Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Nachschiebens von Gründen durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat (Anschluß BSG 1959-07-28 11/8 RV 425/57 = BSGE 10, 209 und Anschluß BSG 1962-01-31 10 RV 955/58 = Breith 1962, 723).
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Unter Abänderung der Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. September 1960 und des Sozialgerichts Hannover vom 26. Januar 1956 wird die Klage abgewiesen und die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Dem 1948 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassenen Kläger hatte die Landesversicherungsanstalt (LVA) als Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 23. Januar 1950 Kriegsbeschädigtenrente wegen Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden, Stecksplitter in der linken Stirnseite und reizloser Narbe an der Nase, Unterlippe und am Hals ohne Funktionsbehinderung nach einer vorläufig mit 50 v.H. bemessenen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bewilligt. Der Kläger beantragte im Oktober 1950 zusätzliche Anerkennung von epileptischen Anfällen, die er auf eine während des Krieges erlittene Kopfverletzung zurückführte, und Gewährung einer Rente nach einer MdE um 70 v.H.
Der Nervenarzt Dr. E. fand bei der im Dezember 1950 vorgenommenen Untersuchung keinen Anhalt für einen ursächlichen Zusammenhang, der nach den Angaben des Klägers erstmals 1950 aufgetretenen Krampfanfälle mit der 1943 durchgemachten Gehirnerschütterung. Dieser Beurteilung schloß sich Dr. G. im Gutachten vom 25. Juli 1951 an. Er stellte darüber hinaus fest, daß der Eiweißmangelschaden des Klägers abgeklungen sei und bewertete die MdE für die von ihm angenommenen Schädigungen - kleine reizlos verheilte Narbe oberhalb der linken Augenbraue infolge Granatstecksplitterverletzung und reizlos verheilte Narbe an der Unterlippe ohne Funktionsstörungen-mit 10 v.H. Für die nicht als Schädigungsleiden bezeichneten epileptiformen Anfälle schätzte er die MdE auf 40 v.H.
Durch Umanerkennungsbescheid vom 21. September 1951 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) nur die von Dr. G. als Schädigungsleiden angeführten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) an und bewilligte dem Kläger ab 1. Oktober 1950 Rente nach einer MdE um 50 v.H. und ab 1. November 1951 nach einer MdE um 40 v.H. Auf Einspruch des Klägers hob das VersorgA den Umanerkennungsbescheid mit Bescheid vom 26. Oktober 1951 auf und teilte mit, dem Kläger würden die Rentenbezüge nach einer MdE um 50 v.H. bis zum Ablauf einer Frist von zwei Jahren weitergewährt, weil er Spätheimkehrer sei und der erste Rentenbescheid erst am 23. Januar 1950 ergangen sei. Als Körperschäden wurden weiterhin Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden, kleine reizlos verheilte Narbe oberhalb der linken Augenbraue infolge von Granatstecksplitterverletzung und reizlos verheilte Narbe an der Nase, Unterlippe und Hals ohne Funktionsstörung anerkannt. Die Anerkennung der weiter als Schädigungsfolge geltend gemachten epileptischen Anfälle lehnte das VersorgA ab. Gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1951 erhob der Kläger Einspruch. Nach Erstattung eines weiteren versorgungsärztlichen Gutachtens durch Dr. L., der eine Änderung der von Dr. G. erhobenen Befunde nicht feststellen konnte, erließ das VersorgA am 8. August 1952 einen auf § 62 Abs. 1 BVG gestützten Neufeststellungsbescheid, in dem es folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anerkannte:
1. kleine reizlos verheilte Narbe oberhalb der linken Augenbraue infolge Granatsplitterverletzung,
2. reizlos verheilte Narbe an der Nase, Unterlippe und am Hals ohne Funktionsstörung.
Die dem Kläger bisher gewährte Rente wurde mit Wirkung vom 1. Oktober 1952 ab entzogen, weil die anerkannten Leiden nur noch eine MdE um 10 v.H. bedingten. Im Bescheid wurde vermerkt, daß der gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1951 eingelegte Einspruch gleichzeitig als Einspruch gegen den Bescheid vom 8. August 1952 gelte. Die gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1951 und den Neufeststellungsbescheid vom 8. August 1952 eingelegten Einsprüche wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 1954 zurück. Zwar wurde hier nur der Bescheid vom 26. Oktober 1951 zitiert, mit dem Widerspruchsbescheid wurden jedoch nicht nur die epileptischen Anfälle als Schädigungsfolge abgelehnt, sondern es wurde auch festgestellt, daß die MdE mit 1c v.H. richtig bewertet sei.
Das Sozialgericht (SG) verurteilte mit Urteil vom 26. Januar 1956 den Beklagten, zusätzlich Hirnkrampfleiden (symptomatische Epilepsie) anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer MdE um 50 v.H. ab 1. August 1952 zu gewähren. Es schloß sich im wesentlichen dem Gutachten des Chefarztes der Psychiatrischen und Nervenabteilung der Westfälischen Diakonissenanstalt in B.-B. Dr. J. vom 12. März 1955 an, in dem das Hirnkrampfleiden des Klägers mit Wahrscheinlichkeit auf eine anläßlich der Verschüttung im Jahre 1943 erlittene Hirnschädigung zurückgeführt wurde. Bei dieser Beurteilung gingen sowohl der Sachverständige als auch das SG davon aus, daß beim Kläger schon in der russischen Kriegsgefangenschaft Anfälle auftraten.
Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte mit Urteil vom 22. September 1960 den Beklagten, dem Kläger wegen kleiner reizlos verheilter Narbe oberhalb der linken Augenbraue infolge von Granatsplitterverletzung und reizlos verheilter Narbe an der Unterlippe ohne Funktionsstörungen über den Monat Oktober 1951 hinaus Rente nach einer MdE um 50 v.H. zu gewähren. Der Berufung des Beklagten könne der Erfolg nicht versagt werden, soweit das Urteil des SG die zusätzliche Anerkennung des Hirn-Krampfleidens des Klägers betreffe. Diese Erkrankung stelle keine Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG dar. Die gerichtlichen Sachverständigen seien bei ihrer Schlußfolgerung, es handele sich um eine symptomatische (traumatische) Epilepsie, davon ausgegangen, daß der Kläger im Juli oder August 1943 verschüttet worden sei, danach das Bewußtsein verloren habe und anschließend in Lazarettbehandlung gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei jedoch nicht nachgewiesen, daß der Kläger durch eine Verschüttung ein Kopftrauma erlitten habe. Die Aussage des Zeugen Fuß, er habe von anderen Kameraden erfahren, der Kläger sei verschüttet worden, reiche nicht aus, um eine Verschüttung anzunehmen. Auch aus dem Besitzzeugnis über das Verwundetenabzeichen in Schwarz vom 15. September 1943 lasse sich nicht schließen, daß der Kläger verschüttet worden sei. Durch die Auskunft der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen deutschen Wehrmacht vom 20. Juni 1960 werde bewiesen, daß sich der Kläger Ende August 1943 wegen einer Magenschleimhautentzündung im Lazarett befunden habe. Hätte der Kläger damals wegen der Folgen einer Verschüttung dort gelegen, so wäre dies auch in den Lazarettpapieren vermerkt worden. Wenn in der erteilten Auskunft das Geburtsdatum des Klägers nicht mit dem 22., sondern fälschlicherweise mit dem 23, Dezember 1917 angegeben sei, berechtige dies nicht dazu, die Richtigkeit dieser Auskunft allgemein in Zweifel zu ziehen. Die Deutsche Dienststelle habe nämlich mit Schreiben vom 5. September 1956 unter der richtigen Angabe des Geburtsdatums Lazarettmeldungen mitgeteilt, die auch in der Auskunft aus dem Jahre 1960 enthalten seien. Darüber hinaus stimmten auch der Geburtsort und der Vor- und Familienname des Klägers in beiden Auskünften überein. Wenn der Kläger behaupte, er habe nie an Magenbeschwerden gelitten und es sei damals wegen der Kriegslage ausgeschlossen gewesen, daß er wegen einer Magenschleimhautentzündung in Lazarettbehandlung gewesen sei, so könnten diese Angaben nicht als glaubwürdig erachtet werden, weil der Kläger im Laufe des Verfahrens wiederholt widersprechende Erklärungen abgegeben habe. Da ein Kopftrauma durch eine 1943 mitgemachte Verschüttung nicht erwiesen und eine solche Schädigung zu einer anderen Zeit auch nicht geltend gemacht sei, müsse die Feststellung des SG, daß eine Epilepsie als Schädigungsfolge vorliege, als fehlerhaft beanstandet und diese Entscheidung insoweit aufgehoben werden. Im übrigen sei aber die Berufung des Beklagten unbegründet. Mit der Anschlußberufung mache der Kläger zu Recht geltend, daß ihm der Beklagte eine Rente nach einer MdE um 50 v.H. wegen der im Bescheid vom 21. September 1950 als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen über den Monat Oktober 1951 hinaus weiterzuzahlen habe. Durch den Umanerkennungsbescheid sei dem Kläger wegen reizloser Narben ab 1. Oktober 1950 eine Rente nach einer MdE um 50 v.H. und ab 1. November 1951 eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. bewilligt worden. Dieser Bescheid sei zwar rechtswidrig, weil Dr. G. die MdE für die reizlosen Narben zutreffend nur mit 10 v.H. bewertet habe und eine Abänderung der zunächst festgesetzten MdE um 50 v.H. in eine MdE um 40 v.H. nur für die Vergangenheit zulässig gewesen sei. Trotz dieser rechtlichen Mängel sei der Bescheid vom 21. September 1951 aber für den Beklagten bindend geworden, soweit in ihm die MdE zu Gunsten des Klägers mit 50 v.H. festgesetzt worden sei. Die Festsetzung einer MdE von 40 v.H. erst für die Zukunft habe keine rechtliche Wirkung. Die Aufhebung dieses Bescheides sei deshalb nur nach § 62 Abs. 1 BVG oder nach § 26 der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 (gemeint ist offenbar SVA Nr. 11) möglich gewesen. Da eine Änderung der Verhältnisse, die für die Bewilligung der Rente nach einer MdE um 50 v.H. wegen der reizlosen Narben maßgebend gewesen seien, nicht eingetreten sei, finde § 62 BVG keine Anwendung. Die Aufhebung des Umanerkennungsbescheides sei auch aus dem Grunde nicht gerechtfertigt, weil eine MdE, die zum Bezug von Rente berechtige, wegen der anerkannten Narben nicht bestehe. Zwar hätte der Bescheid vom 21. September 1951 aus diesem Grunde nach § 26 der SVD Nr. 27 (SVA Nr. 11) aufgehoben werden können, weil die Rentengewährung nach einer MdE um 50 v.H. bezw. um 40 v.H. unzweifelhaft unrichtig gewesen sei. Auf diesen Aufhebungsgrund habe sich der Beklagte jedoch während des ganzen Verfahrens nicht berufen und von Amts wegen könne er nicht berücksichtigt werden, weil sonst dem Rechtsstreit ein anderer Streitgegenstand gegeben würde. Da somit die Aufhebung des Umanerkennungsbescheides vom 21. September 1951 durch den Bescheid vom 26. Oktober 1951 rechtswidrig sei und daher auch die rechtliche Grundlage für den Neufeststellungsbescheid vom 8. August 1952 entfalle, habe der Beklagte die Rente nach einer MdE um 50 v.H. nicht entziehen dürfen.
Das LSG ließ die Revision nicht zu.
Mit der Revision beantragte der Beklagte,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 22. September 1960 insoweit aufzuheben, als Versorgungsbezüge zuerkannt worden sind; hilfsweise, unter Aufhebung des LSG-Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Revision rügt Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie ist der Auffassung, das LSG habe nicht davon ausgehen dürfen, daß dem Kläger mit dem Umanerkennungsbescheid die Rente nach einer MdE um 50 v.H. nur wegen reizloser Narben gewährt worden sei. Der Bescheid vom 21. September 1951 habe nämlich als bisher anerkannte Schädigungsleiden neben Stecksplittern und reizlosen Narben auch "Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden" aufgeführt. Diese Folgen des Eiweißmangelschadens seien vom VersorgA für die Zeit bis zum 31. Oktober 1951 berücksichtigt worden. Das habe das Berufungsgericht bei richtiger Würdigung des Sachverhalts erkennen können; denn der Eiweißmangelschaden sei erstmals von Dr. G. unter Bezugnahme auf den EKG-Befund im Schreiben vom 6. Juli 1951 als abgeklungen bezeichnet worden. Das VersorgA habe deshalb die MdE für zwei Zeiträume unterschiedlich festsetzen können. Es habe aber auch den Bescheid vom 26. Oktober 1951 erlassen dürfen. Obwohl durch diesen Bescheid der Umanerkennungsbescheid aufgehoben worden sei, habe er den Kläger besser gestellt, weil die Versorgungsbezüge auch für die Zeit nach dem 31. Oktober 1951 nach einer MdE um 50 v.H. weitergewährt und die Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden weiterhin anerkannt worden seien. Zwar habe der Bescheid vom 26. Oktober 1951 die Weitergewährung der Rente nach einer MdE um 50 v.H. nur für die Dauer von zwei Jahren bewilligt. Diese Zeitbeschränkung sei jedoch rechtlich ohne Belang, weil die rechtswidrige Bewilligung einer Rente nach einer MdE um 40 v.H. ab 1. November 1951 im Bescheid vom 21. September 1951 bis zum Ablauf des Jahres 1952 jederzeit nach Ziffer 26 der SVA Nr. 11 habe berichtigt werden können. Darüber hinaus sei aber auch zu berücksichtigen, daß die Versorgungsverwaltung mit dem Bescheid vom 26. Oktober 1951 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, dem Kläger als Spätheimkehrer gemäß § 89 BVG i.V.m. dem Erlaß des Bundesministers für Arbeit vom 31. März 1951 und dem Erlaß des Niedersächsischen Ministers für Wirtschaft und Arbeit vom 30. April 1951 sowie der Verfügung des LVersorgA Niedersachsen vom 1. Juni 1951 Leistungen zu gewähren, die ihm nach dem BVG an sich nicht zustanden. Das LSG habe deshalb die Rentenentziehung im Bescheid vom 8. August 1952 auch unter den vom Bundessozialgericht (BSG) in der Entscheidung vom 21. Januar 1960 - 8 RV 1237/58 - (BVBl 1960, 158) zugrunde gelegten rechtlichen Gesichtspunkten prüfen müssen. Im übrigen werde der Bescheid vom 26. Oktober 1951 vorsorglich auch auf Ziffer 26 der SVA Nr. 11 gestützt.
Der Kläger stellte keinen Antrag.
Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und auch statthaft, weil der Beklagte einen wesentlichen Mangel im Verfahren des Berufungsgerichts gerügt hat und dieser Mangel vorliegt (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).
Der Beklagte macht zu Recht Verletzung des § 128 SGG durch das LSG geltend. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht seine Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen und im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Dies hat das Berufungsgericht nicht genügend beachtet.
Das LSG ist davon ausgegangen, daß das VersorgA im Umanerkennungsbescheid vom 21. September 1951 die Rente nach einer MdE um 50 v.H. für die Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum 31. Oktober 1951 nur wegen reizloser Narben bewilligt habe. Hierbei hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht berücksichtigt. Der Umanerkennungsbescheid enthält nicht nur die Anerkennung reizloser Narben als Schädigungsfolgen und die Bewilligung einer Rente, deren Höhe ab 1. Oktober 1950 einer MdE um 50 v.H. und ab 1. November 1951 einer MdE um 40 v.H. entspricht; in ihm sind auch als bisher anerkannte Schädigungsleiden aufgeführt: Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden, Stecksplitter in der linken Stirnseite, reizlose Narben an Nase, Unterlippe, Hals ohne Funktionsbehinderung. Diesen Inhalt des Umanerkennungsbescheides hat das LSG weder im Tatbestand erwähnt noch hat es sich mit ihm in den Entscheidungsgründen befaßt. Zwar braucht das Urteil eines Tatsachengerichts nicht alle Umstände zu behandeln, die Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Das Gericht ist jedoch nicht von der Pflicht zu einer sachgemäßen Prüfung derjenigen Umstände entbunden, die Zweifel an der getroffenen Entscheidung begründen können. Im vorliegenden Fall hat für das LSG - von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus - besonderer Anlaß bestanden, den Umanerkennungsbescheid auf Inhalt und Tragweite genau zu überprüfen, denn es versteht sich nicht von selbst, daß bei gleichbleibenden Schädigungsfolgen (hier: reizlose Narben) die MdE für zwei Zeiträume unterschiedlich festgesetzt wird. Das LSG hätte deshalb alle Umstände berücksichtigen müssen, die über den rechtlichen Inhalt des Umanerkennungsbescheides Aufschluß geben konnten. Als solche Umstände kamen der im Bescheid enthaltene Hinweis auf die bisher anerkannten Schädigungsleiden und das versorgungsärztliche Gutachten von Dr. G. in Betracht. Hieraus hat das LSG schließen können, daß die Herabsetzung der MdE von 50 v.H. auf 40 v.H. seit dem 1. November 1951 deshalb erfolgte, weil das VersorgA die Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden nur bis zum 31. Oktober 1951 als Schädigungsfolgen anerkennen wollte. Die Gegenüberstellung der bisher anerkannten Schädigungsleiden mit den zukünftig als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen läßt erkennen, daß die Anerkennung der Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden zeitlich begrenzt gewesen ist. Aus dem versorgungsärztlichen Gutachten vom 25. Juli 1951 aber ist zu entnehmen, daß Dr. G. den Fortfall des Eiweißmangelschadens erst auf Grund des im Schreiben vom 6. Juli 1951 enthaltenen EKG-Befundes angenommen hat. Da das LSG die bis zum 31. Oktober 1951 als Schädigungsfolge anerkannten Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat, leidet das Verfahren an einem wesentlichen Mangel. Das LSG hat gegen § 128 SGG verstoßen, weil es seiner Entscheidung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt hat. Aus diesem Grunde ist die Revision statthaft.
Die Revision ist auch begründet. Das Urteil des LSG beruht auf der vom Beklagten mit Erfolg gerügten Gesetzesverletzung. Es ist möglich, daß die angefochtene Entscheidung anders ausgefallen wäre, wenn das Berufungsgericht nicht gegen § 128 SGG verstoßen hätte. Denn bei Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens hätte das LSG zu dem Ergebnis kommen können, daß die im Umanerkennungsbescheid bewilligte Rente nach einer MdE um 50 v.H. auch wegen Herz- und Kreislaufstörungen nach Eiweißmangelschaden gewährt worden ist. Das angefochtene Urteil unterliegt daher der Aufhebung.
Auf Grund der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ist der Senat in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden.
Der Bescheid vom 8. August 1952, der dem Kläger die Versorgungsbezüge mit Wirkung vom 1. Oktober 1952 entzog, ist rechtmäßig. Zwar ist dem LSG darin beizupflichten, daß § 62 BVG der Versorgungsverwaltung keine rechtliche Grundlage bot, den Versorgungsanspruch des Klägers neu festzustellen; denn der Wegfall des Eiweißmangelschadens, auf den sich der Neufeststellungsbescheid vom 8. August 1952 stützt, hat schon bei der Erteilung des Umanerkennungsbescheides vom 21. September 1951 vorgelegen. Auf diesen Zeitpunkt ist abzustellen, weil dem Umanerkennungsbescheid eine Untersuchung (versorgungsärztliches Gutachten vom 25. Juli 1951) vorausgegangen war (vgl. § 86 Abs. 3 BVG und BSG 7, 8; 11, 236). Überdies war im August 1952 seit der früheren Feststellung vom 21. September 1951 auch die Zweijahresfrist des § 62 Abs. 2 BVG noch nicht abgelaufen. Die Versorgungsverwaltung war jedoch aus einem anderen Grunde zur Neufeststellung berechtigt, Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob durch den Bescheid vom 26. Oktober 1951 der Umanerkennungsbescheid aufgehoben und dem Kläger unter Übernahme der nach der SVD Nr. 27 anerkannten Schädigungsfolgen eine Rente nach einer MdE um 50 v.H. für die Dauer von zwei Jahren weitergewährt werden durfte, weil der Kläger Spätheimkehrer war und der SVD-Bescheid erst am 23. Januar 1950 ausgefertigt wurde. Selbst wenn der Bescheid vom 26. Oktober 1951 rechtswidrig wäre, hat der Beklagte über den Versorgungsanspruch des Klägers mit dem Bescheid vom 8. August 1952 - wie geschehen - neu entscheiden dürfen. Nach der Ziffer 26 der SVA Nr. 11 vom 5. Juli 1947 (ArbBl. für die britische Zone 1947, 234), die bis zum 31. Dezember 1952 galt (Ziffer 26 Abs. 2 der SVA Nr. 11; vgl. auch BSG 8, 11; 10, 72), hat das VersorgA den Umanerkennungsbescheid durch den Bescheid vom 8. August 1952 aufheben können, wenn sich die Voraussetzungen der Bescheiderteilung als unzutreffend erwiesen oder wenn eine Erwerbsminderung in der bisher angenommenen Höhe nicht bestand. Ein solcher Aufhebungsgrund hat vorgelegen, soweit dem Kläger durch den Umanerkennungsbescheid allein wegen reizloser Narben eine Rente bewilligt wurde. Das LSG hat - für das BSG bindend - festgestellt, daß die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch diese Gesundheitsstörungen nur um 10 v.H. gemindert wird.
Ziffer 26 der SVA Nr. 11 kann im vorliegenden Fall angewandt werden. Dem steht nicht entgegen, daß der Bescheid vom 8. August 1952 diese gesetzliche Vorschrift nicht erwähnt. Denn der Beklagte hat den Entziehungsbescheid im Revisionsverfahren in zulässiger Weise auf die Ziff. 26 der SVA Nr. 11 gestützt. Zwar hat er in diesem Zusammenhang nur den Bescheid vom 26. Oktober 1951 genannt, sinngemäß kann aber nur der Entziehungsbescheid vom 8. August 1952 gemeint sein. Wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. BSG 7, 12; 7, 262; 10, 211; 11, 236), ist bei einem unrichtig begründeten Bescheid das Nachschieben von Gründen durch die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, zulässig, wenn der Verwaltungsakt durch die neue Begründung nach Voraussetzungen, Inhalt und Wirkungen nicht wesentlich verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt wird (BSG 3, 209). Ein solches Nachschieben von Gründen ist auch noch im Revisionsverfahren zulässig (BSG 7, 12). Unter diesen Voraussetzungen kann ein Verwaltungsakt, der eine unzutreffende Begründung enthält, aber auf andere rechtliche Vorschriften gestützt werden kann, vom Gericht als rechtmäßig gewertet werden; denn ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die rechtliche Begründung, die ihm ursprünglich von der Verwaltung beigegeben worden ist, nicht zutrifft (BSG 7, 12, 13). Zwar ist eine solche Umdeutung keineswegs in jedem Falle und auch nicht ohne weiteres zulässig, vielmehr kommt es auf die Verhältnisse des Einzelfalles, insbesondere auf das Wesen und den Inhalt des Bescheides an (vgl. Urteil des BSG vom 31. Januar 1962 - Az. 10 RV 955/58 -). Das BSG hat bereits entschieden, daß ein Bescheid, der mangels Änderung der Verhältnisse zu Unrecht auf § 608 RVO (der dem § 62 Abs. 1 BVG entspricht) gestützt worden ist, nachträglich auf die Ziff. 26 der SVA Nr. 11 gestützt werden kann, weil der Bescheid hierdurch in seinem Wesen nicht verändert werde (vgl. Urteil des 11. Senats vom 28. Juli 1959 in BSG 10, 209, 211). Nun hat allerdings der Senat in der zitierten Entscheidung vom 31. Januar 1962 die Auffassung vertreten, daß in dem von ihm entschiedenen Fall die auf § 62 Abs. 1 BVG gestützte Rentenentziehung nicht nachträglich mit der Ziff. 26 der SVA Nr. 11 begründet werden könne, weil der Bescheid hierdurch nach Voraussetzung, Inhalt und Wirkung etwas wesentlich anderes werden würde. Der erkennende Senat hat es dahingestellt sein lassen, ob der 10. Senat damit von der Rechtsprechung des 11. Senats abgewichen ist und deshalb den Großen Senat hätte anrufen müssen. Denn er ist der Auffassung, daß im vorliegenden Fall auch unter Zugrundelegung der strengeren Auffassung des 10. Senats das Nachschieben von Gründen zulässig ist, weil der Bescheid angesichts der besonderen Umstände des Falles hierdurch im Ergebnis nicht wesentlich verändert wird. Der Bescheid vom 8. August 1952 war unrichtigerweise auf § 62 BVG gestützt worden. Nach dieser Vorschrift wird die Neufeststellung damit begründet, daß sich die Verhältnisse, die für die bisherige Feststellung maßgebend gewesen sind, inzwischen geändert haben und infolgedessen eine MdE in der bisher angenommenen Höhe nicht mehr gegeben ist. Im Falle der Ziff. 26 der SVA Nr. 11 kann der Erstbescheid auch aufgehoben werden, wenn ohne eine solche Änderung der Verhältnisse eine MdE in der bisher angenommenen Höhe nicht besteht. Der Bescheid vom 8. August 1952 stützte sich auf eine wesentliche Änderung, die schon bei Erteilung des Umanerkennungsbescheides vom 21. September 1951 vorgelegen hatte. Wenn der Bescheid nun ohne Änderung seines sonstigen Inhalts auf Ziff. 26 der SVA Nr. 11 gestützt wird, so hat dies lediglich zur Folge, daß der schon früher eingetretenen wesentlichen Änderung zu einem späteren unverändert gebliebenen Zeitpunkt Rechnung getragen wird. Wird somit der Verfügungssatz des früheren Bescheides nicht verändert, so ist durch das Nachschieben von Gründen auch eine wesentliche Änderung des Wesensinhalts des früheren Bescheides - jedenfalls in einem Fall der vorliegenden Art - nicht eingetreten. Insoweit befindet sich der Senat in Übereinstimmung mit der zitierten Entscheidung des 11. Senats, in der auch auf die Nichtänderung des Verfügungssatzes des Bescheides abgehoben worden ist. Was die Entscheidung des 10. Senats anbetrifft, so ist im vorliegenden Falle von Bedeutung, daß der Umanerkennungsbescheid durch den späteren Bescheid vom 26. Oktober 1951, der den Kläger an sich günstiger stellte, aufgehoben worden ist. Die Versorgungsbehörde ist mit Rücksicht auf diesen Umstand bei Erlaß des Bescheides vom 8. August 1952 offenbar davon ausgegangen, daß eine bindende Umanerkennung noch nicht vorliege. Anderenfalls hätte auch schon die Zweijahresfrist des § 62 Abs. 2 BVG einer Neufeststellung entgegengestanden. Nimmt man aber an, daß der Umanerkennungsbescheid vom 21. September 1951 wirksam aufgehoben worden sei, dann konnte sich die Versorgungsbehörde bei Erlaß des Bescheides vom 8. August 1952 mit Recht auf § 62 Abs. 1 BVG stützen. Wurde somit der spätere Bescheid nur aus diesem Grunde nicht von vornherein auf die Ziff. 26 der SVA Nr. 11, sondern auf § 62 BVG gestützt, so hat die Versorgungsbehörde nur ein weniger gravierendes Mittel gewählt, um zu dem beabsichtigten Ziel zu gelangen. Dieses Ziel war der Erlaß eines Zuungunstenbescheides. Denn der Bescheid bezweckte die Klarstellung, daß eine rentenberechtigende MdE nicht besteht; er entsprach sonach in seinem Wesen einem Zuungunstenbescheid. Der Bescheid vom 8. August 1952 hat mithin - ob nun auf Ziff. 26 der SVA Nr. 11 oder auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt - nicht nur für den Kläger die gleichen Rechtswirkungen, sondern er ist auch inhaltlich nicht wesentlich verändert worden. Bei dieser Sachlage ist der Kläger durch das "Nachschieben" von Gründen im vorliegenden Fall auch nicht in unzulässiger Weise in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt worden. Es ist ferner unschädlich, daß der Bescheid vom 8. August 1952 den Umanerkennungsbescheid nicht ausdrücklich aufgehoben hat. Denn abgesehen davon, daß die Versorgungsbehörde diesen Bescheid schon früher aufgehoben hatte, beinhaltet eine Rentenentziehung rechtlich zugleich immer, daß der Bescheid, der eine Rente bewilligt hat, von der Entziehung an als aufgehoben angesehen wird (vgl. BSG 2, 190, 10, 73). Nach Ziff. 26 der SVA Nr. 11 bedurfte die Versorgungsbehörde zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides schließlich auch nicht der Zustimmung des Landesversorgungsamts. Insoweit unterscheidet sich die damalige Vorschrift von der jetzt geltenden Bestimmung des § 41 Verwaltungsverfahrensgesetz (VerwVG). Nach § 41 Abs. 2 VerwVG bedarf das Versorgungsamt dieser Zustimmung "zum Erlaß eines Berichtigungsbescheides", d.h. sie muß schon vorher erteilt sein (vgl. SozR. VerwVG § 41 Ca 11 Nr. 17).
Die Entziehung der Rente durch den Bescheid vom 8. August 1952 war schließlich auch nicht auf Grund des Bescheides vom 26. Oktober 1951 ausgeschlossen. Durch diesen Bescheid wurde dem Kläger die nach der SVD Nr. 27 zuerkannte Rente für die Zeit ab 1. Oktober 1950 (Inkrafttreten des BVG) nur noch für die Dauer von zwei Jahren weitergewährt. Diese Frist war im Zeitpunkt des Rentenentzugs (1. Oktober 1952) abgelaufen. Soweit dieser Bescheid außerdem die Anerkennung der epileptischen Anfälle als Schädigungsfolge abgelehnt hat, konnte er nicht beanstandet werden, da nach den von der Revision nicht angegriffenen und daher für das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) diese Erkrankung keine Schädigungsfolge darstellt. Da die Urteilsformel des LSG im übrigen zu Unrecht von einer Rentenentziehung ab "Oktober 1951" anstatt "Oktober 1952" ausgeht, war das Urteil des LSG hinsichtlich der Kostenentscheidung und ferner insoweit abzuändern, als es der Berufung des Klägers stattgegeben und die auf Klageabweisung gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen hat. Auf den nachträglich vom Beklagten erlassenen Berichtigungsbescheid vom 28. Dezember 1960 kam es nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen