Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU). Umstritten ist vor allem, ob er die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Leistungen erfüllt oder noch erfüllen kann.
Der 1932 geborene Kläger ist jugoslawischer Staatsangehöriger. Nachdem er zuvor seit dem 2. Juli 1959 in seiner Heimat Versicherungsbeiträge entrichtet hatte, war er zwischen dem 23. April 1969 und dem 2. Januar 1975 in der Bundesrepublik Deutschland als Hilfsarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Danach kehrte er nach Jugoslawien zurück, wo er erneut bis zum 5. Januar 1979 Versicherungszeiten zurücklegte.
Der erste Rentenantrag des Klägers war erfolglos (Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 1989). Sein Widerspruch vom 30. November 1989 wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18. Januar 1990 als verfristet zurückgewiesen. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Landshut (S 3 Ar 5221/90. Ju) erklärte sich die Beklagte bereit, den Widerspruch als neuen Rentenantrag zu betrachten. Diesen lehnte sie dann nach medizinischer Sachaufklärung durch Bescheid vom 9. Oktober 1991 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1992 ab, weil der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig sei. Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Urteile des SG vom 26. November 1993 und des Bayerischen Landessozialgerichts [LSG] vom 29. November 1994). Das LSG hat seine Entscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Versichertenrente, weil er im Zeitpunkt seines Rentenantrages vom 30. November 1989 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 1246 Abs. 2a, § 1247 Abs. 2a der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der seit dem 1. Januar 1984 geltenden Fassung nicht mehr erfüllt habe, abgesehen davon, daß nach dem Ergebnis der von der Beklagten im Mai 1989 durchgeführten Begutachtung die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme von BU bzw. EU nicht bestanden hätten. Von den vor Rentenantragstellung liegenden 60 Kalendermonaten seien nicht wenigstens 36 Monate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt. sog. "Aufschubzeiten" i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 RVO (zB Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit) fehlten. Sofern der Kläger in Jugoslawien Zeiten der Arbeitsunfähigkeit bzw. Arbeitslosigkeit zurückgelegt haben sollte, könnten diese als Aufschubtatbestand nicht berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die nach jugoslawischen Vorschriften gezahlte Rente. Nach Art 25 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich) vom 12. Oktober 1968 (BGBl. 1969 II 1438) i.d.F. des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl. 1975 II 390), das hier auch nach der Teilung des jugoslawischen Staates anwendbar sei, würden nämlich nur die in den beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt.
Die Anwendung des am 31. Dezember 1983 geltenden Rechts auch für einen nach diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall würde gemäß Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) voraussetzen, daß jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs. 2a RVO nicht mitzuzählenden Zeiten belegt sei. Nach dem 5. Januar 1979, dem Ende der in Jugoslawien zurückgelegten Versicherungszeit, lägen aber für den Kläger keine Beiträge oder sog. Aufschubzeiten mehr vor.
Die beitragsmäßigen Voraussetzungen könnten auch nicht mehr durch die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge ab dem 1. Januar 1984 geschaffen werden, weil solche Beiträge gemäß § 1418 Abs. 1 RVO nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollten, nicht mehr entrichtet werden könnten und der Kläger erstmals im Jahre 1987 mit seinem Rentenantrag an die Beklagte herangetreten sei. Frühestens für dieses Jahr wäre somit die Entrichtung freiwilliger Beiträge zulässig, eine rückwirkende Nachentrichtung bis in das Jahr 1984 sei jedoch nicht mehr möglich. Es seien auch keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, daß dies etwa im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zuzulassen wäre.
Das am 31. Dezember 1983 geltende Recht wäre auch dann anzuwenden, wenn der Versicherungsfall bis zum 30. Juni 1984 eingetreten wäre (Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 ArVNG). Trotz Aufforderung habe der Kläger dem Senat keinerlei Unterlagen über etwaige ärztliche Behandlungen im Jahre 1984 zur Verfügung gestellt, aus denen sich möglicherweise gravierende Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt hätten ergeben können, was im übrigen auch im Hinblick auf das Ergebnis der Begutachtung in Deutschland im Jahre 1989 wenig wahrscheinlich sei.
Auch bei Anwendung des ab 1. Januar 1992 geltenden Rechts (§§ 43, 44, 240, 241 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) lasse sich für den Kläger ein Rentenanspruch nicht mehr verwirklichen, da sich hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich kein Unterschied gegenüber dem bis 31. Dezember 1991 geltenden Recht ergeben habe.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen der §§ 1246, 1247 RVO, des Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 ArVNG sowie der §§ 43, 44, 241 SGB VI. Dazu trägt er im wesentlichen vor: Das LSG habe entgegen der Rechtsprechung des erkennenden Senats (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 3. November 1994 - 13 RJ 69/92, 13 RJ 63/92, 13 RJ 15/93) nicht geprüft, ob Art 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt sei. Hätte das LSG entsprechende Prüfungen vorgenommen, hätte es festgestellt, daß für ihn keine rechtlich zulässige Möglichkeit der Beitragsentrichtung bestanden habe. Daher hätte das LSG die beantragte Rente in verfassungskonformer Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zusprechen müssen. Zumindest bestehe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Nachentrichtung der fehlenden freiwilligen Beiträge bzw. sei eine solche nach § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht erforderlich, weil die deutschen Rentenversicherungsträger die betroffenen Versicherten in Jugoslawien nicht darauf hingewiesen hätten, daß ihnen die nach einer gemäß § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO abgegebenen Bereiterklärung anfallenden Beiträge bis zum Wegfall der Hinderungsgründe gestundet würden. Insofern sei die damalige Information der Bevölkerung falsch und irreführend gewesen.
Die Beklagte sei zudem verpflichtet, die Summe der nachentrichteten Beiträge mit der Rentennachzahlung zu verrechnen, weil beide Ansprüche in der gleichen "juristischen Sekunde" entstanden seien und ein Zahlungsverlangen der Beklagten unter diesen Umständen gegen Treu und Glauben verstieße.
Vorsorglich würden auch Verletzungen der §§ 103, 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gerügt. Das LSG habe nicht ermittelt, ab wann er berufs- bzw. erwerbsunfähig sei, obwohl es sich dazu im Hinblick auf die vorliegenden ärztlichen Unterlagen hätte gedrängt fühlen müssen. Ferner habe das LSG nicht geprüft, ob bei ihm eine sog. Aufschubzeit der Arbeitsunfähigkeit vorliege. Nach den Feststellungen im Gutachten vom 29. Mai 1989 habe er damals schon seit zwölf bis 13 Jahren an Wirbelsäulenbeschwerden gelitten, so daß nicht auszuschließen sei, daß eine anwartschaftserhaltende durchgehende Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Bayerischen LSG vom 29. November 1994 und des SG Landshut vom 26. November 1993 sowie des Bescheides vom 9. Oktober 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1992 zu verurteilen, ihm Rente wegen EU, hilfsweise wegen BU, zu gewähren. |
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Die Beklagte beantragt,
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die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 29. November 1994 als unbegründet zurückzuweisen. |
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Sie macht u.a. geltend: Für den Kläger, der bereits 1975 in sein Heimatland zurückgekehrt sei, habe nach § 1233 Abs. 1 RVO i.V.m. dem Abk Jugoslawien SozSich die Möglichkeit bestanden, sich freiwillig zu versichern. Der Entrichtung freiwilliger Beiträge zur deutschen Rentenversicherung könnten auch devisenrechtliche Vorschriften nicht entgegengestanden haben, wie die tatsächliche Beitragserbringung an die Beklagte in einer Vielzahl von Fällen zu belegen vermöge. Aber selbst wenn jugoslawische devisenrechtliche Vorschriften einen DM-Transfer nicht zugelassen hätten, so habe es hiervon auch zahllose rechtliche und/oder tatsächliche Ausnahmen gegeben.
Unbestritten sei das Lohnniveau in Jugoslawien wesentlich niedriger als in der Bundesrepublik. Daraus resultiere auch, daß es für die ausländischen Versicherten sehr viel schwieriger (gewesen) sei, freiwillige Beiträge zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes aufzubringen. Es könne aber nicht darauf abgestellt werden, wie stark ein in Jugoslawien lebender Versicherter durch die Entrichtung von Mindestbeiträgen zur deutschen Rentenversicherung belastet worden wäre. Denn dann müßte nämlich im Rahmen der Gleichbehandlung auch für minderbemittelte Deutsche (z.B. Strafgefangene, Sozialhilfeempfänger und evtl. Hausfrauen) eine entsprechende Ausnahmeregelung gelten. Die Herausnahme von bestimmten Gruppen sei aber im deutschen Sozialversicherungssystem nicht angelegt.
Der deutsche Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, dafür zu sorgen, daß jeder Deutsche oder jeder, der einmal in Deutschland versichert gewesen sei, vom Ausland aus alle rechtlichen Möglichkeiten habe, die derjenige habe, der sich fortwährend im Inland aufhalte. Insofern werde auf das Urteil des BSG vom 27. Januar 1994 (5 RJ 76/92) Bezug genommen, wenn auch in dem dort entschiedenen Fall der Kläger erst nach dem 1. Januar 1984 in sein Heimatland zurückgekehrt sei.
Auf eine Verletzung der allgemeinen Aufklärungspflicht nach § 13 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) könne der Kläger einen Herstellungsanspruch nicht stützen. Diese Pflicht begründe kein subjektives Recht der Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Aus ihrer Verletzung erwachse den Betroffenen deshalb auch kein Herstellungsanspruch. Im übrigen habe sie, die Beklagte, durch Informationen der jugoslawischen Verbindungsstellen für eine ausreichende Aufklärung der in ihre Heimat zurückgekehrten Gastarbeiter gesorgt.
Die Rüge einer Verletzung der §§ 103, 106 SGG sei unbegründet. Nicht einmal im Zeitpunkt der Rentenantragstellung im November 1989 habe nach dem Gutachten der Invalidenkommission P. vom 16. Juni 1991 eine Veranlassung bestanden, beim Kläger BU oder EU anzunehmen. Noch viel weniger seien Anhaltspunkte dafür vorhanden, einen konkret bestimmbaren Zeitpunkt vor der Rentenantragstellung bzw. vor dem 1. Januar oder 30. Juni 1984 als Ursache einer rentenrechtlich bedeutsamen Leistungseinbuße festzuschreiben. Es habe daher für die Vorinstanzen kein Anlaß bestanden, den medizinischen Sachverhalt von Amts wegen näher aufzuklären.
Entgegen der Auffassung des Klägers habe das LSG zu Recht darauf hingewiesen, daß Zeiten der Arbeitsunfähigkeit in Jugoslawien als Aufschubtatbestand nicht berücksichtigt werden könnten. Die Gleichstellungsvorschriften des Abk Jugoslawien SozSich beträfen nämlich lediglich Beitragszeiten.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG. Für eine Entscheidung der Sache bedarf es noch einer weiteren Sachaufklärung; und zwar zunächst zum Eintritt eines Versicherungsfalls der EU oder BU, sodann gegebenenfalls auch zum Vorliegen eines "Streckungstatbestandes" wegen Arbeitsunfähigkeit i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 6, § 1247 Abs. 2a RVO.
Der Rentenanspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO (i.V.m. dem ArVNG), da der Antrag bis zum 31. März 1992 gestellt worden ist und die Rente auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992 begehrt wird (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI). Rechtsgrundlage sind danach zunächst die §§ 1246, 1247 RVO in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden - neueren - Fassung (nF). Diese setzen voraus
- die Erfüllung der Wartezeit (§ 1246 Abs. 1 und 3, § 1247 Abs. 1 und 3 RVO nF),
- den Eintritt des Versicherungsfalles der BU oder EU (§ 1246 Abs. 1 und 2, § 1247 Abs. 1 und 2 RVO nF) und
- die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 1246 Abs. 1 und 2a, § 1247 Abs. 1 und 2a RVO nF).
Die letztgenannte besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung ist erst durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG 1984) vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I 1532) zusätzlich eingeführt worden. Dazu regelt Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG, in welchen Fällen noch die bis zum 31. Dezember 1983 geltende - alte - Fassung der §§ 1246, 1247 RVO (aF) anzuwenden ist, die das grundsätzliche Erfordernis von versicherungsfallnahen Pflichtbeitragszeiten noch nicht kannte. Auf die Voraussetzungen dieser Übergangsvorschrift kommt es nur an, wenn der Kläger zwar nicht die Tatbestandsmerkmale des § 1246 Abs. 1 oder § 1247 Abs. 1 RVO nF, wohl aber diejenigen der a.F. einer dieser beiden Bestimmungen (Wartezeit, Eintritt des Versicherungsfalles) erfüllt.
Das LSG hat sich nicht dazu geäußert, ob beim Kläger die Wartezeit für eine Rente wegen EU oder BU gegeben ist. Nach § 1246 Abs. 3, § 1247 Abs. 3 Satz 1 Buchst a RVO beider Fassungen ist dafür grundsätzlich die Zurücklegung einer Versicherungszeit (vgl. §§ 1249, 1250 RVO) von 60 Kalendermonaten erforderlich. Zwar hat das LSG nur festgestellt, daß der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland zwischen dem 23. April 1969 und dem 2. Januar 1975 versicherungspflichtig beschäftigt war, ohne auf die Zahl der zurückgelegten Beitragsmonate einzugehen. Da im Berufungsurteil jedoch ausdrücklich auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und die beigezogenen Rentenakten Bezug genommen worden ist, kann zum einen dem der Berufungserwiderung der Beklagten beigefügten Versicherungsverlauf vom 14. April 1994 entnommen werden, daß für den Kläger 55 Monate deutsche Beitragszeiten gespeichert sind. Zum anderen ergibt sich aus der aktenkundigen Mitteilung des jugoslawischen Versicherungsträgers an die Beklagte (Vordruck JU 205), daß der Kläger dort sieben Jahre, fünf Monate und sieben Tage Versicherungszeiten zurückgelegt hat (vgl. auch den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils). Letztere sind gemäß Art 25 Abk Jugoslawien SozSich für den Erwerb der deutschen Rente zu berücksichtigen. Folglich kann für die revisionsgerichtliche Beurteilung von einer Erfüllung der Wartezeit ausgegangen werden.
Das LSG hat letztlich offengelassen, ob beim Kläger ein Versicherungsfall der EU oder BU eingetreten ist, und sich auf den Hinweis beschränkt, daß nach dem Ergebnis der von der Beklagten im Mai 1989 durchgeführten Begutachtung die medizinischen Voraussetzungen für die Annahme von BU oder EU nicht bestanden hätten. Bei seinen weiteren Darlegungen zum Fehlen der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 1247 RVO n.F. hat das Berufungsgericht dann den Eintritt eines derartigen Versicherungsfalls im Zeitpunkt des Rentenantrages vom 30. November 1989 unterstellt. Ob das LSG insoweit zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt ist, vermag der erkennende Senat anhand der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen noch nicht abschließend zu beurteilen.
Nach § 1246 Abs. 2a Satz 1 RVO nF, auf den § 1247 Abs. 2a RVO n.F. auch für die EU-Rente verweist, ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit zuletzt vor Eintritt der BU ausgeübt worden, wenn 1. von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt der BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder 2. die BU aufgrund eines der in § 1252 RVO genannten Tatbestände eingetreten ist.
Die letztgenannte Alternative (§ 1246 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 RVO nF) ist hier nicht gegeben. In dieser Vorschrift wird auf § 1252 RVO Bezug genommen, dessen Anwendung lediglich die Entrichtung eines Beitrags vor Eintritt der BU durch die dort genannten Ereignisse (zB Arbeitsunfall, Wehrdienstbeschädigung) voraussetzt (vgl. dazu Senatsurteil vom 31. März 1993 - 13 RJ 35/91 - Umdr S. 4). Es ist jedoch im vorliegenden Fall keiner der von § 1252 RVO erfaßten Tatbestände ersichtlich.
Für eine Verneinung der Voraussetzungen des § 1246 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 RVO n.F. reichen die vom LSG festgestellten Tatsachen indes schon deswegen nicht aus, weil sich daraus kein Zeitpunkt für einen tatsächlich eingetretenen Versicherungsfall ergibt. Allerdings wäre der Grundtatbestand (36 Monate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in den letzten 60 Kalendermonaten) nicht erfüllt, wenn man mit dem LSG von einem unterstellten Eintritt von EU oder BU bei Rentenantragstellung ausgeht. War der Kläger seit dem 30. November 1989 berufs- oder erwerbsunfähig, so erstreckt sich der "Belegungszeitraum" von 60 Kalendermonaten grundsätzlich vom 1. November 1984 bis 31. Oktober 1989. In dieser Zeit hat er keine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit im Zuständigkeitsbereich der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Auf die Frage, ob in diesem Zusammenhang auch jugoslawische Beitragszeiten berücksichtigungsfähig wären (vgl. dazu BSGE 75, 199, 211 f. = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48; BSG, Urteil vom 24. März 1994 - 5 RJ 20/93 -, Umdr S. 5; Baumeister, RV 1987, 234, 236; Kunhardt, DAngVers 1984, 116, 117 f.), kommt es hier nicht an, denn es liegen nach den Feststellungen des LSG beim Kläger Zeiten mit versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit in Jugoslawien nur bis 5. Januar 1979 vor. Mangels entsprechender Feststellungen des LSG ist es jedoch nicht völlig ausgeschlossen, daß der Rahmenzeitraum durch sogenannte Aufschub- oder Streckungstatbestände i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 RVO n.F. in die Vergangenheit erweitert worden ist. Nach dieser Vorschrift werden bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 RVO n.F. bestimmte Arten von Zeiten, die nicht mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind, nicht mitgezählt.
Vom Sachverhalt her kommt hier allenfalls eine Ausfallzeit (vgl. § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 RVO nF) wegen Arbeitsunfähigkeit, also die krankheitsbedingte Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung i.S. von § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RVO, oder eine auf Arbeitsunfähigkeit beruhende Streckungszeit i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 6 RVO n.F. in Betracht. Für die Anrechnung einer solchen Zeit ist weder Voraussetzung, daß Leistungen bezogen wurden (bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach dem 31. Dezember 1983 vgl. aber § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst b RVO) noch daß sich der Kläger während der Arbeitsunfähigkeit in Deutschland aufgehalten hat (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 1259 Nr. 12). Es ist lediglich erforderlich, daß ein nach der RVO versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis unterbrochen wurde (vgl. BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 48) oder daß in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeit wenigstens ein Pflichtbeitrag oder eine andere Streckungszeit liegt (vgl. § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 6 RVO nF).
Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob beim Kläger bereits während oder jedenfalls innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Beendigung seines letzten Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland (1975) eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist. Dies richtet sich danach, ob er in der Lage war, die ihm in seinem letzten Arbeitsverhältnis obliegenden Aufgaben vertragsgemäß zu erfüllen. Es gilt der Arbeitsunfähigkeitsbegriff der Krankenversicherung (vgl. BSGE 52, 108 f. = SozR 2200 § 1259 Nr. 54; BSGE 53, 22, 31 = SozR 2200 § 1259 Nr. 59). Sollte bei dem Kläger noch während seines letzten Beschäftigungsverhältnisses Arbeitsunfähigkeit eingetreten sein, kommt es darauf an, wie lange dieser Zustand ununterbrochen fortgedauert hat. Ist eine Unfähigkeit des Klägers zur Verrichtung der seinerzeit arbeitsvertraglich übernommenen Tätigkeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht - auch nicht vorübergehend - behoben worden, wären die Voraussetzungen des § 1246 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 RVO n.F. erfüllt. Ist hingegen zwischenzeitlich die Fähigkeit zur Verrichtung der im letzten Beschäftigungsverhältnis übernommenen Arbeiten wiederhergestellt worden, so würde eine erneute Arbeitsunfähigkeit sich nicht mehr an dem letzten Beschäftigungsverhältnis orientieren, sondern an dem Feld der Tätigkeiten, für das der Versicherte nunmehr der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand (vgl. Gagel in Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 1 Krankenversicherungsrecht, § 10 RdZiff 18 ff.). Diese Zeit wäre als Ausfallzeit/Streckungszeit außerdem auch nur dann zu berücksichtigen, wenn die Periode zwischen den zwei Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen ihrer Kürze noch als Überbrückungszeit anerkannt werden könnte (s dazu BSGE 53, 54) oder die Sechs-Monats-Frist des § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 6 RVO n.F. einhielte. Dazu müßten gegebenenfalls noch die entsprechenden Ermittlungen durchgeführt werden.
Einer Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 1246 Abs. 2a RVO n.F. bedarf es allerdings nicht, wenn die Übergangsregelung des Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG eingreift. Nach dieser Vorschrift gelten § 1246 Abs. 1 sowie § 1247 Abs. 1 RVO a.F. auch für Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1983, wenn der Versicherte 1. vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und 2. jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls mit Beiträgen oder den bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach § 1246 Abs. 2a RVO n.F. nicht mitzuzählenden Zeiten belegt hat.
Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 ArVNG gilt für Versicherungsfälle in der Zeit bis zum 30. Juni 1984 auch, ohne daß die Voraussetzungen der Nr. 2 vorliegen (Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 2 ArVNG). Für Versicherungsfälle in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1984 gilt Satz 1 auch, wenn die Voraussetzungen der Nr. 2 im ersten Kalenderhalbjahr 1984 vorliegen (Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 3 ArVNG).
Neben der Erfüllung der Wartezeit vor dem 1. Januar 1984 sieht diese Regelung somit je nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls weitere Belegungserfordernisse vor. Da der Kläger die Wartezeit - unter Berücksichtigung seiner jugoslawischen Versicherungszeiten - bis 1979 erfüllt hatte, kommt es für ihn zunächst darauf an, ob er bis zum 30. Juni 1984 berufs- oder erwerbsunfähig geworden ist. Dazu hat das LSG lediglich darauf hingewiesen, daß der Kläger keinerlei Unterlagen über etwaige ärztliche Behandlungen im Jahre 1984 zur Verfügung gestellt habe und das Vorliegen gravierender Einschränkungen seiner Erwerbsfähigkeit im übrigen angesichts des Ergebnisses der im Jahre 1989 durchgeführten Begutachtung wenig wahrscheinlich sei. Eine abschließende Würdigung ist darin nicht zu sehen, zumal auch nicht deutlich wird, inwiefern das Berufungsgericht gehindert gewesen wäre, erforderlichenfalls von Amts wegen Ermittlungen zum damaligen Gesundheitszustand des Klägers durchzuführen. Aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG ist es daher nicht auszuschließen, daß beim Kläger bereits am 30. Juni 1984 EU oder BU vorlag.
Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, so müssen die Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG erfüllt sein. Es muß also jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalls oder - im Falle des Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 3 ArVNG - zumindest bis zum 30. Juni 1984 mit Beiträgen oder Streckungszeiten i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 RVO n.F. belegt sein. In dem betreffenden Zeitraum sind vom Kläger weder in Deutschland noch in Jugoslawien Beiträge entrichtet worden, auch scheiden sonstige Aufschubtatbestände aus. Wie dargelegt, kommt hier allerdings eine Dauerarbeitsunfähigkeit i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst a RVO n.F. oder i.S. von § 1246 Abs. 2a Satz 2 Nr. 6 RVO n.F. in Betracht.
Da es nach alledem auch zu den Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG an ausreichenden Tatsachenfeststellungen des LSG fehlt, kann über das Eingreifen dieser Übergangsregelung ebenfalls noch nicht abschließend entschieden werden.
Mit Rücksicht auf diese Gegebenheiten ist das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, damit dieses die zur Beurteilung der einschlägigen Vorschriften erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen kann. Sollte die weitere Sachaufklärung ergeben, daß der Kläger zwar berufs- oder erwerbsunfähig ist, jedoch weder die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen i.S. von § 1246 Abs. 2a RVO n.F. noch diejenigen i.S. von Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG erfüllt, stellt sich weiter die Frage, ob er die ab 1. Januar 1984 nicht belegten Kalendermonate in dem gemäß Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erforderlichen Umfang noch mit freiwilligen Beiträgen auffüllen darf.
Zwar kämen, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. BSGE 75, 199, 211 ff. = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48), für eine Erfüllung der Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArVNG grundsätzlich auch freiwillige Beiträge zur jugoslawischen Sozialversicherung in Betracht, im vorliegenden Fall besteht jedoch kein Anhalt, davon auszugehen, daß eine solche Entrichtung nach jugoslawischem Recht für die Zeit ab 1984 auch jetzt noch möglich ist, zumal der Kläger dort offenbar seit Jahren eine Invalidenrente bezieht.
Was die Entrichtung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung betrifft, so hat das LSG dazu zutreffend ausgeführt, daß diese nach dem Recht der RVO hier grundsätzlich nicht mehr nachgeholt werden kann. Gemäß § 1418 Abs. 1 RVO in der 1984 geltenden Fassung konnten freiwillige Beiträge nur bis zum Ende des Jahres entrichtet werden, für das sie gelten sollten. Der Ablauf dieser Frist ist im vorliegenden Fall auch nicht durch eine rechtzeitige Bereiterklärung (vgl. § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO) oder ein laufendes Rentenverfahren (vgl. § 1420 Abs. 2 RVO) berührt worden.
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen unzureichender Beratung durch die Beklagte bei Eingang des ersten Rentenantrags im Jahre 1988 kommt ebenfalls nicht in Betracht, da in diesem Zeitpunkt eine Beitragsentrichtung für das Jahr 1984 bereits nicht mehr zulässig war und damit auch bei entsprechender Beratung die Voraussetzungen des Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG nicht mehr hätten erfüllt werden können. Andere Kontakte zur deutschen Rentenversicherung haben in der vorangegangenen Zeit (nach Verkündung des HBegleitG 1984) - soweit ersichtlich - nicht stattgefunden. Der bisher festgestellte Sachverhalt bietet keinen Anlaß, darüber hinaus die Frage zu prüfen, ob ein Herstellungsanspruch auch auf unzureichende, falsche oder verzögerte Beratung durch jugoslawische Stellen gestützt werden könnte; denn nach den Akten hat der Kläger auch dort erst 1987 Kontakt aufgenommen. Gegenteiliges ist nicht vorgetragen worden.
Der Kläger macht mit seiner Revision allerdings eine unzutreffende Information der Bevölkerung in Jugoslawien geltend und will daraus Ansprüche herleiten. Ob er damit durchdringen kann, läßt sich anhand der berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht beurteilen. Aus einer Verletzung der allgemeinen Informationspflicht des § 13 SGB I erwächst dem einzelnen Versicherten grundsätzlich kein Herstellungsanspruch (vgl. BSGE 67, 90 = SozR 3-1200 § 13 Nr. 1). Ein solcher Anspruch könnte nur dann in Betracht kommen, wenn die Bevölkerung falsch oder irreführend informiert worden wäre (vgl. BSG SozR 3-1300 § 27 Nr. 3 S. 5; BSG USK 83163; kritisch dazu Mrozynski, SGB I, 2. Aufl. 1995, § 13 Rdnr. 13). Eine unrichtige Information durch jugoslawische Stellen wäre dem deutschen Rentenversicherungsträger, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache, dann zuzurechnen, wenn dieser die jugoslawischen Verbindungsstellen seinerseits unzutreffend informiert hätte. Nach dem Abk Jugoslawien SozSich ist das Verhältnis der Verwaltungsstellen der Vertragsstaaten nämlich so geregelt, daß gemäß Art 34 Abs. 1 Satz 2 Abk Jugoslawien SozSich die deutschen zuständigen Stellen die zuständigen Stellen in Jugoslawien über Änderungen und Ergänzungen der maßgeblichen Rechtsvorschriften unterrichten und alsdann die jeweilige jugoslawische Verbindungsstelle die Bevölkerung ihres Landes informiert (Art 2 Abs. 1 Satz 1 der Vereinbarung zur Durchführung des Abk Jugoslawien SozSich, BGBl. 1973 II 711). Im vorliegenden Zusammenhang könnte eine solche Fehlinformation in Jugoslawien vorgekommen sein.
Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche Informationen zum HBegleitG 1984 von deutscher Seite aus den jugoslawischen Verbindungsstellen zur Weitergabe an die dortigen Versicherten übermittelt worden sind. Ein irreführender Inhalt kommt insoweit in Betracht, als in diesen Hinweisen wahrscheinlich Besonderheiten hätten berücksichtigt werden müssen, die sich nicht aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben. Dabei ist von folgender Rechtslage auszugehen:
Eine freiwillige Beitragsentrichtung zur deutschen Rentenversicherung war für Jugoslawen, die in ihrer Heimat wohnten, rentenrechtlich möglich. Nach § 1233 Abs. 1 Satz 1 RVO konnte allerdings für Zeiten nach Vollendung des 16. Lebensjahres freiwillige Beiträge nur entrichten, wer nicht versicherungspflichtig war und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO hatte. Der Kläger war nicht versicherungspflichtig und hatte auch das 16. Lebensjahr vollendet, einer freiwilligen Versicherung stand demnach allein sein gewöhnlicher Aufenthalt in Jugoslawien entgegen. Da jedoch § 1233 Abs. 1 Satz 1 RVO auch für Deutsche i.S. des Art 116 Abs. 1 GG galt, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten (§ 1233 Abs. 1 Satz 2 RVO) hilft hier Art 3 Abs. 1 Buchst a Abk Jugoslawien SozSich weiter. Danach stehen bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates dessen Staatsangehörigen die Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaates gleich, wenn sie sich im Gebiet eines Vertragsstaates gewöhnlich aufhalten (vgl. Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im SGB, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Jugoslawien/Abkommen vom 12. Oktober 1968, Art 3 Anm. 4; Ebenhöch, Kompaß 1987, 269, 272; derselbe, Kompaß 1991, 495, 500).
Was die Durchführung der Beitragsentrichtung anbelangt, liegt es nahe, daß den Betroffenen besonders weitreichende Möglichkeiten einer Bereiterklärung zur späteren Beitragszahlung i.S. von § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO einzuräumen waren. Nach dieser Vorschrift steht der Entrichtung der Beiträge i.S. von § 1418 RVO die gegenüber einer zuständigen Stelle abgegebene Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Nach der Rechtsprechung des BSG gelten für die Angemessenheit der Nachzahlungsfrist nicht feste Grenzen; vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten sowie sonstige Entrichtungshindernisse zu berücksichtigen (vgl. BSGE 10, 264, 268 = SozR Nr. 1 zu § 1420 RVO; dazu auch BSGE 19, 247 = SozR Nr. 3 zu § 1420 RVO). Insofern könnten im fraglichen Zeitraum für in ihre Heimat zurückgekehrte jugoslawische Arbeitnehmer erhebliche Schwierigkeiten bestanden haben, welchen im Rahmen des § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO durch entsprechende Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung hätte Rechnung getragen werden müssen. Zu denken ist dabei vor allem an devisenrechtliche Beschränkungen für Zahlungen von Jugoslawien nach Deutschland (vgl. dazu BSGE 75, 199, 210 f. = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48; zur Berücksichtigung derartiger Umstände im Rahmen des § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO vgl. auch BSGE 51, 230, 232 f. = SozR 2200 § 1419 Nr. 9) sowie an eine eingeschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit (geringeres Lohnniveau, ungünstige Umrechnungskurse, Kaufkraftunterschiede) der betreffenden Versicherten (vgl. dazu BSGE 75, 199, 218 = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48).
Bei der Auslegung des Begriffs der "angemessenen Frist" i.S. von § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO fällt schließlich auch entscheidend ins Gewicht, daß die Einführung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für BU/EU-Renten nach der Beurteilung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] (vgl. BVerfGE 75, 78, 97 ff. = SozR 2200 § 1246 Nr. 142) nur deshalb mit Art 14 GG vereinbar war, weil gleichzeitig die Möglichkeit geschaffen wurde, die Anwartschaften durch Leistung monatlicher Mindestbeiträge aufrechtzuerhalten, wobei der Zumutbarkeit der damit für die Betroffenen verbundenen Belastung eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt (vgl. dazu BSGE 75, 199, 208 ff. = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48). Dieser verfassungsrechtliche Ansatz gebietet es, das Merkmal der "angemessenen Frist" so anzuwenden, daß die zur Anwartschaftserhaltung erforderliche Beitragsentrichtung für in ihre Heimat zurückgekehrte jugoslawische Arbeitnehmer in zumutbaren Grenzen bleibt.
Sollten die für Jugoslawien bestimmten Informationen der deutschen Rentenversicherungsträger diesen Gegebenheiten nicht hinreichend Genüge getan haben, könnte ihnen ein irreführender Charakter beizumessen sein. Denn für die betroffenen in Jugoslawien lebenden Versicherten dürften Erleichterungen bei der Beitragsentrichtung besonders wichtig für die Frage gewesen sein, ob sie sich zur Nachzahlung bereit erklären sollten. Als weiteres Element des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs wäre dann noch erforderlich, daß der Kläger persönlich durch eine solche Fehlinformation abgehalten worden ist, rechtzeitig im Jahre 1984 eine Bereiterklärung i.S. von § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO abzugeben. Auf die Feststellung einer derartigen Kausalität (iS einer "Fehlleitung" des individuellen Bürgers durch die Verwaltung) kann auch und gerade bei einer unzutreffenden Aufklärung der Bevölkerung nicht verzichtet werden, da es sich dabei um ein wesentliches Merkmal des Herstellungsanspruchs handelt (vgl. dazu allgemein GemeinschaftsKomm zum SGB I/Schellhorn § 13 Rdnr. 30; SGB-Sozialversicherung-GesamtKomm/Bley § 13 SGB I Anm. 10c).
Sofern der Kläger danach aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs berechtigt sein sollte, in dem gemäß Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG erforderlichen Umfang noch Beiträge nachzuzahlen, ist ihm Gelegenheit zu geben, seinen Klageantrag entsprechend umzustellen. Er kann dann nämlich mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage den Erlaß eines Grundurteils begehren, mit welchem die Beklagte zur Gewährung der Rente unter der aufschiebenden Bedingung der Nachentrichtung der betreffenden Beiträge verurteilt werden soll (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 3). Der Kläger hat in diesem Falle aber auch die Möglichkeit, den geltend gemachten Rentenanspruch auf die Zeit ab 1. Januar 1992 zu beschränken, womit sich gemäß § 240 Abs. 2 Satz 2, § 241 Abs. 2 Satz 2 SGB VI eine Beitragsnachzahlung erübrigen würde (vgl. BSG SozR 3-2600 § 240 Nr. 2).
Dagegen wäre eine durch den Kläger erklärte Aufrechnung der von ihm künftig zu beanspruchenden Rentennachzahlung gegen die von ihm zu erbringende Beitragssumme nicht zulässig. Beide Geldforderungen stehen sich zu keinem Zeitpunkt i.S. von § 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegenüber, da das Entstehen des Rentenanspruchs (vgl. § 40 SGB I) die tatsächliche Entrichtung der anwartschaftserhaltenden Beiträge voraussetzt (vgl. dazu allgemein BSG SozR 1200 § 44 Nr. 5). Dies gilt auch bei einer Bereiterklärung. § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO ermöglicht insoweit nur eine Durchbrechung der Fristen des § 1418 RVO für die Wirksamkeit von nachentrichteten Beiträgen, was wiederum zu einem rückwirkenden Rentenbeginn (vgl. § 1290 Abs. 1 Satz 1 RVO) führen kann (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1290 Nr. 13). Selbst unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben dürfte im vorliegenden Zusammenhang kein Bedarf bestehen, von dieser Regelung abzuweichen, da sich der Kläger nach Erstreiten eines Grundurteils, das die Rentengewährung nur noch von einer bestimmten Beitragsnachzahlung abhängig macht, den erforderlichen Geldbetrag grundsätzlich ohne Schwierigkeiten auf dem Kapitalmarkt beschaffen könnte.
Sofern sich nach der vom LSG noch vorzunehmenden weiteren Sachaufklärung herausstellt, daß der Rentenanspruch des Klägers endgültig an einem Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in § 1246 Abs. 1 und 2a, § 1247 Abs. 1 und 2a RVO n.F. oder Art 2 § 6 Abs. 2 ArVNG scheitert, wäre schließlich noch zu prüfen, ob die Anforderungen, die sich aus diesen Tatbestandsmerkmalen für Jugoslawen ergeben, die nach erfüllter Anwartschaft - hier schon lange vor Inkrafttreten des HBegleitG 1984 - in ihre Heimat zurückgekehrt sind, mit Art 14 GG vereinbar sind. Für die Verfassungsmäßigkeit der zu prüfenden Regelung ist nach den vom BVerfG (BVerfGE 75, 78, 97 ff. = SozR 2200 § 1246 Nr. 142) aufgestellten Grundsätzen entscheidend, ob der Kläger rechtlich in der Lage war, ab 1. Januar 1984 freiwillige Beiträge zur deutschen oder jugoslawischen Rentenversicherung zu entrichten, und ob ihm die daraus entstehenden Belastungen - auch im Vergleich zu im Inland lebenden Versicherten (vgl. Art 3 Abs. 1 GG) -zumutbar waren (vgl. dazu im einzelnen BSGE 75, 199, 210 ff. = SozR 3-2200 § 1246 Nr. 48). Dabei ist auch die Möglichkeit einer rechtzeitigen Bereiterklärung i.S. von § 1420 Abs. 1 Nr. 2 RVO verbunden mit einer den Umständen des Einzelfalles entsprechend verzögerten Beitragsnachentrichtung in die erforderliche Abwägung einzubeziehen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.13 RJ 17/95
BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen
Haufe-Index 518817 |
SozSi 1997, 319 |