Leitsatz (amtlich)
1. Nach KGG § 3 Abs 2 Nr 7 (vgl BKGG § 8 Abs 1 Nr 1) hatte der Vater eines unehelichen Kindes für dieses keinen Anspruch auf Kindergeld, wenn das Kind Pflegekind seines Großvaters war (KGG § 2 Abs 1 Nr 6) und dieser für das Kind einen Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt.
2. Für die Statthaftigkeit der Berufung nach SGG § 150 Nr 1 ist es unschädlich, wenn der dem Wortlaut nach eindeutig gefaßte Zulassungsausspruch nicht vor, sondern unmittelbar hinter der Überschrift "Rechtsmittelbelehrung" steht, sofern sich den Gesamtumständen des Urteilstextes entnehmen läßt, daß es sich bei dem Ausspruch nicht um einen Teil der Rechtsmittelbelehrung handelt (Weiterführung von BSG 1956-03-21 7 RAr 7/55 = BSGE 2, 67, 69).
Normenkette
BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14; SGG § 150 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; KGG § 2 Abs. 1 Nr. 6 Fassung: 1954-11-13, § 3 Abs. 2 Nr. 7 Fassung: 1959-03-16
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. Juni 1969 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger ist der Vater des am 24. November 1960 nichtehelich geborenen Kindes M R (M.). M. lebt seit seiner Geburt im Haushalt seines Großvaters, des Rentners J R. Dieser erhält für den Enkel zu seiner Rente aus der Arbeiterrentenversicherung seit dem 1. Oktober 1961 einen Kinderzuschuß nach § 1262 Abs. 2 Nr. 8 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Kinderzuschuß betrug bis zum 31. Dezember 1963 monatlich 44,40 DM, vom 1. Januar 1964 an monatlich 51,20 DM und seit 1965 monatlich 56,- DM.
Der Kläger beantragte im Januar 1961, ihm für M. als drittes Kind - nach zwei ehelichen Söhnen - Kindergeld zu gewähren. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten teilte dem Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 1961 mit, daß Kindergeld zur Zeit nicht gezahlt werden könne, weil eine Unterhaltspflicht gegenüber M. nicht festgestellt sei. Im Oktober 1965 legte der Kläger unter Bezugnahme auf seinen Antrag vom Januar 1961 und das Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 20. Februar 1961 das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Traben-Trabach vom 24. Mai 1965 - 2 C 30/61 - vor, durch das er verurteilt worden ist, dem M. vom Tage der Geburt an Unterhalt zu zahlen. Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 13. Dezember 1965 ab, dem Kläger Kindergeld für M. zu gewähren, weil der Großvater des M. für diesen Kinderzuschuß zu seiner Rente erhalte und weil für die Zeit vom 1. November 1960 bis zum 31. Dezember 1962 der Anspruch verjährt sei.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Koblenz durch Urteil vom 7. März 1967 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz durch Urteil vom 12. Juni 1969 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Kindergeld für M. für die Zeit vom 1. November 1960 bis zum 30. September 1961 zu gewähren; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Erweiterung des Klageantrags im Berufungsrechtszug über den 30. Juni 1964 hinaus stelle gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) keine unzulässige Klagänderung dar. Die Berufung sei jedoch nur insoweit begründet, als sie den Kindergeldanspruch für die Zeit vom 1. November 1960 bis zum 30. September 1961 betreffe. Der Anspruch des Klägers sei zeitlich dadurch begrenzt, daß der Großvater des M. seit dem 1. Oktober 1961 zu seiner Rente aus der Arbeiterrentenversicherung Kinderzuschuß für M. erhalte. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 des Kindergeldgesetzes (KGG) idF des Art. I Nr. 1 des Zweiten Kindergeldänderungsgesetzes vom 16. März 1959 bestehe für Kinder von Empfängern von Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen kein Anspruch auf Kindergeld. Dabei sei es unerheblich, daß im vorliegenden Fall der Großvater den Kinderzuschuß erhalte, nicht aber der Kläger. Die Ausschlußvorschriften des § 3 Abs. 2 KGG seien auch zu beachten, wenn nur ein Berechtigter nach dem KGG vorhanden sei und ein anderer, der nicht die Voraussetzungen der §§ 1 und 2 KGG erfülle, die vom Gesetz bezeichneten Leistungen "für" das Kind erhalte, für das der Berechtigte einen Kindergeldanspruch nach dem KGG habe. Auch der später in § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) inhaltsgleich normierte Ausschlußtatbestand wirke allgemein, d. h. nicht nur gegenüber der Person, der die in § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BKGG aufgeführten Leistungen gewährt würden, sondern auch gegenüber anderen Berechtigten.
Der Kläger hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG und führt aus: Nach dieser Vorschrift sei der Anspruch auf Kindergeld nur dann ausgeschlossen, wenn der Kindesvater selbst bereits für das Kind eine Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder einen Kinderzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen erhalte. Der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut lasse keine andere Auslegung zu. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts könne daher die Ausschlußvorschrift auf den Fall des Klägers nicht angewendet werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es die Berufung zurückgewiesen hat, und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Dezember 1965 über den 30. September 1961 hinaus für M. Kindergeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Ausschlußtatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG wirke ebenso allgemein wie der inhaltsgleich normierte Ausschlußtatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG. Sie hält deshalb das Urteil des LSG für richtig.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist statthaft, aber unbegründet.
Das LSG ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG gemäß § 150 Nr. 1 SGG kraft Zulassung statthaft gewesen ist. Bedenken gegen eine ordnungsgemäße Zulassung der Berufung durch das SG bestehen nicht deshalb, weil das SG die Zulassung weder in der Urteilsformel noch in den Urteilsgründen, vielmehr erst hinter der Überschrift "Rechtsmittelbelehrung" ausgesprochen hat. Die Berufungszulassung bedarf allerdings eines eindeutigen Ausspruchs im Urteil; der bloße Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Entscheidung könne mit der Berufung angefochten werden, reicht nicht aus (BSG 2, 121, 125; 2, 245, 246; 4, 261, 263; 8, 147). Wenn aber die Urteilsformel keinen Zulassungsausspruch enthält und sich ein solcher auch nicht aus den Urteilsgründen eindeutig ergibt, kann der Wortlaut der Rechtsmittelbelehrung zur Auslegung herangezogen werden, ob die Berufung zugelassen worden ist (BSG 8, 154, 157). Im Urteil des SG lautet der erste Satz hinter der Überschrift "Rechtsmittelbelehrung": "Gegen dieses Urteil wird die Berufung gemäß § 150 SGG zugelassen". Der Wortlaut dieses Ausspruchs läßt eine echte Zulassungsentscheidung erkennen. Der Ausspruch gehört nicht zur Rechtsmittelbelehrung; diese beginnt vielmehr erst mit dem anschließenden Satz "Sie wäre innerhalb eines Monats ... einzulegen." Die Überschrift "Rechtsmittelbelehrung" steht an der falschen Stelle; sie müßte - richtigerweise - auf den Zulassungsausspruch folgen. Da es sich zudem nicht um ein Formular handelt, sondern um einen Schreibmaschinentext, der insgesamt vom Vorsitzenden des SG unterschrieben ist, hat der Senat in Weiterführung seiner Rechtsprechung (BSG 2, 68, 69) keine Bedenken, mit dem LSG die Berufung als wirksam zugelassen anzusehen.
Die Revision hat aber sachlich keinen Erfolg, weil ein Anspruch des Klägers auf Kindergeld für M. vom 1. Oktober 1961 an nicht besteht. Zu diesem Ergebnis ist das Berufungsgericht mit Recht gelangt, weil der Großvater, bei dem M. seit seiner Geburt lebt, für das Kind einen Kinderzuschuß zu seiner Rente aus der Arbeiterrentenversicherung nach § 1262 Abs. 2 Nr. 8 RVO bezieht. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG besteht kein Anspruch auf Kindergeld für Kinder von Empfängern von Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder von Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen. Zu Unrecht meint der Kläger, schon dem Wortlaut des Gesetzes sei zu entnehmen, daß er durch die genannte Vorschrift nicht vom Bezug des Kindergeldes ausgeschlossen sei, weil er nicht der Empfänger des Kinderzuschusses aus der Arbeiterrentenversicherung sei. Der Kläger übersieht dabei, daß nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG der Anspruch auf Kindergeld "nicht für Kinder von Empfängern von ... Kinderzuschüssen ..." besteht. M. ist aber im Sinne des KGG nicht nur Kind des Klägers, sondern auch des "Empfängers des Kinderzuschusses", nämlich seines Großvaters J R. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 1 KGG. Danach ist M. einmal im Sinne des KGG Kindes Klägers, weil er dessen nichteheliches Kind ist und die Unterhaltspflicht des Klägers gerichtlich festgestellt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 KGG). M. ist aber auch im Sinne des KGG Kind seines Großvaters J R, weil er in dessen Haushalt aufgenommen ist und deshalb als dessen Pflegekind gilt (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 KGG). Aus dem Zusammenhang des § 3 Abs. 2 Nr. 7 mit § 2 Abs. 1 Nr. 6 KGG ergibt sich daher schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, daß der Kläger vom Bezug des Kindergeldes ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluß wird aber auch durch den Sinn und Zweck der Kindergeldgesetzgebung gerechtfertigt. Das gesamte Kindergeldrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, Doppelleistungen für dasselbe Kind auszuschließen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 KGG, § 3 Abs. 4 des Kindergeldanpassungsgesetzes, § 5 Abs. 1 des Kindergeldergänzungsgesetzes, § 3 des Kindergeldkassengesetzes - KGKG -, §§ 7 und 8 BKGG; Amtliche Begründung zum BKGG, BT-Drucks. IV/818; BSG, SozR Nr. 1 zu § 35 KGKG). Von diesem im alten und neuen Kindergeldrecht zum Ausdruck gekommenen Ziel des Gesetzgebers aus ist es deshalb ebenfalls gerechtfertigt, den Anspruch auf Kindergeld dann auszuschließen, wenn der Anspruchsberechtigte für das Kindergeld nach §§ 1 und 2 KGG nicht zugleich der Empfänger des Kinderzuschusses aus der gesetzlichen Rentenversicherung für das Kind ist. Diese Auffassung ist bereits in dem nicht veröffentlichten Urteil des erkennenden Senats vom 28. November 1967 - 7 RKg 20/63 - zum Ausdruck gekommen; sie wird insoweit auch vom Bundesverfassungsgericht geteilt (vgl. BVerfG 22, 163 ff. = SozR Nr. 63 zu Art. 3 GG). Da die Rechtsauffassung des Senats durch die jetzt geltende Fassung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG bestätigt wird, besteht kein Anlaß, von ihr abzuweichen. Mit Recht hat daher das LSG vom 1. Oktober 1961 an einen Anspruch des Klägers auf Kindergeld für M. abgelehnt. Allerdings läßt sich diese Ablehnung nur bis zum Inkrafttreten des BKGG am 1. Juli 1964 auf § 3 Abs. 2 Nr. 7 KGG stützen. Von diesem Zeitpunkt an kann aber der Kläger gegenüber der Beklagten schon deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld erhaben, weil die Beklagte nach dem BKGG auf Leistung von Kindergeld vom 1. Juli 1964 an nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Seit diesem Zeitpunkt ist nämlich gemäß §§ 15, 47 BKGG die Bundesanstalt für Arbeit für die Zahlung des Kindergeldes zuständig.
Der Ausschluß des Klägers vom Bezug des Kindergeldes entfällt bis zum 30. Juni 1964 auch nicht nach § 3 Abs. 3 Satz 2 KGG. Der Kinderzuschuß, den der Großvater für M. bekommen hat, erreichte nämlich zu jeder Zeit 90 v. H. des nach § 4 Abs. 1 KGG jeweils zu zahlenden Kindergeldes.
Nach allem muß somit die Revision des Klägers zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 SGG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen