Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 25.03.1987; Aktenzeichen L 9 Kr 82/85)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 25. März 1987 – L 9 Kr 82/85 – wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Kassenzuständigkeit für die Beigeladene zu 1) während ihrer Ausbildung und Beschäftigung als Zahnarzthelferin bei der Beigeladenen zu 2).

Die Beigeladene zu 1) war seit dem 1. August 1983 als Zahnarzthelferin in der Ausbildung bei der Beigeladenen zu 2) versicherungspflichtig beschäftigt; seit dieser Zeit ist sie Mitglied der Beklagten. Die Klägerin, die aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Beigeladenen zu 2) von der Ersatzkassenmitgliedschaft der Beigeladenen zu 1) erfahren hatte, ist der Ansicht, daß die Beklagte nach ihren Satzungsbestimmungen nicht zur Versicherung von Zahnarzthelferinnen in der Ausbildung berechtigt sei. Die von der Klägerin auf Feststellung der eigenen Zuständigkeit gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 23. August 1985). Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Nach Art 2 § 4 Abs 1 der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung (Ersatzkassen der Krankenversicherung) idF des Gesetzes vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536) -Aufbau-VO- sei die Beklagte nach ihren Satzungsbestimmungen zulässigerweise berechtigt, Angestellte und Auszubildende in Berufen der Zahnheilkunde zu versichern. Dazu gehöre auch die Beigeladene zu 1) als Zahnarzthelferin, die nach den tatsächlichen Feststellungen in ihrer Ausbildung fast ausschließlich bei der Behandlung der Patienten assistiert habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien den Berufen der Zahnheilkunde nicht nur angestellte Zahnärzte, Kieferorthopäden und Dentisten zuzuordnen. Dazu zählten vielmehr auch Angestellte, die Hilfs- oder Zuarbeitungstätigkeiten für die zahnärztliche oder kieferorthopädische Praxis verrichteten, wie beispielsweise Zahntechniker oder Zahnarzthelferinnen (Urteil vom 25. März 1987).

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin, das LSG habe materielles Recht verletzt, indem es den Umfang des der Beklagten durch Satzung zugewiesenen Mitgliederkreises verkannt habe. Nach ihren Satzungsbestimmungen sei die Beklagte berechtigt, Angestellte und Auszubildende in Berufen der Zahnheilkunde zu versichern. Bei historischer Betrachtungsweise gehörten dazu lediglich Angestellte in technischen Berufen der Zahnheilkunde sowie die nach dem Zahnheilkundegesetz zur Behandlung von Patienten berechtigten Personen, wie angestellte Zahnärzte, Kieferorthopäden und Dentisten. Eine Erweiterung des Beitrittsrechts auf Hilfskräfte – wie die Beigeladene zu 1) als Zahnarzthelferin – sei unzulässig. Dies habe das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach bereits für Hilfskräfte von Ärzten entschieden.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Berlin vom 25. März 1987 – L 9 Kr 82/85 – und des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 23. August 1985 – S 72 Kr 201/84 – festzustellen, daß die Klägerin ab 1. August 1983 der für die Beigeladene zu 1) zuständige Krankenversicherungsträger ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin ist für die Durchführung der gesetzlichen Krankenversicherung der Beigeladenen zu 1) nicht zuständig, denn diese ist als Zahnarzthelferin rechtmäßiges Mitglied der Beklagten.

Der Mitgliederkreis der Ersatzkasse richtet sich nach den Satzungsbestimmungen der Beklagten (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl, Stand November 1986, Anm 1 vor § 503 Reichsversicherungsordnung -RVO-; Anm 1.2 zu § 504 RVO; zur Zugehörigkeit der Versicherungsbedingungen zum Satzungsrecht s Krauskopf/Schroeder-Printzen aaO Anm 3 vor § 503 RVO), die als autonomes Recht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (BSGE 24, 266, 268) über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus gelten und daher revisibel sind (BSGE 59, 276, 278).

Gemäß § 1 Abs 1 Buchstabe a der Versicherungsbedingungen der Beklagten vom 1. Oktober 1961 – Stand 1. Januar 1987 – (VB) können Angestellte in Berufen der Zahnheilkunde Mitglieder der Beklagten werden. Zu dieser satzungsgemäßen Bestimmung ihres Mitgliederkreises war die Beklagte befugt durch Art 2 § 2 Abs 2 der 12. Aufbau-VO vom 24. Dezember 1935 – RGBl I 1537 – idF des Art 1 Nr 1 der 15. Aufbau-VO vom 1. April 1937 – RGBl I 439 – iVm dem Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmungen und Bausparkassen -VAG- vom 12. Mai 1901 – RGBl I 193 – idF vom 5. März 1937 – RGBl I 269 –, zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. März 1974 – BGBl I 469 –. Die Rechtmäßigkeit der satzungsmäßigen Umschreibung dieser Berufsgruppe ergibt sich aus § 4 Abs 1 Satz 5 der 12. Aufbau-VO idF des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten (KVSG) vom 24. Juni 1975 (BGBl I 1536). Danach ist derjenige Mitgliederkreis für die Ersatzkasse als rechtmäßig festgelegt, der am 1. Januar 1974 in der von der Aufsichtsbehörde genehmigten Satzung der Ersatzkasse erfaßt gewesen ist.

Zutreffend hat das LSG festgestellt, daß nach der von der Aufsichtsbehörde genehmigten und ab 1. Januar 1974 gültigen Satzung der Beklagten bereits Angestellte in Berufen der Zahnheilkunde Mitglieder der Beklagten sein konnten und somit zu dem rechtmäßigen Mitgliederkreis der Beklagten zu zählen sind. Der Rechtsstreit geht daher allein um die Frage, ob die Beigeladene zu 1) als Zahnarzthelferin einen Beruf der Zahnheilkunde ausübt. Dabei ist es unerheblich, ob sie den Beruf der Zahnarzthelferin als Auszubildende oder gelernte Beschäftigte ausübt, denn nach § 1 Abs 1 Buchstabe c VB können nicht nur Angestellte in Berufen der Zahnheilkunde, sondern auch solche Personen Mitglieder der Beklagten sein, die sich in einer geregelten Ausbildung zu einem derartigen Lehrberuf befinden.

Fraglich kann in diesem Zusammenhang lediglich sein, ob für die Mitgliedschaft einer Auszubildenden darauf abzustellen ist, welche Tätigkeiten sie im Ausbildungsberuf tatsächlich verrichtet – so das LSG – oder auf die Tätigkeiten, wie sie die jeweilige Ausbildungsordnung für die „geregelte Ausbildung” vorschreibt. Der Senat kann dies offenlassen, denn das LSG hat festgestellt, daß die von der Beigeladenen zu 1) tatsächlich verrichteten Tätigkeiten am Ausbildungsplatz denjenigen entsprechen, die die einschlägige Ausbildungsordnung vorsieht (vgl Ausbildungsordnung des Bundesministers für Arbeit zu dem am 27. März 1952 anerkannten Lehrberuf der zahnärztlichen Helferin mit dreijähriger Lehrzeit – BABl 1954, 182 f –).

Der Auslegung des LSG, was unter „Berufen der Zahnheilkunde” zu verstehen ist, ist zuzustimmen. Mit der 1975 durch das KVSG geschaffenen Änderung der 12. Aufbau-VO ist der Mitgliederkreis der Ersatzkassen endgültig festgelegt. Der Gesetzgeber hat damit aus Gründen der Rechtssicherheit eine abschließende und der weiteren rechtlichen Überprüfung entzogene Festlegung getroffen (vgl BT-Drucks 7/3640, S 8). Er hat dabei bewußt in Kauf genommen, daß auch Berufsgruppen dem Mitgliederkreis angehören, die bei historischer Betrachtung nicht zu dem ursprünglich klassischen Mitgliederkreis zu zählen sind.

Der Wortlaut der Satzungsnorm läßt nicht den Schluß zu, daß mit Berufen der Zahnheilkunde nur der eng begrenzbare Kreis von angestellten Zahnärzten, Kieferorthopäden und Dentisten erfaßt werden sollten. Dieser Auslegung steht unter anderem § 1 Abs 1 Buchst c VB entgegen, wonach auch Personen in der Ausbildung zu Berufen der Zahnheilkunde Mitglieder der Beklagten sein können. Diese Beitrittsberechtigung wäre zumindest für den Personenkreis der Berufe der Zahnheilkunde hinfällig, wenn – wie dies die Revision meint – damit nur Berufsgruppen erfaßt würden, die zur Ausübung ihres Berufes ein abgeschlossenes Hochschulstudium benötigen. Das Hochschulstudium fällt nicht unter den Begriff der Ausbildung iS von § 1 Abs 1 Buchst c VB, der zum Ersatzkassenbeitritt berechtigt. Für versicherungspflichtige Studenten sieht § 1 Abs 2 Buchst a VB ein eigenes Beitrittsrecht vor.

Der Hinweis der Klägerin auf die Definition der Zahnheilkunde geht deswegen fehl, weil eine solche Definition nichts darüber aussagt, in welchem Umfang der Begriff „Berufe der Zahnheilkunde” zu definieren ist. Die praktische Umsetzung der Zahnheilkunde ist nicht nur Zahnärzten, Kieferorthopäden und Dentisten vorbehalten. Auch Personen, die unerläßliche Hilfs- und Zuarbeiten dafür verrichten, ermöglichen durch ihre Tätigkeit den genannten Berufen die Ausübung ihrer praktischen Arbeit. Die Auffassung der Klägerin, daß nur derartige Berufe, die unter das Zahnheilkundegesetz fallen, auch im Sinne der Satzungsbestimmung der Beklagten „Berufe der Zahnheilkunde” seien, geht fehl. Zutreffend hat das LSG darauf verwiesen, daß aus dem gegenüber der Satzungsbestimmung zeitlich später ergangenen Gesetz keine Definitionshilfe für die Auslegung der Satzungsbestimmung zu entnehmen ist. Darüber hinaus ist der Schutzzweck des Zahnheilkundegesetzes, nämlich die Übertragung der Behandlung auf entsprechend ausgebildete Personen, nicht mit dem Sinn und Zweck der Beitrittsberechtigung zu einer Ersatzkasse zu vergleichen. Mit der Festschreibung des Mitgliederkreises von Ersatzkassen durch das KVSG (aaO) hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß damit ein erst aus einer Satzungsauslegung zu ermittelnder Personenkreis erfaßt wird. Eine unzulässige Ausweitung des Mitgliederkreises ist von der Beklagten nicht vorgenommen worden. Ihre Satzungsbestimmung ist insoweit nicht unvertretbar, da die Berufsgruppe der Zahnarzthelferin der Erbringung der zahnärztlichen Leistung unmittelbar zu dienen bestimmt ist.

Die Entscheidung des LSG ist daher rechtlich nicht zu beanstanden; die Revision konnte somit keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173624

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge