Entscheidungsstichwort (Thema)
Anzuwendendes Scheidungsfolgenrecht bei gemischt nationalen Ehen. Auswirkungen eines deklaratorischen Verzichts
Leitsatz (amtlich)
Die Scheidungsfolgen einer vor dem 1.9.1986 in den USA geschiedenen Ehe eines deutschen Versicherten und seiner Frau, die bei der Eheschließung ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hatte, richten sich nach deutschem Recht (Abgrenzung zu BSG vom 19.3.1980 - 11 RA 25/78 = SozR 2200 § 1265 Nr 48 und BSG vom 2.11.1988 - 8/5a RKn 6/87 = SozR 2200 § 1265 Nr 88.
Orientierungssatz
Ein deklaratorischer Verzicht auf Unterhalt unter Berücksichtigung von Verhältnissen, die nach § 1265 Abs 1 S 2 Nr 1 RVO den Hinterbliebenenanspruch gerade nicht ausschließen, kann nicht als rechtsvernichtend gegenüber dem Rentenanspruch angesehen werden.
Normenkette
RVO § 1265 Abs 1 S 2 Nr 1; BGBEG Art 17 Fassung: 1896-08-18
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 28.11.1988; Aktenzeichen L 4 J 263/87) |
SG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.10.1987; Aktenzeichen S 10 J 143/80) |
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin Hinterbliebenenrente nach § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Die Klägerin ist am 14. März 1917 geboren. Sie heiratete am 25. Februar 1942 in M den Versicherten O S . Zum Zeitpunkt der Eheschließung besaßen beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe ist die am 19. Dezember 1943 geborene Tochter M hervorgegangen. Der Versicherte ist am 20. Februar 1976 in M gestorben.
Nachdem die Familie im Jahre 1955 in die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) ausgewandert war, erwarb im Mai 1960 zwar die Klägerin, nicht jedoch der Versicherte, die amerikanische Staatsangehörigkeit. Auf Antrag der Klägerin wurde die Ehe in den USA vom Second Judical Court of the State of Nevada in and for the County of Washoe durch Urteil vom 21. August 1963 geschieden. Die Scheidung erfolgte - wie es in dem Urteil heißt - wegen "äußerster Grausamkeit und körperlicher Verletzung" durch den Versicherten mit sofortiger Wirkung. Regelungen über den Unterhalt enthält das Scheidungsurteil nicht. Allerdings wurden die Parteien verpflichtet, "die Vereinbarung über den Gemeinbesitz entsprechend den Vorschriften anzuerkennen". Das Scheidungsurteil wurde vom Senator für Justiz in Berlin gemäß Art 7 § 1 Abs 1 Satz 1 des Familienrechtsänderungsgesetzes vom 11. August 1961 (BGBl I 1221) am 31. Januar 1979 anerkannt. Bei der Scheidung erhielt die Klägerin das gemeinsame Hausgrundstück der Parteien zum damaligen Wert von 12.000 US-Dollar. Auf den Kaufpreis waren jedoch erst 4.000 US-Dollar angezahlt. Die Klägerin zahlte an den Versicherten zum Ausgleich 2.000 US-Dollar. Zum Zeitpunkt der Scheidung bis zum Tode des Versicherten war die Klägerin erwerbstätig und erzielte zuletzt Einkünfte von ca 550 US-Dollar im Monat. Zum Zeitpunkt der Scheidung ging der Versicherte keiner Erwerbstätigkeit nach, war Alkoholiker und hatte keinen festen Wohnsitz. Später kehrte er in die Bundesrepublik zurück und war von Januar 1975 bis zu seinem Tode im Februar 1976 versicherungspflichtig beschäftigt. Er ist ebenso wie die Klägerin keine weitere Ehe eingegangen.
Im November 1976 beantragte die Klägerin, ihr Hinterbliebenenrente zu gewähren. Am 31. März 1977 gab sie an, sie habe nach der Scheidung keinen Unterhalt von ihrem früheren Ehemann erhalten. Ihre Anwältin im Scheidungsverfahren bescheinigte am 21. März 1977, die Klägerin habe keine Alimente, sondern eine einmalige Abfindung in Form der Hälfte des damaligen gemeinsamen Grundstücks erhalten. Durch Bescheid vom 25. Juli 1979 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21. August 1980).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. April 1977 - dem Monat nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres - die Geschiedenenwitwenrente zu zahlen (Urteil vom 22. Oktober 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beiladung der Landesversicherungsanstalt Freie und Hansestadt Hamburg die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung der Beigeladenen mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß für die Zeit ab 1. Dezember 1979 die Beigeladene die Rente an die Klägerin zu zahlen habe (Urteil vom 28. November 1988). Das LSG hat ausgeführt, die Voraussetzungen für den Anspruch auf Geschiedenenwitwenrente gemäß § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO seien erfüllt. Für die Zahlung der Rente sei ab 1. Dezember 1979 gemäß Art 16 und 20 des deutsch-amerikanischen Sozialversicherungsabkommens vom 7. Januar 1976 (BGBl II 1976, 1358) iVm Art 3 der entsprechenden Durchführungsvereinbarung vom 21. Juni 1978 (BGBl II 1979, 567) die Beigeladene zuständig. Ein Unterhaltsanspruch der Klägerin ergebe sich dem Grunde nach aus den §§ 58, 59 des Ehegesetzes in der bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung (EheG aF). Zwar enthalte das (amerikanische) Scheidungsurteil keinen Schuldausspruch. Aus dem Urteil ergebe sich jedoch, daß die Scheidung offensichtlich aus Gründen erfolgt sei, die in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Scheidung aus alleinigem Verschulden des Versicherten geführt hätten. Da der Versicherte im Zeitpunkt der Scheidung die deutsche Staatsangehörigkeit besessen habe, sei hinsichtlich der Scheidungsfolgen das deutsche Recht maßgebend. Seine Unterhaltspflicht beurteile sich deshalb - unabhängig davon, daß die Ehe tatsächlich nach amerikanischem Recht geschieden worden sei -, nach deutschem Recht. Dies ergebe sich aus der verfassungskonformen Auslegung des Art 17 Abs 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) in der vor dem 1. September 1986 geltenden - alten - Fassung (aF). Zwar habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) durch Beschluß vom 8. Januar 1985 (NJW 1985, 1282) die genannte Vorschrift für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt. Gleichwohl seien die Scheidungsfolgen dem deutschen Recht zu entnehmen, da die Neuregelung des Art 18 Abs 4 EGBGB idF des Gesetzes zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom 25. Juli 1986 -BGBl I 1142- (= nF) auf die Frage der Unterhaltspflicht vor ihrem Inkrafttreten nicht anwendbar sei. Nach verfassungskonformer Auslegung des Art 17 Abs 1 EGBGB aF seien die Scheidungsfolgen in einer Ehe zwischen einem deutschen und einem ausländischen Ehegatten stets nach deutschem Recht zu beurteilen, um dem deutschen Ehegatten bei der Entscheidung (über die Scheidungsfolgen) durch ein deutsches Gericht stets die Anwendung deutschen Rechts zu sichern. Der Unterhaltsanspruch sei auch nicht durch einen Unterhaltsverzicht der Klägerin entfallen. Der Versicherte habe bei der Scheidung seinen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Hausgrundstück zwar an die Klägerin übertragen, sei dafür aber auch angemessen entschädigt worden. Die Klägerin habe im Gegenzug nicht auf Unterhaltsansprüche verzichtet, da sie durch die Übertragung des Miteigentumsanteils nur etwas erhalten habe, was ihr ohnehin zugestanden hätte. Die dem Grunde nach bestehende Unterhaltsverpflichtung des Versicherten nach §§ 58, 59 EheG aF habe nur deshalb nicht zu einer konkreten Unterhaltspflicht geführt, weil die Klägerin über ausreichende Erträgnisse aus eigener Erwerbstätigkeit verfügt habe und es auf Seiten des Versicherten an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gefehlt habe.
Die Beklagte und die Beigeladene haben dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten.
Die Beklagte rügt eine Verletzung folgender Vorschriften: § 1265 RVO, Art 17 EGBGB aF und § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie hat keinen förmlichen Antrag gestellt.
Die Beigeladene rügt ebenfalls die Verletzung der schon von der Beklagten genannten Vorschriften.
Die Beigeladene beantragt,
das angefochtene Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden. Zwar enthalten weder die Revisionsschrift der Beklagten noch ihr Schriftsatz mit der Revisionsbegründung einen förmlichen Antrag. Den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG, wonach die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten muß, genügt es aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wenn die Begründung erkennen läßt, welches prozessuale Ziel der Revisionskläger erreichen will (vgl BSG in SozR 1500 § 164 Nrn 8 und 10). Das trifft hier zu. Die Beklagte hat mit hinreichender Deutlichkeit dargetan, daß sie die Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und die Abweisung der Klage erstrebt. Sie widerspricht in ihrer Revisionsbegründung dem Ergebnis des angefochtenen Urteils und der Argumentation des LSG. Die Beklagte hält nach wie vor ihren Bescheid, mit dem sie die von der Klägerin beantragte Hinterbliebenenrente abgelehnt hat, für zutreffend. Aus dem Vorbringen der Beklagten bezüglich der unter bestimmten Voraussetzungen für erforderlich gehaltenen weiteren Sachaufklärung folgt, daß hilfsweise eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG erstrebt wird. Die Revision der Beklagten ist damit zulässig, ebenso die Revision der Beigeladenen.
Die Revisionen sind jedoch nicht begründet; denn der Klägerin steht die ihr im angefochtenen Urteil des LSG zuerkannte Hinterbliebenenrente gemäß § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO zu. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Klägerin von ihrem geschiedenen Ehemann zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG dem Grunde nach beanspruchen konnte und ob eine solche Unterhaltsverpflichtung aus den in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO genannten Gründen nicht bestanden hat, ist das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Recht anzuwenden. Zutreffend hat das LSG die Voraussetzungen der §§ 58, 59 EheG aF als erfüllt angesehen.
Da die Klägerin zum Zeitpunkt der Scheidung die amerikanische, der Versicherte jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, sind für die Beurteilung eines Unterhaltsanspruchs durch ein deutsches Gericht die Kollisionsnormen des deutschen internationalen Privatrechts heranzuziehen. Dabei ist unerheblich, daß die Ehe in den USA nach dortigem Recht geschieden worden ist. Der Unterhaltsanspruch aus der früheren Ehe richtet sich nach dem unwandelbaren Scheidungsstatut (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 38). Das als Scheidungsstatut anzuwendende Recht ergibt sich ausschließlich aus den genannten Kollisionsnormen. Die Entscheidung eines ausländischen Gerichts, das an die Normen des deutschen internationalen Privatrechts nicht gebunden ist, vermag daran nichts zu ändern. In ständiger Rechtsprechung hat das BSG entschieden, es gebe keine überzeugenden Gründe für die Annahme, daß das bei der Scheidung tatsächlich angewandte Statut auch für die Regelung der Scheidungsfolgen, insbesondere der unterhaltsrechtlichen Folgen, maßgebend zu sein habe (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 13; BSGE 41, 253; 48, 70 = BSG SozR aaO Nrn 15 und 39). Die Entscheidungen betreffen zwar interlokales Recht im Verhältnis zur DDR. Die Problemstellung ist jedoch mit derjenigen des internationalen Privatrechts identisch. Stets geht es darum, ob sich die Scheidungsfolgen zwingend aus dem tatsächlich angewandten Scheidungsstatut ergeben. Das ist nicht zuletzt deshalb zu verneinen, weil dann die Scheidungsfolgen bei gemischt nationalen Ehen von der Wahl des Scheidungsorts und dem ausländischen internationalen Privatrecht abhingen. Entscheidend für die Heranziehung deutschen Rechts ist vielmehr, ob das Scheidungsstatut aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts das deutsche Recht ist. Das ist der Fall, obwohl Art 17 Abs 1 EGBGB aF - wonach insoweit das Heimatrecht des Ehemanns (Deutscher) anzuwenden ist - durch Beschluß des BVerfG vom 8. Januar 1985 (NJW 1985, 1282) für verfassungswidrig und damit für nichtig erklärt worden ist.
Eine Anwendung des Art 18 Abs 4 EGBGB nF kann nicht erfolgen, da es um Unterhaltsansprüche vor dem 1. September 1986 geht, und Art 220 Abs 1 EGBGB nF insoweit die Anwendung des bisherigen internationalen Privatrechts vorschreibt. Die dadurch entstehende Regelungslücke für Vorgänge vor dem 1. September 1986 - die Kollisionsnorm des Art 17 Abs 1 EGBGB aF kann wegen ihrer Verfassungswidrigkeit nicht angewandt werden (vgl Urteil des erkennenden Senats in BSGE 65, 48, 50) - hat das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend geschlossen. Allerdings hat es verkannt, daß die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) zur verfassungskonformen Auslegung des Art 17 Abs 1 EGBGB aF bei gemischt nationalen Ehen mit Beteiligung eines deutschen Ehegatten (BGHZ 86, 57; 87, 359) nach der Entscheidung des BVerfG vom 8. Januar 1985 nicht mehr in vollem Umfang zur Entscheidung des Rechtsstreits herangezogen werden kann.
Der BGH ist davon ausgegangen, daß Art 17 Abs 1 EGBGB aF wegen der Anknüpfung an das Heimatrecht des Ehemanns das Gleichberechtigungsgebot des Art 3 Abs 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Diese grundgesetzwidrige Bevorzugung des Mannesrechts sei durch eine verfassungskonforme Auslegung des Art 17 EGBGB aF zu ersetzen, die sich an den Strukturelementen des geltenden Kollisionsrechts und an dem verfassungskonformen Restbestand der Vorschrift zu orientieren habe (BGHZ 86, 57, 66). Danach sei für das Scheidungsstatut primär auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten abzustellen. Fehle es an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Scheidung, sei dem das geltende Kollisionsrecht beherrschenden Staatsangehörigkeitsprinzip ggf in der Weise Rechnung zu tragen, daß auf eine frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit zurückgegriffen werde, die ggf von einem Ehegatten beibehalten worden sei. Bei gemischt nationalen Ehen, in denen ein Ehegatte deutscher Staatsangehöriger sei, enthalte Art 17 Abs 3 EGBGB aF eine Sonderregelung, die für den deutschen Ehegatten weitgehend die Anwendung deutschen Rechts sichern wolle. Nach verfassungskonformer Auslegung des Art 17 Abs 3 iVm Art 17 Abs 1 EGBGB aF sei bei Scheidungsantrag des ausländischen Ehegatten auf das Scheidungsbegehren das ausländische Recht und auf die Scheidungsfolgen das deutsche Recht anzuwenden. Diese Lösung stehe mit den Grundprinzipien der gesetzlichen Regelung und deren verfassungskonformen Bestandteilen am weitesten in Einklang. Sie trage einerseits - für die Scheidung als solche - dem Staatsangehörigkeitsprinzip Rechnung, von dem Art 17 EGBGB aF grundsätzlich ausgehe. Zum anderen werde durch die Anwendung deutschen Rechts auf die Scheidungsfolgen die vom Gesetz gewollte Zuordnung des deutschen Ehegatten zu seinem Heimatrecht in einem Bereich verwirklicht, in dem seine Interessen in mindestens gleicher Weise berührt würden wie die des ausländischen Ehegatten (BGHZ 87, 359, 366).
Die Entscheidung des BVerfG vom 8. Januar 1985 (aaO) beseitigt Art 17 Abs 1 EGBGB aF und entzieht damit dieser verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift den Boden. Hätte sich das BVerfG die Rechtsprechung des BGH zu eigen gemacht, hätte es sich in der Entscheidungsformel darauf beschränken müssen, die angegriffenen Urteile wegen der in dem Verstoß gegen Art 17 Abs 1 und 3 EGBGB aF in ihrem durch verfassungskonforme Auslegung ermittelten Inhalt liegenden Grundrechtsverletzung aufzuheben. Die Grundrechtsverletzung hätte dann nicht in der Anwendung einer grundrechtswidrigen Norm gelegen, sondern in der verfassungswidrigen Auslegung einer bei richtiger Auslegung verfassungskonformen Norm (so Winkler von Mohrenfels, Die Anknüpfung des Scheidungsstatuts nach Nichtigerklärung des Art 17 I EGBGB, NJW 1985, 1264, 1265).
Da somit die kollisionsrechtliche Regelung des BGH bei Scheidung einer gemischt nationalen Ehe mit einem deutschen Ehegatten nicht aufrecht erhalten werden kann, ist bei Ermittlung der nunmehr anzuwendenden Kollisionsnorm von dem das deutsche Kollisionsrecht beherrschenden Staatsangehörigkeitsprinzip auszugehen (Jayme, Zur Neubestimmung des Scheidungsstatuts für gemischtnationale Ausländerehen, IPRax, 1983, 221). Dadurch kann ein Auseinanderfallen von Scheidungsstatut und Scheidungsfolgenstatut sowie die wenig plausible Unterscheidung zwischen gemischt nationalen Ehen mit und ohne deutschem Ehegatten für die Rechtsanwendung im Inland vermieden werden. Art 17 Abs 3 EGBGB aF steht dem nicht entgegen. Diese Vorschrift enthält zugunsten der deutschen Ehefrau eine Ausnahmeregelung von der sie benachteiligenden Regelung in Abs 1 der genannten Vorschrift. Nach Wegfall des Abs 1 durch die Entscheidung des BVerfG ist diese Norm nur noch entscheidungserheblich, wenn die Ehefrau deutsche Staatsangehörige ist und die Ehegatten entweder früher eine gemeinsame andere Staatsangehörigkeit hatten oder bei Scheidung im Ausland leben. Die Klägerin ist jedoch bereits zum Zeitpunkt der Scheidung amerikanische Staatsbürgerin gewesen. Somit ist für das Scheidungsstatut auf die gemeinsame, hilfsweise frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit der Ehegatten abzustellen (so auch Rauscher, Nichts Neues zu Art 17 EGBGB ?, JZ 1985, 518). Damit ist das Scheidungsstatut - und Scheidungsfolgenstatut - das deutsche Recht, und zwar unabhängig davon, daß die Ehe in den USA tatsächlich nach dortigem Recht geschieden worden ist.
Mit dieser Rechtsprechung weicht der erkennende Senat nicht von den Urteilen des BSG, und zwar des 11. Senats vom 19. März 1980 (SozR 2200 § 1265 Nr 48) und des 8. Senats vom 2. November 1988 (aaO Nr 88) ab. Im Fall des 11. Senats hatten beide Ehegatten zur Zeit der Scheidung die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit. Für die Unterhaltspflicht ist das tschechoslowakische Recht als maßgebend angesehen worden. Das Scheidungsstatut, so hat der 11. Senat ausgeführt, konnte und kann unbeschadet aller möglichen Modifizierungen des Art 17 EGBGB aF durch Art 3 Abs 2 GG deutsches Recht nicht sein, weil die Eheleute zur Zeit ihrer Scheidung in der CSSR ansässig waren, die tschechoslowakische Staatsangehörigkeit besaßen und dementsprechend auch nach dem Recht dieses Staates geschieden worden sind. In dem vom 8. Senat entschiedenen Rechtsstreit ist die Scheidung 1977 in Oberschlesien erfolgt und der Versicherte dort im Scheidungsurteil zur Unterhaltsleistung verpflichtet worden. Bei der Beantwortung der Frage, aus welchen Gründen jener Versicherte keinen rechtlich erheblichen Unterhalt zahlen mußte, hat der 8. Senat das polnische Recht für anwendbar erklärt. Unterhaltsansprüche der geschiedenen Ehegatten richteten sich in entsprechender Anwendung des Art 17 EGBGB aF nach dem für die Scheidung gültigen Recht. In beiden Fällen ist also das BSG davon ausgegangen, Scheidungsstatut sei das jeweils zutreffend angewandte ausländische Recht gewesen. Im Fall des 11. Senats war keiner der beiden Ehegatten zur Zeit der Scheidung deutscher Staatsangehöriger. Das Urteil des 8. Senats enthält keine Angaben zur Staatsangehörigkeit, ordnet das Scheidungsstatut aber dem polnischen Recht zu. Wegen dieser Unterschiede in den Sachverhalten weicht der erkennende Senat nicht von der erwähnten Rechtsprechung des BSG ab.
Die Unterhaltsverpflichtung des Versicherten gegenüber der Klägerin beurteilt sich daher nach dem EheG in der beim Tod des Versicherten geltenden Fassung. Nach den Feststellungen des LSG enthält das Scheidungsurteil vom 21. August 1963 im Tenor keinen Schuldausspruch. Zur Feststellung, ob der Versicherte die Schuld an der Scheidung trägt, ist die Klägerin nicht auf den ordentlichen Rechtsweg zu verweisen. Wird ein Anspruch aus § 1265 RVO geltend gemacht, so lebt der Versicherte nicht mehr, und eine Feststellungsklage kann gegen ihn nicht mehr erhoben werden. Die Versicherungsträger und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben in diesen Fällen über die Vorfrage selbst zu entscheiden, ob und welches Verschulden den Versicherten an der Scheidung trifft (BSG aaO Nr 13). Die Feststellung des LSG, daß die Ehe "wegen äußerster Grausamkeit" des Versicherten und "wegen körperlicher Verletzung" der Klägerin durch den Versicherten, mithin aus dessen Verschulden geschieden worden ist, wird von der Revision nicht angegriffen. Der erkennende Senat ist folglich daran gebunden (§ 163 SGG). Daraus folgt, daß der Klägerin auch zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch nach §§ 58, 59 EheG aF dem Grunde nach zugestanden hat. Diesem Unterhaltsanspruch folgte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG keine konkrete Unterhaltsverpflichtung des Versicherten, weil es wegen des Erwerbseinkommens der Klägerin und der fehlenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Versicherten an einer solchen Verpflichtung mangelte (§ 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO).
Entgegen der Meinung der Revision reichen die festgestellten und nicht angegriffenen Tatsachen aus, um zu entscheiden, daß ein iS von § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO wirksamer Verzicht der Klägerin auf Unterhalt nicht anzurechnen ist. Die Klägerin hat zum Zeitpunkt der Scheidung und auch darüber hinaus zumindest bis zum Tode des Versicherten über Erträgnisse aus eigener Erwerbstätigkeit verfügt, welche sich im Jahre 1976 auf monatlich 550 US-Dollar beliefen. Der Versicherte ging zum Zeitpunkt der Scheidung keiner Erwerbstätigkeit nach, war Alkoholiker und ohne festen Wohnsitz. Somit konnte die Klägerin auf nicht absehbare Zeit nicht damit rechnen, von dem Versicherten Unterhalt zu bekommen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß bei einer mangelnden Leistungsfähigkeit des Versicherten bzw einer - unter Berücksichtigung eigener Erwerbseinkünfte - mangelnden Unterhaltsbedürftigkeit der geschiedenen Ehefrau eine Unterhaltspflicht des Versicherten nach §§ 58 Abs 1, 59 Abs 1 Satz 1 EheG aF ohnehin nicht bestanden hat. Unterstellt man somit mit der Revision einen umfassenden Unterhaltsverzicht der Klägerin bei der Scheidung - und nur ein solcher Verzicht einschließlich des Verzichts auf den Notbedarf wäre geeignet, den Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO auszuschließen -, so hat die Klägerin auf etwas "verzichtet", worauf sie realiter keinen Anspruch hatte (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 90 und 94). Es würde sich demnach um einen deklaratorischen Verzicht unter Berücksichtigung von Verhältnissen handeln, die nach § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO den Hinterbliebenenanspruch gerade nicht ausschließen. Es widerspräche den Intentionen des Gesetzgebers, diesen deklaratorischen Verzicht gleichwohl als "rechtsvernichtend" gegenüber dem Rentenanspruch nach § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO zu beurteilen (BSG aaO). Darüber hinaus hat das LSG aufgrund seiner Feststellungen zutreffend dargelegt, daß keinerlei Anhaltspunkte für einen umfassenden Unterhaltsverzicht der Klägerin gegenüber dem Versicherten vorliegen. Die Klägerin hat zu keiner Zeit erklärt, sie habe für alle Zeit auf jeglichen Unterhalt verzichtet. Entgegen dem Vorbringen der Revision kann dies auch nicht aus Erklärungen bei der Antragstellung bzw im Verfahren geschlossen werden. Zu Recht hat das LSG diesen Bekundungen keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Ob ein umfassender Unterhaltsverzicht erklärt worden ist, bestimmt sich nämlich nicht nach der Beurteilung der Beteiligten, sondern nach den Gesamtumständen zum Zeitpunkt der Scheidung. Diese lassen nach den zutreffenden Feststellungen des LSG einen Unterhaltsverzicht - etwa gegen Überlassung des Anteils am Hausgrundstück - nicht erkennen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1650257 |
IPRspr. 1990, 83 |