Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Urteil vom 29.06.1971) |
SG für das Saarland (Urteil vom 12.12.1967) |
Tenor
Auf die Revision des beklagten Saarländischen Rundfunks werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 29. Juni 1971 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 12. Dezember 1967 sowie der Bescheid der klagenden Allgemeinen Ortskrankenkasse für das Saarland vom 29. Dezember 1958 in der Fassung vom 15. Januar 1959 dahingehend geändert, daß der beklagte Saarländische Rundfunk für die Beigeladenen zu 1) bis zu 5) und die Verstorbenen X., H., K. und Sch. lediglich die Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit bis zum 31. Dezember 1956 zu entrichten hat.
Die Klägerin und der Beklagte haben als Gesamtschuldner den Beigeladenen zu 1) bis 5) die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Umstritten ist, ob der beklagte Saarländische Rundfunk (SR) an die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) für die Zeit von Dezember 1955 bis September 1958 Sozialversicherungsbeiträge für die beigeladenen Mitarbeiter und die verstorbenen Mitarbeiter X., H., K., und Sch. zu entrichten hat.
Die Beigeladenen zu 1) bis zu 5) und die verstorbenen Mitarbeiter waren beim SR als künstlerische Sprecher tätig. Sie waren – im Sprachgebrauch der Rundfunkanstalten – „ständige freie Mitarbeiter”. Die Rechtsvorgängerin der klagenden AOK, die Kreisversicherungsanstalt Saarbrücken, beanstandete bei einer Betriebsprüfung, daß für den Zeitraum von Dezember 1955 bis September 1958 für die beigeladenen und die genannten verstorbenen Sprecher keine Versicherungsbeiträge entrichtet waren. Sie teilte mit Schreiben vom 29. Dezember 1958, geändert mit Schreiben vom 15. Januar 1959 dem SR mit, daß sie die Beigeladenen zu 1) bis zu 5) und andere namentlich genannte freie Mitarbeiter für versicherungspflichtig halte, und forderte Gesamtbeiträge für Zeiträume zwischen dem 1. Dezember 1955 und dem 30. September 1958. Sie beantragte gemäß § 405 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) beim Oberversicherungsamt für das Saarland zu entscheiden, daß diese freien Mitarbeiter für den genannten Zeitraum versicherungspflichtig seien und daß der SR verpflichtet sei, Gesamtversicherungsbeiträge zuzüglich eines Säumniszuschlags zu zahlen.
Der beklagte SR legte Beschwerde ein. Das Sozialgericht (SG), auf das die Sache übergegangen war, hat mit Urteil vom 12. Dezember 1967 festgestellt, daß die beigeladenen Sprecher sowie die inzwischen verstorbenen Sprecher H., K., Sch. und X. für den genannten Zeitraum der Versicherungspflicht unterlagen; es hat den beklagten SR verurteilt, die gesetzlichen Beiträge zuzüglich eines Säumniszuschlages in Höhe von 1/2 v.H. der rückständigen Beiträge ab 1. Januar 1959 für jeden angefangenen Monat zu zahlen.
Das Landessozialgericht (LSG) für das Saarland hat die Berufung des beklagten SR zurückgewiesen. Die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 29. Juni 1971).
Das LSG hat die im Urteil des SG genannten Sprecher als beim SR gegen Entgelt beschäftigt und deshalb als versicherungspflichtig angesehen: Es sei ohne Bedeutung, daß zwischen dem SR und den einzelnen Sprechern kein Arbeitsvertrag, sondern für jeden einzelnen Einsatz ein „Werkvertrag” mit besonderer Honorar Vereinbarung abgeschlossen worden sei. Die Sprecher seien in der Zeit von Dezember 1955 bis September 1958 vom SR regelmäßig im Durchschnitt an 12 bis 19 Tagen im Monat eingesetzt worden. Sie hätten ein regelmäßiges, der Höhe nach schwankendes Einkommen gehabt. Dies schließe nicht aus, daß einzelne Kräfte von Fall zu Fall auch für andere Arbeitgeber gearbeitet haben mögen. Ihr Einsatz sei aber so verdichtet gewesen, daß sie davon hätten ausgehen können, „beim” SR beschäftigt zu sein. Auch der SR habe die genannten Mitarbeiter „in” seinen Betrieb praktisch eingeplant. Neben vielen anderen freien Mitarbeitern habe er immer wieder auf die hier genannten Kräfte zurückgegriffen und diese hätten sich für den Erwerb ihres Lebensunterhalts im wesentlichen auf die Verhältnisse und Anforderungen des SR eingestellt. Schon die Regelmäßigkeit der Inanspruchnahme der einzelnen Sprecher lasse auf ein Beschäftigungsverhältnis schließen. Die persönliche Abhängigkeit folge aus der besonderen Art. des Einsatzes der Sprecher. Sie seien in den Betrieb des SR eingegliedert gewesen. Sie seien nicht nur verpflichtet gewesen, die jeweiligen Einsatztermine einzuhalten, sondern auch – je nach der Art. der übernommenen Aufgabe in stärkerem oder schwächerem Maße – hinsichtlich der Ausführung der Arbeiten weisungsgebunden gewesen, dabei habe allerdings die fachliche Qualifikation und das funktionsgerechte Verhalten die tatsächliche Ausübung des Weisungsrechts weitgehend einschränken können. Es sei ohne Bedeutung für die Abhängigkeit, daß die Sprecher keine Routinetätigkeit verrichtet, sondern ihre Aufgaben künstlerisch gestaltet hatten. Eine ausschließlich eigenständige, schöpferische Tätigkeit, die vielleicht eine Weisungsbefugnis des SR ausgeschlossen hätte, sei nicht dargetan. Der Annahme einer persönlichen Abhängigkeit stehe nicht entgegen, daß die freien Mitarbeiter die Beschäftigung beim SR hätten jederzeit ablehnen können. Das damit verbundene beschränkte finanzielle Risiko übersteige nicht das Maß der finanziellen Risiken, die mit der Verrichtung von Arbeit in abhängiger Stellung immer verbunden seien. Diese Risiken könnten nicht mit den Risiken eines selbständigen Unternehmers gleichgesetzt werden, der eigenes Vermögen einsetze. Die den Mitarbeitern zugeflossenen Honorare seien beitragspflichtiges Entgelt gewesen. Sie seien als Gegenleistung für die im Beschäftigungsverhältnis geleisteten Dienste gezahlt worden. Dem stehe nicht entgegen, daß dafür keine Lohnsteuer entrichtet worden sei; denn die für die Versicherungspflicht entscheidende Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliege, sei allein nach dem Recht der Sozialversicherung zu beurteilen.
Der beklagte SR hat Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts abzuändern und festzustellen, daß für die in dem Bescheid der Klägerin vom 29. Dezember 1958 genannten freien Mitarbeiter keine Versicherungspflicht besteht.
Der beklagte SR rügt eine Verletzung mehrerer Vorschriften der RVO, des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG). Der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses sei verkannt worden. Das LSG habe festgestellt, daß mit den einzelnen freien Mitarbeitern Werkverträge mit besonderer Honorarvereinbarung abgeschlossen worden seien. Dies entspreche den tatsächlichen Gegebenheiten. Die Rundfunkanstalten seien zur Erfüllung des Programmauftrages auf freie Mitarbeit angewiesen. Sie müßten bei der Programmgestaltung unabhängig, d. h. frei von rechtlichen Bindungen entscheiden und disponieren können. Der SR weist auf die dem Rundfunk durch Art. 5 des Grundgesetzes (GG) zugewiesenen Aufgaben hin. Die in Art. 5 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit bedeute Funktionsfreiheit und Organisationsfreiheit in diesem Rahmen. Die Verwirklichung des Verfassungsauftrages werde bei Annahme eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses, das ein Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft sei, berührt; denn der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz bedeute praktisch Unkündbarkeit und Zugehörigkeit des freien Mitarbeiters zur Rundfunkanstalt bis zur Erreichung der Altersgrenze. Damit würde der Betrieb der Anstalten blockiert. Durch die Anwendung sozialversicherungsrechtlicher Bestimmungen dürfe die Organisationsfreiheit des Rundfunks nur in dem unbedingt erforderlichen Maß eingeschränkt und die Rundfunkfreiheit nicht gefährdet werden. Die Häufigkeit und Regelmäßigkeit der Tätigkeit freier Mitarbeiter sei als Kriterium für ein Beschäftigungsverhältnis und Versicherungspflicht ungeeignet; denn eine solche Beurteilung wäre immer nur rückschauend in die Vergangenheit möglich. Das LSG habe nicht beachtet, daß jeder freie Mitarbeiter eine Tätigkeit ablehnen könne. Dies sei entscheidend für die freie Mitarbeit. Ein Arbeitnehmer hingegen könne die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten nicht ohne das Risiko der Kündigung verweigern. Die freien Sprecher seien nicht in den Betrieb des Beklagten eingegliedert gewesen. Daß Arbeiten in den Räumen des Auftraggebers durchzuführen seien, ergebe sich aus der Natur der Sache.
Die klagende AOK hat beantragt, die Revision des beklagten SR zurückzuweisen.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und Bundesanstalt für Arbeit (BA) haben beantragt, die Revision des beklagten SR zurückzuweisen.
Der Prozeßbevollmächtigte der beigeladenen Sprecher zu 3) und 4) hat u. a. ausgeführt, bei den freien Mitarbeitern sei die „Funktionszuweisung” ausgeprägt. Das Direktionsrecht werde durch die inhaltliche Bestimmung der Funktion ausgeübt. Auch bei nur kurzfristiger Beschäftigung seien die Personen betrieblich eingegliedert. Abgesehen davon sei die ständige regelmäßige Heranziehung ein verbindliches Zeichen für die Eingliederung in den Betrieb. Der Prozeßbevollmächtigte weist noch auf den zur Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes vorgeschlagenen § 12 a hin.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des beklagten SR ist zulässig. Sie ist begründet, soweit die klagende AOK von ihm die Entrichtung von Beiträgen zur Krankenversicherung (KrV) und Arbeitslosenversicherung (ArblV) verlangt. Hinsichtlich der Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV) ist die Revision des SR insoweit begründet, als die AOK von ihm die Entrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 1. Januar 1957 an fordert. Da die AOK erklärt hat, daß sie die Forderung von Beiträgen zur Kasse für Familienzulagen nicht mehr erhebt, hatte der Senat hierüber nicht zu entscheiden.
Bei der Beurteilung, ob der SR zur Entrichtung von Beiträgen für die beigeladenen Sprecher und die verstorbenen Sprecher verpflichtet ist, sind z.T. nur im Saarland eingeführte Änderungen und Ergänzungen des in der RVO geregelten Rechts der KrV, des AVG und des AVAVG zu berücksichtigen. Dieses Recht des Saarlandes ist revisibel (vgl. SozR Nr. 1 zu § 2 des G 345 Saar vom 20.6.1952; SozR Nr. 1 zu § 12 des Hüttenknappschaftlichen Pensionsversicherungsgesetzes Saar vom 7.11.1952; SozR Nr. 1 zu § 5 der BKVO Saar vom 2.7.1954; S. auch Begründung zu § 5 des Regierungsentwurfs des Gesetzes über die Eingliederung des Saarlandes vom 23.12.1956 BT-Drucks. II/2902).
Das materielle Versicherungsrecht der RVO aF und des AVG aF blieb im Saarland nach 1945 grundsätzlich gültig (Art. 3 der VO Nr. 1 vom 26.6.1947 – AmtsBl. 1947, 232). Jedoch wurde die Versicherungspflicht auf alle abhängig Beschäftigten ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens ausgedehnt (Art. 3 der Vfg. vom 20.12.1946 – AmtsBl. 1947, 19; VO vom 4.11.1947 – AmtsBl. 1947, 582; VO vom 2.3.1948 – AmtsBl. 1948, 318). Die Krankenkassen wurden aufgelöst. Es wurde eine einheitliche Landesversicherungsanstalt (LVA) errichtet (Vfg. vom 20.12.1946 – AmtsBl. 1947, 19; Art. 2 und 5 der VO Nr. 1 vom 26.6.1947 – AmtsBl. 1947, 232). Den ihr unterstehenden örtlichen Kreisversicherungsanstalten oblag der Einzug der Sozialversicherungsbeiträge (Art. 4 und 7 der VO vom 26.6.1947 – AmtsBl. 1947, 232; Art. 1 und 3 der VO vom 12.9.1947 – AmtsBl. 1947, 394; §§ 1 und 4 der VO vom 4.11.1947 – AmtsBl. 1947, 582). Das Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (Art. 3 § 6) wurde im Saarland durch das G Nr. 590 vom 13.7.1957 – AmtsBl. 1957, 789 – mit Wirkung vom 1. Januar 1957 an eingeführt (vgl. BABl. 1960, 123).
Die ArblV wurde weiterhin nach dem AVAVG aF durchgeführt, wie sich aus Änderungen dieses Gesetzes im Saarland ergibt (vgl. BABl. 1957, 20; Abschn. V der VO vom 17.12.1947 – AmtsBl. 1948, 109; § 1 der Rechtsanordnung vom 23.5.1947 – AmtsBl. 1947, 282). Unständig Beschäftigte waren nach dem 1945 noch geltenden § 75 b AVAVG idF von 12.10.1929 nur versicherungspflichtig, wenn dies angeordnet wurde; es war bis dahin nur für Hafenarbeiter angeordnet (vgl. Fangmeyer, Handbuch zum AVAVG, 2. Aufl., Stand 15.5.1941, und 1. bis 3. Aufl., Stand 1.7.1956, jeweils zu § 75 b AVAVG).
Das Bestehen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses war auch im Saarland Voraussetzung der Versicherungs- und Beitragspflicht.
Die Rechtsprechung hat verschiedene Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und zur Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit auf Grund von Werkverträgen und Dienstverträgen herausgestellt. Dabei ist immer das Gesamtbild für maßgeblich erklärt worden.
Ein wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist die Eingliederung des Tätigen in den Betrieb des Arbeitgebers, die mit dessen Weisungsrecht oder mit der dieses ersetzenden funktionsgerechten Teilhabe am Betriebsablauf verbunden ist (vgl. Urteil des Senats vom 1.3.1972 – 12/3 RK 43/69 mit weiteren Nachweisen; SozR Nr. 71 zu § 165 RVO).
Der Beschäftigte stellt – anders als der auf Grund selbständigen Dienstvertrags Tätige, dessen Arbeit „selbstbestimmt” ist (z. B. der freiberuflich tätige Arzt, Rechtsanwalt, Architekt u. a.) – seine Arbeitskraft mit seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten dem Arbeitgeber für eine gewisse Zeitdauer zur Verfügung („fremdbestimmte” Tätigkeit). Der Arbeitgeber macht davon Gebrauch, indem er den Beschäftigten anweist, wie und wozu er seine Arbeitskraft während dieser Zeit einzusetzen hat. Der Beschäftigte schuldet die weisungsgemäße Verwendung seiner Arbeitskräfte Der durch Werkvertrag Verpflichtete schuldet hingegen den faßbaren Erfolg seiner Tätigkeit, ein zu erzielendes Ergebnis; seine Verpflichtung erschöpft sich nicht in einem Tätigsein während einer bestimmten Zeit. Sie wird erst mit dem gelungenen Ergebnis seiner Tätigkeit erfüllt. Dabei ist für die Beurteilung der Tätigkeit auch von Bedeutung, ob der Verpflichtete in Ausübung eines freien Berufs mit eigenem Betrieb sein Arbeitsergebnis oder seine Dienste unterschiedlichen Interessenten anbietet. Ein Merkmal für eine Eingliederung ist der Umstand, daß der Verpflichtete seine Tätigkeit nicht ausführen kann, ohne die betrieblichen Einrichtungen des Beschäftigungsgebers, d. h. dessen personalen und sächlichen Apparat zu benutzen. Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Verpflichteten von einem Auftrag- oder Arbeitgeber ist kein brauchbares Abgrenzungsmerkmal; denn bei den vielfältigen Verflechtungen im Berufs- und Wirtschaftsleben ist auch der Freischaffende vom Auftraggeber wirtschaftlich abhängig.
Bei der Mitwirkung in den einzelnen Sendungen waren die beigeladenen und verstorbenen Sprecher beim beklagten SR abhängig beschäftigt. Sie waren mit ihrer Tätigkeit während ihres Einsatzes in einer Sendung und der Vorbereitung hierzu in den Betrieb des SR – Darbietung von Sendungen – eingegliedert. Sie unterlagen bei ihrer Arbeit den Weisungen des SR. Sie waren verpflichtet, Texte zu sprechen, die der SR ihnen vorschrieb. Daß sie die Texte künstlerisch vorzutragen hatten, ändert nichts daran, daß sie den Weisungen des SR unterlägen. Ihre Fähigkeit zum künstlerischen Sprechen war Voraussetzung dafür, daß sie mit dem SR einen Einsatz als Sprecher vereinbarten. Sie konnten ihre Tätigkeit für den SR – das künstlerische Vortragen von vorgegebenen Texten – nur unter Verwendung von dessen Einrichtungen ausüben. Die Eingliederung der beigeladenen und der verstorbenen Sprecher in den Betrieb des SR und dessen Weisungsrecht reichten nicht über den einzelnen vereinbarten Einsatz hinaus. Mit der Beendigung eines Einsatzes war jeweils das Beschäftigungsverhältnis beendet. Der SR war nicht berechtigt, die beigeladenen und verstorbenen Sprecher zu einem anderen späteren Einsatz anzuweisen. Wenn die beigeladenen Sprecher meinen, mittelbar seien sie gezwungen gewesen, Vorschläge des SR für die Vereinbarung neuer Einsätze anzunehmen, weil sie bei wiederholter Ablehnung solcher Vereinbarungen vom SR keine Aufträge mehr bekommen hätten, so sind dies subjektive Überlegungen, die ihr Interesse an weiteren Einsätzen zeigen. Daraus kann nicht eine ununterbrochen fortdauernde Eingliederung in den Betrieb des SR mit dessen Befugnis, die Sprecher zu bestimmten weiteren Einsätzen anzuweisen, gefolgert werden. Sozialversicherungsrechtlich kommt es auf die tatsächliche Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen an. Tatsächlich bestand für die beigeladenen und verstorbenen Sprecher ein Weisungsrecht des SR nur während des einzelnen, jeweils eigens vereinbarten Einsatzes, nur während dieser Zeit waren sie in den Betrieb des SR eingegliedert. Außerhalb von Einsätzen hatte der SR kein Weisungsrecht, das die Sprecher verpflichtet hätte, an späteren Sendungen auf Verlangen des SR auch ohne ihr jeweiliges neues Einverständnis mitzuwirken. Eine solche Berechtigung und Verpflichtung wäre aber Voraussetzung für die Annahme eines über den einzelnen Einsatz hinaus fortdauernden Beschäftigungsverhältnisses. Die Eingliederung in einen Betrieb und das Weisungsrecht des Arbeitgebers betreffen die gegenseitigen Beziehungen, die während des Beschäftigungsverhältnisses bestehen; sie erstrecken sich nicht auf das Eingehen eines Beschäftigungsverhältnisses. Hierbei sind die Beteiligten frei, auch wenn Zweckmäßigkeits- und sonstige Überlegungen bei ihnen eine Rolle spielen. Auch die Eigenschaft als „ständige” freie Mitarbeiter des SR bedeutet nicht, daß die hier beteiligten Sprecher in der hier umstrittenen Zeit ununterbrochen in den Betrieb des SR eingegliedert waren und daß dieser ununterbrochen anhaltende Verfügungsmacht über ihre Arbeitskraft besessen hätte. Diese Eigenschaft besagt nur, daß die Sprecher sich öfters zu Einsätzen zur Verfügung stellen wollten und daß der SR allgemein von ihrer Mitwirkung bei Sendungen ausgehen konnte. Verwirklicht wurde die Eingliederung in den Betrieb aber nur bei dem jeweils eigens und neu vereinbarten Einsatz in einer Sendung.
Die beigeladenen und die verstorbenen Sprecher waren unständig Beschäftigte im Sinne des § 441 RVO. Nach dieser Vorschrift ist unständig die Beschäftigung, die auf weniger als eine Woche entweder nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch den Arbeitsvertrag beschränkt ist. Zu dieser Vorschrift ist im Entwurf der RVO gesagt: Bei der unständigen Beschäftigung handelt es sich um Personen, deren Hauptberuf die Lohnarbeit bildet, die aber ohne festes Arbeitsverhältnis bald hier, bald dort, heute mit dieser, morgen mit jener Arbeit beschäftigt sind. Die Vorschrift verlangt nicht, daß die unständige Beschäftigung bei stets wechselnden Arbeitgebern ausgeübt wird. Sie kann auch bei demselben Arbeitgeber vorliegen und dies kann sich häufig wiederholen. Dies ist bereits in der Rechtsprechung dargelegt worden (vgl. AN 1932, 22; SozR Nr. 1 zu § 441 RVO, Urteil des Senats vom 31.1.1973 – 12/3 RK 16/70).
Nach § 441 RVO muß die Unständigkeit der Beschäftigung in der „Natur der Sache” liegen. Diese liegt hier in den Besonderheiten, die der Betrieb des SR als Rundfunkanstalt bei der Darbietung von Sendungen mit sich bringt. Sie ergeben sich aus dem Grundsatz der Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Rundfunk ist eines der mächtigsten Massenkommunikationsmittel. Er ist der Allgemeinheit verpflichtet. Er ist ein eminenter Faktor der öffentlichen Meinungsbildung und ein kulturelles Phänomen. Seine Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich nicht auf Nachrichtensendungen und politische Kommentare, sie geschieht auch in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, kabarettistischen Programmen bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung (BVerfG 12, 229, 260 ff; 31, 325, 327 f). So wie die kollegialen Organe des Rundfunks in angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind, müssen alle diese Kräfte im Gesamtprogramm zu Wort kommen können. Daher muß das Anliegen des SR, daß diese Aufgaben wegen der notwendigen Vielfalt und Abwechslung in den Darbietungen nicht allein mit einem festbegrenzten Kreis von Dauerbeschäftigten erfüllt werden können, von der Rechtsprechung als berechtigt anerkannt werden. Es ist dem SR zuzugeben, daß er imstande sein muß, „mal diese, mal jene” Mitarbeiter oder den einzelnen Mitarbeiter „mal jetzt, mal später” zur Mitwirkung in Programmen heranzuziehen, und daß die Freiheit in der Programmgestaltung und die Notwendigkeit der Abwechslung es nicht zulassen, Mitarbeiter in einem Umfang und einer Häufigkeit und Dauer zu beschäftigen, die nicht von der Programmgestaltung her bestimmt wäre, sondern sich aus rechtlichen Gründen eines Dauerbeschäftigungsverhältnisses ergeben würden. Diese Überlegungen gelten auch für die Annahme von kurzfristigen häufigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne des AVG aF.
§ 441 RVO galt in der hier umstrittenen Zeit für die KrV und die ArblV. Im AVG aF war nicht auf den Begriff der unständig Beschäftigten in § 441 RVO verwiesen. Dies hindert jedoch nicht, daß Personen, die mit ihrer Tätigkeit die Merkmale eines gegen Entgelt beschäftigten Angestellten erfüllten, in häufiger Wiederkehr jeweils kurze Beschäftigungsverhältnisse eingehen können. Bei dem komplizierten und differenzierten Arbeitsleben können Beschäftigungsverhältnisse sehr vielfältig und unterschiedlich gestaltet sein; dies gilt, wie dargelegt, besonders für Rundfunkanstalten.
Unständige Beschäftigungen und auch kurzfristige Beschäftigungen begründen regelmäßig Versicherungspflicht in der KrV und AnV. Ausnahmen sind in § 168 RVO, § 10 AVG aF und § 4 AVG nF enthalten.
In der vor Erlaß der Ersten Vereinfachungs-VO vom 17.3.1945 geltenden Fassung – sie ist im Saarland nicht in Kraft getreten (siehe SozR Nr. 8 zu § 168 RVO) – in Verbindung mit der Bekanntmachung betreffend die Befreiung vorübergehender Dienstleistungen von der KrV-Pflicht vom 17.11.1913 idF vom 16.12.1927 und 23.3.1939 blieben vorübergehende Dienstleistungen unter den dort bestimmten Voraussetzungen versicherungsfrei. Die Beschäftigungen der beigeladenen und der verstorbenen Sprecher als ständige freie Mitarbeiter beim SR fallen nicht darunter, denn sie wurden nicht nur „gelegentlich”, nicht nur „nebenher” und nicht gegen ein „geringfügiges”, d. h. für den Lebensunterhalt nicht wesentliches Entgelt verrichtet. – Entsprechendes gilt auch für die Versicherungsfreiheit nach § 168 RVO idF der 1. Vereinfachungs-VO –. Die Beschäftigungen beim SR waren vielmehr der der Bestreitung des Lebensunterhalts dienender Hauptberuf der hier beteiligten Sprecher.
Ähnlich war die Versicherungsfreiheit vorübergehender Dienstleistungen nach § 10 AVG in der vor der 1. Vereinfachungs-VO geltenden Fassung in Verbindung mit der VO vom 9.2.1923 idF vom 19.12.1931 und 23.3.1939 geregelt (vgl. bei Koch-Hartmann, AVG, Anm. zu § 10 AVG aF). Die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit „gelegentliche” Beschäftigung, „nur nebenher”, „gegen einen geringfügigen Entgelt” sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auch die Voraussetzungen einer Versicherungsfreiheit nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 und 6 AVG idF vom 23.2.1957 liegen hier aus den gleichen Gründen nicht vor, denn die Sprecher haben als ständige freie Mitarbeiter ihre Beschäftigungen beim SR hauptberuflich ausgeübt. Die beigeladenen und die verstorbenen Sprecher waren somit als unständig bzw. jeweils kurzfristig Beschäftigte nicht versicherungsfrei nach diesen Vorschriften. In der ArblV waren sie nach § 75 b AVAVG aF nicht versicherungspflichtig.
Bei unständig Beschäftigten beginnt die Versicherungspflicht in der KrV gemäß § 442 RVO erst mit der Eintragung der Beschäftigten im Mitgliederverzeichnis. Hier konnten die beigeladenen und die verstorbenen Sprecher wegen der abweichenden Rechtsauffassung der Beteiligten nicht in dieses Verzeichnis eingetragen sein. Deshalb wurden sie nicht versicherungspflichtig in der KrV; Beiträge sind mangels Mitgliedschaft nicht zu fordern.
Für die Beitragsentrichtung zur AnV waren in § 184 AVG aF, wonach bestimmte Gruppen von Beschäftigten selbst die Pflichten des Arbeitsgebers zu erfüllen, d. h. die Beiträge selbst zu entrichten hatten, unständig Beschäftigte im Sinne des § 441 RVO nicht auf geführt. Aus diesem Grund müssen die allgemeinen Vorschriften über den Beitragseinzug für die AnV auch für häufig kurzfristig bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Personen angewendet werden. Diese allgemeinen Vorschriften sind hier die Bestimmungen über den Lohnabzug nach der Zweiten Lohnabzugs-Verordnung vom 24.4.1942 (2. LAV) in Verbindung mit der Durchführungs-VO vom 15.6.1942 (AK 1942, 290, 358). Nach § 13 Abs. 3 der 2. LAV gelten §§ 6 bis 12 über das Lohnabzugsverfahren nicht für die Pflichtversicherung der unständig Beschäftigten im Sinne des § 441 RVO. Nach § 15 Abs. 3 der Durchführungs-VO zur 2. LAV hatten Teilbeschäftigte und unständig Beschäftigte im Sinne des § 441 RVO selbst die Beitragspflicht zu erfüllen. Da aber das AVG aF, wie ausgeführt, keine besondere Vorschrift über den Beitragseinzug für unständig Beschäftigte im Sinne des § 441 RVO enthielt und nicht auf § 441 RVO verwies – es regelt nur den Beitragseinzug für Teilbeschäftigte in § 184 AVG aF – hatte der Arbeitgeber auch bei kurzfristig Beschäftigten die Beiträge zur AnV im Lohnabzugsverfahren einzubehalten und an die Einzugsstelle zu entrichten. Infolgedessen ist die Forderung der klagenden AOK gegen den SB auf Entrichtung von Beiträgen für die beigeladenen und die verstorbenen Sprecher zur AnV nebst den insoweit beanspruchten Säumniszuschlägen für die Zeit der Geltung des AVG aF, d. h. bis zum 31.12.1956, begründet. Insoweit ist die Revision des SR nicht begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 195 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Kostenverteilung erschien im Hinblick darauf angebracht, daß die sachliche Grundlage des umstrittenen Bescheides, nämlich die Versicherungspflicht der beigeladenen und der verstorbenen Sprecher, zum Teil zu bestätigen war.
Unterschriften
Dr. Haug, Dr. Friederichs, Geyser
Fundstellen