Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtrente mit Leistungsanteilen aus der knappschaftlichen RV

 

Leitsatz (redaktionell)

KnVNG Art 2 § 23 Abs 2 ist lex specialis. AnVNG Art 2 § 32 läßt sich auch nicht mittelbar auf die Leistungsanteile aus der AnV und ArV anwenden.

 

Normenkette

KnVNG Art. 2 § 23 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; AnVNG Art. 2 § 32 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 33 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 1. März 1960 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Ehemann der Klägerin ist im Oktober 1956 verstorben. Er hatte zu Beginn seines Berufslebens sieben Beitragsmonate in der knappschaftlichen Rentenversicherung (knRV) zurückgelegt, später der Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) und zuletzt der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) angehört.

Mit Bescheid vom 28. August 1958 gewährte die Beklagte der Klägerin die Witwenrente vom November 1956 an; sie berechnete sie für November und Dezember 1956 nach altem Recht und für die Zeit vom 1. Januar 1957 an nach der neuen Rentenformel. Diese Umstellung auf das seit dem 1. Januar 1957 geltende neue Recht beanstandet die Klägerin; sie beansprucht für die Leistungen aus der AnV und der ArV die pauschale Umstellung gemäß Art. 2 § 32 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz - AnVNG - (Umstellung nach der Tabelle).

Die Klage und die Berufung der Klägerin waren ohne Erfolg (Urteile des SG Hamburg vom 7. Oktober 1959 und des Landessozialgerichts - LSG - Hamburg vom 1. März 1960). Nach der Ansicht der Vorinstanzen hat die Beklagte die Rente richtig umgestellt; die hier maßgebende Umstellungsvorschrift des Art. 2 § 23 Abs. 2 Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz (KnVNG) ordne nämlich ausdrücklich an, daß die Rente nach den Bestimmungen über die Neufeststellung der Renten umzustellen sei.

Die Klägerin legte die zugelassene Revision ein mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verpflichten, die Rente für die Zeit vom 1. Januar 1957 an gemäß Art. 2 § 32 AnVNG zu berechnen, soweit die Beiträge zur AnV und ArV in Frage stehen.

Sie rügte eine fehlerhafte Anwendung des Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG; diese Vorschrift schließe weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn nach die pauschale Umstellung der AnV- und ArV-Anteile aus; die kurze Zugehörigkeit ihres Ehemannes zur knRV rechtfertige auch keine von Art. 2 § 32 AnVNG abweichende Umstellung dieser Anteile; hilfsweise sei sie bereit, auf den knappschaftlichen Rentenanteil zu verzichten.

Die Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten erklärten sich damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 28. August 1958 ist nur angefochten, soweit die Beklagte die Rente für die Zeit vom 1. Januar 1957 an festgestellt hat. Dabei beanstandet die Klägerin allein die Berechnung der Leistungsanteile aus der AnV und der ArV; ihre Einwände gegen die Rentenberechnung vom 1. Januar 1957 an sind jedoch unbegründet, wie das LSG zu Recht entschieden hat.

Die Beteiligten und die Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, daß im vorliegenden Falle Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG die Art der Umstellung bestimmt. Die Umstellungsvorschrift des Art. 2 § 32 AnVNG ist dagegen nicht anwendbar.

Beide Vorschriften gelten zwar gleichermaßen für Renten, "die nach dem bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Recht festgestellt sind oder noch festgestellt werden" (sogenannte Bestandsrenten). Das ergibt ihre Verbindung mit Art. 2 § 23 Abs. 1 KnVNG und Art. 2 § 30 Abs. 1 AnVNG, welche die genannte Voraussetzung im gleichen Wortlaut enthalten. Dieses Tatbestandsmerkmal deckt sich darüber hinaus im Inhalt; denn das KnVNG und das AnVNG sind zum gleichen Zeitpunkt (1.1.1957) in Kraft getreten, und mit dem bis zum Inkrafttreten beider Gesetze geltenden Recht ist das bis zum 31. Dezember 1956 gültige Recht der Rentenversicherung ohne Begrenzung auf einen Versicherungszweig gemeint. Nach diesem Recht ist die Witwenrente noch für November und Dezember 1956 festgestellt worden.

Obgleich beide Umstellungsvorschriften sonach zugleich anwendbar scheinen, geht doch Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG als lex specialis (Sondervorschrift) vor. Wie der Senat schon in BSG 16, 115 (116) dargelegt hat, enthält nur das KnVNG Vorschriften darüber, wie die Bestandsrenten mit Leistungsanteilen aus der knRV auf das neue Recht umzustellen sind. Für solche Gesamtrenten trifft das AnVNG keine Regelung; das zeigt u. a. Art. 2 § 31 Abs. 5 AnVNG, der nur das Zusammentreffen von Steigerungsbeträgen aus der AnV und ArV, nicht aber auch das mit Steigerungsbeträgen aus der knRV behandelt (aaO S. 117).

Die für November und Dezember 1956 festgestellte Witwenrente der Klägerin enthielt einen Leistungsanteil aus der knRV. Hiervon muß der Senat ausgehen. Der erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erstmals angebotene oder erklärte Verzicht auf diesen Anteil kann schon als neues Vorbringen tatsächlicher Art bei der Revisionsentscheidung keine Berücksichtigung finden.

Die Umstellung der Witwenrente richtet sich daher nach Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Beklagte - die nach neuem Recht (§ 102 RKG, Art. 2 § 26 Abs. 1 KnVNG, § 90 AVG) für die Umstellung, Feststellung und Zahlung der Gesamtrente zuständig ist - sich zugleich zur Feststellung der Rente für November und Dezember 1956 als zuständig erachtet hat, obgleich insoweit ihre Zuständigkeit zweifelhaft ist (vgl. § 1544 g Abs. 3 RVO aF i. V. m. § 1 Nr. 3 des Wanderversicherungsabkommen vom 12.6.1944, AN 44, 246). In BSG 16, 115 hat der Senat zwar für die Anwendung des Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG mit angeführt, daß die Gesamtrente nach altem Recht von einem Versicherungsträger der knRV festgesetzt worden war. Entscheidend war jedoch, daß auch jene Gesamtrente einen knappschaftlichen Leistungsanteil enthielt; das sollte der Hinweis auf die frühere Zuständigkeit der Knappschaft nur verdeutlichen; ein knappschaftlicher Leistungsanteil wurde nämlich nur gewährt, wenn zu diesem Versicherungszweig mehr als sechs Monatsbeiträge entrichtet waren (§ 1544 b Abs. 2 RVO aF); nach dem Wanderversicherungsabkommen vom 12. Juni 1944 oblag es dann aber der Knappschaft, die Leistung festzustellen.

Art. 2 § 32 AnVNG läßt sich auch nicht mittelbar - d. h. auf dem Wege über Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG - auf die Leistungsanteile aus der AnV und ArV anwenden. In BSG 16, 115 hat der Senat entschieden, daß Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG die Anwendung der Umstellungsvorschriften des AnVNG (Art. 2 §§ 30 ff) und damit die pauschale Umstellung nach Tabellen ausschließt; nach Art. 2 § 23 Abs. 2 KnVNG sind die Leistungsanteile der AnV und ArV bei einer Gesamtrente mit Leistungsanteilen aus der knRV vielmehr, wie es die Beklagte getan hat, nach der neuen Rentenformel (§§ 1255 RVO, 32 AVG) zu berechnen. In seinem früheren Urteil hat der Senat ferner klargestellt, daß diese Regelung nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes verstößt. Die Ausführungen der Klägerin geben keinen Anlaß, von dieser Rechtsansicht abzuweichen; der Senat hält daher bei erneuter Prüfung an ihr fest.

Die Revision ist somit als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2379828

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