Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) ist ein Krankenversicherungsunternehmen iS der RVO § 173a Abs 1 S 1 (Anschluß an BSG 1961-03-21 3 RK 64/60 = BSGE 14, 116-118 und BSG 1967-08-23 3 RK 55/66 = BSGE 27, 129-134).
2. Nur wer selbst bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist, kann sich von der Versicherungspflicht nach RVO § 173a Abs 1 S 1 befreien lassen.
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzungen für die Befreiung nach RVO § 173a:
1. Nach RVO § 173a Abs 1 S 1 wird auf Antrag von der Versicherungspflicht nach RVO § 165 Abs 1 Nr 3 (Rentnerkrankenversicherung) befreit, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und für sich und seine Angehörigen, für die ihm Familienkrankenpflege zusteht, Vertragsleistungen erhält, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen.
2. Das Begehren eines Antragstellers auf Befreiung muß jedoch daran scheitern, wenn der Antragsteller nicht selbst Mitglied der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten ist, sondern bei dieser nur als sogenannter "Mitversicherter" versichert ist, wobei auch zu beachten ist, daß die Leistungen aus der privaten Krankenversicherung allein dem Versicherten zustehen müssen.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1967-12-21, Abs. 6 Fassung: 1967-12-21, § 173a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1967-12-21, § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1967-12-21, § 205 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1930-12-01, § 205a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1967-12-21, § 205b Fassung: 1956-06-12
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 29. April 1976 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 173 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu befreien.
Gleichzeitig mit ihren an die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) gerichteten Anträgen auf Rente und Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO vom 1. Juni 1974 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, sie von der Versicherungspflicht in der KVdR nach § 173 a RVO zu befreien. Seit dem 1. Juni 1974 gewährt die BfA der Klägerin Versichertenrente. Die Beklagte lehnte den Befreiungsantrag ab, weil die Klägerin nicht selbst bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert, sondern lediglich durch ihren Ehemann als Mitglied der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) mitversichert sei (Bescheid vom 18. Juni 1974). Die Widerspruchsstelle leitete den Widerspruch der Klägerin dem Sozialgericht (SG) Regensburg als Klage zu, nachdem die Klägerin dem schriftlich zugestimmt hatte (§ 85 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Das SG hat den Bescheid der Beklagten aufgehoben und dieser aufgegeben, die Klägerin mit Wirkung zum 1. Juni 1974 von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO zu befreien. Es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 29. April 1976).
Unter Vorlage der schriftlichen Zustimmung der Klägerin hat die Beklagte gegen das Urteil des SG Sprungrevision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 173 a RVO.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Regensburg aufzuheben und die Klage der Klägerin gegen ihren Bescheid vom 18. Juni 1974 abzuweisen.
Die Klägerin ist nicht vertreten.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil nach § 124 Abs. 2 SGG entscheidet.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des SG ist aufzuheben. Die Klage der Klägerin gegen den Bescheid der Beklagten ist abzuweisen.
Die Beklagte hat es mit Recht abgelehnt, die Klägerin von der Versicherungspflicht in der KVdR nach § 173 a RVO zu befreien. Nach § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO wird auf Antrag von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO befreit, wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und für sich und seine Angehörigen, für die ihm Familienkrankenpflege zusteht, Vertragsleistungen erhält, die der Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen.
Die KVB ist ein Krankenversicherungsunternehmen i.S. dieser Vorschrift. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach zu § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO ausgesprochen (BSGE 14, 116, 118 = SozR Nr. 2 zu § 381 RVO; 27, 129, 134 = SozR Nr. 15 aaO). Zwar ist in dieser Vorschrift, die den Anspruch auf einen Beitragszuschuß der Empfänger von Rente und Hinterbliebenenrente aus den Versicherungen der Arbeiter und der Angestellten regelt, abweichend zum Wortlaut des § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO von "privaten" Versicherungsunternehmen die Rede, bei der die genannten Personen gegen Krankheit versichert sind. Indes ist das Wort "privat" lediglich als Unterscheidung gegenüber den gesetzlichen Krankenversicherungsträgern aufzufassen (BSGE 14, 116, 118 mit Nachweis; 27, 129, 131 mit Nachweisen). Unerheblich ist es demnach, daß die KVB eine betriebliche Sozialeinrichtung der Deutschen Bundesbahn (§ 1 Abs. 1 Satz 1 der Satzung) und eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 2 Satz 1 aaO) ist. Der Senat trägt keine Bedenken, auch im Rahmen des § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO die KVB ebenfalls als Krankenversicherungsunternehmen anzusehen (ebenso: Jantz, Krankenversicherung der Rentner, 2. Aufl. 1970, § 173 a, Anm. 2; Schmatz/Pöhler, Die Rentnerkrankenversicherung, 2. Aufl. 1968, § 173 a, Anm. 1 a).
Das Begehren der Klägerin, sie von der Versicherungspflicht nach § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO zu befreien, scheitert jedoch deshalb, weil sie nicht selbst bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist. Schon der Wortlaut der Vorschrift: "Wer bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert ist und für sich und seine Angehörigen ... Vertragsleistungen erhält", gibt Aufschluß darüber, wem der Befreiungsanspruch zusteht. Der erste Satzteil mag noch die Vorstellung rechtfertigen, daß außer dem Versicherungsnehmer auch mitversicherte Personen "versichert" sind. Der weitere Satzteil stellt jedoch klar, daß der Versicherungsnehmer allein derjenige ist, dem die vertragsmäßigen Leistungen geschuldet werden, mögen sie auch mitversicherten Personen zugute kommen. Insbesondere stützten Sinn und Zweck der hier auszulegenden Vorschrift das bereits aus dem Wortlaut entwickelte Ergebnis. Die Befreiungsmöglichkeit knüpft nämlich daran an, daß der Rentner nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO selbst in der Krankenversicherung pflichtversichert ist, es sei denn, daß er nicht nach § 165 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 RVO oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften versichert ist (§ 165 Abs. 6 RVO). Dem pflichtversicherten Rentner steht der volle Krankenversicherungsschutz der gesetzlichen Krankenversicherung mit Einschluß der Familienhilfe der §§ 205, 205 a, 205 b RVO zu. Die Befreiungsmöglichkeit des § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO soll dem an sich pflichtversicherten Rentner als Anspruchsinhaber zustehen, wenn die Vertragsleistungen ihrer Art nach den Leistungen der Krankenhilfe entsprechen. Dabei ist aber stets zu beachten, daß auch die Leistungen aus der privaten Krankenversicherung allein dem Versicherten zustehen müssen. Sofern durch den privaten Krankenversicherungsvertrag mitversicherte Personen keinen eigenen Anspruch auf die Vertragsleistungen haben, fehlt es an dem eigenen und selbständigen Leistungsanspruch gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Insofern hängt der Krankenversicherungsschutz des Mitversicherten vom Bestand und Fortbestand des Krankenversicherungsvertrags ab. Eine derartige Abhängigkeit, die zu wesentlichen Teilen in der Entschließungsfreiheit des Versicherungsnehmers liegen kann, folgt für die Klägerin als mitversicherte Ehefrau aus der Satzung der KVB. Über die Aufnahme in die KVB bestimmt § 19 Abs. 1 der Satzung folgendes:
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"(1) |
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Aufnahmeberechtigt als Mitglieder sind die bei der DB beschäftigten |
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a) |
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Beamten und nichtkrankenversicherungspflichtigen Angestellten, |
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b) |
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Hoch- und Fachschulpraktikanten, soweit sie in Krankheitsfällen nicht anderweitig geschützt sind, |
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c) |
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hauptamtlichen Ärzte der DB. |
Außerdem sind aufnahmeberechtigt frühere Ehefrauen von verstorbenen Mitgliedern aus geschiedenen oder für nichtig erklärten Ehen, wenn und solange sie Unterhaltsbeiträge (laufende Bezüge) von der DB erhalten.
Ruhegehalts- und Wartegeldempfänger sowie Witwen sind nicht aufnahmeberechtigt."
§ 22 der Satzung regelt die Mitversicherung des Ehegatten:
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"(1) |
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Die Ehefrau eines Mitglieds ist mitversichert, auch wenn sie in einer gesetzlichen Krankenkasse, einer Ersatzkasse oder einer Privatkrankenkasse versichert ist. |
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(5) |
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Die Mitversicherung endet |
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a) |
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mit dem Ende der Mitgliedschaft, |
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b) |
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durch den Tod des Mitversicherten, |
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c) |
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bei Auflösung der Ehe durch gerichtliche Entscheidung mit deren Rechtskraft, |
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d) |
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im Falle des Abs. 2 auf Antrag des Mitgliedes mit Ablauf des Monats der Antragstellung." |
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung hat nur das Mitglied Anspruch auf die satzungsmäßigen Leistungen:
"Das Recht auf Leistungen für sich und seine mitversicherten Angehörigen steht nur dem Mitglied selbst zu."
Diese Vorschrift wird noch durch diejenige des § 30 der Satzung ergänzt, wonach die KVB den Mitgliedern Leistungen nach dieser Satzung und dem Tarif im Anhang II auf Antrag gewährt, wobei antragsberechtigt grundsätzlich nur das Mitglied selbst ist (Abs. 1 und 2 dieser Satzungsvorschrift).
Die oben aufgeführten Satzungsbestimmungen lassen also eindeutig erkennen, daß die Klägerin als mitversicherte Ehefrau keine eigene Mitgliedschaft in der KVB hat und nicht selbst berechtigt ist, Ansprüche auf satzungsmäßige Leistungen zu erheben. Die Klägerin ist vom Willen und Handeln des Ehemanns als Mitglied der KVB abhängig. Das entspricht aber nicht dem Schutzgedanken des § 173 a Abs. 1 Satz 1 RVO, der einen vollen eigenen Versicherungsschutz für die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO voraussetzt.
Wie zu entscheiden wäre, wenn ein privater Krankenversicherungsvertrag auch dem darin begünstigten Mitversicherten einen eigenen Anspruch verleihen würde, kann hier wegen der eindeutig anderen Fallgestaltung offenbleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen