Leitsatz (redaktionell)

1. Die Durchsetzung der Abzweigung eines Teiles des Alg an ein nichteheliches Kind des Arbeitslosen (AFG § 123 Abs 1, AVAVG § 181 Abs 3) obliegt seit Inkrafttreten des NEhelG vom 1969-08-19 (BGBl I 1969, 1234) weiterhin dem Jugendamt und nicht der Mutter des Kindes.

Durch die Ablehnung einer Abzweigung eines Teiles des Alg wird derjenige, zu dessen Gunsten sie erfolgen soll, unmittelbar beschwert, so daß er insoweit nach SGG § 54 Abs 1 und 2 zur Klage befugt ist.

2. Aufgrund der Regelung des AFG § 241 Nr 1 konnte auch dann rückwirkend ein Familienzuschlag für ein nichteheliches Kind bewilligt und nachträglich eine Abzweigung angeordnet werden, wenn das dem nichtehelichen Vater bewilligte Alg ohne Berücksichtigung des nichtehelichen Kindes den Höchstsatz erreicht hatte und das Alg in dieser Höhe an den nichtehelichen Vater ausgezahlt worden war. Soweit - rückschauend betrachtet - im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung eine Abzweigung zu erfolgen hatte, aber nicht durchgeführt wurde, stellt sich die Auszahlung des vollen Höchstbetrages an den Arbeitslosen nachträglich als eine Überzahlung dar, die jedenfalls dem Abzweigungsberechtigten gegenüber nicht wirksam ist.

 

Normenkette

AFG § 123 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AVAVG § 181 Abs. 3 Fassung: 1957-04-03, § 89 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1967-03-10; SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; AFG § 241 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25; BGB § 1706 Nr. 2 Fassung: 1969-08-19

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 13. Oktober 1970 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die im Jahre 1959 geborene Klägerin ist ein nichteheliches Kind des Beigeladenen, der in der Zeit vom 18. Dezember 1967 bis zum 16. April 1968 Arbeitslosengeld (Alg) vom Arbeitsamt Goslar bezog. Am 11. März - eingegangen am 14. März - 1968 beantragte das Jugendamt der Stadt S als Amtsvormund der Klägerin für sie die Abzweigung eines Familienzuschlags vom Alg des Beigeladenen. Durch Bescheid vom 16. April 1968 lehnte das Arbeitsamt (ArbA) den Antrag mit der Begründung ab, für die Klägerin bestehe kein Anspruch auf einen Familienzuschlag, weil sie nicht als Kind auf der Lohnsteuerkarte des Beigeladenen bescheinigt sei. Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen.

Während des anschließenden Rechtsstreits vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erließ das ArbA am 26. Juni 1969 einen neuen Bescheid. Darin führte es aus: Gemäß § 241 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) sei rückwirkend vom 1. April 1967 an die Gewährung von Familienzuschlägen auch für nichteheliche Kinder im Verhältnis zum Vater möglich. Der Familienzuschlag für die Klägerin wirke sich aber betragsmäßig nicht aus, weil der Beigeladene unter Berücksichtigung von fünf weiteren Familienzuschlägen für seine Ehefrau und vier eheliche Kinder bereits den ihm zustehenden Höchstbetrag an Alg erhalten habe (§ 90 Abs. 10 Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -).

Mit Urteil vom 17. November 1969 hat das SG die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25. Juli 1969 (richtig: 26. Juni 1969) verurteilt, einen Betrag von 7,40 DM wöchentlich für die Zeit vom 18. Dezember 1967 bis zum 16. April 1968 von dem Alg des Beigeladenen zusätzlich an die Klägerin abzuzweigen. Es hat ausgeführt: Es liege ein Ermessensverstoß darin, daß das ArbA die Klägerin als nichteheliches Kind nicht in gleicher Weise berücksichtigt habe wie die anderen Angehörigen des Beigeladenen. Der Gesamtzuschlag zum Hauptbetrag müsse gleichmäßig auf die zuschlagberechtigten Angehörigen aufgeteilt und der Anteil des nichtehelichen Kindes auf Antrag an dieses abgezweigt werden. Da der Unterschied zwischen Höchstbetrag und Hauptbetrag hier 44,40 DM ausmache, ergebe sich bei insgesamt sechs Angehörigen ein für die Klägerin abzuzweigender wöchentlicher Betrag von 7,40 DM. Der Entscheidung stehe nicht entgegen, daß die Beklagte bereits den Höchstbetrag an den Beigeladenen gezahlt habe. Sie hätte die offensichtliche Verfassungswidrigkeit der Neufassung des § 89 Abs. 2 Nr. 2 AVAVG durch das 7. Änderungsgesetz (ÄndG) erkennen müssen; auf den Wortlaut dieser Vorschrift könne sie sich um so weniger berufen, als sie selbst für diese Neuregelung in hohem Maße mitverantwortlich gewesen sei.

Auf die - zugelassene - Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin verlange die Bewilligung eines weiteren Familienzuschlags zum Alg des Beigeladenen und zugleich dessen Abzweigung nach § 181 Abs. 3 AVAVG. Die Nachbewilligung eines weiteren Familienzuschlags scheitere jedoch an der Begrenzung des Leistungsanspruchs durch § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG; diese Vorschrift werde durch § 241 Nr. 1 AFG nicht suspendiert. Die Beklagte sei auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zur Nachbewilligung des Familienzuschlags deshalb verpflichtet, weil sie an dem Zustandekommen des § 89 Abs. 2 Nr. 2 AVAVG idF des 7. ÄndG maßgebend beteiligt gewesen sei. Eine solche Mitverantwortung sei ihr nach der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift nicht anzulasten. Die Vorschrift sei auch nicht wegen Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) verfassungswidrig. Schließlich sei es auch nicht rechtsmißbräuchlich, daß die Beklagte sich jetzt auf die Erfüllung des damals vom Beigeladenen erhobenen Anspruchs auf Alg berufe. Zwar hätte das ArbA nach § 181 Abs. 3 AVAVG die Möglichkeit gehabt, einen Teil des Alg - etwa in Höhe eines Familienzuschlags - an die Klägerin abzuzweigen; der Ausschluß der nichtehelichen Kinder von der Familienzuschlagsberechtigung würde dem bei richtiger Gesetzesauslegung nicht entgegengestanden haben. Jedoch müsse einer Massenverwaltung bei der möglichst kurzfristigen Gewährung von Leistungen für den täglichen Unterhalt ein gewisses Maß von Fehlern bei der Rechtsanwendung zugebilligt werden. Ihr Verschulden sei nicht so erheblich, daß ein Ausgleich nur zu ihren Lasten gehen müßte; ein gerechter Ausgleich könne vielmehr im vorliegenden Falle nur im Verhältnis des Beigeladenen zur Klägerin erfolgen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiell-rechtlicher Vorschriften (Art. 6 Abs. 5 GG, § 241 AFG, § 89 Abs. 2 Nr. 2 und § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG) sowie im öffentlichen Recht anerkannter Rechtsgrundsätze über Treu und Glauben und über Rechtsmißbrauch. Sie hält die Rechtsauffassung des SG für zutreffend. Wenn auch Familienzuschläge nur bis zur Grenze des Höchstbetrages gewährt würden, so dürfe das nicht einseitig zu Lasten des nichtehelichen Kindes gehen. Die Beklagte könne sich hierbei insbesondere nicht auf die erkennbar verfassungswidrige Regelung des § 89 Abs. 2 AVAVG berufen, die sie selbst beim Gesetzgeber angeregt habe. Das Urteil des LSG enthalte auch Widersprüche in der Beurteilung des Verschuldens der Beklagten bei der unrichtigen Anwendung des § 181 Abs. 3 AVAVG.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 17. November 1969 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Eine nachträgliche Bewilligung des Familienzuschlags und eine nachträgliche Abzweigung auf Grund der rückwirkend in Kraft gesetzten Regelung des § 241 Nr. 1 AFG scheitere an dem gesetzlich festgelegten Höchstbetrag. Bei der Antragstellung hätte das ArbA nur eine ablehnende Entscheidung treffen können.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

II

Die Revision ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist.

Entgegen der Auffassung des LSG, die sich aus dem Rubrum des angefochtenen Urteils ergibt, ist nicht die Mutter der Klägerin, sondern das Jugendamt S deren gesetzlicher Vertreter im vorliegenden Rechtsstreit. Es hat die gesetzliche Vertretung, die es bis dahin als Amtsvormund ausgeübt hatte, auch nach Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung nichtehelicher Kinder - NeG - vom 19. August 1969 (BGBl I 1243) am 1. Juli 1970 gemäß Art. 12 § 7 NeG - nunmehr als Pfleger - insoweit behalten. Nach § 1706 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) idF des NeG erstreckt sich die Pflegschaft für ein nichteheliches Kind u. a. auf die "Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen...sowie die Verfügung über diese Ansprüche". In diesen Rahmen fällt auch die mit dem vorliegenden Verfahren verfolgte Abzweigung eines Teiles der dem Beigeladenen aus der Arbeitslosenversicherung zustehenden Leistungen an die Klägerin (§ 181 Abs. 3 AVAVG). Eine solche Abzweigung ist ein Mittel zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des nichtehelichen Kindes gegenüber seinem Vater. Sie ist auf dem Gebiet des öffentlichen Leistungsrechts der Zwangsvollstreckung - etwa durch Lohnpfändung - wegen eines solchen Unterhaltsanspruchs im zivilrechtlichen Bereich vergleichbar. Dem steht nicht der Zweck der Neuregelung entgegen, die Mutter des nichtehelichen Kindes in ihren Rechten und Pflichten gegenüber dem Kind den Eltern ehelicher Kinder so weit wie möglich gleichzustellen. Auch wenn man bestrebt ist, die Ausnahmevorschrift des § 1706 BGB einengend auszulegen, gebietet es der sachliche Zusammenhang, die gesetzliche Vertretung des Kindes bei der Durchsetzung einer Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung des Vaters in den Bereich der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen i. S. des § 1706 Nr. 2 BGB einzubeziehen. Der besondere Zweck dieser Vorschrift, im Interesse des Kindes Konfliktsituationen bei seiner Vertretung durch die Mutter zu vermeiden, wird hierbei in gleicher Weise erfüllt wie auch sonst bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Vater; auch im übrigen ist die Interessenlage bei den Beteiligten die gleiche. Es wäre daher system- und sachwidrig, die Durchsetzung einer Abzweigung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung von der Pflegschaft nach § 1706 Nr. 2 BGB auszunehmen; die Tätigkeit des Jugendamts bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegenüber dem Vater würde dadurch ohne sachlichen Grund unterbrochen. Dieser Auffassung entsprechend hatte sich im vorliegenden Falle auch das Jugendamt mit Schriftsatz vom 13. Juli 1970 zunächst als Amtspfleger der Klägerin gemeldet; auf Veranlassung des LSG ist es dann im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens mit Vollmacht der Mutter aufgetreten. Auch die Revision ist von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin unter Vorlage einer unmittelbaren Vollmacht des Jugendamts eingelegt worden; eine Vollmacht der Mutter wurde nachgereicht. Die unrichtige Bezeichnung des gesetzlichen Vertreters im angefochtenen Urteil und in den Revisionsschriftsätzen ist prozeßrechtlich unschädlich; tatsächlich war die Klägerin jeweils der wirklichen Rechtslage entsprechend vertreten.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß angefochtener Verwaltungsakt nunmehr der Bescheid des ArbA vom 26. Juni 1969 ist, der die ursprünglich angefochtenen Bescheide ersetzt und daher nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Die früheren Bescheide werden darin auf eine neue, der rückwirkend veränderten Rechtslage entsprechende rechtliche Grundlage gestellt.

Die Klägerin erstrebt die mit diesem Bescheid abgelehnte nachträgliche Abzweigung eines Teiles des dem Beigeladenen in der Zeit vom 18. Dezember 1967 bis zum 16. April 1968 gewährten Alg. Wenn auch der Anspruch auf das Alg allein dem Arbeitslosen selbst zusteht und von ihm geltend gemacht werden kann, so wird doch durch die Ablehnung einer Abzweigung derjenige, zu dessen Gunsten sie erfolgen soll, unmittelbar beschwert, so daß er insoweit nach § 54 Abs. 1 und 2 SGG zur Klage befugt ist.

Nach der bis zum 31. März 1967 geltenden Fassung des § 89 AVAVG gehörten zu den Angehörigen eines Arbeitslosen, für die ein Familienzuschlag zum Alg zu gewähren war, auch nichteheliche Kinder im Verhältnis zum Vater, allerdings nur unter besonderen, jeweils im Einzelfall nachzuprüfenden Voraussetzungen. Durch das 7. ÄndG wurde die komplizierte Regelung der Familienzuschläge durch eine einfache, an das Lohnsteuerrecht anknüpfende Regelung ersetzt. Hiernach wurde Familienzuschlag für ein Kind gewährt, das auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen bescheinigt war. Da nichteheliche Kinder auf der Lohnsteuerkarte des Vaters nicht bescheinigt waren, hätte bei einer nur am Wortlaut orientierten Auslegung für sie der Familienzuschlag entfallen müssen. Dies wurde mit Recht nicht nur als unbillig, sondern auch als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen. In den Übergangsvorschriften des AFG vom 25. Juni 1969 - § 241 Nr. 1 - wurde deshalb die Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG rückwirkend dahin ergänzt, daß vom 1. April 1967 an ein Familienzuschlag auch für jedes nichteheliche Kind eines männlichen Leistungsempfängers gewährt wird, wenn dessen Vaterschaft oder Unterhaltspflicht festgestellt ist und das Kind, falls es ein eheliches Kind wäre, auf der Lohnsteuerkarte bescheinigt werden könnte. Über einen bereits früher beschiedenen Antrag auf Leistungen ist wegen des Familienzuschlags für ein nichteheliches Kind für die Zeit vom 1. April 1967 an neu zu entscheiden, wenn dies der Vater, die Mutter oder der gesetzliche Vertreter des Kindes bis zum 30. Juni 1970 beantragt.

Das LSG hat zutreffend erkannt, daß durch diese rückwirkende Gesetzesänderung im vorliegenden Fall kein Anspruch des Arbeitslosen auf höhere Leistungen entstanden ist. Nach § 90 Abs. 10 Satz 3 AVAVG dürfen Hauptbetrag und Familienzuschlag zusammen nämlich den in der Tabelle festgesetzten Höchstbetrag nicht überschreiten. Da der Beigeladene in der streitigen Zeit aber bereits wegen seiner nach § 89 Abs. 2 AVAVG idF des 7. ÄndG zu berücksichtigenden Familienangehörigen den Höchstbetrag des Alg erhalten hat, muß die nachträgliche Berücksichtigung der Klägerin auf die Höhe dieser Leistungen ohne Einfluß bleiben. Durch die rückwirkende Regelung des § 241 Nr. 1 AFG soll der Leistungsempfänger zwar genau so, aber auch nicht besser gestellt werden, wie wenn diese Regelung bereits in der Fassung des 7. ÄndG enthalten gewesen wäre. Wären nichteheliche Kinder damals berücksichtigt worden, so hätte er zwar Familienzuschläge für sechs anstatt für fünf Angehörige erhalten müssen, das ihm zustehende Alg wäre insgesamt aber nicht höher gewesen.

Hierdurch wird indessen die klagabweisende Entscheidung des LSG noch nicht gerechtfertigt. Das Begehren der Klägerin war nämlich - ihrer Interessenlage entsprechend - von vornherein nicht auf eine Erhöhung der Leistung für den Beigeladenen, sondern auf die Abzweigung eines Teiles dieser Leistung an sie selbst nach § 181 Abs. 3 AVAVG gerichtet. Nach dieser Vorschrift kann der Direktor des ArbA anordnen, daß ein angemessener Teil des Alg, solange ein Angehöriger des Arbeitslosen (§ 89 Abs. 2) nicht in seine häusliche Gemeinschaft aufgenommen ist, an diesen, seinen Vormund oder diejenige Person oder Stelle ausgezahlt wird, in deren Obhut er sich befindet oder die ihm Unterhalt gewährt. Wenn diese Abzweigung auch nicht voraussetzt, daß für den Angehörigen tatsächlich ein Familienzuschlag gewährt wird, so ergibt sich aus dem Klammerzusatz doch eindeutig, daß es sich um einen Angehörigen i. S. des § 89 Abs. 2 AVAVG handeln muß. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift idF des 7. ÄndG gehörten aber nichteheliche Kinder seit dem 1. April 1967 nicht mehr zum Kreise dieser Angehörigen. Es kann dahinstehen, ob nicht bereits eine am Sinn und Zweck der Neufassung des § 89 Abs. 2 AVAVG orientierte ergänzende Rechtsanwendung, insbesondere auch mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 5 GG, zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß auch für nichteheliche Kinder von Arbeitslosen Familienzuschläge zu gewähren waren. Für die hier zu treffende Entscheidung folgt dies jedenfalls aus der rückwirkenden Rechtsgestaltung des § 241 Nr. 1 AFG. Wenn diese Vorschrift auch keine wörtliche Neufassung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG bringt, so enthält sie doch im ersten Satz eindeutig eine ergänzende Änderung des § 89 Abs. 2 AVAVG, die sich insofern auch auf § 181 Abs. 3 AVAVG auswirkt, als sie den dort verwandten Begriff des "Angehörigen", der durch den Klammerzusatz "(§ 89 Abs. 2)" bestimmt wird, nunmehr rückwirkend vom 1. April 1967 an dahin klarstellt, daß auch die nichtehelichen Kinder eines männlichen Arbeitslosen erfaßt werden. Eine einschränkende Auslegung dahin, daß nur die nachträgliche Bewilligung eines Familienzuschlags ermöglicht, nicht aber auch der Angehörigenbegriff rückwirkend eindeutig festgelegt werden sollte, ist weder dem Wortlaut noch der Systematik der Vorschrift zu entnehmen; keinesfalls würde eine solche Einengung der allgemeinen gesetzgeberischen Tendenz dieser Zeit (vgl. die Aufhebung des § 1589 Abs. 2 BGB durch das NeG) und dem Sinn und Zweck des § 241 Nr. 1 AFG entsprechen, die durch das 7. ÄndG in der Praxis entstandene Benachteiligung nichtehelicher Kinder rückwirkend zu beseitigen. Das hat zur Folge, daß die Klägerin jedenfalls nunmehr für die hier streitige Zeit als Angehöriger des Beigeladenen anzusehen ist und für sie eine Abzweigung von dessen Alg angeordnet werden konnte. Soweit daher - rückschauend betrachtet - im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung eine Abzweigung zu erfolgen hatte, aber nicht durchgeführt wurde, stellt sich die Auszahlung des vollen Höchstbetrages an den Arbeitslosen nachträglich als eine Überzahlung dar, die jedenfalls dem Abzweigungsberechtigten gegenüber nicht wirksam ist. Eine nachträgliche Abzweigungsanordnung für die streitige Zeit ist daher nach § 181 Abs. 3 i. V. m. § 89 Abs. 2 AVAVG und § 241 Nr. 1 AFG möglich, obgleich der Höchstbetrag bereits ausgezahlt worden ist. Die Ausschöpfung des Höchstbetrages vermag auch im Rahmen der Ermessenserwägungen die Ablehnung der Abzweigung nicht zu rechtfertigen. Dabei kommt es auf die Frage der Gut- oder Bösgläubigkeit, überhaupt eines Verschuldens der Beklagten ebensowenig an wie darauf, ob und - gegebenenfalls - mit welcher Wirkung die hier in Betracht kommende Regelung des 7. ÄndG als verfassungswidrig anzusehen war und ob die Beklagte an ihrer Einführung eine Mitverantwortung trifft. Wenn der Gesetzgeber, um eine als unbillig empfundene Benachteiligung nichtehelicher Kinder nachträglich auszugleichen, eine verfassungsrechtlich zumindest bedenkliche Regelung rückwirkend beseitigt, so hat die Beklagte diesen Willen des Gesetzgebers zu respektieren und aus der Rückwirkung erwachsende zusätzliche Belastungen zu tragen. Nachdem der Gesetzgeber zugunsten der nichtehelichen Kinder diese Entscheidung getroffen hat, kann sich die Beklagte diesen gegenüber im Rahmen einer Ermessensentscheidung solchen Belastungen grundsätzlich nicht mit der Begründung entziehen, sie seien ihr gegenüber unbillig; sie überschreitet damit den Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens.

Allerdings setzt auch die nachträgliche Anordnung einer Abzweigung voraus, daß zu der Zeit, für die sie gewährt werden soll, für das ArbA ein hinreichender Anlaß zum Handeln vorgelegen hat. Für eine Wiedergutmachung legislativen Unrechts, wie sie mit § 241 Nr. 1 AFG bezweckt wird, ist da kein Raum, wo mangels einer Anregung oder eines sonstigen begründeten Anlasses auch ohne den unbilligen gesetzlichen Ausschluß nichtehelicher Kinder von der Familienzuschlagsberechtigung keine Abzweigung angeordnet worden wäre. Ein hinreichender Anlaß in dem angeführten Sinne ist anzunehmen, wenn zum Handeln verpflichtende Umstände für das ArbA erkennbar sind. Ein solcher Umstand wird in der Regel jedenfalls in einer Anregung durch eine der in § 181 Abs. 3 AVAVG genannten Personen oder Stellen zu finden sein. Im vorliegenden Fall hat das Jugendamt den Abzweigungsantrag erst im März 1968 gestellt. Grundsätzlich wäre es nicht ermessensfehlerhaft, wenn sich die Beklagte für die Zeit vorher nicht zu einer nachträglichen Abzweigung veranlaßt sieht. Allerdings ergibt sich aus den im angefochtenen Urteil in Bezug genommenen Leistungsakten der Beklagten, daß bereits eine Abzweigung von Teilen des Alg zugunsten der anderen Familienangehörigen des Beigeladenen angeregt worden war und auch vom 28. Februar 1968 an angeordnet worden ist. Diese besondere Situation hätte das ArbA zu einer Abzweigung auch zugunsten der Klägerin veranlassen müssen, falls dort die Unterhaltspflicht des Beigeladenen ihr gegenüber bekannt war. Im übrigen könnte die Auffassung der Beklagten, im Rahmen ihrer Ermessensausübung nicht zu einer nachträglichen Abzweigung - und damit praktisch zu einer Doppelleistung - verpflichtet zu sein, auch aus anderen Gründen gerechtfertigt sein. Dem der Regelung des § 241 Nr. 1 zugrunde liegenden Wiedergutmachungsgedanken würde es nicht entsprechen, dem nichtehelichen Kind auf Kosten der Beklagten auch dann eine Leistung zukommen zu lassen, wenn es durch die rückwirkend beseitigte Regelung des § 89 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AVAVG idF des 7. ÄndG keinen Nachteil erlitten hat. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn der Beigeladene während der streitigen Zeit seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin auch ohne Abzweigung in vollem Umfang nachgekommen ist oder den in dieser Zeit aufgelaufenen Rückstand inzwischen getilgt hat. Darüber hinaus könnte es auch genügen, wenn den Umständen nach anzunehmen wäre, der Beigeladene habe während dieser Zeit die ihm unter Berücksichtigung seiner sonstigen Unterhaltspflichten höchstmögliche Unterhaltsleistung für die Klägerin erbracht, so daß sich im Falle der Abzweigung eines Teiles seines Alg seine Leistung notwendig um diesen Betrag hätte verringern müssen. In Verbindung mit solchen Umständen wäre die Erwägung der Beklagten, eine Doppelleistung sei ihr nicht zuzumuten, nicht ermessensfehlerhaft.

Da das LSG - seiner Rechtsauffassung entsprechend - zu den vorgenannten Möglichkeiten keine Feststellungen getroffen hat, kann der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte sich bei ihrer Ablehnung einer nachträglichen Abzweigung aufgrund der durch § 241 Nr. 1 AFG neugeschaffenen Rechtslage im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung gehalten hat. Der Rechtsstreit muß daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. Sollte sich hierbei ergeben, daß die Beklagte ermessensfehlerhaft gehandelt hat, so wird ihr ablehnender Bescheid aufzuheben und sie zur Erteilung eines neuen Bescheides zu verpflichten sein. Die Auffassung des SG, daß im vorliegenden Fall allein die Abzweigung eines Betrages von wöchentlich 7,40 DM an die Klägerin in Betracht komme, weil jede andere Entscheidung des ArbA ermessenswidrig sein würde, schränkt dessen Ermessensfreiheit zu stark ein. Wenn sich eine solche pauschale Regelung auch - schon aus Gründen der Vereinfachung - anbieten mag, so ist das ArbA im Rahmen seiner Ermessensausübung doch berechtigt und auch verpflichtet, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles seine Entscheidung zu treffen; die pauschale Berechnung der Familienzuschläge führt nicht notwendig zu einer pauschalen Abzweigungsregelung.

Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das LSG in seinem abschließenden Urteil mit zu befinden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1646861

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