt grundsätzlich die Berücksichtigung anderer Umstände als solche finanzieller Art zu. Eine Maßgeblichkeit allein der finanziellen Verhältnisse ist auch aus § 128 Abs 4 Satz 2 AFG nicht abzuleiten. Die dort aufgeführten Fallkonstellationen stellen nicht lediglich Erläuterungen zum Begriff der "unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung" dar, sondern sind eigenständige Befreiungstatbestände, bei denen der Gesetzgeber die Unzumutbarkeit der Belastung mit der Erstattung unterstellt (vgl das Urteil des Senats vom gleichen Tage in der Sache 7 RAr 98/83). Dies hat zur Folge, daß begrifflich die Erstattung des Alg nicht nur dann eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber bedeuten kann, wenn dieser sich in einer Lage befindet, die in ihrem Gewicht und in ihrer Eigenart den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen gleich oder nahekommt, wie die Revision meint. Bereits die Entstehungsgeschichte des § 128 Abs 4 AFG deutet auf ein derartiges Verständnis der Generalklausel hin. In dem von der Bundesregierung und den Fraktionen der SPD und FDP vorgelegten ursprünglichen Entwurf zum § 128 Abs 4 AFG war nämlich zunächst ein Erlaß der Erstattungsforderung für den Fall vorgesehen, daß die Erfüllung für den Arbeitgeber eine besondere Härte iS des § 59 Abs 1 Satz 1 Nr 3 der Bundeshaushaltsordnung bedeuten würde (vgl BT-Drucks 9/799 S 9; BT-Drucks 9/846 S 10; vgl jetzt auch § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 3 AFG idF des Gesetzes vom 13. April 1984). Eine solche Härte wird insbesondere angenommen, wenn sich der Schuldner in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befindet und zu besorgen ist, daß die Weiterverfolgung des Erstattungsanspruchs zu einer Existenzgefährdung führt (vgl Ziff 3.4 der Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zur Bundeshaushaltsordnung, MinBlFin 1973, 191, 274). Diese allein auf die finanziellen Auswirkungen der Erstattungszahlung ausgerichtete Fassung des Abs 4 ist aber nicht Gesetz geworden. Die Vorschrift hat vielmehr aufgrund einer Empfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks 9/966 S 23) den hier maßgebenden Wortlaut erhalten, der dem Bedürfnis Rechnung trägt, gegebenenfalls auch andere als rein wirtschaftliche Gesichtspunkte bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Erstattung zu berücksichtigen (ähnlich Nickel AuB 1982, 308, 309).
Das SG hat eine extensive Auslegung der Generalklausel des § 128 Abs 4 Satz 1 AFG für geboten gehalten, weil die Regelung des § 128 Abs 1 AFG dem Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko der Arbeitslosigkeit seines bei ihm langjährig beschäftigten Arbeitnehmers entsprechend der Zielsetzung der Vorschrift nicht nur für den Fall überbürdet, daß die Entlassung darauf abzielt, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit zu geben, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit das vorgezogene Altersruhegeld nach § 1248 Abs 2 Reichsversicherungsordnung, § 25 Abs 2 Angestelltenversicherungsgesetz oder das vorgezogene Knappschaftsruhegeld nach § 48 Abs 2 Reichsknappschaftsgesetz in Anspruch zu nehmen, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus sozial gerechtfertigten betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen hat lösen können. Gewiß sollte mit § 128 AFG in erster Linie erreicht werden, was bei der Auslegung des Begriffes der unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung zu berücksichtigen ist, daß die im Interesse des sozialen Schutzes älterer Arbeitnehmer geschaffene gesetzliche Regelung über das vorgezogene Altersruhegeld Arbeitsloser nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft ausgenutzt wird. Die Übung vieler Betriebe, Arbeitnehmer bei Vollendung des 59. Lebensjahres gegen die Zahlung von Abfindungen freizusetzen, die nach einem Jahr Arbeitslosigkeit das vorgezogene Altersruhegeld beanspruchen wollten, und die hierdurch entstandene Belastung der Arbeitslosen- und Rentenversicherungen waren wesentliche Gründe der Regelung des § 128 AFG. Damit sind jedoch Ziele und Zwecke des § 128 AFG nicht erschöpfend wiedergegeben. Der Gesetzgeber hat sich nämlich nicht darauf beschränkt, dieser mißbilligten Übung entgegenzuwirken. So ist zur Begründung des § 128 AFG sowohl von der Bundesregierung als auch von den Fraktionen der SPD und FDP die Bekämpfung der mißbilligten sogenannten 59er-Lösung nur als einer der Gründe ("insbesondere") für die neue Vorschrift genannt und im übrigen klar zum Ausdruck gebracht worden, daß in den Fällen des § 128 Abs 1 AFG künftig der bisherige Arbeitgeber das Risiko der Arbeitslosigkeit seiner bei ihm langjährig beschäftigten Arbeitnehmer für eine begrenzte Zeit zu tragen hat und dabei das von dem Arbeitgeber zu tragende Risiko durch § 128 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 bis 4 AFG eingegrenzt wird (BT-Drucks 9/799 S 44; BT-Drucks 9/846 S 45). Entsprechend hat der Bundestagsausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu § 128 AFG mitgeteilt, daß er mit Mehrheit der Auffassung sei, daß der Arbeitgeber an den sozialen Folgekosten beteiligt werden sollte, wenn er einen älteren Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit von mindestens zehn Jahren freisetzt (vgl BT-Drucks 9/966 S 80). Es ist daher zweifelhaft, ob der Auffassung des SG, die diesen Gesichtspunkt nicht berücksichtigt, generell beizutreten ist. Das bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung. Ebenso läßt der Senat offen, ob es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, die Generalklausel des § 128 Abs 4 Satz 1 AFG weit zu verstehen, um alle Fallgestaltungen erfassen zu können, die zwar weder durch die Ausnahmebestimmungen des Abs 1 Satz 2 noch durch die Tatbestände in Abs 4 Satz 2 von der Erstattung freigestellt werden, aber dennoch angesichts der zur Entlassung des Arbeitnehmers führenden Umstände eine Belastung des Arbeitgebers nicht gerechtfertigt erscheinen lassen. Im vorliegenden Falle führen nämlich die besonderen Umstände des Einzelfalles dazu, daß die Erstattung des Alg eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung bedeuten würde.
Die Klägerin gehört als Bauunternehmen einem Gewerbezweig an, dessen Produktion von Witterungseinflüssen abhängig ist. Dies hat, insbesondere im Bereich des Tief- und Straßenbaues, zur Folge, daß die Unternehmen vielfach genötigt sind, im Winter Arbeitnehmer wegen Arbeitsmangels zu entlassen, zu deren Wiedereinstellung sie jedoch grundsätzlich bereit sind. Dementsprechend ist der P nach den Feststellungen des SG im Zusammenhang mit der konjunktur- und saisonbedingten Entlassung weiterer 30 Arbeitnehmer von der Klägerin entlassen und nach zwei Monaten zum 1. April 1982 wieder eingestellt worden.
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Erstattung von Alg bei vorübergehender saisonaler Arbeitslosigkeit allgemein dann eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellt, wenn nach Wegfall des saisonalen Arbeitsmangels der Arbeitgeber den entlassenen Arbeitnehmer alsbald wieder einstellt. Jedenfalls bedeutet in den Fällen vorübergehender saisonaler Arbeitslosigkeit die Erstattung des Alg eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung für den Arbeitgeber, wenn die Kündigung vor dem Inkrafttreten des AFKG erfolgt ist, wie das hier der Fall war. Die Arbeitgeber hatten nämlich praktisch keine Möglichkeit, sich über den Inhalt des künftigen Rechts zuverlässig zu informieren. Sie waren deshalb nicht in der Lage, angesichts der auf sie zukommenden Erstattung des Alg für ältere Arbeitnehmer entsprechend zu disponieren, zB, was § 128 AFG nicht verhindert, anstelle eines älteren einen jüngeren Arbeitnehmer zu entlassen. Um Klarheit für planende Überlegungen des Arbeitgebers zu gewinnen, hat das Gesetz in § 128 Abs 4 Sätze 3 und 4 AFG vorgesehen, daß auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsamt im voraus darüber entscheidet, ob für die Beendigung einer bestimmten Anzahl von Arbeitsverhältnissen die Erstattungspflicht entfällt. Eine solche Entscheidung konnten Arbeitgeber, die, um die Kündigungsfristen einzuhalten, noch im Jahre 1981 Kündigungen wegen Arbeitsmangels aussprechen mußten, die erst 1982 wirksam werden sollten, nicht herbeiführen; denn die Beklagte war zu solchen Entscheidungen erst nach dem Inkrafttreten des § 128 AFG am 1. Januar 1982 befugt.
Hinzu kommt, daß die Klägerin auch angesichts des vom Bundestag beschlossenen AFKG keinen Grund zu der Annahme haben mußte, daß ihre Kündigung des P im Hinblick auf die arbeitslosen- und rentenrechtlichen Folgen zu mißbilligen sei; denn im Vordergrund der allgemeinen Diskussion um § 128 AFG stand nicht, daß der Arbeitgeber künftig das Risiko der Arbeitslosigkeit seiner älteren langfristig beschäftigten Arbeitnehmer tragen sollte, sondern, daß die im Interesse des sozialen Schutzes älterer Arbeitnehmer geschaffene gesetzliche Regelung für das vorgezogene Altersruhegeld nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft ausgenutzt wird. Einem solchen Vorwurf war die Klägerin nach den Feststellungen des SG jedoch nicht ausgesetzt. Der P ist nicht aufgrund einer Vereinbarung oder gegen Abfindung ausgeschieden, sondern aufgrund ordentlicher Kündigung unter Einhaltung der tarifvertraglichen Kündigungsfrist, die nach § 12 Ziff 1.2 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 3. Februar 1981 zwei Monate zum Monatsende beträgt, wenn das Arbeitsverhältnis zehn, aber noch keine 20 Jahre bestanden hat. Die Kündigung ist auch nicht mit dem Ziel erklärt worden, in der Person des P die Voraussetzungen für das vorgezogene Altersruhegeld zu schaffen, sondern stand im Zusammenhang mit der saison- und konjunkturbedingten Entlassung weiterer 30 Arbeitnehmer.
Die Annahme einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung in Übergangsfällen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer alsbald wieder einstellt, widerspricht nicht dem Anliegen des § 128 AFG. Gesetzgeberisches Ziel des § 128 AFG ist es nicht, Einnahmen zu erzielen, sondern vorrangig die endgültige und zur möglichen Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes führende Freisetzung älterer Arbeitnehmer zu verhindern. Diesem Anliegen wird mit der Wiedereinstellung des Arbeitnehmers gedient; denn mit ihr unterbricht der Arbeitgeber regelmäßig die durch die Entlassung in Gang gesetzte auf eine mögliche Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes hinführende Kausalkette. Angesichts dessen hat das weitere Anliegen des AFG, das Risiko der Arbeitslosigkeit für ältere Arbeitnehmer auf den Arbeitgeber zu übertragen, in den Übergangsfällen in den Hintergrund zu treten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen