Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 3. November 1993 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um das Ende der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Der am 17. Februar 1956 geborene Kläger erwarb im Dezember 1986 auf dem Zweiten Bildungsweg das Abitur und nahm im Sommersemester 1987 das Studium der Rechtswissenschaften auf. Er war zunächst in der KVdS versicherungspflichtig und Mitglied der beklagten Allgemeinen Ortskrankenkasse. Diese stellte mit Bescheid vom 7. Februar 1989 und Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 1989 das Ende der Versicherungspflicht zum 31. März 1989 fest.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 11. Mai 1990 abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers mit Urteil vom 16. Januar 1991 zurückgewiesen. Ein Fortbestand der Mitgliedschaft in der KVdS über das dreißigste Lebensjahr hinaus komme auch bei Absolventen des Zweiten Bildungsweges in keinem Falle mehr in Betracht, wenn das Studium nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres begonnen worden sei. Der erkennende Senat ist dem in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt; er hat auf die Revision des Klägers durch Urteil vom 30. September 1992 (12 RK 3/91 – SozR 3-2500 § 5 Nr 8) das Urteil des LSG aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil noch weitere Feststellungen erforderlich waren.
Das LSG hat solche Feststellungen getroffen, durch Urteil vom 3. November 1993 das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide nunmehr aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger bis zum 31. März 1991 Mitglied in der KVdS gewesen ist; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger habe am 31. Januar 1976 das Gymnasium verlassen, sei anschließend bis zum 19. April 1977 arbeitslos gewesen und habe dann bis September 1983 als Hausdetektiv in einem Warenhaus gearbeitet. Voraussetzung für die Ausbildung im Zweiten Bildungsweg von August 1983 bis Dezember 1986 sei nach Berliner Landesrecht eine dreijährige geregelte Berufstätigkeit. Als Hinderungszeiten iS des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) seien insgesamt sieben Jahre anzuerkennen, nämlich drei Jahre Berufstätigkeit, drei Jahre und fünf Monate Ausbildungszeit bei einer Einrichtung des Zweiten Bildungsweges und zusammengerechnet sieben Monate Überbrückungszeiten zwischen Beendigung einer dreijährigen Berufstätigkeit und Kursbeginn im Zweiten Bildungsweg (vier Monate) sowie zwischen Kursende und Studienbeginn (drei Monate). Das LSG hat die von ihm als Hinderungszeiten anerkannten sieben Jahre nach Beendigung der Arbeitslosigkeit (19. April 1977) beginnen und am 31. März 1984 enden lassen und ist so zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger hätte im Sommersemester 1984 (April 1984) sein Studium beginnen können. Die sieben Jahre, um die seine Versicherungspflicht in der KVdS hinauszuschieben sei, müsse daher mit dem 1. April 1984 beginnen und mit dem 31. März 1991 enden.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB V. Die sieben Jahre, um die die Versicherungspflicht des Klägers in der KVdS hinausgeschoben werde, müßten nach Vollendung seines dreißigsten Lebensjahres (17. Februar 1986) beginnen, so daß er bis 31. März 1993 in der KVdS versichert sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben, soweit danach die Versicherungspflicht in der KVdS mit dem 31. März 1991 endet, und festzustellen, daß er über den 31. März 1991 hinaus bis zum 31. März 1993 in der KVdS versicherungspflichtig ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß er über den 31. März 1991 hinaus nicht in der KVdS versichert ist.
Wie der erkennende Senat in seinem zurückverweisenden Urteil vom 30. September 1992 (12 RK 3/91 – SozR 3-2500 § 5 Nr 8) entschieden hat, ist bei Absolventen des Zweiten Bildungsweges, die diesen so spät beschritten haben, daß sie erst nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres mit dem Studium beginnen konnten, die Überschreitung der Altersgrenze in der Regel nicht mehr iS des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V gerechtfertigt. Die Überschreitung ist dann nämlich regelmäßig nicht mehr durch den Erwerb der Zugangsvoraussetzungen im Zweiten Bildungsweg, sondern durch eine langjährige Berufsausübung vor dessen Beginn verursacht. Nach dieser Entscheidung kommt bei solchen Studenten wegen des Ausnahmecharakters des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V und weil der Altersbereich zwischen neunzehn und dreißig Jahren, für den die KVdS vorgesehen ist, vollkommen verlassen wird, eine Versicherungspflicht grundsätzlich nicht in Betracht. Ausnahmsweise sind solche Studenten nur versicherungspflichtig, wenn bei ihnen im Alter zwischen etwa zwanzig Jahren und der Altersgrenze von dreißig Jahren sowie weiter bis zum Beginn des Studiums Hinderungsgründe bestanden haben, die für einen so späten Studienbeginn ursächlich waren und damit das Überschreiten der Altersgrenze rechtfertigten. Dem Urteil des erkennenden Senats vom 30. September 1992 (12 RK 50/91 – SozR 3-2500 § 5 Nr 6), auf das das genannte Urteil vom selben Tage (SozR 3-2500 § 5 Nr 8) verweist, ist zu entnehmen, daß bei einem Nebeneinander von Hinderungs- und Nicht-Hinderungszeiten die Altersgrenze von dreißig Jahren nicht ohne weiteres um die Zahl von Semestern hinauszuschieben ist, in der Hinderungsgründe vorgelegen haben, weil dann die erforderliche Ursächlichkeit des Hinderungsgrundes für den späten Studienbeginn nicht geprüft, sondern als gegeben unterstellt würde. Wie der Senat durch sein weiteres Urteil vom 30. Juni 1993 (SozR 3-2500 § 5 Nr 13) bestätigt hat, sind danach Studenten mit Studienbeginn nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres in der KVdS nur dann versicherungspflichtig, wenn bei ihnen in der Zeit zwischen etwa der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Beginn des Zweiten Bildungsweges sowie zwischen dem Abitur im Zweiten Bildungsweg und dem Studienbeginn im wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe vorgelegen haben. Dies aber ist beim Kläger nicht der Fall gewesen.
Nach Auffassung des LSG sind von den elf Jahren, die zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres (Februar 1976) des Klägers und seinem Studienbeginn (April 1987) liegen, sieben Jahre als Hinderungszeiten iS des § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V anzuerkennen, und zwar drei Jahre und fünf Monate Besuch einer Einrichtung des Zweiten Bildungsweges, drei Jahre Berufstätigkeit als Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungsweges und sieben Monate Überbrückungszeiten. Die Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers vom 1. Februar 1976 bis 19. April 1977 hat das LSG nicht ausdrücklich als Hinderungszeit bewertet; es hat aber bei der Berechnung des hypothetischen Zeitverlaufs die von ihm anerkannten sieben Jahre im April 1977, also unmittelbar nach der Arbeitslosigkeit, beginnen lassen und die Zeit der Arbeitslosigkeit damit wie eine Hinderungszeit behandelt.
Ob zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Studienbeginn beim Kläger unter Einschluß der Arbeitslosenzeit insgesamt acht Jahre an Hinderungszeiten anzuerkennen sind, kann dahingestellt bleiben. Denn dieses führt hier nicht zur Versicherungspflicht des Klägers, weil in dem über elf Jahre dauernden Zeitraum zwischen der Vollendung des 20. Lebensjahres und dem Abitur (Februar 1976 bis April 1987) nicht im wesentlichen durchgehend Hinderungsgründe bestanden haben. So liegen nach den Feststellungen des LSG vor Beschreiten des Zweiten Bildungsweges drei Jahre der Berufstätigkeit (April 1980 bis Ende März 1983), in denen Hinderungsgründe nach Auffassung des LSG nicht gegeben sind und vom Kläger auch nicht geltend gemacht werden. Diese drei von insgesamt sechseinhalb Jahren ausgeübter Berufstätigkeit waren insbesondere nicht Voraussetzung für das Beschreiten des Zweiten Bildungsweges, wie das LSG für das Revisionsgericht bindend aufgrund Berliner Landesrechts festgestellt hat (§§ 162, 163, 202 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ iVm § 562 der Zivilprozeßordnung). Nach der Rechtsprechung werden Zeiten der Berufstätigkeit, sofern sie nicht Voraussetzung für den Zweiten Bildungsweg sind, grundsätzlich nicht als Hinderungszeiten anerkannt (BSG SozR 3-2500 § 5 Nrn 4, 6 und 13). Gründe dafür, hinsichtlich der hier fraglichen drei Jahre Berufstätigkeit eine Ausnahme zu machen, sind nicht erkennbar.
Da der Kläger somit – auch unter Berücksichtigung von vier Monaten Überbrükungszeit vor Kursbeginn – drei Jahre länger als für den Zweiten Bildungsweg erforderlich berufstätig gewesen ist und hierdurch bedingt sein Studium erst nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres aufgenommen hat, fehlt es an der erforderlichen Kausalität der für die übrige Zeit geltend gemachten Hinderungsgründe.
Zwar überwiegen beim Kläger die Hinderungszeiten (acht Jahre) die Nicht-Hinderungszeiten. Dies kann aber nicht dazu führen, daß die dreijährige Nicht-Hinderungszeit als unwesentlich und somit bei der Kausalitätsprüfung als nicht ins Gewicht fallend bewertet wird. Selbst wenn Nicht-Hinderungszeiten von kurzer Dauer unberücksichtigt bleiben dürfen, kann dies jedenfalls für einen Zeitraum von drei Jahren nicht gelten, zumal für das vom Kläger belegte Studienfach Rechtswissenschaft die Regelstudienzeit dreieinhalb Jahre beträgt (vgl § 5a Abs 1 Satz 1 des Deutschen Richtergesetzes). Ein Zeitraum von drei Jahren, der fast die Regelstudienzeit erreicht, darf bei der Kausalitätsprüfung nach § 5 Abs 1 Nr 9 Halbs 2 SGB V nicht vernachlässigt werden. Damit ist vereinbar, daß diese Kausalitätsprüfung bei Absolventen des Zweiten Bildungsweges, die vor Vollendung des dreißigsten Lebensjahres ihr Studium beginnen, nach dem ersten Urteil des Senats in dieser Sache (SozR 3-2500 § 5 Nr 8) großzügiger gehandhabt wird. Wie in diesem Urteil näher dargelegt, kann nämlich bei einem Studienbeginn vor dreißig Jahren in einer verallgemeinernden Betrachtungsweise davon ausgegangen werden, daß der Zweite Bildungsweg und die gegebenenfalls für ihn erforderlichen Vorbeschäftigungszeiten für die Überschreitung der Altersgrenze ursächlich waren; bei einem Studienbeginn nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres ergibt dagegen diese Betrachtungsweise, daß eine zuvor ausgeübte Beschäftigung für den späten Studienbeginn kausal war mit der Folge, daß bei gleichwohl geltend gemachter Ursächlichkeit von Hinderungsgründen diese im einzelnen nachgewiesen werden müssen.
Dem ersten Urteil (SozR 3-2500 § 5 Nr 8) ist nicht zu entnehmen, der erkennende Senat habe mit Selbstbindung für das weitere Verfahren entschieden, daß allein das Vorhandensein längerer Hinderungszeiten ohne Berücksichtigung von Nicht-Hinderungszeiten zu einem Hinausschieben der Altersgrenze führt. Der Senat konnte damals in der Sache nicht abschließend entscheiden, weil den wenigen Feststellungen des LSG in dessen erstem Urteil nicht zu entnehmen war, ob die Zeit zwischen der Vollendung des zwanzigsten Lebensjahres und dem Studienbeginn im wesentlichen durchgehend mit Hinderungszeiten belegt war oder ob insofern größere zeitliche Lücken vorlagen. Insbesondere war offen, ob und ggf wie lange der Kläger berufstätig sein mußte, um den Zweiten Bildungsweg beschreiten zu können. Sollte sich – so das genannte Urteil des erkennenden Senats – nach erneuter Verhandlung und Entscheidung ergeben, daß solche Hinderungsgründe für eine längere Zeit bestanden haben, könnte die Überschreitung der Altersgrenze gerechtfertigt und sie vom Erwerb der Zugangsvoraussetzungen für das Studium an (Wegfall des Hinderungsgrundes der fehlenden Zugangsvoraussetzung) um die Dauer dieser Hinderungsgründe und die Zeit hinauszuschieben sein, die bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres für den Zweiten Bildungsweg (einschließlich einer etwa notwendigen vorherigen Berufstätigkeit) benötigt worden ist. Daß diese Aussage nicht bedeuten konnte, zur Bejahung der Versicherungspflicht bei Studienbeginn mit über 30 Jahren brauche die Zeit bis zum Studienbeginn nur teilweise mit Hinderungszeiten belegt zu sein, ergibt sich aus dem im Konjunktiv gefaßten Wortlaut, aus dem damaligen Fehlen entsprechender Feststellungen und aus dem Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen des Urteils.
Hiernach lagen beim Kläger die Voraussetzungen dafür, daß die Versicherungspflicht trotz Aufnahme des Studiums erst nach Vollendung des 30. Lebensjahres über den 31. März 1989 fortbestehen konnte, nicht vor. Dennoch verbleibt es beim Ende der Versicherungspflicht zum 31. März 1991, weil das LSG in seinem zweiten Urteil zugunsten des Klägers so entschieden und die Beklagte keine Revision eingelegt hat. Eine dem Revisionsbegehren entsprechende Feststellung der Versicherungspflicht in der KVdS über den 31. März 1991 hinaus kam jedoch nicht in Betracht. Vielmehr war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen