Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Berufung bei Anpassung der Dauerrente aufgrund des RAG 21
Orientierungssatz
Ein Bescheid über die Anpassung der Dauerrente nach dem RAG 21 hat die Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse iS des § 145 Nr 4 SGG zum Inhalt (vgl BSG 1971-09-28 7/2 RU 47/68 = BSGE 33, 145).
Normenkette
SGG § 145 Nr 4 Fassung: 1958-06-25; RAG 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger bezieht wegen der Folgen eines Unfalls, den er am 19. September 1963 bei seiner Tätigkeit als Tierarzt und Fleischbeschauer erlitten hat, von dem Beklagten eine Verletztenrente, die seit Juli 1976 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. gewährt wird (Neufeststellungsbescheid vom 10. April 1979). Im ersten Bescheid über die Gewährung einer vorläufigen Rente und der Dauerrente vom 10. September 1965 hatte der Beklagte den Jahresarbeitsverdienst (JAV) des Klägers, dessen Einkommen im Jahre vor dem Unfall mehr als 36.000,- DM betrug (ca. 37.000,- DM, s S 2 des LSG-Urteils), auf 36.000,-- DM festgesetzt (Höchstbetrag nach § 575 Abs 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-). Durch Verordnung (VO) vom 21. März 1972 über die Höchstgrenze des JAV im Bereich der Ausführungsbehörde für Unfallversicherung des Landes Nordrhein-Westfalen (GV NW 1972, 74) wurde aufgrund des § 575 Abs 2 Satz 2 und 3 Nr 2 RVO die Höchstgrenze des JAV mit Wirkung vom 1. Juli 1971 - auch für vor dem Inkrafttreten der VO eingetretene Unfälle, soweit das 13. Rentenanpassungsgesetz (RAG) anzuwenden war - auf 48.000,-- DM bestimmt. Daraufhin hatte der Beklagte den JAV des Klägers nach dem 13., 14. und 15. RAG auf zuletzt 48.000,- DM festgesetzt (vom 1. Januar 1973 an). Mit Wirkung vom 1. Januar 1979 wurde der Höchstbetrag des JAV auf 60.000,-- DM geändert (VO vom 15. Mai 1979, - GV NW 1979, 440).
Unter Bezugnahme auf die VO vom 15. Mai 1979 paßte der Beklagte durch Bescheid vom 26. Juni 1979 die Rente des Klägers nach dem 21. RAG vom 25. Juli 1978 (BGBl I 1089) in der Weise an, daß er den bis dahin maßgebenden Höchst-JAV von 48.000,- DM mit 1,069 vervielfältigte (§ 10 Abs 1 Satz 1 des 21. RAG); danach betrug der JAV vom 1. Januar 1979 an 51.312,- DM.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage. Der Kläger begehrt die Berechnung seiner Rente für die Zeit vom 1. Januar 1979 an nach dem Höchst-JAV von 60.000,- DM mit der Begründung, auch ohne Auswirkung auf den festgestellten früheren Höchstbetrag des JAV von 48.000,- DM hätte seine Rente in den Jahren 1974 bis 1978 jedenfalls rechnerisch angepaßt werden müssen, so daß die Vervielfältigung des JAV nach dem 21. RAG vom 1. Januar 1979 an 60.000,- DM ergebe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Oktober 1980). In der Rechtsmittelbelehrung wird die Berufung als zulässig bezeichnet. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27. Mai 1981). Es hat ohne Begründung das Rechtsmittel ebenfalls als zulässig erachtet und ua ausgeführt, der Beklagte sei bei der Anpassung der Rente nach dem 21. RAG zu Recht von dem bis zum 31. Dezember 1970 maßgebend gewesenen Höchstbetrag des JAV von 48.000,- DM ausgegangen.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und vertritt weiterhin die Auffassung, bei der Anpassung nach dem 21. RAG hätte der Beklagte von einem nach den früheren RAGen errechneten höheren JAV als dem Höchstbetrag von 48.000,- DM ausgehen müssen.
Er beantragt, unter Aufhebung der Urteile des SG und des LSG sowie in Änderung des Bescheides vom 26. Juni 1979 den Beklagten zu verurteilen, vom 1. Januar 1979 an die Verletztenrente nach einem JAV von 60.000,- DM zu gewähren.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis nicht begründet. Das LSG hätte die Berufung des Klägers als unzulässig verwerfen müssen, anstatt durch ein Sachurteil über das Rechtsmittel zu entscheiden (s zur Entscheidung in der Sache BSG Urteil vom 24. Juni 1981 - 2 RU 11/80, Beschluß vom 30. November 1981 - 2 BU 132/81).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (s BSGE 1, 126, 128; 2, 225, 226; BSG SozR 1500 § 150 Nrn 11, 18) ist bei einer zugelassenen Revision von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässig ist. Das SG hat dieses Rechtsmittel nicht gemäß § 150 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugelassen. Es ist im vorliegenden Fall nach § 145 Nr 4 SGG ausgeschlossen, weil es sich um die Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse handelt und die Ausnahmen dieser Vorschrift nicht gegeben sind.
Gegenstand des Rechtsstreits vor dem SG und damit auch der Berufung war der Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 1979, durch den die Verletztenrente des Klägers mit Wirkung vom 1. Januar 1979 an nach dem 21. RAG unter Berücksichtigung des durch die VO vom 15. Mai 1979 eingeführten Höchst-JAV von 60.000,- DM angepaßt wurde (§ 579 Abs 1 RVO). Ein solcher Anpassungsbescheid hat die Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 145 Nr 4 SGG zum Inhalt (BSG SozR Nr 1 und 9 zu § 145 SGG und Nr 40 zu § 215 SGG; BSGE 33, 145, 146; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 9. Aufl, S 250m II; Meyer-Ladewig, SGG, § 145 RdNr 6, Peters/Sautter/ Wolff, Kommentar, zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl, § 145 Anm 5 Buchst b). Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne dieser Vorschrift kann auch in der Veränderung von Tatsachen bestehen, die außerhalb des durch den Unfall geschaffenen Gesundheitszustandes liegen, insbesondere - wie hier - in der Änderung der bei der früheren Feststellung der Dauerrente für die Berechnung der Rente maßgebend gewesenen Vorschriften und Bestimmungen (BSG aaO; Meyer-Ladewig aaO). In diesen Fällen ist die Berufung ausgeschlossen, unabhängig davon, ob die Änderung der Vorschriften über die Rentenberechnung zu einer Neufeststellung aufgrund des § 622 RVO (§ 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren -SGB X-) führt oder die Anpassung nach den besonderen Vorschriften der RAGe vorgenommen wird (BSGE 33, 145, 146).
Der irrtümliche Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung des SG auf die Zulässigkeit der Berufung bewirkt nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht die Zulassung des Rechtsmittels gemäß § 150 Nr 1 SGG (s BSGE 5, 92, 95; Brackmann aaO S 250s; Meyer- Ladewig aaO § 150 RdNr 7). Wesentliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
Die Revision des Klägers ist danach mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Berufung gegen das Urteil des SG als unzulässig verworfen wird. Dem steht der Grundsatz des Verbots der Schlechterstellung nicht entgegen (s BSGE 2, 225, 228; BSG SozR Nr 40 zu § 215 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.
Fundstellen