Orientierungssatz
1. Bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsrente nach BKVO SL § 5 Abs 1 ist der durch die Aufgabe der Untertagetätigkeit an sich eingetretene wirtschaftliche Nachteil um die Höhe der aus dem gleichen Anlaß gewährten Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit zu mindern (Festhaltung an BSG 1969-09-25 5 RKnU 2/69 = BSGE 30, 88).
2. Die Übergangsvorschrift des 7. BKVO § 9 Abs 3 soll den Besitzstand derjenigen Versicherten wahren, die am Tage des Inkrafttretens der 7. BKVO und der damit verbundenen Aufhebung der BKVO SL schon länger als 5 Jahre die Übergangsrente ausgezahlt erhalten und ihren Lebensstandard auf diese Rente eingestellt hatten.
Normenkette
BKVO SL § 5 Abs. 1 Fassung: 1954-07-02; BKVO 7 § 9 Abs. 3 Fassung: 1968-06-20, § 11 Abs. 2 Nr. 12 Fassung: 1968-06-20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. Juni 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der im Jahre 1928 geborene Kläger arbeitete bis zum 13. November 1958 im Saarland als Kohlenhauer. An dem genannten Tage wurde er aus vorbeugenden Gründen an einen Arbeitsplatz über Tage verlegt, weil bei ihm silikotische Lungenveränderungen festgestellt worden waren. Er erhielt danach eine Übergangsrente (Übergangsgeld) nach § 5 der Saarländischen Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO-Saar) vom 2. Juli 1954 bis zum 31. Oktober 1967. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12. September 1968 die Zahlung der Übergangsrente über den 31. Oktober 1967 hinaus ab, weil die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit (Bergmannsrente I) zuzüglich eines Zuschusses für ein Kind höher als der durch den Arbeitsplatzwechsel verursachte Lohnausfall gewesen sei. Der Lohnausfall habe in der Zeit vom 1. November 1967 bis zum 31. Juli 1968 756,30 DM betragen. Die Bergmannsrente I habe zuzüglich dem Kinderzuschuß vom 1. November bis zum 31. Dezember 1967 monatlich 162,70 DM (96,50 DM + 66,20 DM Kinderzuschuß) und vom 1. Januar 1968 bis zum 31. Juli 1968 monatlich 175,80 DM (104,30 DM + 71,50 DM Kinderzuschuß) betragen. Sie sei also vom 1. November 1967 bis zum 31. Juli 1968 um 799,70 DM höher als der durch den Arbeitsplatzwechsel verursachte Lohnausfall gewesen. Dieser Bescheid wurde bindend.
Am 18. Dezember 1973 bat der Kläger die Beklagte um Überprüfung, ob die Übergangsrente wieder gewährt werden könne, weil mit Ablauf des Monats August 1973 der Zuschuß für das Kind weggefallen sei. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. März 1974 ab, weil gem. § 3 der 7. Berufskrankheiten-Verordnung (7. BKVO) vom 20. Juni 1968 eine Übergangsleistung längstens für die Dauer von 5 Jahren gewährt werde, es sei denn, daß ein Versicherter beim Inkrafttreten der 7. BKVO seit mehr als 5 Jahren eine monatlich wiederkehrende Übergangsleistung nach den vorher geltenden Vorschriften bezogen habe (§ 9 Abs. 3 der 7. BKVO).
Der Kläger habe aber beim Inkrafttreten der 7. BKVO am 1. Juli 1968 keinen Anspruch auf eine Übergangsleistung gehabt. Die hiergegen erhobene Klage war vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) für das Saarland erfolglos. Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe nach § 5 Abs. 1 BKVO-Saar in der Zeit vom 13. November 1958 bis zum 31. Oktober 1967, also fast neun Jahre, eine Übergangsrente bezogen. Die BKVO-Saar sei durch § 11 Abs. 2 Nr. 12 der 7. BKVO außer Kraft gesetzt worden. Ein Anspruch nach § 3 Abs. 2 der 7. BKVO bestehe schon deshalb nicht, weil hiernach eine Übergangsleistung längstens für die Dauer von fünf Jahren gewährt werden könne und der Kläger bereits für einen längeren Zeitraum Übergangsleistungen bezogen habe. Auch nach § 9 Abs. 3 der 7. BKVO stehe dem Kläger kein Anspruch auf Wiedergewährung der Übergangsrente zu, weil er am Tage des Inkrafttretens dieser Verordnung, am 1. Juli 1968, keine Übergangsrente nach der BKVO-Saar mehr bezogen habe. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Mit der von ihm eingelegten Revision macht der Kläger geltend, beim Inkrafttreten der 7. BKVO habe für die saarländischen Versicherten der Besitzstand gewahrt werden sollen. Unter Besitzstand könne aber nicht nur der tatsächliche Bezug einer Leistung gemeint sein, sondern er müsse sich auch auf einen Zahlungsanspruch beziehen. Der Kläger habe aber beim Inkrafttreten der 7. BKVO einen Zahlungsanspruch auf Übergangsleistung gehabt. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, daß bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsrente nach § 5 Abs. 1 BKVO-Saar der durch die Aufgabe der Untertagearbeit an sich eingetretene wirtschaftliche Nachteil um die Höhe der wegen der Aufgabe der Untertagetätigkeit andererseits gewährten Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit zu mindern sei, doch könne hierbei nicht der Kinderzuschuß mitberücksichtigt werden. Die im Jahre 1968 erfolgte Ablehnung der Weiterzahlung der Übergangsrente über den 31. Oktober 1967 hinaus nur wegen der nichtberechtigten Anrechnung des Kinderzuschusses habe den Besitzstand auch noch deshalb nicht beseitigen können, weil der Kläger die Bergmannsrente bereits seit dem 1. Juli 1959 erhalten habe und die Anrechnung der Bergmannsrente erst ab 1. Februar 1966 erfolgt sei, also 6 1/2 Jahre lang Übergangsrente und Bergmannsrente nebeneinander gezahlt worden seien. Die lange Dauer des Bezuges einer Leistung sei geeignet, einen zu schützenden Besitzstand anzuerkennen. Wenn dies einerseits zu Unrecht nicht erfolgt sei, dann könne sich der Versicherungsträger nicht darauf berufen, daß ein Besitzstand nicht mehr zu wahren gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 25. Juni 1975 und das Urteil des SG für das Saarland vom 4. April 1975 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. März 1974 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Übergangsleistung gemäß § 9 Abs. 3 der 7. BKVO wiederzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach Ansicht der Beklagten findet die Besitzstandsregelung des § 9 Abs. 3 der 7. BKVO keine Anwendung, weil der Kläger im Zeitpunkt des Inkrafttretens der 7. BKVO - am 1. Juli 1968 - keine Leistungen mehr erhalten habe. Die Frage, ob eine Anrechnung des Kinderzuschusses rechtmäßig gewesen sei, könne schon deshalb dahingestellt bleiben, weil die vom Kläger im Abrechnungszeitraum bezogene Bergmannsrente ohne Kinderzuschuß ebenfalls höher (923,10 DM) als der Verdienstausfall gewesen sei. Eine Besitzstandswahrung komme nicht in Betracht, weil der Kläger am Tage des Inkrafttretens der 7. BKVO keinen Anspruch gehabt habe, der ihm habe belassen werden können. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, daß ihm die Übergangsrente weiterzuzahlen sei, weil er 6 1/2 Jahre lang Bergmannsrente und Übergangsleistungen nebeneinander bezogen habe, denn über diese Frage sei bereits in dem bindend gewordenen Bescheid vom 11. September 1968 entschieden worden. Im übrigen seien die beiden Leistungen auch gar nicht nebeneinander gezahlt worden. Dem Kläger seien nämlich die Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit erst im Jahre 1965 rückwirkend für die Zeit ab 1959 zuerkannt worden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger bezog vom 13. November 1958 bis zum 31. Oktober 1967 eine Übergangsrente nach § 5 BKVO-Saar, weil er die Kohlenhauertätigkeit wegen der Gefahr, daß eine Berufskrankheit entstehen könnte, aufgeben und ihm ein Arbeitsplatz über Tage zugeteilt wurde, nach § 5 Abs. 3 BKVO-Saar bestand ein Anspruch auf eine solche Übergangsrente (Übergangsgeld) nur solange und nur insoweit, als die Minderung des Verdienstes oder die sonstigen wirtschaftlichen Nachteile auf vorbeugende Maßnahmen zurückzuführen waren. Die Leistung wurde auch nur für abgelaufene Zeiträume gewährt, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen durften (§ 5 Abs. 3 Satz 2 BKVO-Saar). Durch den bindend gewordenen Bescheid vom 12. September 1968 wurde ab 1. November 1967 die Übergangsrente nicht mehr gezahlt, weil die Minderung des Verdienstes durch die Übertagetätigkeit vom 1. November 1967 bis zum 31. Juli 1968 756,30 DM betragen habe, der Kläger aber in diesem Zeitraum an Bergmannsrente I einschließlich Kinderzuschuß 1.556,00 DM erhalten habe, die Bergmannsrente also höher als die Verdienstminderung gewesen sei. Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, daß in der Zeit vom 1. November 1967 bis zum 31. Juli 1968 an Kinderzuschuß zur Bergmannsrente 632,90 DM gezahlt worden sind, also an Bergmannsrente ohne Kinderzuschuß der Betrag von 923,10 DM gezahlt worden ist.
Da dieser Betrag die Verdienstminderung von 756,30 DM übersteigt, ist der Kinderzuschuß nicht ursächlich für die Nichtbewilligung der Übergangsrente ab 1. November 1967 gewesen, so daß schon aus diesem Grunde dahingestellt bleiben kann, ob der Kinderzuschuß mitberücksichtigt werden durfte. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 25. September 1969 entschieden hat (SozR Nr. 3 zu § 5 BKVO-Saar = BSGE 30, 78 f), ist bei der Festsetzung der Höhe der Übergangsrente nach § 5 BKVO-Saar der durch die Aufgabe der Untertagetätigkeit an sich eingetretene wirtschaftliche Nachteil um die Höhe der aus gleichen Anlaß gewährten Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit zu mindern. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die bindend gewordene Einstellung der Zahlung einer Übergangsrente nach § 5 BKVO-Saar mit Ablauf des Monats Oktober 1967 durch den Bescheid vom 12. September 1968 ist also nicht zu Unrecht erfolgt, so daß eine Abänderung dieses Bescheids zugunsten des Klägers im Sinne des § 93 Abs. 1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) nicht in Betracht kommt.
Ob mit Ablauf des Monats August 1973 die Voraussetzungen der BKVO-Saar für eine Wiedergewährung der Übergangsrente gegeben gewesen wären, d. h. ob ab September 1973 der durch den im Jahre 1958 erfolgten Arbeitsplatzwechsel verursachte Lohnausfall durch die Bergmannsrente nicht mehr ausgeglichen wurde, kann dahingestellt bleiben, denn auch ohne Prüfung dieser Frage ist die Ablehnung einer Übergangsrente für die Zeit ab 1. September 1973 zu Recht erfolgt. Da an diesem Tage die BKVO-Saar bereits außer Kraft gesetzt war (§ 11 Abs. 2 Nr. 12 der 7. BKVO), kann die erneute Entstehung eines Anspruchs auf Übergangsrente nur nach den Vorschriften der 7. BKVO erfolgen. Die Übergangsvorschriften des § 9 der 7. BKVO greifen jedoch nicht zugunsten des Klägers ein. Nach § 9 Abs. 3 der 7. BKVO ist nur dann einem Versicherten eine Übergangsleistung weiterzugewähren, wenn er beim Inkrafttreten dieser Verordnung am 1. Juli 1968 seit mehr als fünf Jahren eine monatlich wiederkehrende Übergangsleistung nach den bisher geltenden Vorschriften bezog. Der Gesetzgeber wollte also den Besitzstand derjenigen Versicherten wahren, die am Tage des Inkrafttretens der 7. BKVO und der damit verbundenen Aufhebung der BKVO-Saar schon länger als fünf Jahre die Übergangsrente laufend ausgezahlt erhalten und ihren Lebensstandard auf diese Rente eingestellt hatten. Das war aber beim Kläger nicht der Fall.
Für die Entscheidung kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger von der Übergangsvorschrift begünstigt wäre, wenn er am 1. Juli 1968 - obwohl keine Auszahlung erfolgte - einen Anspruch auf diese Leistung gehabt hätte. Dies ist schon deshalb nicht der Fall, weil der Kläger die Wiedergewährung der Übergangsrente erst im Dezember 1973 beantragt hat.
Da somit kein Anspruch auf die begehrte Übergangsleistung nach § 9 Abs. 3 der 7. BKVO besteht, mußte die Revision gegen das Urteil des LSG zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen