Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bewilligung. wesentliche Änderung. Zwischenbeschäftigung. erneute Arbeitslosigkeit. neuer Leistungsfall. mißglückter Arbeitsversuch. Arbeitslosmeldung. Fehlen der Arbeitslosmeldung. Tatsachenerklärung. Beschränkung der Wirksamkeit. Nichtmitteilung wesentlicher nachteiliger Änderungen. grobe Fahrlässigkeit. subjektiver Sorgfaltsmaßstab
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Arbeitslosmeldung verliert ihre Wirkung mit der Aufnahme einer mehr als kurzzeitigen Zwischenbeschäftigung (Anschluß an BSGE 44, 164 = SozR 4100 § 134 Nr. 3; BSGE 77, 175 = SozR 3-4100 § 105 Nr. 2 und BSG vom 21.3.1996 – 11 RAr 93/95 –, unveröffentlicht).
2. Für diese Rechtsfrage ergibt sich aus dem Rechtsinstitut des mißglückten Arbeitsversuches nichts anderes.
Normenkette
AFG §§ 105, 134 Abs. 1 S. 1, §§ 151, 152 Abs. 3; SGB X § 48 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 2, § 45
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. Januar 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich noch gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 15. Mai bis 11. August 1993 und die damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 2.736,00 DM.
Das Arbeitsamt (ArbA) gewährte dem Kläger ab 1. September 1992 Arbeitslosengeld (Alg) für 156 Tage (Bescheid vom 30. November 1992) und ab 2. März 1993 Anschluß-Alhi (Bescheid vom 16. April 1993). Im Dezember 1992 erfuhr es von einer (mehr als kurzzeitigen) Zwischenbeschäftigung des Klägers in der Zeit vom 30. September bis 5. Oktober 1992, im Oktober 1993 von einer solchen in der Zeit vom 10. bis 14. Mai 1993. Nach diesen Zwischenbeschäftigungen sprach der Kläger am 24. November 1992 und am 12. August 1993 beim ArbA erneut vor. Das ArbA hob – nach Anhörung des Klägers – durch Bescheid vom 13. Dezember 1993 die Alg-Bewilligung für die Zeit vom 30. September bis 23. November 1992 und durch Bescheid vom 5. Januar 1994 die Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 10. Mai bis 11. August 1993 auf; zugleich forderte es die Erstattung der für die vorerwähnten Zeiträume erbrachten Leistungen in Höhe von 1.997,50 DM bzw 2.916,00 DM. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. März 1993). Das Sozialgericht (SG) hat dem Klagebegehren des Klägers entsprochen und die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben, als die Aufhebung der Alg-Bewilligung vom 6. Oktober bis 23. November 1992 und der Alhi-Bewilligung vom 15. Mai bis 11. August 1993 und die entsprechenden Rückforderungen (1.785,00 DM bzw 2.736,00 DM) betroffen waren (Urteil vom 21. Juni 1995). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. Januar 1996).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Kläger habe sich nach den Zwischenbeschäftigungen nicht vor dem 24. November 1992 bzw 12. August 1993 arbeitslos gemeldet und Leistungen beantragt. Deshalb hätten ihm die für die Zeiträume vom 6. Oktober bis 23. November 1992 bzw 15. Mai bis 11. August 1993 erbrachten Leistungen nicht belassen werden können. Auch sei er seiner Mitteilungspflicht grob fahrlässig nicht nachgekommen. Die Ausübung von Ermessen durch die Beklagte sei nicht notwendig gewesen. Selbst wenn sie erforderlich gewesen sein sollte, sei sie rechtsfehlerfrei erfolgt.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1994 betreffend die Zeit vom 6. Oktober bis 23. November 1992 aufgehoben und den Kläger insoweit klaglos gestellt. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.
Der Kläger rügt mit der Revision noch eine Verletzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X), der §§ 105 Satz 1, 151 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sowie der Amtsermittlungspflicht. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Alhi-Bewilligung (15. Mai bis 11. August 1993) seien nicht erfüllt. Es habe nach der Zwischenbeschäftigung (10. bis 14. Mai 1993) keiner erneuten Arbeitslosmeldung und Antragstellung bedurft, zumal es sich um einen sog mißglückten Arbeitsversuch gehandelt habe, wovon auch das SG ausgegangen sei. Selbst wenn er, der Kläger, seine Mitteilungspflicht verletzt haben sollte, habe er nicht schuldhaft gehandelt. Ungeachtet dessen sei die Aufhebungsentscheidung ermessensfehlerhaft vorgenommen worden; insbesondere sei unberücksichtigt geblieben, daß er, der Kläger, völlig vermögenslos sei. Insoweit sei zugleich gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG abzuändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, soweit der Bescheid vom 5. Januar 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1994 betreffend die Zeit vom 15. Mai bis 11. August 1993 aufgehoben worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das zweitinstanzliche Urteil in bezug auf den noch umstrittenen Zeitraum für zutreffend, verweist auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des 11. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) und betont, die Voraussetzungen für die Annahme eines mißglückten Arbeitsversuchs seien nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des. Klägers ist iS der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫.
Zu entscheiden ist – nachdem die Beklagte den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 13. Dezember 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1994 betreffend die Zeit vom 6. Oktober bis 23. November 1992 aufgehoben und den Kläger insoweit klaglos gestellt und der Kläger dieses Teilanerkenntnis angenommen hat – allein noch über die Frage, ob die Beklagte die ab 2. März 1993 erfolgte Alhi-Bewilligung für die Zeit vom 15. Mai bis 11. August 1993 aufheben und die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Leistungen in Höhe von 2.736,00 DM verlangen durfte.
In der Sache reichen die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen für eine abschließende Bewertung der Frage, ob die Beklagte die Alhi-Bewilligung für die genannte Zeit aufheben und die Erstattung der auf diesen Zeitraum entfallenden Leistungen verlangen durfte, nicht aus.
Die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides mißt sich an § 48 SGB X, ggf iVm § 152 Abs. 3 AFG (idF des Art. 1 Nr. 50 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms ≪1. SKWPG≫ vom 21. Dezember 1993 – BGBl I 2353). Nach § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (Satz 1). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Satz 2 Nr. 2). Die Bestimmung des § 152 Abs. 3 AFG modifiziert § 48 SGB X wie folgt: Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben.
Bei der dem Kläger ab 2. März 1993 bewilligten Alhi handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 4100 § 138 Nr. 25; BSGE 66, 134, 136 = SozR 3-4100 § 138 Nr. 1). Die erforderliche wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei seinem Erlaß (Bescheid vom 16. April 1993) vorgelegen haben, ist darin zu erblicken, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Alhi ab 10. Mai 1993 entfallen sind. Ab diesem Zeitpunkt stimmte die Leistungsbewilligung mit dem materiellen Recht nicht mehr überein. Hiernach hat Anspruch auf Alhi, wer ua (1.) arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hat, (2.) keinen Anspruch auf Alg hat, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt, (3.) bedürftig ist und (4.) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt sind (Vorfrist), Alg bezogen hat, ohne daß der Anspruch nach § 119 Abs. 3 AFG erloschen ist (§ 134 Abs. 1 Satz 1 AFG). Diese Anspruchsvoraussetzungen waren mit der Aufnahme der (mehr als kurzzeitigen) Beschäftigung am 10. Mai 1993 nicht mehr gegeben. Der Kläger war ab diesem Zeitpunkt weder arbeitslos (§ 101 AFG) noch verfügbar (§ 103 AFG), möglicherweise auch nicht mehr bedürftig (vgl. hierzu BSGE 65, 21, 25 = SozR 4100 § 137 Nr. 12). Darüber hinaus hat seine (zuvor erfolgte) Arbeitslosmeldung (§ 105 AFG) mit der Beschäftigungsaufnahme ihre Wirksamkeit verloren. Das ergibt sich aus dem Wesen der Arbeitslosmeldung.
Schon den Überschriften des Ersten und Zweiten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts des AFG ist zu entnehmen, daß die Gewährung von Alg und Alhi der Absicherung des Risikos der Arbeitslosigkeit dient („Leistungen der Arbeitslosenversicherung”). Demgemäß bezieht sich die Arbeitslosmeldung, die materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung und Tatsachenerklärung zugleich ist (BSGE 60, 43, 45 = SozR 4100 § 105 Nr. 2; BSG SozR 1300 § 28 Nr. 7; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Juni 1996, § 100 Anm. 5 und § 105 Rzn 6 ff), nicht allein auf die Vermittlungstätigkeit der Beklagten; sie dient zumindest auch der Anzeige des Eintritts des Leistungsfalles der Arbeitslosigkeit. Dies bedeutet einerseits, daß eine nicht der Wahrheit entsprechende Arbeitslosmeldung (Arbeitslosmeldung trotz bestehenden Beschäftigungsverhältnisses) als unwirksam anzusehen sein dürfte (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, und Urteil vom 21. März 1996 – 11 RAr 93/95 –, unveröffentlicht, jeweils mwN). Dies führt andererseits dazu, daß sich die Arbeitslosmeldung (im Fall tatsächlich eintretender Arbeitslosigkeit) in ihrer Wirkung auf die Dauer der tatsächlich eingetretenen Arbeitslosigkeit beschränkt. Aus diesem Grund bedarf es im Anschluß an eine die Arbeitslosigkeit ausschließende Beschäftigung nicht einer sog Gegenerklärung („negativen Arbeitslosmeldung”), um eine frühere Arbeitslosmeldung hinfällig zu machen. Vielmehr ist in einem solchen Fall ein Leistungsanspruch erst (wieder) gegeben, wenn alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, darunter die Arbeitslosmeldung. Darauf hat der erkennende Senat für den Bereich der Alhi bereits in seiner Entscheidung vom 21. Juli 1977 – 7 RAr 132/75 – hingewiesen (BSGE 44, 164, 173 = SozR 4100 § 134 Nr. 3). Ob in Fällen der vorliegenden Art. – anders als im zitierten Fall – uneingeschränkt auch ein neuer Leistungsantrag zu fordern ist, läßt der Senat ausdrücklich offen; denn darauf kommt es nicht an, wenn schon die erforderliche Arbeitslosmeldung fehlt.
Demgemäß kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf § 151 Abs. 2 AFG aF (= § 151 AFG in der ab 21. Mai 1996 geltenden Fassung; vgl. Art. 4 und 6 Abs. 1 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 2. Mai 1996 – BGBl I 656) berufen, wonach in Fällen, in denen die Entscheidung über die Bewilligung einer laufenden Leistung ganz aufgehoben worden ist, die Leistung von neuem nur gewährt werden darf, wenn sie erneut beantragt ist. Diese Regelung bezieht sich schon ihrem Wortlaut nach lediglich auf den Leistungsantrag; sie trifft keine Aussage zum Fortbestand einer Arbeitslosmeldung im Fall einer die Arbeitslosigkeit beendenden Beschäftigung. Deshalb steht auch das Urteil des erkennenden Senats vom 17. März 1981 (– 7 RAr 20/90 – DBIR Nr. 2529 zu § 151 AFG) zur vorerwähnten Rechtsauffassung des Senats nicht in Widerspruch. Denn es betrifft einerseits den vorübergehenden Wegfall der Verfügbarkeit (nicht der Arbeitslosigkeit) und andererseits die Frage, inwieweit im Anschluß daran gemäß § 151 Abs. 2 AFG aF ein neuer Leistungsantrag erforderlich ist, nicht aber die Erforderlichkeit erneuter Arbeitslosmeldung im Zusammenhang mit dem Eintritt eines neuen Leistungsfalls bzw erneuter Arbeitslosigkeit.
Ein dem Kläger günstigeres Ergebnis läßt sich auch nicht aus der Rechtsfigur des sog mißglückten Arbeitsversuches herleiten. Zweifelhaft ist bereits, ob vorliegend überhaupt von einem mißglückten Arbeitsversuch gesprochen werden kann; denn sowohl nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG als auch nach dem Vorbringen der Revision hat der Kläger nicht die in der Zeit vom 10. bis 14. Mai 1993, sondern die in der Zeit vom 30. September bis 5. Oktober 1992 ausgeübte Zwischenbeschäftigung (nach 15 Arbeitsstunden) aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig abgebrochen. Selbst wenn von einem mißglückten Arbeitsversuch die Rede sein könnte, würde dies an der Rechtslage jedoch nichts ändern. Denn das Rechtsinstitut des mißglückten Arbeitsversuches, das zum Schutz der Krankenversicherungsträger vor mißbräuchlicher Inanspruchnahme von Leistungen entwickelt wurde, ist – abgesehen davon, daß es in der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung restriktiv gehandhabt wird (BSGE 72, 221, 225 = SozR 3-2200 § 165 Nr. 10; BSGE 75, 277, 280 f = SozR 3-2500 § 186 Nr. 2; BSG SozR 3-2500 § 186 Nr. 3) – nach Sinn und Zweck auf andere Versicherungszweige, hier die Arbeitslosenversicherung, ohnehin nicht ohne weiteres anwendbar und sagt in Fällen der vorliegenden Art. nichts darüber aus, ob nach zwischenzeitlichem Wegfall der Arbeitslosigkeit bzw bei deren Wiedereintritt eine erneute Arbeitslosmeldung erfolgen muß. Der Kläger, der das genannte Institut zur Begründung eines Leistungsanspruchs herangezogen haben will, verkennt, daß seine Zielrichtung eine ganz andere ist und daß es im AFG wesentlich auf die faktischen Verhältnisse ankommt, wie sich ua aus §§ 101 ff AFG ergibt. Bei der Aufnahme einer (mehr als kurzzeitigen) Beschäftigung handelt es sich um eine tatsächliche Gegebenheit, die nicht ungeschehen gemacht und selbst mit Hilfe des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht hinwegfingiert werden kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 55 a Nr. 4; BSGE 76, 84, 90 ff = SozR 3-8825 § 2 Nr. 3).
Die dargelegte Rechtssituation ist nicht so unbillig, wie der Kläger anzunehmen scheint; denn sie gewährleistet, daß derjenige, der den ihm gesetzlich auferlegten Mitteilungspflichten nicht nachkommt, nicht anders als derjenige behandelt wird, der seinen Pflichtenkreis ordnungsgemäß wahrnimmt.
Zwischenzeitlich hat sich der 11. Senat des BSG der Ansicht des erkennenden Senats sowohl für den Bereich des Alg (Urteil vom 14. Dezember 1995, aaO) als auch für den Bereich der Alhi (Urteil vom 21. März 1996, aaO) angeschlossen. Dies bestärkt den erkennenden Senat in der Überzeugung, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten.
Vorliegend ist vor dem 12. August 1993 kein erneuter Leistungsfall eingetreten. Zwar ist der Kläger am 15. Mai 1993 wieder arbeitslos geworden. Möglicherweise waren zu diesem Zeitpunkt auch die Voraussetzungen der Verfügbarkeit und der Bedürftigkeit wieder erfüllt. Indes fehlte es – abgesehen von der Antragstellung – an einer erneuten Arbeitslosmeldung. Diese erfolgte nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erst am 12. August 1993.
Ist sonach in den tatsächlichen Verhältnissen, die im Zeitpunkt der Alhi-Bewilligung vorgelegen haben, am 10. Mai 1993 eine wesentliche Änderung eingetreten, die sich bis zum 11. August 1993 fortgesetzt hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung entscheidungserheblich, ob am 10. Mai 1993, nicht etwa am 15. Mai 1993, in der Person des Klägers die oben zu § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X genannten Voraussetzungen verwirklicht waren. Hierzu hat das LSG lediglich festgestellt, der Kläger habe sein ArbA zumindest aus grober Fahrlässigkeit nicht vor dem 12. August 1993 (von der Arbeitsaufnahme am 10. Mai 1993) in Kenntnis gesetzt. Diese Ausführungen rechtfertigen noch nicht den Vorwurf, der Kläger sei der ihm obliegenden Mitteilungspflicht (§ 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil) grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X). Abgesehen davon, daß es insoweit an jeglichen Tatsachenfeststellungen mangelt, läßt sich nicht erkennen, von welchem Fahrlässigkeitsbegriff das LSG ausgegangen ist. Zu Ausführungen hierzu hätte schon deshalb Veranlassung bestanden, weil im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht ein objektiver, sondern ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (vgl. hierzu etwa BSG, Urteile vom 25. April 1990 – 7 RAr 20/89 – und 14. September 1995 – 7 RAr 14/95 –, beide unveröffentlicht; Hauck/Haines, SGB X/1, 2, Stand August 1995, § 45 Rz 23, § 48 Rz 21). Der Prüfung dieser Voraussetzung war das LSG nicht etwa deshalb enthoben, weil der angefochtene Bescheid bezüglich des Zeitraumes vom 10. bis 14. Mai 1993 bestandskräftig geworden ist. Denn die Bindungswirkung dieses Bescheides erstreckt sich nur auf seinen Verfügungssatz, nicht auf die ihn tragenden Gründe (BSGE 46, 236, 237 = SozR 1500 § 77 Nr. 29 mwN; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 77 Rz 5 b). Sollte das LSG bei seiner neuen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangen, daß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X verwirklicht und ein atypischer Fall (vgl. dazu BSGE 59, 111, 114 ff = SozR 1300 § 48 Nr. 19; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 und SozR 3-4100 § 103 Nr. 9) nicht gegeben ist, kann offenbleiben, ob der angegriffene Bescheid seine Rechtfertigung in § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X allein oder in § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB X iVm § 152 Abs. 3 AFG findet. Der Senat hält es deshalb nicht für tunlich (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), zur Anwendbarkeit des § 152 Abs. 3 AFG auf Fälle der vorliegenden Art. schon jetzt eine abschließende Bewertung vorzunehmen. Sollten die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X zu verneinen sein, ist an eine Prüfung auch der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zu denken.
Schließlich wird das LSG über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben, wobei ua das von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis Berücksichtigung zu finden haben wird.
Fundstellen
BSGE, 66 |
Breith. 1997, 472 |
SozSi 1997, 159 |