Leitsatz (amtlich)
Liegt der Rentenbeginn vor dem Tage der Stellung des Rentenantrags, so ist der Beitragszuschuß auch für die Bezieher von Hinterbliebenenrenten, die freiwillig in der Privaten Krankenversicherung versichert sind, erst von dem Tag an zu zahlen, an dem der Rentenantrag gestellt wurde (Ergänzung zu BSG 1966-02-25 3 RK 72/63 = BSGE, SozR Nr 9 zu RVO § 381).
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1956-06-12
Tenor
Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 3. Dezember 1965 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Rentenversicherungsträger den Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag für Hinterbliebene nach § 381 Abs. 4 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erst vom Tage der Stellung des Rentenantrags an zu leisten hat oder schon vom Rentenbeginn an, wenn die Rente rückwirkend von einem vor der Rentenantragstellung liegenden Zeitpunkt bewilligt wird (§ 67 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -).
Die Klägerin ist die Witwe des am 7. April 1965 verstorbenen K. Sch. Auf Grund eines am 18. Juni 1965 bei der Beklagten eingegangenen Antrags erhielt sie durch Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1965 mit Wirkung vom 1. April 1965 an eine Witwenrente.
Am 9. Juli 1965 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Beitragszuschuß zur Rentnerkrankenversicherung, da sie seit dem 1. September 1960 Mitglied der privaten "Mittelstandshilfe"-Krankenversicherungsanstalt a.G. für Mittelstand und Landwirtschaft zu D sei. Durch Bescheid vom 11. August 1965 bewilligte die Beklagte einen Beitragszuschuß in Höhe von 28,60 DM vom 18. Juni 1965 an.
Mit der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Zahlung des Beitragszuschusses auch für die Zeit vom Rentenbeginn bis zum Tage des Rentenantrags. Zur Begründung trug sie vor: Nach dem Tode ihres Ehemannes sei sie infolge längerer Krankheit nicht in der Lage gewesen, die entsprechenden Anträge früher zu stellen.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat durch Urteil vom 3. Dezember 1965 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin den Beitragszuschuß zur Krankenversicherung ab 1. April 1965 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Wollte man bei denjenigen Hinterbliebenenrentnern, die freiwillig in der privaten Krankenversicherung versichert sind und die den Rentenantrag erst nach dem Rentenbeginn gestellt haben, den Anspruch auf die Zeit seit der Antragstellung beschränken, wäre es nicht ein "gleicher Anspruch" i.S. des § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO. Bei diesem Personenkreis müsse berücksichtigt werden, daß sie mit dem Tode des Versicherten plötzlich einen wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage verlören. Unter Umständen seien sie nicht mehr in der Lage, fällige Beiträge rechtzeitig zu entrichten. Die private Krankenversicherung sei dann aber nicht mehr leistungspflichtig, wenn die Versicherungsnehmer mit der Beitragszahlung im Rückstand seien. Die Hinterbliebenen könnten auch nicht auf die Möglichkeit verwiesen werden, freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung zu werden, da sie in der privaten Krankenversicherung an Kündigungsfristen gebunden seien. Unter Beachtung dieser Unterschiede könne ein lückenloser Versicherungsschutz auch über den Zeitpunkt des Rentenfalles hinaus nur gewährleistet werden, wenn man in diesem Zeitpunkt bereits den Zuschuß aus der Rentenversicherung beginnen lasse.
Das SG hat die Berufung zugelassen (§ 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Beklagte hat Sprungrevision eingelegt und der Revisionsschrift die Einwilligungserklärung der Klägerin beigefügt. Die Beklagte trägt vor: Das Bundessozialgericht (BSG 14, 112) habe entschieden, daß sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Krankenversicherung bei Versicherten ein Anspruch auf den Beitragszuschuß erst vom Tage der Antragstellung an bestehe. Für die Hinterbliebenenrente könne nichts anderes gelten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 11. August 1965 abzuweisen.
Die Klägerin ist nicht vertreten.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist begründet. Nach § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO erhalten u.a. Rentenberechtigte, die nicht zu den in § 165 Abs. 1 Nr. 3 und 4 RVO bezeichneten Personen - also nicht zu den versicherungspflichtigen Rentnern - gehören, auf ihren Antrag von dem zuständigen Rentenversicherungsträger bei freiwilliger Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung einen Beitragszuschuß. Den "gleichen Anspruch" haben auch die Empfänger von Renten, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind. Der Senat hat in seinem Urteil vom 21. März 1961 - 3 RK 62/60 - (BSG 14, 112) bereits entschieden, daß der Beitragszuschuß an freiwillig in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung versicherte Rentner von dem Zeitpunkt an zu zahlen ist, in dem der Rentenantrag gestellt wird, jedoch nicht für einen Zeitpunkt vor dem Rentenbeginn. Es hat dazu u.a. ausgeführt: Die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers, sich an den Aufwendungen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) zu beteiligen, sei für die verschiedenen Arten der Beitragsleistung (§ 381 Abs. 2 und 4 RVO) nach Sinn und Zweck des Gesetzes einheitlich zu beurteilen. In seinem Urteil vom 25. Februar 1966 - 3 RK 72/63 - (SozR RVO § 381 Nr. 9) hat der Senat das vorgenannte Urteil des BSG dahingehend ergänzt, daß dann, wenn der Rentenbeginn vor dem Tag der Stellung des Rentenantrags liegt, der Beitragszuschuß an freiwillig in der gesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherung versicherte Rentner erst von dem Tag an zu zahlen ist, an dem der Rentenantrag gestellt wurde. In den Fällen des § 381 Abs. 4 RVO könne zwar die freiwillige Krankenversicherung schon vor Stellung des Rentenantrags bestanden haben, doch verpflichte dies den Rentenversicherungsträger nicht, Beitragszuschüsse bereits für eine Zeit vor Stellung des Rentenantrags zu leisten. Die Verpflichtung des Rentenversicherungsträgers sei vielmehr bei den pflichtversicherten Rentnern (§ 381 Abs. 2 RVO) und den freiwillig versicherten Rentnern (§ 381 Abs. 4 RVO) gleich zu beurteilen.
Was für die freiwillig in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versicherten Bezieher von Versichertenrenten gilt, findet auch Anwendung auf die Bezieher von Hinterbliebenenrenten. In § 381 Abs. 4 Satz 1 RVO wird ebenso wie in § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO nicht nur von Personen gesprochen, welche die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente erfüllen, sondern es heißt dann weiter "... oder einer Hinterbliebenenrente ...". Aus diesem Wortlaut mit seiner alternativen Erwähnung heraus folgt, daß sowohl im Fall der freiwilligen Versicherung nach Satz 1 als auch nach Satz 2 des Abs. 4 die Empfänger von Hinterbliebenenrente nicht anders behandelt werden sollen als diejenigen Personen, die eine Versichertenrente erhalten. Aus dieser vom Gesetzgeber vorgesehenen Gleichbehandlung ergibt sich zwingend, daß auch die Empfänger einer Hinterbliebenenrente einen Anspruch auf den Beitragszuschuß der Rentenversicherungsträger erst von dem Tage an haben, an dem der Rentenantrag gestellt wurde.
Das SG meint nun, da § 381 Abs. 4 Satz 2 RVO von einem "gleichen Anspruch" spreche, sei es nicht gerechtfertigt, den Anspruch auf den Beitragszuschuß auch bei Hinterbliebenenrenten auf die Zeit seit der Antragstellung zu beschränken. Hier seien die Verhältnisse ganz anders gelagert, und aus diesem Grunde gestehe man dem Empfänger von Hinterbliebenenrente bei einer solchen Beschränkung des Anspruchs in Wahrheit keinen "gleichen Anspruch" i.S. der genannten Bestimmung zu. Das SG hat dabei übersehen, daß die Formulierung "den gleichen Anspruch" sich nicht auf die Beziehung zwischen Empfängern von Versichertenrente einerseits und Hinterbliebenenrente andererseits bezieht, sondern auf das Verhältnis zwischen denjenigen Empfängern von Versicherten- und Hinterbliebenenrente, die entweder bei der gesetzlichen Krankenkasse oder einem privaten Versicherungsunternehmen gegen Krankheit versichert sind; d.h. diejenigen Empfänger beider Rentenarten, die bei einem privaten Versicherungsunternehmen freiwillig versichert sind, sollen den gleichen Anspruch auf Beitragszuschuß haben wie diejenigen, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
Die weiter vom SG angeführten Gründe der unterschiedlichen Handhabung des Beitragszuschusses für Versichertenrentner und Empfänger von Hinterbliebenenrente scheitern nicht nur an dem klaren Wortlaut und Zweck des Gesetzes, sondern vermögen nicht zu überzeugen. Auch den Hinterbliebenen bleibt es unbenommen, unverzüglich einen Rentenantrag - notfalls formlos - zu stellen. Schließlich verlieren die Empfänger einer Hinterbliebenenrente nach dem Tode des Versicherten keineswegs immer sofort die bisherigen Bezüge. Bei der Bezieherin einer Witwenrente - wie im vorliegenden Fall - wird, wenn dies für die Berechtigte günstiger ist, für die ersten drei Monate nach dem Tode des Versicherten anstelle der Hinterbliebenenrente nach § 1268 Abs. 1 bis 4 RVO die Rente ohne Kinderzuschuß gewährt, die dem Versicherten im Zeitpunkt seines Todes zustand oder - falls der Versicherte im Zeitpunkt seines Todes noch nicht rentenberechtigt war - zugestanden hätte (vgl. § 1268 Abs. 5 RVO), so daß die ersten Beiträge zur Krankenversicherung von diesen Bezügen gezahlt werden können.
Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen