Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Februar 1997 aufgehoben, soweit das Landessozialgericht auf die Anschlußberufung des Klägers den Bescheid der Beklagten vom 23. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 1995 abgeändert und festgestellt hat, daß der Kläger im Zeitraum von Januar 1977 bis Juni 1990 mit Ausnahme des Jahres 1981 tatsächliche Entgelte im Sinne von § 8 Abs 1 Satz 2 AAÜG entsprechend dem in der Bescheinigung des Verlages Volk und Wissen vom 7. August 1995 angegebenen Beträgen erzielt hat. Im übrigen wird die Revision als unzulässig verworfen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, nach § 8 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) höheres tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.
Der 1935 geborene Kläger war in der DDR seit September 1965 als Redakteur beschäftigt. Mit (Entgelt-)Bescheid vom 23. August 1995, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 1995, stellte die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme „nachgewiesene” Brutto-Arbeitsentgelte des Klägers für die Zeit vom 1. April 1959 bis 31. August 1976 während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (= Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 Nr 4 zum AAÜG) und für die Zeit vom 1. September 1976 bis 30. Juni 1990 während der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der Pädagogen in Einrichtungen der Volks- und Berufsbildung (= Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr 18 zum AAÜG) fest. Dabei übernahm sie die vom Arbeitgeber des Klägers (Verlag Volk und Wissen) unter dem 7. August 1995 bescheinigten Jahresbruttoarbeitsverdienste nur bis zum Jahr 1977; für die Kalenderjahre ab 1977 blieben die von der Beklagten als „nachgewiesene Bruttoentgelte” aufgelisteten Beträge hinter denjenigen zurück, die der Arbeitgeber bescheinigt hatte. Die Beklagte listete für die Jahre 1975 bis 1990 die dem Sozialversicherungsausweis des Klägers entnommene Zahl der Ausfalltage (in Form eines an das Ende des Kalenderjahres gelegten Ausfalltage-Zeitraums) auf und stellte fest, bei diesen „Unterbrechungen” handele es sich um „Anrechnungszeiten, die durch den Rentenversicherungsträger als solche berücksichtigt werden”. Zusätzlich wies sie in zwei weiteren Spalten für jedes Jahr der Zugehörigkeitszeiten aus, in welchem Umfang die nachgewiesenen Arbeitsentgelte des Klägers „berücksichtigt” würden und welche „sozialversicherungspflichtig” gewesen seien. Dabei übernahm sie die in der Rubrik „nachgewiesene Brutto-Entgelte” aufgelisteten Beträge nur für die Kalenderjahre 1959 und 1969. Im übrigen stellte sie als berücksichtigt nur Teilbeträge hiervon fest; sie kürzte das „nachgewiesene Brutto-Entgelt” anteilig nach der Anzahl der Ausfalltage und führte hierzu aus: Die Tabellenwerte der Anlage 3 zum AAÜG seien Jahreswerte; sofern wegen Vorliegens von Arbeitsausfalltagen eine ganzjährige Pflichtbeitragszeit nicht bestehe, könne der jeweilige Tabellenwert nur anteilig, abhängig von der Anzahl der Arbeitsausfalltage berücksichtigt werden.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Beklagte unter Abänderung des Entgeltbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides verurteilt, „die Arbeitsausfalltage in den Jahren 1975, 1977, 1982 und 1983 als Beitragszeiten bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen.” Im übrigen hat es die auf Berücksichtigung der Arbeitsentgelte auch jenseits der (gesetzlich allgemein festgelegten) Beitragsbemessungsgrenze gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 25. März 1996, dem Kläger zugestellt am 17. April 1996) und zur Begründung ua ausgeführt: Die Arbeitsausfalltage 1975, 1977, 1982 und 1983 seien als Beitragszeiten und nicht wie von der Beklagten ausgewiesen als Anrechnungszeiten „bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze” zu berücksichtigen, denn die vorgenommene Reduzierung in diesen Jahren entspreche nicht der Regelung in § 252a Abs 2 iVm § 260 Satz 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Im übrigen sei die „Begrenzung der Arbeitsentgelte” nach Maßgabe der Anlage 3 zu § 6 Abs 1 AAÜG nicht zu beanstanden.
Hiergegen haben der Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt, die Beklagte mit dem Begehren, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, der Kläger mit dem Begehren, die von ihm in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni 1990 nachgewiesenen Jahresbruttoentgelte ohne die Begrenzung der Werte der Anlage 3 zum AAÜG zu berücksichtigen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5. Februar 1997 seine Berufung zurückgenommen und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Februar 1997 Anschlußberufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG insoweit aufgehoben, als die Beklagte verurteilt worden war, die Arbeitsausfalltage in den Jahren 1975, 1977, 1982 und 1983 als Beitragszeiten bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen; insoweit hat das LSG die Klage abgewiesen. Auf die Anschlußberufung des Klägers hat das LSG den Entgeltbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert und festgestellt, der Kläger habe in dem Zeitraum von Januar 1977 bis Juni 1990 mit Ausnahme des Jahres 1981 tatsächliche Entgelte iS von § 8 Abs 1 Satz 2 AAÜG entsprechend den in der Bescheinigung des Verlages Volk und Wissen vom 7. August 1995 angegebenen Beträgen erzielt. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Das SG habe die Beklagte zu Unrecht verurteilt, die Arbeitsausfalltage der Jahre 1975, 1977, 1982 und 1983 als Beitragszeiten bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen, denn zur rentenrechtlichen Bewertung der von der Beklagten als Versorgungsträger festgestellten Daten sei nur der Rentenversicherungsträger berechtigt. Die Beklagte sei jedoch entsprechend dem Feststellungsantrag des Klägers, bei dem es sich um eine zulässige Klageerweiterung gemäß § 99 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Wege der Anschlußberufung handele, zu verurteilen gewesen. Gemäß § 8 Abs 1 AAÜG habe der Versorgungsträger lediglich die Höhe der erzielten Arbeitsentgelte festzustellen, nicht aber den rentenrechtlich berücksichtigungsfähigen Betrag (Urteil vom 27. Februar 1997).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt im wesentlichen vor, aus dem vom Arbeitgeber „fiktiv bescheinigten Bruttoarbeitsverdienst” sei vom Versorgungsträger zur Ermittlung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts der Anteil herauszurechnen, der beitragsfreie Zeiten enthalte.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 27. Februar 1997 aufzuheben und die Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 1996 zurückzuweisen, soweit festgestellt wurde, daß der Kläger im Zeitraum von Januar 1977 bis Juni 1990 mit Ausnahme des Jahres 1981 tatsächliche Entgelte im Sinne von § 8 Abs 1 Satz 2 AAÜG entsprechend dem in der Bescheinigung des Verlages Volk und Wissen vom 7. August 1995 angegebenen Beträgen erzielt hat.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
1. Die gegen das Urteil des LSG eingelegte Revision der Beklagten war mangels Beschwer der Beklagten als teilweise unzulässig zu verwerfen, denn die Beklagte hat ohne Einschränkung die Aufhebung des Berufungsurteils beantragt, und damit auch insoweit als das LSG ihrem Berufungsbegehren stattgegeben und das Urteil des SG aufgehoben hat. Dies ist der Fall, soweit die Beklagte vom SG verurteilt wurde, unter Abänderung des Entgeltbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides „die Arbeitsausfalltage in den Jahren 1975, 1977, 1982 und 1983 als Beitragszeiten bei der Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze zu berücksichtigen.”
2. Im übrigen ist die Revision der Beklagten zulässig und begründet. Das LSG hat auf die Anschlußberufung des Klägers den Entgeltbescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides abgeändert und festgestellt, daß der Kläger in dem Zeitraum von Januar 1977 bis Juni 1990 mit Ausnahme des Jahres 1981 tatsächliche Entgelte iS von § 8 Abs 1 Satz 2 AAÜG entsprechend den in der Bescheinigung des Verlages Volk und Wissen vom 7. August 1995 angegebenen Beträgen erzielt hat. Hierzu war das LSG mangels Zulässigkeit der Anschlußberufung des Klägers nicht befugt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats hat der Versorgungsträger in einem dem Rentenfeststellungsverfahren vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs 5 SGB VI ähnlichen Verfahren jeweils durch Verwaltungsakte einzelne Daten (zum Begriff siehe § 67 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) verbindlich festzustellen, die für die spätere Feststellung des Wertes der SGB VI-Rente oder -Anwartschaften von Bedeutung sein können. Dies sind die Daten über
- die Zeiten der sog Zugehörigkeit zu einem (bestimmten) Versorgungssystem,
- die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (vgl §§ 6 und 7 AAÜG),
- in den Fällen des § 8 Abs 1 Satz 3 AAÜG die Zahl der Arbeitsausfalltage in den einzelnen Kalenderjahren sowie
- die Höhe des vom Arbeitgeber bescheinigten und erforderlichenfalls nachgewiesenen erzielten Arbeitsentgelts iS von § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch.
Gegen diesen sog Entgeltbescheid kann ein Zusatzversorgungsberechtigter nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (nicht wie das LSG meint: mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage, die unzulässig ist) ua geltend machen, Entgelte seien zu niedrig festgestellt worden (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 1 S 3 und BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2 S 6 f zum Verhältnis zwischen Entgelt- und Rentenbewilligungsbescheid sowie zur zulässigen Klageart bezüglich der Feststellungen im Entgeltbescheid).
Demgemäß konnte auch der Kläger eine derartige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage mit Blick auf das von seinem Arbeitgeber bescheinigte, von der Beklagten jedoch nicht im bescheinigten Umfang festgestellte Arbeitsentgelt erheben; er hat dies mit seiner zum SG erhobenen Klage auch getan. Das SG hat diese Klage abgewiesen. Seine hiergegen zunächst form- und fristgerecht eingelegte, auf den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 1990 beschränkte Berufung hat der Kläger vor der mündlichen Verhandlung vor dem LSG wieder zurückgenommen, so daß das Urteil des SG insoweit rechtskräftig wurde. Mit seiner im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG nach Ablauf der Berufungsfrist erhobenen (unselbständigen) Anschlußberufung konnte er das Klageziel, die Beklagte zur Feststellung höherer Arbeitsentgelte zu verpflichten, zulässigerweise nicht mehr aufgreifen.
Die unselbständige Anschlußberufung (§ 202 SGG iVm § 556 Abs 1 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫) ist nicht eigentlich ein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner (hier: der Kläger) innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers (hier: der Beklagten) an dieses Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des SG auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen (vgl BSG SozR Nr 12 zu § 521 ZPO; SozR 1750 § 521 Nr 3 mwN). Mit ihr können aber nicht die Teile des sozialgerichtlichen Urteils zur Prüfung des Berufungsgerichts gestellt werden, die von der Berufung (hier: der Beklagten) nicht erfaßt werden (vgl BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5 zur vergleichbaren Situation bei der Anschlußrevision). Für die Zulässigkeit der unselbständigen Anschlußberufung ist es deshalb erforderlich, daß die selbständige Berufung des Gegners (hier: der Beklagten) zulässig ist, und die Anschlußberufung den gleichen prozessualen Anspruch betrifft (vgl BSG SozR Nr 12 zu § 521 ZPO). Hieran fehlt es.
Zwar war die Berufung der Beklagten zulässig, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung durch das SG zur Berücksichtigung bestimmter Arbeitsausfalltage als Anrechnungszeiten richtete (vgl oben II 2). Jedoch hält sich das Begehren der Anschlußberufung nicht innerhalb des durch diese zulässige Berufung der Beklagten begrenzten prozessualen Anspruchs. Der Urteilsausspruch des SG zu Lasten der Beklagten (und damit das Berufungsbegehren der Beklagten) stellt im Vergleich zu dem, was der Kläger im Wege der Anschlußberufung begehrt, einen anderen prozessualen Anspruch, ein rechtliches aliud dar: Mit seiner gegenüber der Beklagten ausgesprochenen Verpflichtung, die Arbeitsausfalltage bestimmter Kalenderjahre als Beitragszeiten zu berücksichtigen, hat das SG dem Kläger etwas zugesprochen, was dieser selbst bei einer weitgehenden Auslegung seines Antrags nach § 123 SGG niemals beantragt hatte; das SG ist mit diesem Ausspruch nicht nur iS eines „ne-ultra-petita” über das vom Kläger Beantragte hinausgegangen, vielmehr hat es der Beklagten als Versorgungsträger mit diesem Urteilsausspruch eine Verpflichtung auferlegt, welche die Beklagte nur im Rahmen eines Rentenbewilligungsbescheides und nur in ihrer Funktion als Träger der Rentenversicherung erfüllen könnte (vgl BSG SozR 3-8570 § 8 Nr 2). Soweit der Kläger mit seiner zum SG erhobenen Klage letztlich die Übernahme der von seinem Arbeitgeber bescheinigten Arbeitsentgelte „in den Entgeltbescheid” verfolgte, wurde seine Klage abgewiesen. Eine Berufung hiergegen wurde seitens der Beklagten nicht erhoben; eine solche wäre als Berufung der Beklagten auch gar nicht zulässig gewesen.
Während es der Beklagten mit ihrer Berufung also nur darum ging, eine Verurteilung zu einer bestimmten rechtlichen Qualifikation von Arbeitsausfalltagen zu beseitigen, ging es dem Kläger mit seiner Anschlußberufung nicht um den Erhalt oder gar die Erweiterung einer rechtlichen Bewertung seiner Arbeitsausfalltage oder um die Berücksichtigung „weiterer Beitrags- oder Anrechnungszeiten”, sondern allein darum, daß die Beklagte seine vom Verlag Volk und Wissen als erzielt bescheinigten Arbeitsentgelte als Feststellung erzielten Arbeitsentgelts in den Entgeltbescheid übernimmt, und damit um einen anderen prozessualen Anspruch als demjenigen, den die Beklagte mit ihrem Berufungsbegehren begrenzt. Dieses Begehren hält sich nicht mehr im Rahmen des durch die Berufung der Beklagten vorgezeichneten Streitgegenstands.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen