Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienzuschlag nach AVAVG/AFG. Gesetzlicher Vertreter eines nichtehelichen Kindes. Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Familienzuschlag für ein nichteheliches Kind
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ausschöpfung des Höchstbetrages einer Arbeitslosenunterstützung vermag auch im Rahmen der Ermessenserwägungen des Arbeitsamtes die Ablehnung der Abzweigung nicht zu rechtfertigen.
2. Wenn der Gesetzgeber, um eine als unbillig empfundene Benachteiligung nichtehelicher Kinder nachträglich auszugleichen, eine verfassungsrechtlich zumindest bedenkliche Regelung rückwirkend beseitigt, so hat die Arbeitsverwaltung diesen Willen des Gesetzgebers zu respektieren und aus der Rückwirkung erwachsende zusätzliche Belastungen zu tragen.
Orientierungssatz
1. Nach Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder vom 1969-08-19 hat das Jugendamt die gesetzliche Vertretung, die es bisher als Amtsvormund nichtehelicher Kinder ausgeübt hat - nunmehr als Pfleger - behalten.
2. Die Pflegschaft für ein nichteheliches Kind erstreckt sich unter anderem auf die Geltendmachung von Ansprüchen und die Verfügung über diese Ansprüche. Darunter fällt auch die Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Eine solche Abzweigung ist ein Mittel zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs eines nichtehelichen Kindes gegen seinen Vater.
3. Es entspricht dem Verfassungsauftrag des Grundgesetzes, daß vom 1967-04-01 an ein Familienzuschlag auch für jedes nichteheliche Kind eines männlichen Leistungsempfängers gewährt wird, wenn dessen Vaterschaft oder Unterhaltspflicht festgestellt ist und das Kind, falls es ein eheliches Kind wäre, auf der Lohnsteuerkarte bescheinigt werden könnte.
4. Die nachträgliche Anordnung einer Abzweigung setzt voraus, daß zu der Zeit, für die sie gewährt werden soll, für das ArbA ein hinreichender Anlaß zum Handeln vorgelegen hat. Für eine Wiedergutmachung legislativen Unrechts, wie sie mit § 241 Nr 1 AFG bezweckt wird, ist da kein Raum, wo - mangels einer Anregung oder eines sonstigen begründeten Anlasses - auch ohne den unbilligen gesetzlichen Ausschluß nichtehelicher Kinder von der Familienzuschlagsberechtigung keine Abzweigung angeordnet worden wäre.
Normenkette
NEhelG Art. 12 § 7 Fassung: 1969-08-19; BGB § 1706 Nr. 2 Fassung: 1969-08-19; AVAVG § 181 Abs. 3; AFG § 241 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25; AVAVG § 89 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1967-03-10; GG Art. 6 Abs. 5; AVAVG § 90 Abs. 10 S. 3
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 13.10.1970) |
SG Braunschweig (Entscheidung vom 17.11.1969) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Oktober 1970 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der Beigeladene ist verheiratet und Vater von zwei ehelichen Kindern sowie eines nichtehelichen Kindes, des am 7. Oktober 1964 geborenen Klägers. Er bezog vom 6. April bis 14. Juni 1967 und vom 6. Januar bis 5. April 1968 Arbeitslosengeld (Alg) mit drei Familienzuschlägen für seine Ehefrau und seine zwei ehelichen Kinder in Höhe von wöchentlich 133,80 DM. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Alg erhielt er vom 6. April bis 9. Mai 1968 Arbeitslosenhilfe (Alhi), ebenfalls mit drei Familienzuschlägen in Höhe von wöchentlich 118,20 DM. Der Beigeladene ist nach dem Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 16. Februar 1966 - 2 C 469/65 - verpflichtet, dem Kläger eine monatliche Unterhaltsrente zu zahlen. Da der Beigeladene seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam, beantragte das Jugendamt der Stadt S als Amtsvormund des Klägers am 19. Februar 1968 beim Arbeitsamt (ArbA) Mönchengladbach, für den Kläger einen Familienzuschlag zu gewähren und diesen an das Jugendamt zu überweisen. Mit Bescheid vom 20. Februar 1968 lehnte das ArbA den Antrag mit der Begründung ab, es bestehte für den Kläger kein Anspruch auf Familienzuschlag, weil er auf der Lohnsteuerkarte des Beigeladenen nicht eingetragen sei. Der Widerspruch des Klägers bliebt erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5. März 1968).
Hiergegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben. Während des erstinstanzlichen Verfahrens ersetzte das ArbA den angefochtenen Bescheid durch einen neuen Bescheid vom 25. Juli 1969. Danach wurde dem Beigeladenen für die Zeit des Leistungsbezugs vom 6. April bis 14. Juni 1967 und vom 6. Januar bis 5. April 1968 ein Familienzuschlag in Höhe von wöchentlich 6,- DM nachbewilligt. Eine höhere Leistung wurde verweigert und dazu ausgeführt: Der Höchstbetrag des Alg sei mit den bereits für die Ehefrau und die zwei ehelichen Kinder gewährten Familienzuschlägen erreicht. Für die Zeit vom 6. April bis 9. Mai 1968 gewährte das ArbA einen Familienzuschlag zur Alhi des Beigeladenen in Höhe von wöchentlich 12,- DM für den Kläger. Durch Urteil vom 17. November 1969 hat das SG Braunschweig den Bescheid vom 25. Juli 1969 abgeändert und die Beklagte verurteilt, für die Zeit vom 6. April bis 14. Juni 1967 und vom 6. Januar bis 5. April 1968 einen Betrag von 4,50 DM wöchentlich an den Kläger abzuzweigen. Auf die - zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen am 13. Oktober 1970 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger verlange eine über den angefochtenen Bescheid hinausgehende höhere Bewilligung eines weiteren Familienzuschlags zum Alg des Beigeladenen und zugleich dessen Abzweigung nach § 181 Abs. 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Die Nachbewilligung, soweit sie über die Nachbewilligung im ablehnenden Bescheid hinaus gehe, scheitere an der Begrenzung des Anspruchs durch den Höchstbetrag gemäß § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG. Diese Vorschrift werde durch § 241 Nr. 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) nicht suspendiert. Die Beklagte sei auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu einer höheren Nachbewilligung des Familienzuschlags deshalb verpflichtet, weil sie an dem Zustandekommen des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG idF des Siebten Änderungsgesetzes (7. ÄndG) maßgebend beteiligt gewesen sei. Eine solche Mitverantwortung sei ihr nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht anzulasten. Die Vorschrift sei auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig. Schließlich sei es auch nicht rechtsmißbräuchlich, daß sich die Beklagte jetzt auf die Erfüllung des damals vom Beigeladenen erhobenen Anspruchs auf Alg und Alhi berufe. Zwar hätte das ArbA nach § 181 Abs. 3 AVAVG die Möglichkeit gehabt, einen Teil des Alg und der Alhi an den Kläger abzuzweigen. Der Ausschluß der nichtehelichen Kinder von der Familienzuschlagsberechtigung würde dem bei richtiger Gesetzesauslegung nicht entgegengestanden haben. Jedoch müsse einer Massenverwaltung bei der möglichst kurzfristigen Gewährung von Leistungen für den täglichen Unterhalt ein gewisses Maß von Fehlern bei der Rechtsanwendung zugebilligt werden. Ihr Verschulden sei nicht so erheblich, daß ein Ausgleich nur zu ihren Lasten gehen müsse. Ein gerechter Ausgleich könne vielmehr im vorliegenden Falle, soweit bei der Neubewilligung die Grenze des Höchstbetrages erreicht worden sei, nur im Verhältnis des Beigeladenen zum Kläger erfolgen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger die Verletzung des Art. 6 Abs. 5 GG, des § 241 AFG, des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und des § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG sowie der im öffentlichen Recht anerkannten Rechtsgrundsätze über Treu und Glauben und über Rechtsmißbrauch. Er führt dazu aus: Die Entscheidung des SG sei zutreffend. Wenn auch Familienzuschläge nur bis zur Grenze der Höchstbetrages gewährt würden, so dürfe das nicht einseitig zu Lasten des nichtehelichen Kindes gehen. Die Beklagte könne sich hierbei insbesondere nicht auf die erkennbar verfassungswidrige Regelung des § 89 Abs. 2 AVAVG berufen, die sie selbst beim Gesetzgeber angeregt habe. Das Urteil des LSG enthalte auch Widersprüche in der Beurteilung des Verschuldens der Beklagten bei der unrichtigen Anwendung des § 181 Abs. 3 AVAVG.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend und führt noch aus: Eine höhere nachträgliche Bewilligung eines Familienzuschlags und eine nachträgliche höhere Abzweigung aufgrund der rückwirkend in Kraft gesetzten Regelung des § 241 Nr. 1 AFG scheiterten an dem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hätte bei der Stellung des Abzweigungsantrags das ArbA nur eine ablehnende Entscheidung treffen können. In dem durch das 7. ÄndG nicht berührten § 181 Abs. 3 AVAVG werde auf den Angehörigenbegriff des § 89 Abs. 2 AVAVG verwiesen. Nach dessen Änderung sei aber das nichteheliche Kind dort nicht mehr als Angehöriger berücksichtigt worden.
Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II
Die Revision ist begründet. Das Urteil des LSG muß aufgehoben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht die Mutter des Klägers, sondern das Jugendamt S dessen gesetzlicher Vertreter im vorliegenden Rechtsstreit. Es hat die gesetzliche Vertretung, die es bisher als Amtsvormund ausgeübt hatte, auch nach Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder - NeG - vom 19. August 1969 (BGBl I 1243) am 1. Juli 1970 gemäß Art. 12 § 7 NeG - nunmehr als Pfleger - insoweit behalten. Nach § 1706 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) idF des NeG erstreckt sich die Pflegschaft für ein nichteheliches Kind u. a. auf die "Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ... sowie die Verfügung über diese Ansprüche". In diesen Rahmen fällt auch die mit dem vorliegenden Verfahren verfolgte Abzweigung eines Teiles der dem Beigeladenen aus der Arbeitslosenversicherung zustehenden Leistungen an den Kläger (§ 181 Abs. 3 AVAVG). Eine solche Abzweigung ist ein Mittel zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des nichtehelichen Kindes gegenüber seinem Vater. Sie ist auf dem Gebiet des öffentlichen Leistungsrechts der Zwangsvollstreckung - etwa durch Lohnpfändung - wegen eines solchen Unterhaltsanspruchs im zivilrechtlichen Bereich vergleichbar. Dem steht nicht der Zweck der Neuregelung entgegen, die Mutter des nichtehelichen Kindes in ihren Rechten und Pflichten gegenüber dem Kind den Eltern ehelicher Kinder so weit wie möglich gleichzustellen. Auch wenn man bestrebt ist, die Ausnahmevorschrift des § 1706 BGB einengend auszulegen, gebietet es der sachliche Zusammenhang, die gesetzliche Vertretung des Kindes bei der Durchsetzung einer Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung des Vaters in den Bereich der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Sinne des § 1706 Nr. 2 BGB einzubeziehen. Der besondere Zweck dieser Vorschrift, im Interesse des Kinder Konfliktsituationen bei seiner Vertretung durch die Mutter zu vermeiden, wird hierbei in gleicher Weise erfüllt wie auch sonst bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Vater; auch im übrigen ist die Interessenlage bei den Beteiligten die gleiche. Es wäre daher system- und sachwidrig, die Durchsetzung einer Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung von der Pflegschaft nach § 1706 Nr. 2 BGB auszunehmen. Die Tätigkeit des Jugendamts bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Vater würde dadurch ohne sachlichen Grund unterbrochen. Dieser Auffassung entsprechend hatte sich im vorliegenden Falle auch das Jugendamt zunächst als Pfleger des Klägers gemeldet. Auf Veranlassung des LSG ist es dann im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens mit Vollmacht der Mutter aufgetreten. Auch die Revision ist von den Prozeßbevollmächtigten des Klägers unter Vorlage einer unmittelbaren Vollmacht des Jugendamts eingelegt worden. Eine Vollmacht der Mutter wurde nachgereicht. Die unrichtige Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters im angefochtenen Urteil und in den Revisionsschriftsätzen ist prozeßrechtlich unschädlich. Tatsächlich war der Kläger jeweils der wirklichen Rechtslage entsprechend vertreten.
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß angefochtener Verwaltungsakt im vorliegenden Verfahren nunmehr der Bescheid vom 25. Juli 1969 ist, der den ursprünglich angefochtenen Bescheid ersetzt und daher nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Der Kläger erstrebt die mit diesem Bescheid abgelehnte nachträgliche höhere Abzweigung eines Teiles des dem Beigeladenen in der Zeit vom 6. April bis 14. Juni 1967 und vom 6. Januar bis 5. April 1968 gewährten Alg. Wenn auch der Anspruch auf das Alg allein dem Arbeitslosen selbst zusteht und von ihm geltend gemacht werden kann, so wird doch durch die Ablehnung einer Abzweigung derjenige, zu dessen Gunsten sie erfolgen soll, unmittelbar beschwert, so daß er insoweit nach § 54 Abs. 1 und 2 SGG zur Klage befugt ist.
Nach der bis zum 31. März 1967 geltenden Fassung des § 89 AVAVG gehörten zu den Angehörigen eines Arbeitslosen, für die ein Familienzuschlag zum Alg zu gewähren war, auch nichteheliche Kinder im Verhältnis zum Vater, allerdings nur unter besonderen, jeweils im Einzelfall nachzuprüfenden Voraussetzungen. Durch das 7. ÄndG wurde die komplizierte Regelung der Familienzuschläge durch eine einfache, an das Lohnsteuerrecht anknüpfende Regelung ersetzt. Hiernach wurde Familienzuschlag für ein Kind gewährt, das auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen bescheinigt war. Da nichteheliche Kinder auf der Lohnsteuerkarte des Vaters nicht bescheinigt waren, hätte bei einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung für sie der Familienzuschlag entfallen müssen Dies wurde mit Recht nicht nur als unbillig, sondern auch als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen. In den Übergangsvorschriften des AFG vom 25. Juni 1969 - § 241 Nr. 1 - wurde deshalb die Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG rückwirkend dahin ergänzt, daß vom 1. April 1967 an ein Familienzuschlag auch für jedes nichteheliche Kind eines männlichen Leistungsempfängers gewährt wird, wenn dessen Vaterschaft oder Unterhaltspflicht festgestellt ist und das Kind, falls es ein eheliches Kind wäre, auf der Lohnsteuerkarte bescheinigt werden könnte. Über einen bereits früher beschiedenen Antrag auf Leistungen ist weger des Familienzuschlags für ein nichteheliches Kind für die Zeit vom 1. April 1967 an neu zu entscheiden, wenn dies der Vater, die Mutter oder der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zum 30. Juni 1970 beantragt hat.
Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß durch diese rückwirkende Gesetzesänderung im vorliegenden Fall kein Anspruch des Arbeitslosen auf ein höheres Alg entstanden ist. Nach § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG dürfen nämlich Hauptbetrag und Familienzuschlag zusammen den in der Tabelle festgesetzten Höchstbetrag nicht überschreiten. Da der Beigeladene in der streitigen Zeit aber bereits wegen seiner nach § 89 Abs. 2 AVAVG in der Fassung des 7. ÄndG zu berücksichtigenden Familienangehörigen den Höchstbetrag des Alg bis auf die von der Beklagten im Bescheid vom 25. Juli 1969 zusätzlich bewilligten Beträge erhalten hat, muß die nachträgliche Berücksichtigung des Klägers auf die Höhe des Alg ohne Einfluß bleiben.
Durch die rückwirkende Regelung des § 241 Nr. 1 AFG soll der Leistungsempfänger zwar genau so, aber auch nicht besser gestellt werden, wie wenn diese Regelung bereits idF des 7. ÄndG enthalten gewesen wäre. Wären die nichtehelichen Kinder damals berücksichtigt worden, so hätte er zwar Familienzuschläge für vier anstatt für drei Angehörige erhalten müssen, sein Alg wäre insgesamt aber nicht höher als bei der Nachbewilligung durch den Bescheid vom 25. Juli 1969 gewesen.
Hierdurch wird indessen die klagabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts noch nicht gerechtfertigt. Das Begehren des Klägers war nämlich - seiner Interessenlage entsprechend - von vornherein nicht auf eine Erhöhung der Leistung für den Beigeladenen über den Höchstbetrag hinaus, sondern auf die Abzweigung eines Teiles dieser Leistung an ihn selbst nach § 181 Abs. 3 AVAVG gerichtet. Nach dieser Vorschrift kann der Direktor des ArbA anordnen, daß ein angemessener Teil des Alg, solange ein Angehöriger des Arbeitslosen (§§ 89 Abs. 2 AVAVG)) nicht in seine häusliche Gemeinschaft aufgenommen ist, an diesen, seinen Vormund oder diejenige Person oder Stelle ausgezahlt wird, in deren Obhut er sich befindet oder die ihm Unterhalt gewährt. Wenn diese Abzweigung auch nicht voraussetzt, daß für den Angehörigen tatsächlich ein Familienzuschlag gewährt wird, so ergibt sich aus dem Klammerzusatz doch eindeutig, daß es sich um einen Angehörigen i. S. des § 89 Abs. 2 AVAVG handeln muß. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift idF des 7. ÄndG gehörten aber nichteheliche Kinder seit dem 1. April 1967 nicht mehr zum Kreise dieser Angehörigen. Es kann dahinstehen, ob nicht bereits eine am Sinn und Zweck der Neufassung des § 89 Abs. 2 AVAVG orientierte ergänzende Rechtsanwendung, insbesondere auch mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 5 GG, zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß auch für nichteheliche Kinder von Arbeitslosen Familienzuschläge zu gewähren waren. Für die hier zu treffende Entscheidung folgt dies jedenfalls aus der rückwirkenden Rechtsgestaltung des § 241 Nr. 1 AFG. Wenn diese Vorschrift auch keine wörtliche Neufassung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG bringt, so enthält sie doch im ersten Satz eine ergänzende Änderung des § 89 Abs. 2 AVAVG, die sich insofern auch auf § 181 Abs. 3 AVAVG auswirkt, als sie den dort verwandten Begriff des "Angehörigen", der durch den Klammerzusatz "(§ 89 Abs. 2)" bestimmt wird, nunmehr rückwirkend vom 1. April 1967 an dahin klarstellt, daß auch die nichtehelichen Kinder eines männlichen Arbeitslosen erfaßt werden. Eine einschränkende Auslegung dahin, daß nur die nachträgliche Bewilligung eines Familienzuschlages ermöglicht, nicht auch ... der Angehörigenbegriff rückwirkend eindeutig festgelegt werden sollte, ist weder dem Wortlaut noch der Systematik der Vorschrift zu entnehmen. Keinesfalls würde eine solche Einengung der allgemeinen gesetzgeberischen Tendenz dieser Zeit (vgl. die Aufhebung des § 1589 Abs. 2 BGB durch das NeG) und dem Sinn und Zweck des § 241 Nr. 1 AFG entsprechen, die durch das 7. ÄndG in der Praxis entstandene Benachteiligung nichtehelicher Kinder rückwirkend zu beseitigen. Das hat zur Folge, daß der Kläger jedenfalls nunmehr für die hier streitige Zeit als Angehöriger des Beigeladenen anzusehen ist und für ihn eine Abzweigung von dessen Alg angeordnet werden kann. Soweit daher - rückschauend betrachtet - im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung eine Abzweigung zu erfolgen hatte, aber nicht durchgeführt wurde, stellt sich die Auszahlung des vollen Höchstbetrages an den Arbeitslosen nachträglich als eine Überzahlung dar, die jedenfalls dem Abzweigungsberechtigten gegenüber nicht wirksam ist. Eine nachträgliche Abzweigungsanordnung für die streitige Zeit ist daher nach § 181 Abs. 3 iVm § 89 Abs. 2 AVAVG und § 241 Nr. 1 AFG möglich, obgleich der Höchstbetrag durch die Nachbewilligung im Bescheid vom 25. Juli 1969 erschöpft worden ist. Die Ausschöpfung des Höchstbetrages vermag auch im Rahmen der Ermessenserwägungen die Ablehnung der Abzweigung nicht zu rechtfertigen. Dabei kommt es auf die Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit, überhaupt eines Verschuldens der Beklagten ebensowenig an wie darauf, ob und ggf. mit welcher Wirkung die hier in Betracht kommende Regelung des 7. ÄndG als verfassungswidrig anzusehen war und ob die Beklagte an ihrer Einführung eine Mitverantwortung trifft. Wenn der Gesetzgeber, um eine als unbillig empfundene Benachteiligung nichtehelicher Kinder nachträglich auszugleichen, eine verfassungsrechtlich zumindest bedenkliche Regelung rückwirkend beseitigt, so hat die Beklagte diesen Willen des Gesetzgebers zu respektieren und aus der Rückwirkung erwachsende zusätzliche Belastungen zu tragen. Nachdem der Gesetzgeber zugunsten der nichtehelichen Kinder diese Entscheidung getroffen hat, kann sich die Beklagte diesen gegenüber im Rahmen einer Ermessensentscheidung solchen Belastungen grundsätzlich nicht mit der Begründung entziehen, sie seien ihr gegenüber unbillig. Sie überschreitet damit den Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens.
Allerdings setzt auch die nachträgliche Anordnung einer Abzweigung voraus, daß zu der Zeit, für die sie gewährt werden soll, für das ArbA ein hinreichender Anlaß zum Handeln vorgelegen hat. Für eine Wiedergutmachung legislativen Unrechts, wie sie mit § 241 Nr. 1 AFG bezweckt wird, ist da kein Raum, wo - mangels einer Anregung oder eines sonstigen begründeten Anlasses - auch ohne den unbilligen gesetzlichen Ausschluß nichtehelicher Kinder von der Familienzuschlagsberechtigung keine Abzweigung angeordnet worden wäre. Ein hinreichender Anlaß in dem angeführten Sinn ist anzunehmen, wenn zum Handeln verpflichtende Umstände für das ArbA erkennbar sind. Ein solcher Umstand wird in der Regel jedenfalls in einer Anregung durch eine der in § 181 Abs. 3 AVAVG genannten Personen oder Stellen zu finden sein. Im vorliegenden Fall lag ein Abzweigungsantrag des Jugendamtes vom 19. Februar 1968 beim ArbA vor.
Die Auffassung der Beklagten, sie sei im Rahmen ihrer Ermessensausübung nicht zu einer nachträglichen Abzweigung - und damit praktisch zu einer Doppelleistung - verpflichtet, könnte aber aus anderen Gründen gerechtfertigt sein. Dem der Regelung des § 241 Nr. 1 AFG zugrunde liegenden Wiedergutmachungsgedanken würde es nicht entsprechen, dem nichtehelichen Kind auf Kosten der Beklagten auch dann eine Leistung zukommen zu lassen, wen es durch die rückwirkend beseitigte Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG idF des 7. ÄndG keinen Nachteil erlitten hat. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Beigeladene während der streitigen Zeit seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kläger auch ohne Abzweigung in vollem Umfang nachgekommen ist oder den in dieser Zeit aufgelaufenen Rückstand inzwischen getilgt hat. Darüber hinaus könnte es auch genügen, wenn den Umständen nach anzunehmen wäre, der Beigeladene habe während dieser Zeit die ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen Unterhaltspflicht höchstmögliche Unterhaltsleistung für den Kläger erbracht, so daß sich im Falle der Abzweigung eines Teiles seines Alg seine Leistung notwendig um diesen Betrag hätte verringern müssen. In Verbindung mit solchen Umständen wäre die Erwägung der Beklagten, eine Doppelleistung sei ihr nicht zuzumuten, nicht ermessensfehlerhaft.
Da das Berufungsgericht - seiner Rechtsauffassung entsprechend - zu den vorgenannten Möglichkeiten keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte sich bei ihrer Ablehnung einer nachträglichen Abzweigung über den Umfang des Bescheides vom 25. Juli 1969 hinaus aufgrund der durch § 241 Nr. 1 AFG geschaffenen Rechtslage im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten hat. Der Rechtsstreit muß daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Sollte sich hierbei ergeben, daß die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hat, so wird ihr teilweise ablehnender Bescheid insoweit aufzuheben und sie zur Erteilung eines neuen Bescheides zu verpflichten sein. Die Auffassung des SG, daß im vorliegenden Fall allein die Abzweigung der von ihm errechneten wöchentlichen Beträge an den Kläger in Betracht komme, weil jede andere Entscheidung des ArbA ermessenswidrig sein würde, schränkt dessen Ermessensfreiheit zu stark ein. Wenn sich eine solche pauschale Regelung auch - schon aus Gründen der Vereinfachung - anbieten mag, so ist das ArbA im Rahmen seiner Ermessenausübung doch berechtigt und auch verpflichtet, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles seine Entscheidung zu treffen. Die pauschale Berechnung der Familienzuschläge führt nicht notwendig zu einer pauschalen Abzweigungsregelung.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG in seinem abschließenden Urteil mit zu befinden haben.
Fundstellen