Verfahrensgang
SG Reutlingen (Urteil vom 11.03.1987) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. März 1987 aufgehoben.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1985 wird auf gehoben, soweit die Erstattung der zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit entrichteten Beiträge abgelehnt worden ist.
Im übrigen wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin in der Zeit vom 19. Februar bis zum 14. März 1985 als Arbeitnehmerin in der Krankenversicherung und der Rentenversicherung versicherungspflichtig und nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beitragspflichtig war und ob ihr entrichtete Beiträge zu erstatten sind.
Die 1956 geborene Klägerin war im Wintersemester 1984/85 und im Sommersemester 1985 als Studentin an der Universität Tübingen immatrikuliert. Die vorlesungsfreie Zeit zwischen diesen beiden Semestern dauerte vom 17. Februar bis zum 14. April 1985. Am 30. Januar 1985 schloß die Klägerin mit der D. -B. -AG einen Arbeitsvertrag über eine (vollschichtige) Aushilfsbeschäftigung in der Zeit vom 12. Februar bis 26. April 1985. Sie begann mit der Arbeit jedoch einvernehmlich erst am 19. Februar 1985. Am 15. März 1985 wurde das Arbeitsverhältnis in beiderseitigem Einvernehmen zum 12. April 1985 vorzeitig gelöst, weil am 15. April 1985 das Studium beginne.
Am 2. April 1985 ging bei der Beklagten ein Schreiben der Klägerin ein, in dem sie unter Hinweis auf die vorzeitige Vertragsauflösung die Erstattung der vom 19. Februar 1985 an entrichteten Sozialversicherungsbeiträge beantragte. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 10. Mai 1985 fest, daß die Klägerin vom 19. Februar bis zum 14. März 1985 in der Kranken- und Rentenversicherung versicherungspflichtig und in der Arbeitslosenversicherung beitragspflichtig gewesen sei. Die Beschäftigung habe zwei Monate überschritten und sei ursprünglich nicht auf die vorlesungsfreie Zeit beschränkt gewesen. Erst nachdem die Beschäftigung später durch Vertragsänderung verkürzt worden sei, habe eine Neubeurteilung vorgenommen werden können, die zur Annahme von Versicherungs- und Beitragsfreiheit (als Arbeitnehmerin) vom 15. März 1985 an führe. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1985 zurückgewiesen. Darin wurde die Versicherungspflicht für die Zeit vom 19. Februar bis 14. März 1985 bestätigt und eine Erstattung von Beiträgen für diese Zeit abgelehnt.
Das Sozialgericht (SG) Reutlingen hat nach Beiladung der D. B. -AG (Beigeladene zu 1), der Landesversicherungsanstalt Württemberg (Beigeladene zu 2) und der Bundesanstalt für Arbeit (Beigeladene zu 3) die Klage durch Urteil vom 11. März 1987 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Versicherungs- und Beitragsfreiheit der Klägerin als Werkstudentin hänge nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ab, ob sie ihrem Erscheinungsbild nach Arbeitnehmerin oder Studentin gewesen sei. Für das Erscheinungsbild als Arbeitnehmerin sei das überschreiten der Arbeitszeit von 20 Wochenstunden ein wichtiges Indiz. Nur wenn nach den besonderen Umständen der Tätigkeit festgestellt werden könne, daß das Studium gleichwohl die prägende Bedeutung behalten habe, könne bei einer mehr als 20-stündigen Beschäftigung Versicherungsfreiheit angenommen werden. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze habe die Beklagte die Versicherungspflicht richtig beurteilt. Die Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) sei von vornherein vollschichtig gewesen und habe in die Vorlesungszeit hineingereicht. Daß die Arbeitnehmertätigkeit der Klägerin dennoch hinter dem Studium zurückgetreten sei, könne nicht festgestellt werden, weil die Klägerin trotz Aufforderung nicht im einzelnen mitgeteilt habe, welche Vorlesungen und Übungen sie in der streitigen Zeit belegt habe, wann die einzelnen Universitätsveranstaltungen stattgefunden hätten und ob sie schon in den ersten beiden Wochen des Sommersemesters durchgeführt worden seien. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen.
Die Klägerin hat die Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 172 Abs. 1 Nr. 5, des § 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO und des § 169 Abs. 1 AFG. Dazu macht sie im wesentlichen geltend: Sie sei ihrem Erscheinungsbild nach versicherungs- und beitragsfreie Studentin gewesen. Nach der Rechtsprechung sei damit eine vollschichtige Erwerbstätigkeit während der Semesterferien vereinbar. Daneben sei auch während der Vorlesungszeit eine Beschäftigung bis zu durchschnittlich 20 Wochenstunden versicherungsfrei. Dann aber könne nicht ihre gesamte Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) versicherungspflichtig sein, nur weil sie zwei Wochen in die Vorlesungszeit habe hineinreichen sollen. Die Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger sähen sogar solche vollschichtigen Beschäftigungen als versicherungsfrei an, die bis zur Dauer von zwei Monaten während der Vorlesungszeit verrichtet würden. Selbst wenn derartige Beschäftigungen innerhalb eines Jahres wiederholt, aber zusammen nur bis zu 26 Wochen ausgeübt würden, werde von den Spitzenverbänden noch Versicherungsfreiheit als „Werkstudent” angenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11. März 1987 und den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1985 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die für die Zelt vom 19. Februar bis 14. März 1985 abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht geltend: Sie sei bei Erlaß ihres Bescheides von einer vorausschauenden Betrachtungsweise ausgegangen. Das stimme mit dem späteren Urteil des Senats vom 19. Februar 1987 (SozR 2200 § 172 Nr. 19) überein. Ein tatsächlicher Unterschied zwischen dem vorliegenden und dem dort entschiedenen Fall bestehe darin, daß hier bei Aufnahme der Beschäftigung der übereinstimmende Wille beider Vertragsparteien festgestanden habe, ein Beschäftigungsverhältnis zu begründen, das auch noch die ersten beiden Vorlesungswochen des Sommersemesters 1985 umfaßte. Soweit der Senat in dem genannten Urteil eine Überschneidung zwischen (vollschichtiger) Beschäftigungszeit und Vorlesungszeit als für das Erscheinungsbild eines Studenten unschädlich angesehen habe, halte sie (die Beklagte) das für bedenklich. Im Anschluß an das Urteil vom 22. Februar 1980 (BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr. 14) sei im Besprechungsergebnis der Spitzenverbände vom 3. bis 5. November 1980 (DOK 1981, 229, 231 ff) eine Beschäftigung, die sich mit einer Arbeitszeit von mehr als 20-Wochenstunden auf mehr als zwei Monate im Jahr erstrecke und in die Vorlesungszeit hineinreiche, generell als versicherungs- und beitragspflichtig eingestuft worden. Wenn hieran nicht festgehalten werde, gebe es für Arbeitgeber und Einzugsstellen keine objektiven, nachprüfbaren Unterscheidungskriterien mehr. Diese würden jedoch bei der zahlreich vorkommenden Vergabe von „Ferienjobs” dringend benötigt. Auch sei unklar, welche Überschneidungsdauer der Senat hinnehmen wolle, wenn er in dem erwähnten Urteil vom 19. Februar 1987 von der Aufnahme der Beschäftigung „bei oder kurz vor Beginn der Semesterferien” gesprochen habe.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, daß Bedenken gegen die Zuständigkeit der Beklagten zur Ablehnung der Erstattung von Beiträgen der zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit (BA) bestehen können. Die Beteiligten haben sich hierzu nicht geäußert. Sie haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Auf die Revision der Klägerin war das Urteil des SG aufzuheben.
Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides war ebenfalls aufzuheben, soweit darin die Erstattung von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur BA abgelehnt worden ist. Für diese Entscheidung war die Einzugsstelle sachlich nicht zuständig. Das hat der Senat im Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 22/86 – (zur Veröffentlichung bestimmt) dargelegt. Darauf wird Bezug genommen.
Die Beklagte hat im Verwaltungsverfahren den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Beiträge zutreffend in erster Linie dahin aufgefaßt, daß über die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht entschieden werden solle. Denn die Klägerin hatte ihren Erstattungsantrag allein damit begründet, daß Versicherungs- und Beitragspflicht nicht bestanden habe. Zur Entscheidung über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Krankenversicherung war die Beklagte als Krankenkasse, über die Versicherungs- und Beitragspflicht in der Rentenversicherung sowie über die Beitragspflicht nach dem AFG als Einzugsstelle zuständig (§ 1399 Abs. 3 RVO, § 182 Abs. 1 AFG). Daran ändert nichts, daß der Zeitraum, den die Entscheidung der Beklagten betraf, bei Erlaß des Bescheides schon abgeschlossen war und die Beigeladene zu 1) als Arbeitgeberin die Beiträge schon abgeführt hatte. Auch insofern wird auf das Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 22/86 – verwiesen.
Ob der Bescheid inhaltlich rechtmäßig ist, soweit die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der Zeit vom 19. Februar bis 14. März 1985 festgestellt worden ist, vermochte der. Senat nicht abschließend zu entscheiden. Es ist nicht zweifelsfrei, ob das SG in jeder Hinsicht von einer zutreffenden rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist. Deren Berücksichtigung erfordert noch abschließende tatsächliche Feststellungen.
Die Klägerin übte in der genannten Zeit (und weiter bis zum 12. April 1985) eine entgeltliche Beschäftigung als Arbeiterin aus. Damit war sie grundsätzlich in der Krankenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 RVO) und in der Rentenversicherung (§ 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO) versicherungspflichtig sowie beitragspflichtig zur BA (§ 168 Abs. 1 Satz 1 AFG). Versicherungs- bzw beitragsfrei war sie jedoch, wenn sie auch in der Zeit, in der sie gegen Entgelt beschäftigt war, als ordentliche Studierende einer Hochschule im Sinne von § 172 Abs. 1 Nr. 5, § 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO und § 169 Nr. 1 AFG anzusehen war. Nach den Feststellungen des SG war die Klägerin als ordentliche Studierende bei der Universität Tübingen eingeschrieben. Ob sie die entgeltliche Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) während des Studiums ausübte und versicherungsfrei war oder ob das Studium der entgeltlichen Beschäftigung untergeordnet war und deshalb Versicherungspflicht als Arbeitnehmerin bestand, ergibt sieh nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt BSGE 50, 25 = SozR 2200 § 172 Nr. 14; SozR 2200 § 172 Nr. 19 mwN) jedoch nicht allein aus der Immatrikulation, sondern aus ihrem „Erscheinungsbild”. Danach ist die Beschäftigung versicherungsfrei, wenn sie neben dem Studium, dh ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet, ausgeübt wird, das Studium also die Haupt-, die Beschäftigung aber die Nebensache ist. Umgekehrt ist derjenige, der seinem „Erscheinungsbild” nach zum Kreis der Beschäftigten gehört, wegen eines gleichzeitigen Studiums nicht versicherungsfrei; Versicherungsfreiheit besteht nur für solche Personen, deren Zeit und Arbeitskraft überwiegend durch ihr Studium beansprucht wird. Soweit es hiernach auf das Erscheinungsbild ankommt, sind zu dessen Feststellung alle insoweit erheblichen Umstände des einzelnen Falles zu beachten. Diese Grundsätze konkretisierend, hat der Senat darin, daß während des Semesters – bei einer üblichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden – eine Arbeitszeit von 20 Stunden überschritten wurde, ein wesentliches Beweisanzeichen für Versicherungspflicht gesehen. Die Erwerbstätigkeit eines Studenten während der – von Studienanforderungen freien – Semesterferien ist hingegen unabhängig vom Umfang der Tätigkeit regelmäßig nicht versicherungspflichtig.
In seinem bereits erwähnten Urteil vom 19. Februar 1987 (SozR 2200 § 172 Nr. 19) hat der Senat ergänzend entschieden, daß die Frage, ob jemand seinem gesamten Erscheinungsbild nach Student oder Arbeitnehmer ist, in einer auf den Beginn der Beschäftigung abstellenden vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist. So ist die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid zutreffend auch verfahren. Sie hat ihrer Beurteilung daher mit Recht die bei Aufnahme der Beschäftigung am 19. Februar 1985 bestehende Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Arbeitgeberin zugrunde gelegt. Danach sollte die Klägerin bis zum 26. April 1985 und damit zwei Wochen in die Vorlesungszeit des Sommersemesters 1985 hinein arbeiten. Die später am 15. März 1985 vereinbarte Lösung des Arbeitsverhältnisses zum 12. April 1985 (Ende der vorlesungsfreien Zeit) hat die Beklagte mit Recht nur zum Anlaß genommen, vom 15. März 1985 an eine neu vorausschauende Beurteilung vorzunehmen. Dabei hat sie vom 15. März 1985 an Versicherungs- und Beitragsfreiheit angenommen. Dieses ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und daher vom Senat nicht zu überprüfen.
Demgegenüber kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, daß die Klägerin von der Aufnahme ihrer Beschäftigung aus gesehen allein deswegen ihrem Erscheinungsbild nach Arbeitnehmerin gewesen sei, weil ihre (vollschichtige) Beschäftigung mehr als zwei Monate dauern und zwei Wochen in die Vorlesungszeit des Sommersemesters hineinreichen sollte. Der Senat hat schon früher – auch unter Berücksichtigung der für eine „starre” Regelung sprechenden Praktikabilitätsgründe – einer Prüfung im Einzelfall den Vorzug gegeben (BSGE 50, 25, 27 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). Hieran hält er auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten fest. Im Gegensatz zu der Regelung über die Versicherungsfreiheit bei geringfügiger oder kurzzeitiger Beschäftigung (§ 168 Halbs 1, § 1228 Abs. 1 Nr. 4 Halbs 1 RVO, jeweils iVm § 8 SGB 4) enthält das Gesetz in § 172 Abs. 1 Nr. 5 und in § 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO keine festen zeitlichen Grenzen. Deswegen und angesichts der vielfältigen Arbeitsmöglichkeiten für Studenten sowie unterschiedlicher und wechselnder Anförderungen des Studiums lassen sich ausnahmslos geltende genaue zeitliche Grenzen nicht bestimmen. Den Bedürfnissen der Praxis wird dadurch Rechnung getragen, daß eine mehr als halbschichtige Beschäftigung, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet und in die Vorlesungszeit hineinreicht, ein Indiz dafür ist, daß der Betreffende Arbeitnehmer ist. Deswegen sind solche Personen der Einzugsstelle als Arbeitnehmer zu melden und bis auf weiteres Beiträge für sie abzuführen. Das darf jedoch nicht ausschließen, daß die Einzugsstelle auf Antrag oder bei entsprechenden Anhaltspunkten von sich aus eine nähere Prüfung des Einzelfalles vornimmt und dann entscheidet, ob Versicherungs- und Beitragsfreiheit besteht. Diese muß sich dann allerdings nach der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts und bei einer vorausschauenden Betrachtungsweise eindeutig ergeben. Anderenfalls bleibt es bei der Versicherungs- und Beitragspflicht (vgl. BSGE 50, 25, 28 = SozR 2200 § 172 Nr. 14).
Wenn trotz einer vollschichtigen Beschäftigung, die die Geringfügigkeitsgrenze übersteigt und in die Vorlesungszeit hineinreicht, noch das Erscheinungsbild eines Studenten bestehen soll, bedarf es dazu der Feststellung besonderer Umstände. Hierzu gehört unter anderem, daß sich eine solche Beschäftigung, weil die Vorlesungszeit als Kern des Studiums in der Regel (zu Ausnahmen vgl. BSGE aaO und BSG SozR 2200 § 1228 Nr. 9) von einer überwiegenden, jedenfalls aber vollschichtigen Beschäftigung frei bleiben muß, mit der Vorlesungszeit nur verhältnismäßig kurz überschneidet. Dieses kann bei etwa zwei Wochen noch angenommen werden, jedoch nur, wenn eine Solche Überschneidung ausnahmsweise vorkommt und ein Ausgleich durch beschäftigungsfreie Zeiten besteht. Sollte die Klägerin, die auch die gesamte vorlesungsfreie Zeit zwischen dem Wintersemester 1984/85 und dem Sommersemester 1985 vollschichtig gearbeitet hat, etwa auch während des Wintersemesters 1984/85 schon halbschichtig oder mehr gearbeitet haben, so hätte bei Aufnahme der hier zu beurteilenden Beschäftigung das Erscheinungsbild einer Studentin nicht mehr bestanden. Zum Wintersemester 1984/85, dessen Heranziehung sich als Grundlage für die vorausschauende Betrachtungsweise anbietet, ist bisher nichts festgestellt.
Auch wenn die zeitlichen Obergrenzen der Beschäftigung, bis zu denen allenfalls noch das Erscheinungsbild eines Studenten bestehen kann, nicht erreicht sind, muß indes zusätzlich feststehen, daß die verrichtete Beschäftigung nach Dauer und Lage der Arbeitszeit mit den objektiven Anforderungen eines ordnungsgemäßen Studiums vereinbar und das Studium im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit die Hauptsache geblieben ist (vgl. BSGE 50, 25, 27/28 = SozR 2200 § 172 Nr. 14). Das gilt insbesondere hinsichtlich der Vorlesungszeit, aber auch für die vorlesungsfreie Zeit, in der bei manchen Studiengängen umfangreiche Studienaufgaben zu erledigen sind. Jedenfalls wenn eine vollschichtige Beschäftigung der hier vorgesehenen Dauer in die Vorlesungszeit hineinreicht, müssen für den Zeitpunkt der vorausschauenden Betrachtungsweise konkrete Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich die Vereinbarkeit einer solchen Beschäftigung mit einem geordneten Studium und damit Versicherungsfreiheit ergibt. Hieran fehlt es bisher sowohl zum Beschäftigungsverhältnis als auch zum Studium. Dazu gebietet es die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG), erforderlichenfalls auch die Universität zu befragen, wenn die Angaben der Klägerin nicht als ausreichend angesehen werden.
Aus dem Urteil vom 19. Februar 1987 (SozR 2200 § 172 Nr. 19) kann nicht entnommen werden, der Senat habe eine vollschichtige Arbeit in der Vorlesungszeit in weiterem als dem erwähnten Umfang hingenommen. Zwar hatte auch die dortige Klägerin rund zwei Wochen in der Vorlesungszeit (an deren Ende) vollschichtig gearbeitet. Doch war die Beschäftigung von ihr nicht die ganze (folgende) vorlesungsfreie Zeit hindurch ausgeübt und außerdem vom Tatsachengericht für das Revisionsgericht bindend festgestellt worden, daß die Arbeit in der Vorlesungszeit mit den Anforderungen des Studiums vereinbar war. Im übrigen hat der Senat auch in jenem Verfahren die Sache zu abschließenden Feststellungen zurückverwiesen.
Dem Vorbringen der Klägerin, ihre Beschäftigung müsse als versicherungsfrei angesehen werden, weil sie in ihrer gesamten Dauer das Maß dessen nicht überschreite, was sonst als versicherungsfrei hingenommen werde, vermag der Senat nicht zu folgen. Vollschichtige Arbeit in der vorlesungsfreien Zeit und bis zu grundsätzlich halbschichtige Arbeit in der Vorlesungszeit sind – ebenso wie eine Beschäftigungsdauer von 26 Wochen innerhalb eines Jahres – Richtwerte für Obergrenzen der Beschäftigung und stehen sämtlich unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit einem ordnungsgemäßen Studium. Diese dürfte sich, wenn die Obergrenzen über längere Zeit ausgeschöpft werden, kaum noch ergeben. Aber auch wenn die Obergrenzen nicht erreicht werden, bleibt die Unterordnung der Beschäftigung unter das Studium erforderlich. Daß die Versicherungsträger sogar eine zweimonatige vollschichtige Beschäftigung in der Vorlesungszeit als versicherungsfrei ansehen, beruht nicht auf der Anwendung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit der sogenannten Werkstudenten, sondern auf der Regelung über die geringfügige Beschäftigung in § 168 Halbs 1 und § 1228 Abs. 1 Nr. 4 RVO, jeweils iVm § 8 SGB 4, und gilt im übrigen nur dann, wenn eine solche Beschäftigung innerhalb eines Jahres nur einmal ausgeübt wird, dh weder in der vorlesungsfreien Zeit noch in der Vorlesungszeit weitere Beschäftigungen aufgenommen wurden (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB 4: „innerhalb eines Jahres”). Inwieweit dieser Auffassung im Rahmen von § 172 Abs. 1 Nr. 5, § 1228 Abs. 1 Nr. 3 RVO, § 169 Nr. 1 AFG gefolgt werden kann, kann hier dahinstehen.
Neben der Versicherungs- und Beitragsfreiheit als Student war allerdings auch hier zu prüfen, ob Versicherungs- und Beitragsfreiheit wegen Geringfügigkeit der Beschäftigung vorlag. Dies erscheint zwar fernliegend, kann aber nach den bisherigen Feststellungen des SG nicht zuverlässig ausgeschlossen werden. Allerdings scheidet die Nr. 1 des § 8 Abs. 1 SGB 4 aus, weil das SG festgestellt hat, daß die Klägerin vollschichtig gearbeitet hat. Möglich erscheint hingegen, daß die Nr. 2 des § 8 Abs. 1 SGB 4 eingreift. Insofern wäre bedeutsam – was naheliegt –, ob die Beschäftigung bei ihrer Aufnahme am 19. Februar 1985 vertraglich im voraus bis zum 26. April 1985 und damit auf längstens 50 Arbeitstage begrenzt war. Denn dieser Zeitraum umfaßte nur knapp zehn Wochen, was bei einer Fünftage-Woche und unter Berücksichtigung gesetzlicher Feiertage (5. April 1985 = Karfreitag; 8. April 1985 = Ostermontag) dazu führt, daß die 50-Tage-Grenze nicht überschritten wird. Allerdings würde Geringfügigkeit ausscheiden, wenn die Entgeltgrenze (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 letzter Teil iVm Nr. 1 SGB 4) überschritten oder die Zeit- oder Entgeltgrenze innerhalb eines Jahres durch Hinzutreten einer weiteren Beschäftigung überschritten worden wäre (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB 4). Hierzu fehlen noch die erforderlichen Feststellungen.
Der Senat hat von seinem Ermessen nach § 170 Abs. 4 Satz 1 SGG Gebrauch gemacht und die Sache an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen. Dieses wird nach weiteren tatsächlichen Feststellungen abschließend entscheiden können, ob der Bescheid der Beklagten hinsichtlich der Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht in allen drei Versicherungszweigen rechtmäßig ist. Es wird weiter über den Antrag zu entscheiden haben, die Beklagte zur Rückzahlung von Beiträgen zu verurteilen, ferner – einschließlich des Revisionsverfahrens – über die Erstattung außergerichtlicher Kosten.
Fundstellen
Haufe-Index 937873 |
NJW 1988, 3037 |