Leitsatz (amtlich)
Nach AFG § 242 Abs 12 ist die BA verpflichtet, bei Fehlen einer entsprechenden Anordnungsregelung im Einzelfall eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob für eine in AFG § 40 Abs 1 nicht genannte berufliche Ausbildung Förderungsleistungen zu gewähren sind.
Leitsatz (redaktionell)
Von einer überbetrieblichen Ausbildung iS von AFG § 40 kann nicht gesprochen werden, wenn die ausbildende Einrichtung einschließlich angegliederter Werkstätten als Schule anerkannt ist und damit der Aufsicht des Kultusministers des Landes untersteht (vgl BSG 1976-05-26 12/7 RAr 69/74 = Dienstbl BA C AFG § 58 (Nr 2080a).
Normenkette
AFG § 39 S. 1 Fassung: 1969-06-25, § 40 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 242 Abs. 12 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 25. September 1974 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 6. April 1973 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Die im April 1955 geborene Klägerin besitzt den Volksschulabschluß. Am 26. August 1970 begann ihre Ausbildung zur Schmucksteinfasserin an der Staatlichen Zeichenakademie Hanau, Abteilung Berufsfachschule. Die Akademie führt die Bezeichnung Fachschule für das Edelmetallgewerbe; für ihren Besuch ist Voraussetzung, daß der Schüler die Volksschule abgeschlossen hat. Der Unterricht umfaßt neben theoretischer Unterweisung auch praktische Übungen, wie Zeichnen, Goldschmieden und Fassen, z. T. im Rahmen von Werkstattunterricht. Die Berufsausbildung sollte im Februar 1974 mit einer Abschlußprüfung beendet werden. Das Prüfungszeugnis der Akademie galt für die in der Anlage A zur Handwerksordnung (HwO) genannten Gewerbe als Zeugnis über das Bestehen der Gesellenprüfung (§ 40 HwO, § 1 Abs. 2 Erlaß des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung vom 12. Oktober 1960, Staatsanzeiger für das Land Hessen 1960, 1311).
Die Beklagte lehnte den Förderungsantrag der Klägerin vom 3. Juni 1971 mit der Begründung ab, daß kein Berufsausbildungsvertrag nach § 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG) abgeschlossen worden sei. BAB werde nach § 40 Abs. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) in Verbindung mit § 2 Nr. 1 der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (A-Ausbildung) vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970 S. 213) in der Fassung der 2. Änderungsanordnung vom 19. März 1971 (ANBA S. 479) nur für eine betriebliche oder überbetriebliche Ausbildung gewährt. Die Abteilung Berufsfachschule der Staatlichen Zeichenakademie H könne nicht als überbetriebliche Einrichtung im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden, weil sie auch nicht teilweise eine betriebliche Ausbildung im Rahmen eines vertraglich begründeten Ausbildungsverhältnisses ersetze (Bescheid vom 12. Juli 1971; Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1971).
Im Urteil vom 6. April 1973 hat das Sozialgericht (SG) Frankfurt/Main die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die Ausbildung der Klägerin finde weder in einem Betrieb noch in einer überbetrieblichen Einrichtung im Sinne § 40 AFG statt. Bei dem Besuch der Akademie handele es sich vielmehr um eine schulische Berufsausbildung besonderer Art, die nach den Schulgesetzen des Landes Hessen erfolge und in § 40 Abs. 1 AFG nicht genannt sei. Ein Förderungsanspruch der Klägerin könne sich jedoch aus § 242 Abs. 12 AFG ergeben. Insoweit handele es sich um eine Ermessensentscheidung, deren tatbestandsmäßige Voraussetzungen vorlägen; es sei nicht erkennbar, ob und inwieweit die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen ausgeübt habe. Daß sie hiervon in der irrigen Annahme einer rechtlichen Bindung keinen Gebrauch gemacht habe, lasse sich nicht ausschließen. Die Beklagte habe demgemäß diese Entscheidung noch zu treffen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 25. September 1974 die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Das LSG hat wegen der Ablehnung des Förderungsbegehrens nach § 40 AFG auf die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils verwiesen und den angefochtenen Bescheid dementsprechend nur im Hinblick auf § 242 Abs. 12 AFG überprüft. Nach seiner Auffassung ist die Beklagte nicht verpflichtet gewesen, nach dieser Vorschrift über den Antrag der Klägerin zu entscheiden, weil § 242 Abs. 12 AFG lediglich eine Ermächtigungsnorm für den Verwaltungsrat der Beklagten zum Erlaß von Anordnungen sei und dieser nicht angeordnet habe, auch Berufsausbildungen zu fördern, die auf Fachschulen und Akademien der vorliegenden Art durchgeführt würden. Durch §§ 242 Abs. 12, 39 Satz 1, 191 Abs. 3 AFG werde dementsprechend lediglich erlaubt, die Förderung einer in § 40 Abs. 1 AFG nicht genannten beruflichen Ausbildung zuzulassen. Eine Verpflichtung hierzu bestehe nicht, weil § 242 Abs. 12 AFG nur eine Kann-Vorschrift sei. Gegen den Gleichheitssatz werde durch die unterschiedliche Förderung der beruflichen Ausbildung in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen einerseits und einer schulischen Berufsausbildung andererseits nicht verstoßen, weil letztere primär ihre Regelung in den Bestimmungen der Ausbildungsförderungsgesetze gefunden habe.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 242 Abs. 12 AFG durch das LSG und bringt insbesondere vor: Die Vorschrift sei ihrem Sinn und Zweck nach eine "Auffangnorm", die verhindern solle, daß Auszubildende, die sich - wie sie - in einer nicht in § 40 Abs. 1 AFG genannten Berufsausbildung befänden und von keiner anderen Stelle gefördert würden, schlechthin aus der Förderung herausfielen, obwohl an der Förderung ein arbeitsmarktpolitisches Interesse bestehe. Ungeachtet dessen, daß es sich hierbei um eine "Kann-Vorschrift" handele, könne dem LSG nicht darin gefolgt werden, daß die Vorschrift der Beklagten lediglich die Ermächtigung einräume, durch Anordnung das Nähere über Voraussetzung, Art und Umfang der Förderung zu bestimmen. Keineswegs könne aus dem Fehlen einer entsprechenden Anordnung gefolgert werden, daß die Förderung für eine bestimmte schulische Berufsausbildung nicht in Betracht komme. Vielmehr werde die Beklagte durch § 242 Abs. 12 AFG gezwungen, in jedem Einzelfall eine Ermessensentscheidung zu treffen. Allein diese Auslegung werde dem Charakter der Vorschrift als Auffangnorm gerecht. Ihr stehe Satz 2 der Vorschrift nicht entgegen, weil er nur bestimme, daß die Bestimmungen des Zweiten Abschnitts über die Förderung der beruflichen Bildung "entsprechend" gelten würden. Die Beklagte müsse ihr Ermessen unabhängig davon ausüben, ob und für welche Gruppe der infrage kommenden Personen ihr Verwaltungsrat eine generelle Regelung im Rahmen seines Anordnungsrechts getroffen habe; denn der Verwaltungsrat sei als Selbstverwaltungskörperschaft nicht befugt, Einzelfallentscheidungen zu treffen. Dies sei allein Aufgabe der Verwaltung.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 6. April 1973 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, daß die Beklagte über den Anspruch der Klägerin auf Förderung gemäß § 242 Abs. 12 AFG noch eine Verwaltungsentscheidung zu treffen hat.
Das Revisionsgericht hat - wie das LSG - den Klageanspruch nur noch unter dem Gesichtspunkt einer Förderung nach § 242 Abs. 12 AFG zu prüfen. Soweit die Klägerin in der Klage den Rechtsanspruch auf Förderung nach § 40 AFG erhoben hatte, ist sie vom SG abgewiesen worden. Das Urteil des SG ist insoweit rechtskräftig geworden, weil die Klägerin hiergegen keine Berufung eingelegt hat (§ 141 SGG).
Nach § 242 Abs. 12 AFG ist die Beklagte auch im Einzelfall verpflichtet, eine Entscheidung darüber zu treffen, ob einem Antragsteller für eine berufliche Ausbildung Leistungen zu gewähren sind. Entgegen der Auffassung des LSG beinhaltet die Regelung des § 242 Abs. 12 AFG nicht - wie § 39 AFG - lediglich eine Ermächtigung zum Erlaß von Satzungsrecht (Anordnungen). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, wenn es dort u. a. heißt, daß die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Zuschüsse und Darlehen "gewähren" kann. Deutlich wird dies aber auch daraus, daß die BA - jedenfalls in dem Bereich der Vorschriften des Zweiten Abschnitts des AFG, die entsprechend anzuwenden sind (§ 242 Abs. 12 Satz 2 AFG), - grundsätzlich nur ermächtigt worden ist, durch Anordnung die Frage zu regeln, wie über Förderungsbegehren nach den Vorschriften über die Förderung der beruflichen Bildung zu befinden ist. Hiervon ist die andere Frage zu trennen, ob nach diesen Vorschriften über Förderungsanträge zu entscheiden ist; sie ist nicht der Satzungsregelung vorbehalten worden und damit unabhängig vom Bestehen einer entsprechenden Anordnung zu beurteilen.
Zwar verwehrt es die Regelung des § 242 Abs. 12 AFG der Beklagten nicht, Regelungen für diesen Rechtsbereich im Wege der Anordnungen zu treffen; denn aus der Verweisung auf die Vorschriften des Zweiten Abschnitts des AFG folgt, daß die Beklagte ihren Beurteilungsspielraum und ihr Ermessen durch Regelungen im Rahmen ihres Anordnungsrechts nach § 39 AFG ausüben kann; in diesem Fall wären entsprechende Anordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Ermächtigung zu prüfen (BSGE 38, 144). Die Beklagte hat diesen Weg jedoch nur insoweit beschritten, als sie die Förderung der Ausbildung in sozialen Berufen regelte. Die Anordnung ihres Verwaltungsrates über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung in sozialen Berufen vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970, 219) ist hier jedoch nicht anzuwenden, weil die Förderung der Ausbildung in einem Beruf des Metallgewerbes begehrt wird. Die Beklagte ist aber nicht gehindert, für andere Berufsbereiche entsprechende Anordnungen zu erlassen. Nach den Materialien zum AFG geht die Vorschrift des § 242 Abs. 12 auf einen Beschluß des Bundestagsausschusses für Arbeit zurück (vgl. BT-Drucks. V/4110 S. 103). Am 18. Juli 1968 hatte der Verwaltungsrat der BA neue Richtlinien für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfen nach dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) erlassen, die am 1. Oktober 1968 in Kraft getreten waren (ANBA 1968, 792 ff). Die Ausbildung in sozialen Berufen, die bis dahin nach Ziffer 10 der Richtlinien vom 9. März 1956 in der Fassung des Beschlusses vom 20. Juli 1962 (BABl 1957, 276 und ANBA 1962, 582) gefördert werden konnte, wurde nunmehr nicht mehr zu den förderungsfähigen Ausbildungsarten gezählt. Die Ausbildungsförderung aus Mitteln der BA sollte für diese Berufe bis zum Inkrafttreten eines Ausbildungsförderungsgesetzes jedoch wieder ermöglicht werden (vgl. Kurzprotokolle der 74. Sitzung des Bundestagsausschusses für Arbeit vom 5. Dezember 1968 Nr. 74 S. 10 und vom 10. Februar 1969 Nr. 79 S. 23 f). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß sich die Pflicht der Beklagten zur Ausbildungsförderung nach § 242 Abs. 12 AFG nur auf Auszubildende dieser Berufe erstreckt. Das ergibt sich klar aus dem Wortlaut der Vorschrift (Satz 1 letzter Halbsatz), wonach die Regelung "insbesondere" für die Ausbildung in sozialen Berufen gilt. Damit ist die Förderung der Ausbildung in anderen Berufen eingeschlossen. Ferner betont der Ausschuß für Arbeit in seiner Begründung zu dieser Übergangsvorschrift, daß die eröffnete Förderungsmöglichkeit "auch für andere in § 38 Abs. 1 des Entwurfs und in einem Ausbildungsförderungsgesetz nicht erfaßte Ausbildungsbereiche" gelten soll (vgl. zu BT-Drucks. V/4110 S. 29 zu § 235 Abs. 1 l).
Die Beklagte muß von dem eingeräumten Ermessen jedoch auch bei Fehlen einer entsprechenden Anordnung ihres Verwaltungsrates Gebrauch machen. Zutreffend hat die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die Kompetenzverteilung zwischen Verwaltungsrat und Verwaltung verwiesen und hervorgehoben, daß Einzelfallentscheidungen der Verwaltung vorbehalten seien. Hat der Verwaltungsrat im Bereich der Förderung der beruflichen Bildung nach §§ 39, 191 Abs. 3 S. 1 AFG Richtlinien über die Ausübung eines Ermessens- oder Beurteilungsspielraums aufgestellt, so hat die Verwaltung anordnungsgemäß zu entscheiden. Sind demgegenüber Anordnungen nicht erlassen worden oder anzuwenden, so ist die Verwaltung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung entgegen der Ansicht des LSG verpflichtet, den Ermessens- und Beurteilungsspielraum bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs auf einen einzelnen Sachverhalt auszuschöpfen und in der Sache zu entscheiden.
Die sonach auch im Einzelfall erforderliche Entscheidung nach § 242 Abs. 12 AFG trifft die Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen; denn es handelt sich dort ersichtlich nicht um die Regelung eines Rechtsanspruchs. Dem SG ist darin beizupflichten, daß die Beklagte eine Ermessensentscheidung zur Frage einer Förderung der Klägerin nach § 242 Abs. 12 AFG bisher nicht getroffen hat. Die Überlegungen der Beklagten, die für die Ablehnung des Förderungsantrages bestimmend waren, beziehen sich allein auf die Regelungen der §§ 40 AFG, 2 Nr. 1 A-Ausbildung. Sind jedoch die Voraussetzungen des § 242 Abs. 12 AFG erfüllt, so müßte davon ausgegangen werden, daß die Beklagte insoweit in Verkennung des Wesens des eingeräumten Ermessens ohne Anstellung pflichtgemäßer Erwägungen gehandelt hat (vgl. dazu Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 6. Aufl., Anm. 6 zu § 114 VwGO S. 667).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten sind gegeben. So ist einmal die berufliche Ausbildung der Klägerin nicht in § 40 Abs. 1 AFG genannt. Nach § 40 Abs. 1 AFG wird die Berufsausbildung gefördert, die in Betrieben oder überbetrieblichen Einrichtungen durchgeführt wird. Das SG hat entschieden, daß es sich bei der Ausbildung der Klägerin nicht um eine Ausbildung in diesem Sinne handelt. Es kann dahinstehen, ob der erkennende Senat wegen der Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils an diese Beurteilung des SG gebunden ist, oder ob es sich insoweit nur um das bloße Element eines Rechtsverhältnisses handelt, das für sich gesehen an der Rechtskraftwirkung nicht teilnimmt (vgl. BSGE 31, 235 = SozR SGG § 141 Nr. 14). Jedenfalls hat das SG diese Rechtsfolge nicht verkannt. Zwar zählen zu den überbetrieblichen Einrichtungen im Sinne von § 40 AFG nicht nur solche, die die betriebliche Ausbildung ergänzen, sondern auch diejenigen, die eine Berufsausbildung ganz oder überwiegend überbetrieblich durchführen. Ein Förderungsanspruch nach § 40 AFG braucht demgemäß noch nicht deshalb zu scheitern, weil z. B. eine Lehrwerkstätte einer als Schule anerkannten Einrichtung angegliedert ist. Ausschlaggebend für solche Fälle ist jedoch, daß die Besucher der Einrichtung im Gegensatz zu einer schulischen Ausbildung überwiegend praktisch an Hand der im Beruf anfallenden Aufgaben unter Überwachung durch einen Ausbilder nach Maßgabe des BBiG oder der HwO ausgebildet werden (vgl. BSG vom 26. Mai 1976 - 12/7 RAr 69/74 -). Hiervon kann nach dieser Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) regelmäßig ausgegangen werden, wenn die Ausbildung hauptsächlich in einer Lehrwerkstatt erfolgt, daneben im wesentlichen nur noch die Berufsschule besucht wird und Ausbildungsverträge für die Ausbildung abgeschlossen und von der zuständigen Stelle nach Maßgabe der Vorschriften des BBiG oder der HwO in das Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse eingetragen werden. Insbesondere das letztere deutet auf das Recht und die Pflicht der zuständigen Stelle hin, die Ausbildung nach den Bestimmungen des BBiG bzw. der HwO zu regeln und zu überwachen. Von einer überbetrieblichen Ausbildung im Sinne von § 40 AFG kann hingegen nicht gesprochen werden, wenn die Einrichtung nebst angegliederter Werkstätten als Schule anerkannt worden ist und damit der Aufsicht des Kultusministers des Landes untersteht. Bereits nach dieser Auffassung liegt bei der Klägerin eine Ausbildung in einer überbetrieblichen Einrichtung nicht vor. Obwohl der Klägerin während ihrer Ausbildung auch Kenntnisse und Fähigkeiten im Goldschmieden und Fassen vermittelt wurden, bleibt für die Beurteilung der Ausbildung ausschlaggebend, daß diese mangels eines vertraglich begründeten und eingetragenen Ausbildungsverhältnisses nicht nach den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes, bzw. der Handwerksordnung geregelt und überwacht wurde. Die Staatliche Zeichenakademie Hanau unterliegt als öffentliche Berufsfachschule der Schulaufsicht des Landes Hessen (vgl. dazu Szameitat-Kullmer, Schul- und Hochschulverzeichnis 1968, S. 491; §§ 11 Abs. 1, 54 ff Hessisches Schulverwaltungsgesetz in der Fassung vom 30. Mai 1969 - GVBl Hessen 1969, 88 ff -). Ob das Abschlußzeugnis der Klägerin nach § 40 HwO in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Erlaß des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung vom 12. Oktober 1960 und Anlage A zur HwO in der Gruppe der Metallgewerbe - Gürtler - (vgl. dazu Klassifizierung der Berufe, Ausgabe 1966 S. 54) die Wirkung eines Zeugnisses über das Bestehen der Gesellenprüfung hat, kann dahinstehen, weil dies allein keine andere Beurteilung erlaubt; denn für die Zuordnung zur schulischen oder überbetrieblichen Ausbildung sind in erster Linie die Bedingungen der jeweiligen Ausbildung im oben dargelegten Sinn maßgebend. Im übrigen hat die Beklagte in § 2 Abs. 1 der A-Ausbildung den Kreis der hier in Betracht kommenden Ausbildungsarten bindend umschrieben, für den sie BAB nach § 40 Abs. 1 AFG gewährt. Die Ausbildung der Klägerin fällt ersichtlich nicht darunter. Sie gehört folglich zu einer in § 40 Abs. 1 AFG nicht genannten Ausbildung im Sinne von § 242 Abs. 12 AFG.
Die Förderung nach § 242 Abs. 12 AFG und eine dahingehende Ermessensentscheidung der Beklagten ist auch nicht wegen der in dieser Vorschrift bestimmenden Subsidiarität der Leistungspflicht der Beklagten ausgeschlossen. Die Ausbildung der Klägerin wird nicht im Sinne des § 242 Abs. 12 AFG von einer anderen Stelle gefördert. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die Klägerin nach den Bestimmungen des Ausbildungsförderungsgesetzes vom 19. September 1969 (BGBl I 1719 - AföG -) und des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vom 26. August 1971 (BGBl I 1409 - BAföG -) nicht gefördert werden konnte. Die Vorschriften der §§ 43 Abs. 1 Nr. 3 AföG und 68 Abs. 2 Nr. 3 BAföG sahen eine Förderung der Ausbildung an Berufsfachschulen nur dann vor, wenn der Realschulabschluß oder eine vergleichbare Ausbildung Voraussetzung für den Schulbesuch waren. Die Staatliche Zeichenakademie Hanau war demgegenüber grundsätzlich Schülern mit abgeschlossener Volksschulbildung zugänglich. Für einen sonstigen Anspruch der Klägerin gegen Dritte auf Förderung ihrer Ausbildung im Sinne von § 242 Abs. 12 AFG sind keine Anhaltspunkte gegeben.
Bei ihrer Entscheidung wird die Beklagte ferner überprüfen müssen, ob an der Förderung der Ausbildung der Klägerin ein besonderes arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Obwohl es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, ist es dem Senat gegenwärtig verwehrt, hierzu Stellung zu nehmen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Beklagten für die Festlegung des Anwendungsbereichs eines solchen Begriffs im Rahmen der beruflichen Bildungsförderung nämlich ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BSGE 38, 138 = SozR 4100 § 43 Nr. 9). Die Beklagte übt dieses Recht normalerweise im Rahmen von Anordnungen nach § 39 AFG aus. Es bestehen deshalb zwar grundsätzlich keine Bedenken, hierbei auch vergleichbare Regelungen zu berücksichtigen, die in Anordnungen zu anderen Bereichen der beruflichen Bildungsförderung ergangen sind (vgl. BSG vom 11. Mai 1976 - 7 RAr 121/74 -), hier also z. B. die Bestimmung des § 4 Nr. 3 der Anordnung der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (ANBA 1970 S. 85 - AFuU 1969 -), weil diese den gleichlautenden Begriff des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses im Sinne des § 43 Abs. 2 AFG umschreibt. Es kann aber nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Beklagte dort auch die für eine Förderung der beruflichen Ausbildung maßgeblichen besonderen arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkte abschließend beschrieben haben wollte. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß sie für den Bereich der Förderung der beruflichen Ausbildung hinsichtlich des besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses andere - ggf. weitergehende - Beurteilungsmaßstäbe anwenden will, als sie es für die Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung getan hat. Dieses ihr vom Gesetz eingeräumte Recht wahrzunehmen, muß der Beklagten auch im Rahmen der Entscheidung über einen Einzelfall Gelegenheit gegeben werden, bevor die Gerichte in diesem Funkt die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens überprüfen. Lehnt die Beklagte bei ihrer neuen Entscheidung die von der Klägerin begehrte Förderung wegen Fehlens eines besonderen arbeitsmarktpolitischen Interesses ab, wird die Beklagte demgemäß die Umstände anzugeben haben, nach denen sie hier die Grenzen dieses Begriffs beurteilt. Im übrigen wird sie auch zu beachten haben, daß die Vorschrift des § 68 Abs. 2 Nr. 3 BAföG mit Wirkung vom 1. Januar 1974 dahin geändert worden ist, daß nunmehr Schüler von Berufsfachschulen ab Klasse 11 ungeachtet der Zugangsvoraussetzungen der Schule gefördert werden (Gesetz vom 14. November 1973 - BGBl I 1637).
Nach allem muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen