Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche eines Rentenversicherungsträgers gegen eine Einzugsstelle hat, wenn diese Rentenversicherungsbeiträge als Termingeld angelegt hat
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Düsseldorf, Königsallee 71, Klägerin und Revisionsklägerin |
Betriebskrankenkasse Bayer, Leverkusen, Hauptstraße 105, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten darum, ob ein Rentenversicherungsträger Ansprüche gegen eine Einzugsstelle hat, wenn diese Rentenversicherungsbeiträge als Termingeld angelegt hat.
Die beklagte Betriebskrankenkasse war ua zwischen 1984 und 1987 Einzugsstelle für die Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung (durchschnittlich rund 20 Millionen DM im Monat), die von der Arbeitgeberseite zu zahlen waren. Da die Termine der monatlichen Zahlung von Löhnen und Sozialversicherungsbeiträgen iS von Wertstellungsterminen jährlich im voraus festgelegt waren, hatte die Beklagte Kenntnis vom voraussichtlichen Tag der Gutschrift (Wertstellungstag) der Beiträge auf ihrem Bankkonto. Sie wartete nach der Wertstellung den Eingang der Gutschriftanzeige ab (Buchungstag) und überwies anschließend - überwiegend im Blitzgiroverfahren - die Beiträge an die klagende Landesversicherungsanstalt. Am Tage der Wertstellung hatte die Beklagte jeweils telefonisch die Beitragssumme bis zum voraussichtlichen Buchungstag bei ihrer Bank als Termingeld angelegt. Die Zinsen behielt sie.
Nachdem die Klägerin dieses bei einer Einzugsstellen-Prüfung festgestellt hatte, verlangte sie von der Beklagten Zinsen in Höhe des Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank für jeweils zwei bis fünf Tage, für die in der Zeit von Januar 1984 bis Juli 1987 Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung als Termingeld angelegt worden waren, insgesamt den Zinsbetrag von 274.064,65 DM. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab.
Nach erfolglosem Schriftwechsel hat die Klägerin im Januar 1988 vor dem Sozialgericht (SG) Klage auf Zahlung erhoben und im wesentlichen geltend gemacht: Die Beklagte habe die Abführung der Beiträge schuldhaft verzögert. Sie habe die Beiträge schon nach der Wertstellung und nicht erst nach Eingang der Gutschriftanzeige weiterleiten müssen. Da dieses nicht geschehen sei, habe sie Verzugszinsen in Höhe des Diskontsatzes der Deutschen Bundesbank zu zahlen. Die Beklagte hat dieses weiterhin verweigert, weil sie die Abführung der Beiträge nicht, jedenfalls nicht schuldhaft verzögert habe. Sie habe vor einer Weiterleitung der Beiträge den Eingang der Gutschriftanzeige abwarten dürfen; erst mit ihr sei der Eingang der Beiträge sicher gewesen und habe die uneingeschränkte Verfügungsbefugnis darüber festgestanden. Die Forderung der Klägerin sei im übrigen teilweise verjährt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. August 1989 abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 8. November 1990 zurückgewiesen. Die Beklagte habe keine Verzugszinsen zu zahlen, weil sie die Beiträge ohne schuldhaftes Zögern weitergeleitet habe. Auch ergebe sich aus Auftragsrecht kein Anspruch auf die von der Beklagten erzielten Zinsen. Zu deren Höhe habe die Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Erträge, die sie aus der vorübergehenden Anlage der eingezogenen Beiträge erzielt habe, gingen in jedem Fall über die eingeklagte Summe hinaus; durch die Termingeldvergabe sei ein nennenswerter zusätzlicher Verwaltungsaufwand nicht entstanden.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 1436 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 667 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Sie hält den erhobenen Anspruch auch als öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für begründet.
Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des LSG vom 8. November 1990 und das Urteil des SG vom 21. August 1989 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 274.064,65 DM zu zahlen. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision zurückzuweisen. |
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Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gegeben (vgl BSGE 26, 129 = SozR Nr 1 zu § 1436 RVO). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat die Klägerin als Rentenversicherungsträger gegen die beklagte Betriebskrankenkasse als Einzugsstelle einen Anspruch auf Zahlung von 274.064,65 DM. Aufgrund des zwischen den Beteiligten bestehenden Treuhandverhältnisses ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin - bis zur Höhe der Klageforderung - die Zinsen herauszugeben, die sie zwischen Januar 1984 und Juli 1987 durch die Anlage der zur Arbeiterrentenversicherung erhobenen Beiträge als Termingeld erzielt hat.
Die Beziehungen der Träger der Arbeiterrentenversicherung zu den Einzugsstellen waren früher in § 1399 Abs 3, 4 RVO und den §§ 1433 bis 1437 RVO in der Fassung des Art 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) geregelt. Danach entschied die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe, erließ den erforderlichen Verwaltungsakt und war im Verfahren vor den Sozialgerichten "Partei", jedoch an Erklärungen des Rentenversicherungsträgers zu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung gebunden (§ 1399 Abs 3, 4 RVO). Die Einzugsstelle führte die eingezogenen Beiträge unverzüglich, mindestens zweimal in der Woche, an den Träger der Rentenversicherung ab (§ 1433 Satz 1 RVO). Sie erhielt zur Abgeltung der Kosten, die ihr durch die Einziehung und Abführung der Beiträge entstanden, eine Vergütung (§ 1434 RVO). Deren Höhe war für die hier maßgebliche Zeit in der Rentenversicherungs-Beitragseinzugs-Vergütungsverordnung (RV-Beitragseinzugs-VergütungsVO) vom 10. Juli 1985 (BGBl I 1497) geregelt. Über die Einziehung und Abführung der Beiträge sowie über deren Verwaltung und Abrechnung durch die Einzugsstellen war ua aufgrund des § 1435 RVO die Allgemeine Verwaltungsvorschrift über den Einzug der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung (im folgenden: AVwV) vom 5. Mai 1972 (Bundesanzeiger [BAnz] Nr 89 vom 13. Mai 1972, S 1) ergangen, zuletzt geändert durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 9. Dezember 1982 (BAnz Nr 232 vom 14. Dezember 1982, S 1). Verletzte die Einzugsstelle schuldhaft eine der Verpflichtungen, die ihr hinsichtlich des Einzugs der Beiträge oblagen, so war sie dem Rentenversicherungsträger schadensersatzpflichtig (§ 1436 Abs 1 Satz 1 RVO); die Vorschriften des BGB über die Haftung für Vertragsverletzungen fanden entsprechende Anwendung (Abs 1 Satz 2); das galt insbesondere, wenn eine Einzugsstelle die Beiträge verspätet einzog (Abs 1 Satz 3). Verzögerte sie schuldhaft die Abführung der Beiträge, hatte sie dem Rentenversicherungsträger Verzugszinsen in Höhe des Diskontsatzes der Bank deutscher Länder, dh der Deutschen Bundesbank, zu zahlen (§ 1436 Abs 2 RVO). Die Träger der Rentenversicherung waren berechtigt und verpflichtet, die Einziehung und Abführung der Beiträge bei den Einzugsstellen zu überprüfen (§ 1437 RVO).
Die vorstehenden Regelungen der RVO und die AVwV zu § 1435 RVO sind zum 1. Januar 1989 im wesentlichen durch die §§ 28h bis 28r des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) abgelöst worden (Art 1, Art 2 Nr 1, Art 19 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 4, Abs 2 bis 4 des Gesetzes zur Einordnung der Vorschriften über die Meldepflichten des Arbeitgebers in der Kranken- und Rentenversicherung sowie im Arbeitsförderungsrecht und über den Einzug des Gesamtsozialversicherungsbeitrags in das SGB IV vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2330). Zusätzlich ist aufgrund des § 28n Nrn 2 bis 4 SGB IV die Beitragszahlungsverordnung vom 22. Mai 1989 (BGBl I 990) ergangen, während die frühere RV-Beitragseinzugs-VergütungsVO - mit Änderungen - einstweilen bestehen blieb. Der vorliegende Rechtsstreit ist noch nach dem früheren Recht zu entscheiden. Eine damals entstandene Forderung der Klägerin ist durch die später und nur für die Zukunft vorgenommene Aufhebung der maßgebenden Vorschriften nicht erloschen.
Die Klägerin hat, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, keinen Anspruch nach § 1436 Abs 2 RVO auf Verzugszinsen wegen schuldhaft verzögerter Abführung eingezogener Beiträge. Zwar spricht vieles, ua die Vergabe der Rentenversicherungsbeiträge als Termingeld, dafür, daß die Beiträge bereits am Wertstellungstag von der Beklagten eingezogen waren und sie darüber verfügen konnte (vgl zur Frage des Entstehens einer Gutschrift BGHZ 103, 143, 146 ff und heute § 1 Abs 1 Nr 2 Satz 1 der Beitragszahlungsverordnung vom 22. Mai 1989 aaO). Die Beklagte hat aber gleichwohl die Beiträge noch ohne schuldhaftes Zögern (dh unverzüglich, vgl § 121 Abs 1 Satz 1 BGB) weitergeleitet, wenn sie zuvor den Eingang der Gutschriftanzeige abgewartet hat. Dieses entsprach nämlich dem ordnungsgemäßen Geschäftsgang. Die Einzugsstellen, auf deren Konten in der Regel an verschiedenen Tagen Überweisungen durch eine Vielzahl von Arbeitgebern eingingen, mußten die Zahlungen grundsätzlich zunächst durch Buchungen erfassen und nach Versicherungszweigen und Versicherungsträgern aufschlüsseln können, bevor sie die Beiträge an die zuständigen Träger weiterleiteten. Hierzu weist die Beklagte zutreffend auf § 29 Abs 1 Nr 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung (SRVwV) vom 3. August 1981 (Beilage Nr 25 zum BAnz Nr 153a vom 20. August 1981) hin, wonach als Buchungstag für die Eintragungen in die Bücher bei Überweisungen auf ein Bankkonto der Tag des Eingangs der Gutschriftanzeige galt. Dieser Tag war auch nach § 5 Abs 2 der Verordnung über den Einzug der Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit und über die Höhe der Einzugskostenpauschale (Beitragseinzugsverordnung) vom 27. April 1972 (BGBl I 754) maßgebend, der bestimmte, daß die Einzugsstellen die eingezogenen Beiträge an dem nächsten der von der Bundesanstalt bestimmten Wochentage, der auf die (Bar-)Einzahlung oder den Eingang der Gutschriftanzeige folgte, an die Bundesanstalt abzuführen hatten. Demgegenüber enthielt die erwähnte AVwV über den Einzug der Beiträge zur Rentenversicherung und zur Krankenversicherung keine ausdrückliche Regelung. Dennoch wurde, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, grundsätzlich auch für die Rentenversicherung an den Eingang der Gutschriftanzeige angeknüpft; das gewährleistete auch die gleiche Handhabung wie bei den Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit (vgl nunmehr auch § 3 Abs 1 Satz 1 der Beitragszahlungsverordnung vom 22. Mai 1989, BGBl I 990). Sofern - wie hier - eine Betriebskrankenkasse Einzugsstelle war, mochte der Beitragseingang nach Zeitpunkt und Höhe zwar schon vor dem Eingang der Gutschriftanzeige überschaubar sein, wenn Beiträge nur für einen Betrieb oder für wenige Betriebe eingingen und außerdem von der Arbeitgeberseite Wertstellungstage bekanntgegeben worden waren. Dennoch traf die Beklagte kein Verschulden, wenn sie entsprechend den genannten Bestimmungen und der bis dahin unbeanstandeten Praxis den Eingang der Gutschriftanzeige abgewartet hat.
In den genannten Vorschriften war nicht ausdrücklich geregelt, ob eine Einzugsstelle verpflichtet oder wenigstens berechtigt war, eingezogene Rentenversicherungsbeiträge vor der Weiterleitung als Termingeld anzulegen, und wem ein erzielter Zinsgewinn zustand. Daraus kann jedoch nicht hergeleitet werden, daß die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Zahlstelle in § 1436 RVO abschließend geregelt waren und deshalb der Zinsgewinn der Einzugsstelle und damit der Krankenkasse verblieb. Vielmehr ergab sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Rentenversicherungsträger und der Einzugsstelle, wie es durch Gesetzes- und Verordnungsrecht sowie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgestaltet worden war, daß ein aus der Vergabe der Rentenversicherungsbeiträge als Termingeld erzielter Zinsgewinn an den Rentenversicherungsträger auszukehren war.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) besteht zwischen der Einzugsstelle und dem Rentenversicherungsträger ein Treuhandverhältnis, bei dem die Einzugsstelle Inhaberin der Beitragsforderung gegenüber den Beitragsschuldnern (Arbeitgebern) war, die Beitragsforderung jedoch im Innenverhältnis zum Rentenversicherungsträger ein für die Einzugsstelle fremdes Recht blieb (BSGE 15, 118, 122/23 = SozR Nr 2 zu § 1399 RVO, vgl auch BSGE 22, 157, 158 ff = SozR Nr 7 zu § 1399 RVO, BSGE 24, 256, 257 = SozR Nr 2 zu § 518 RVO und BSGE 47, 194, 197 = SozR 2200 § 1399 Nr 11; eingehender später BSGE 51, 247, 249/250 = SozR 2200 § 1399 Nr 14; BSGE 56, 255, 256/257 = SozR 2200 § 1433 Nr 1). Dieses Treuhandverhältnis begründete für die Einzugsstelle die Pflicht, ihre Aufgaben nach Treu und Glauben im Interesse des Rentenversicherungsträgers wahrzunehmen (BSGE 56, 255, 257 = SozR 2200 § 1433 Nr 1). Konkrete Ausprägungen dieser fremdnützigen Treuhand waren für die Einzugsstelle: Sie mußte die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Rentenversicherung feststellen und die Rentenversicherungsbeiträge bei Fälligkeit und vollständig einziehen. Ihre Befugnis, Rentenversicherungsbeiträge zu stunden, zu erlassen oder niederzuschlagen oder sich über sie zu vergleichen, war nach Maßgabe der §§ 1 bis 3 AVwV begrenzt. Zu den Beitragsansprüchen, die die Einzugsstelle geltend zu machen hatte, gehörten nach § 4 AVwV auch Ansprüche auf Säumniszuschläge und Zinsen (dh: Stundungszinsen) und sonstige Nebenansprüche. Die gesamten Beiträge in diesem Sinne hatte die Einzugsstelle an den Rentenversicherungsträger abzuführen, und zwar in den im Gesetz genannten kurzen zeitlichen Abständen (zweimal wöchentlich). Sie durfte Ersatz-oder Erstattungsforderungen, die sie als Krankenkasse gegen den Rentenversicherungsträger hatte, nicht gegen die Forderung des Rentenversicherungsträgers auf die eingezogenen Beiträge aufrechnen oder die Beiträge zurückbehalten (BSGE 56, 255 = SozR 2200 § 1433 Nr 1). - Auf der anderen Seite erhielt die Einzugsstelle für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben eine pauschale Vergütung, deren Höhe bei einer Betriebskrankenkasse als Einzugsstelle von 1984 bis 1987 zwischen 0,1189 vH und 0,1146 vH der eingezogenen Beiträge betrug (§ 1 Abs 2 der RV-Beitragseinzugs-VergütungsVO). Damit wurden die Kosten abgegolten, die durch das Einziehen und Abführen der Beiträge entstanden, aber auch die Kosten der Betriebsprüfungen und die sonstigen Nebenkosten (§ 1 Abs 1, 3 RV-Beitragseinzugs-VergütungsVO). Die pauschalierte Vergütung erfaßte ferner die besonderen Kosten, die der Einzugsstelle durch die Verfolgung von Schadensersatzforderungen entstanden, welche an die Stelle von Beitragsforderungen getreten waren (BSGE 51, 247 = SozR 2200 § 1399 Nr 11). - Insgesamt gesehen war das Treuhandverhältnis ähnlich einer (entgeltlichen) Geschäftsbesorgung des Zivilrechts ausgestaltet (§ 675 BGB).
Aus dem Treuhandverhältnis konnte sich für die Einzugsstelle die Nebenpflicht ergeben, eine sich bietende Gelegenheit zu einem beträchtlichen Zinsgewinn mit den Rentenversicherungsbeiträgen wahrzunehmen. So lag es hier. Die Beklagte hatte, wie ihre Praxis zeigt, die Möglichkeit, Beiträge, die allein zur Arbeiterrentenversicherung monatlich im Durchschnitt 20 Millionen DM ausmachten, zwischen Wertstellung und Weiterleitung an die Klägerin für einige Tage als Termingeld anzulegen, ohne daß damit ein nennenswerter Verwaltungsaufwand verbunden war. Der Zinsgewinn, der nach den Angaben der Beklagten vor dem LSG über die eingeklagte Summe (274.064,65 DM) hinausging, belief sich, wenn man nur die Zinsen in dieser Höhe zugrunde legt und sie auf die 43 Monate von Januar 1984 bis Juli 1987 verteilt, auf durchschnittlich 6.373,60 DM in jedem Monat. Eine solche Gelegenheit zur Anlage wird von jedem wirtschaftlich Denkenden genutzt. Wenn die Beklagte als Krankenversicherungsträger ihre Mittel so anzulegen und zu verwalten hatte, daß ein Verlust ausgeschlossen erschien, ein angemessener Ertrag erzielt wurde und eine ausreichende Liquidität gewährleistet war (§ 80 Abs 1 SGB IV), so hatte sie als Treuhänderin der eingezogenen Rentenversicherungsbeiträge ähnlich zu verfahren, solange sie die Beiträge nicht weiterleitete. In den Fragen, ob eine geeignete, wenig verwaltungsaufwendige, offensichtlich gewinnbringende, aber auch sichere Anlagemöglichkeit bestand und wahrgenommen werden sollte, stand der Einzugsstelle zwar ein Beurteilungsspielraum zu. Aber selbst wenn aus diesem Grunde eine Verpflichtung zu dieser konkreten Anlage der Rentenversicherungsbeiträge als Termingeld nicht bestanden hätte, hat die Beklagte hier diese günstige und sichere Anlageart gesehen und genutzt.
Der Zinsgewinn steht bis zur Höhe der Klageforderung dem klagenden Rentenversicherungsträger zu und ist an ihn herauszugeben (vgl auch § 675 iVm § 667 BGB); über den weitergehenden Zinsgewinn war nicht zu entscheiden. Bei den eingezogenen Rentenversicherungsbeiträgen handelte es sich wirtschaftlich gesehen um Geld des Rentenversicherungsträgers. Wenn die Einzugsstelle auch etwaige auf Rentenversicherungsbeiträge entfallende Säumniszuschläge und Stundungszinsen an den Rentenversicherungsträger abzuführen hatte, kann für den mit den Rentenversicherungsbeiträgen durch Vergabe als Termingeld erzielten Zinsgewinn nichts anderes gelten. Ein Verbleib des Zinsgewinns bei der Einzugsstelle hätte ferner zu einer mittelbaren Erhöhung der Einzugsstellenvergütung geführt, die jedoch durch die RV-Beitragseinzugs-VergütungsVO festgelegt war und den gesamten Aufwand der Einzugsstelle abgolt. Die Einzugsstellenvergütung, die zwischen 1984 und 1987 bei einem monatlichen Beitragsaufkommen von durchschnittlich 20 Millionen DM und einem Vomhundertsatz zwischen 0,1189 und 0,1146 durchschnittlich im Monat zwischen 23.780 DM und 22.290 DM betrug, hätte sich um mehr als 25 vH erhöht, wenn man nur einen Zinsgewinn in Höhe der Klageforderung und damit von monatlich 6.373,60 DM zugrunde legt. Schließlich gehörte der auf die Rentenversicherungsbeiträge entfallende Zinsgewinn nicht zu den gesetzlich geregelten Einnahmen der Beklagten als Krankenversicherungsträger. Es handelte sich weder um Beiträge zur Krankenversicherung noch um die Einzugsstellenvergütung. Auch aus diesem Grunde stand der Beklagten für die Krankenversicherung der Zinsgewinn nicht zu, den sie als Einzugsstelle mit Rentenversicherungsbeiträgen erzielt hatte.
Die Klageforderung ist nicht verjährt. Ansprüche auf Beiträge verjähren nach § 25 Abs 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Diese Vorschrift mag zwar in erster Linie für Beitragsforderungen der Versicherungsträger gegen Versicherte und Arbeitgeber gedacht sein, ist hierauf aber nicht beschränkt. So hat der erkennende Senat sie schon auf die Ansprüche von Arbeitgebern gegen Arbeitnehmer auf die Arbeitnehmeranteile an Beiträgen angewandt (BSGE 67, 290, 293 = SozR 3-2400 § 25 Nr 2). Gleiches gilt für die Ansprüche des Rentenversicherungsträgers gegen die Einzugsstelle auf Auszahlung der eingezogenen Beiträge und für die darauf entfallenden Zinsen. Der älteste in der Klageforderung enthaltene Teilbetrag bezieht sich auf den Monat Januar 1984. Er war noch nicht verjährt, als die Klage im Januar 1988 erhoben worden ist.
Hiernach erwies sich die Revision der Klägerin als begründet. Deshalb war die Beklagte unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen zur Zahlung zu verurteilen. Der Senat hält es für erwägenswert, ob nicht durch Bestimmungen in den genannten Rechtsverordnungen allgemein sichergestellt werden sollte, daß Gelegenheiten zu Zinsgewinnen genutzt werden und diese der Sozialversicherung nicht entgehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 517802 |
BSGE, 106 |
NJW 1994, 2172 |