Entscheidungsstichwort (Thema)

Beruflich bedingte Hauterkrankung. Aufgabe des Berufs

 

Orientierungssatz

Die Umstellung eines Betriebes, bei der der Inhaber einzelne von ihm bisher selbst verrichtete Tätigkeiten aufgibt und nur noch andere, seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Betriebstätigkeiten leistet, stellt grundsätzlich keine Berufsaufgabe dar. Es muß einem selbständigen Versicherten überlassen bleiben, ob er seinen Betrieb in anderer Form weiterführt oder ihn aufgibt.

 

Normenkette

BKVO 7 Anl 1 Nr. 46 Fassung: 1968-06-20

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. April 1974 dahin geändert, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 20. Juni 1973 in vollem Umfang zurückgewiesen wird.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig sind Entschädigungsansprüche des Klägers wegen einer beruflichen Hauterkrankung.

Der am 5. Februar 1902 geborene Kläger ist gelernter Schuhmacher und seit 1917 mit einer Unterbrechung während des zweiten Weltkrieges in diesem Beruf tätig gewesen. 1946 machte er sich in L/Holstein selbständig und betrieb zunächst nur eine Schuhmacherwerkstatt. Etwa 1951 traten als Folge einer Überempfindlichkeit der Haut gegen in der Schuhmacherei vorkommende Chemikalien Ekzeme an den Handinnenflächen des Klägers auf. Seitdem leidet er ständig unter Beschwerden, die um so nachhaltiger waren, je mehr er selbst Arbeiten in der Werkstatt ausführte. Die Überempfindlichkeit ist nach wie vor unverändert vorhanden, zur Neubildung von Ekzemen kommt es nur dann nicht, wenn der Kläger die Berührung mit den schädlichen Stoffen vermeidet.

In der folgenden Zeit gab der Kläger seine eigene Tätigkeit in der Werkstatt fast völlig auf und stellte einen oder mehrere Gesellen ein. Etwa gleichzeitig begann er neben dem Betrieb der Werkstatt mit dem Verkauf neuer Schuhe, der sich im Laufe der Zeit immer mehr ausweitete und in einem Ladengeschäft betrieben wurde. Dort arbeiteten die Ehefrau des Klägers und später auch seine Tochter mit, weil der Kläger auch die Berührung mit neuen Schuhen vermeiden mußte.

Ab 31. August 1969 meldete der Kläger den Gewerbebetrieb der Schuhmacherei ab, wofür er Altersgründe angab und verpachtete ihn an den dort beschäftigten Gesellen, der weiterhin die im Laden angenommenen Reparaturen ausführte. Das Pachtverhältnis wurde jedoch bereits zum 30. November 1970 wieder gelöst, weil sich das Reparaturgeschäft, wie auch schon vor der Verpachtung, nicht als wirtschaftlich erwies. Der Kläger meldete das Gewerbe zum 2. Januar 1971 erneut an, die Werkstatt wurde aber nicht wieder betrieben. Vielmehr wurden die angenommenen Reparaturaufträge an den Sohn des Klägers weitergegeben, der sie in seinem eigenen Betrieb in Travemünde ausführte. Zum 1. April 1974 meldete der Kläger sein Schuhmachergewerbe endgültig ab.

Schon 1951 oder 1952 war eine Anzeige wegen einer Berufskrankheit erstattet worden, die aber weder zur Anerkennung noch zur förmlichen Ablehnung führte; es wurde allerdings damals Heilbehandlung gewährt (Urteil des LSG Seite 12).

Am 28. November 1971 erstattete der Kläger selbst eine Unternehmeranzeige. Die Beklagte lehnte eine Entschädigung ab (Bescheid vom 24. August 1972), weil der Kläger zwar an einer berufsbedingten Hauterkrankung leide, diese aber bisher nicht zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung geführt habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Juni 1973), der Kläger habe zwar seine handwerkliche Tätigkeit infolge Hauterkrankung aufgegeben, sei aber weiterhin unternehmerisch tätig gewesen, so daß er seine Beschäftigung nicht völlig eingestellt habe. Das Landessozialgericht (LSG) hat am 23. April 1974 unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im übrigen das Urteil des SG Kiel vom 20. Juni 1973 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 1972 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der bei ihm bestehenden (schweren) Hauterkrankung mit Wirkung vom 1. September 1969 eine Teilrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. zu gewähren. Es hat zur Begründung ua ausgeführt: Die ersten Krankheitserscheinungen, wegen derer der Kläger ab 1. September 1969 die Werkstatt verpachtet und damit seinen Beruf aufgegeben habe, hätten sich etwa 1951 gezeigt. Der Handel mit neuen Schuhen, der unter dem Namen des Klägers auch über den 31. August 1969 weiterbetrieben worden sei, stelle nicht den "gleichen Bereich" dar, in dem der Kläger sich seine Berufskrankheit zugezogen habe. Das sei ausschließlich die handwerkliche Tätigkeit in der Schuhmacherwerkstatt gewesen. In den fünfziger Jahren sei sein Berufsbild ausschließlich durch diese Tätigkeit geprägt gewesen. Der Verkauf neuer Schuhe sei zunächst für das rein handwerkliche Unternehmen noch ohne nennenswerte Bedeutung gewesen. Er habe vielmehr erst viel später den Werkstattbetrieb in den Hintergrund gedrängt. Entscheidend sei, daß der Kläger seine handwerkliche Tätigkeit mit der Verpachtung der Werkstatt endgültig aufgegeben habe. Bis dahin sei er noch Inhaber des handwerklichen Betriebsteiles gewesen und hätte auch noch jederzeit mitarbeiten können. Nicht das Alter von damals 67 Jahren, sondern die Krankheit des Klägers sei die Ursache für die Berufsaufgabe gewesen. Auch die erneute Anmeldung des Betriebes am 2. Januar 1971 ändere an der Rechtslage nichts, denn der Kläger sei seit der Verpachtung niemals wieder selbst in seinem Gewerbe handwerklich tätig geworden.

Die Entschädigungspflicht der Beklagten beginne auch bereits mit dem 1. September 1969. § 1546 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei nicht anwendbar, weil der Kläger sich wegen derselben Berufskrankheit bereits 1951 an die Beklagte gewandt gehabt habe und eine förmliche, rechtsbeständige Ablehnung nicht erfolgt sei. Die Ansprüche seit dem 1. September 1969 seien auch gemäß § 29 Abs. 3 RVO nicht verjährt.

Mit der zugelassenen Revision trägt die Beklagte ua vor, ursächlich für die Hauterkrankung des Klägers, die auch nach Aufgabe der handwerklichen Tätigkeit im Jahre 1952 fortbestanden habe, sei seine gesamte Tätigkeit gewesen, nämlich diejenige in der Werkstatt und die in dem Schuheinzelhandel. Beides habe jedoch eine Einheit gebildet. Der Kläger habe daher nur einen Teil seiner beruflichen Tätigkeit infolge der Ekzemerkrankung aufgegeben. Diese könne auch von der Sache her nicht in zwei Teile aufgespalten werden. Es habe von vornherein im Berufsrahmen des Klägers gelegen, neben der Schuhmacherei auch Schuhe zu verkaufen. Da das Hautleiden jedoch auf jeden Fall weiterbestanden habe, nachdem der Kläger nur noch im Schuhverkauf tätig gewesen sei, liege (seit 1969) kein Berufswechsel vor.

Das Merkmal der Aufgabe einer beruflichen Beschäftigung liege nur vor, wenn der Versicherte sowohl seine berufliche Beschäftigung aufgebe, als auch die Aufnahme einer Tätigkeit unterlasse, die im Hinblick auf seine Berufskrankheit gefährdend wäre. Im übrigen habe der damals 67-jährige Kläger wahrscheinlich auch, wie er es selbst 1969 erklärt habe, den Schuhmacherbetrieb aus Altersgründen eingestellt. Die gegenteilige Ansicht des LSG verstoße gegen die Denkgesetze. Jedenfalls habe er den Schuhverkauf weiterbetrieben und ihn nicht an seine Ehefrau oder seine Tochter abgegeben.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. April 1974 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 20. Juni 1973 vollen Umfangs zurückzuweisen;

hilfsweise,

den Rechtsstreit zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zu Recht habe das LSG zwischen der Schuhmacherwerkstatt und dem Schuhverkauf unterschieden. Es habe sich um zwei Geschäftsbetriebe gehandelt, und der Kläger hätte den Schuhverkauf, wenn er jemals mit Hauterkrankungen und der damit verbundenen Problematik hätte rechnen müssen, offiziell auf den Namen seiner Ehefrau eintragen lassen. Da es sich aber um einen Familienbetrieb gehandelt habe, sei das unterblieben. Wäre die berufliche Hauterkrankung schon 1950 oder 1951 anerkannt worden, so hätte sich der Kläger schon damals aus seinem Berufsleben als Schuhmacher zurückgezogen. Es wäre "völliges Unrecht", wenn man den Kläger an kleine juristische Formulierungen "aufhängen" wolle.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Entgegen der Auffassung des LSG liegen die Voraussetzungen zur Entschädigung (Rentengewährung) einer Hauterkrankung i.S. der Nr. 46 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 20. Juni 1968 (BGBl I S. 721) bei dem Kläger seit dem 1. September 1969 nicht vor. Dieser Anspruch ist allein Gegenstand des Revisionsverfahrens, weshalb dahinstehen kann, wie die 1951 oder 1952 angeblich gewährte Heilbehandlung rechtlich zu werten ist. Denn es ist unstreitig, daß eine Rente weder damals noch 1972 zugebilligt worden ist und § 5 Abs. 1 der 3. BKVO idF der 4. BKVO vom 29. Januar 1943 (RGBl I, 85) sah vor, daß der Versicherungsträger zur Verhütung einer Berufskrankheit dem Versicherten nötigenfalls Krankenbehandlung gewähren soll.

Zwar leidet der Kläger, wie das LSG von der Revision ungerügt festgestellt hat, seit etwa 1951 an einer Überempfindlichkeit der Haut gegen Stoffe, mit denen sowohl ein handwerklich tätiger Schuhmacher als auch ein Schuhverkäufer in Berührung kommt und die je nach der Intensität des Kontaktes bei ihm zu Ekzemen an den Handinnenflächen geführt hat. Es handelt sich daher, wie das LSG zutreffend festgestellt hat und auch nicht streitig ist, um eine schwere (vgl. BSG in SozR 5677 Nr. 46 7. BKVO Nr. 1), beruflich bedingte Hauterkrankung. Diese Erkrankung hat den Kläger aber nicht zur Aufgabe seiner beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbstätigkeit gezwungen, wie dies nach der Nr. 46 aaO erforderlich ist.

Zutreffend geht das LSG davon aus, daß die berufliche Beschäftigung i.S. der Nr. 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO diejenige ist, durch die sich der Versicherte die Hauterkrankung zugezogen hat (BSG 18, 98, 99). Ursache der Hauterkrankung des Klägers ist die Berührung mit in der Schuhmacherei verwendeten Materialien wie etwa Klebstoffen, aber auch mit Leder selbst bzw. bei dessen Bearbeitung verwendeten Chemikalien. Der Kläger ist dadurch seit 1951 gehindert, selbst als Schuhmacher tätig zu sein und auch gezwungen, beim Verkauf neuer Schuhe die Berührung mit diesen weitgehend zu vermeiden.

Der Kläger hat jedoch seinen Handwerksbetrieb, nämlich die Schuhmacherei bzw. die Schuhreparaturwerkstatt bis zum 31. August 1969 weiterbetrieben, wobei er sich allerdings vorwiegend auf die organisatorische und kaufmännische Leitung des Betriebes beschränkte und die handwerkliche Tätigkeit von ihm eingestellten Gesellen übertrug. Die Umstellung eines Betriebes, bei der der Inhaber einzelne von ihm bisher selbst verrichtete Tätigkeiten aufgibt und nur noch andere seinen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechende Betriebstätigkeiten leistet, stellt grundsätzlich keine Berufsaufgabe dar (so ua BSG in SGb 1960 S. 212, 213/4 zu Nr. 19 der Anlage zur 5. BKVO). Es ist der Revision zuzugeben, daß der Umfang und die Art des Betriebes in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Andererseits muß es aber einem selbständigen Versicherten überlassen bleiben, ob er seinen Betrieb in anderer Form weiterführt oder ihm aufgibt, weil eine solche Fortführung wirtschaftlich nicht rentabel ist. Der Kläger hat sich für das erstere entschieden und es nicht dabei bewenden lassen, lediglich die Werkstatt mit Hilfskräften aufrecht zu erhalten; er hat vielmehr seinen Betrieb erweitert, indem er zusätzlich mit dem Verkauf neuer Schuhe begann, der, wenn auch nach und nach, das Reparaturgeschäft in den Hintergrund drängte und damit zur wesentlichen Erwerbsgrundlage wurde. Mit dieser Umgestaltung und Erweiterung des Betriebes hat er seine bisherige "berufliche Beschäftigung" nicht aufgegeben und sich keinem neuen Beruf zugewandt. Mag die Notwendigkeit, die Erwerbsgrundlage durch die Hinzunahme des Verkaufs neuer Schuhe auch wesentlich dadurch bedingt gewesen sein, daß die Schuhmacherei bzw. das Reparaturgeschäft mit fremden Hilfskräften nicht wirtschaftlich betrieben werden konnte, so "lohnte" sich doch auch der Schuhverkauf allein nicht, wie der Kläger selbst vorträgt. Zunächst war der Umsatz zu gering, später war die Ausführung von Reparaturen als notwendiger "Service" unerläßlich, um gegenüber anderen Schuhgeschäften konkurrenzfähig zu bleiben. Andererseits brachte es die Entwicklung mit sich, daß in zunehmendem Maße rein handwerkliche Schuhmacherbetriebe nicht mehr lebensfähig waren, woraus sich ebenfalls der Zwang entweder zur Aufgabe eines solchen Betriebes oder zu dessen Erweiterung bzw. Umstellung ergab. Der Verkauf neuer Schuhe und der Betrieb einer Schuhreparaturwerkstatt können daher, wenn sie, wie hier, in einer Hand liegen und sich das eine aus dem anderen, sei es aus gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Gründen, entwickelt hat, nicht als voneinander zu trennende Gewerbezweige und damit verschiedene "berufliche Beschäftigungen" des Inhabers i.S. der Nr. 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO betrachtet werden. Beide Tätigkeiten sind artverwandt, was die erforderlichen Fachkenntnisse über Werkstoffe sowie Be- und Verarbeitungsmethoden anbelangt und können auch - wie hier - wirtschaftlich voneinander abhängig sein. Werden sie zusammen in der Form eines einheitlichen Unternehmens betrieben, stellen sie daher für den Inhaber lediglich unterschiedliche Erscheinungsformen ein und derselben beruflichen Beschäftigung in dem hier streitigen Sinne dar. Eine Umgestaltung seiner beruflichen Beschäftigung im oben genannten Sinne hatte der Kläger mit langsamer Verschiebung des Schwergewichts von dem Handwerksbetrieb auf den Schuhverkauf vollzogen, als er zum 31. August 1969 sein Gewerbe als Schuhmacher abmeldete und die Werkstatt verpachtete. Mag der Grund für diese Maßnahme auch seine Hauterkrankung gewesen sein, weil das Reparaturgeschäft soweit zurückgegangen war, daß ein bei ihm beschäftigter Geselle damit nicht mehr ausgelastet und deshalb wirtschaftlich nicht mehr tragbar war und weil andererseits der Kläger die anfallenden Reparaturen nicht wieder selbst ausführen konnte, so hat er damit doch nur den geringeren Teil seiner "beruflichen Beschäftigung" aufgegeben, der im übrigen schon seit langem nur noch in der kaufmännischen Leitung und Organisation der Werkstatt bestanden hatte. Den wesentlichen Teil dieser Beschäftigung, nämlich den Schuhverkauf, hat er dagegen - als sachkundiger Unternehmer - beibehalten. Die für den Verkauf neuer Schuhe gegenüber den für die Schuhmacherei und Reparatur erforderlichen zusätzlichen Kenntnisse hatte er sich in der vorangegangenen Zeit erworben, als er beide Tätigkeiten zusammen ausübte. Wiederum ist es auch für die Zeit nach dem 31. August 1969 nicht von entscheidender Bedeutung, daß in dem Schuhgeschäft vorwiegend die Ehefrau und die Tochter des Klägers tätig waren und es nur mit ihrer Hilfe tatsächlich geführt werden konnte. Auch wenn es sich um einen Familienbetrieb handelte, so trug der Kläger das unternehmerische Risiko. Als Selbständiger war er auch bei der Beklagten versichert. Im übrigen gab er nicht nur, wie die Revision offenbar vortragen will, seinen Namen für das Geschäft her, er hielt die Kontakte zur Kundschaft aufrecht, und ihm oblag auch die fachliche Beratung der Reparaturen (vgl. LSG-Urteil S. 9); denn er war der Fachmann. Ebenso hinderte ihn seine Krankheit nicht an der Sortimentsgestaltung (vgl. LSG-Urteil S. 9), d.h. daran, die Kontakte mit den Lieferanten zu pflegen, die Ware auszusuchen und zu bestellen, die Bücher zu führen und den übrigen Geschäftsbetrieb abzuwickeln. Lediglich das Anprobieren mußte er wohl weitgehend anderen überlassen weil er die Berührung mit Schuhen vermeiden mußte.

Im Ergebnis ist der vorliegende Sachverhalt daher nicht wesentlich anders zu beurteilen als bei einer Damenschneiderin, die die Berührung mit Stoffen vermeiden mußte und deshalb in ihrem Modeatelier eine Schneidermeisterin oder -gehilfin beschäftigte (BSG in BG 1967, S. 358, 359) oder bei einem Bäckermeister, der nicht mehr selbst in der Backstube tätig sein konnte, seinen Betrieb jedoch mit Hilfskräften, darunter einen Bäckermeister und einen Konditormeister, fortführte (BSG 31, 215 ff). Ebenso wie der 2. und der 7. Senat des BSG in diesen Fällen die berufliche Beschäftigung nicht als die einer Schneiderin bzw. eines Bäckers angesehen haben, sondern als die des Inhabers eines Modeateliers bzw. eines größeren Bäckereibetriebes, war auch der Kläger im August 1969 Inhaber eines Schuhgeschäfts mit Reparaturwerkstatt und später mit einer Reparaturannahme. Dies war sein für den vorliegenden Streitfall maßgebender Beruf, wodurch seine wirtschaftliche und soziale Stellung geprägt wurde und den er - wie die Prozeßgeschichte ergibt - nicht wegen seiner Hauterkrankung aufzugeben gezwungen war. Wenn die Revision in der Nichtgewährung der begehrten Entschädigung ein "Unrecht" erblickt, so beachtet sie nicht hinreichend die unerläßliche Voraussetzung der Berufsaufgabe, von der nur ausnahmsweise während einer "Übergangszeit" abgesehen werden kann (vgl. BSG in BG 1967, 358).

Die weitere Entwicklung nach dem 31. August 1969 (Wiederanmeldung des Schuhmachergewerbes vom 2. Januar 1971 bis 31. März 1974, ohne daß das Gewerbe vom Kläger selbst tatsächlich ausgeübt wurde) spielt daher für die rechtliche Beurteilung keine Rolle.

Die Beklagte hat somit im Ergebnis zutreffend Entschädigungsansprüche des Klägers wegen einer Berufskrankheit abgelehnt, so daß die Berufung des Klägers gegen das klagabweisende Urteil des SG in vollem Umfang zurückzuweisen war. Ob dem Kläger ab 1. April 1974, als er über 72 Jahre alt war, eine solche Entschädigung zusteht, war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1649827

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