Leitsatz (redaktionell)

Nach ZPO § 358, der nach SGG § 118 Abs 1 im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, bedarf es eines besonderen Beweisbeschlusses nur dann, wenn die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren erfordert. Erst recht bedarf es daher keines besonderen Beschlusses, wenn dem Beweisantrag eines Beteiligten nicht stattgegeben wird, wenn also überhaupt keine Beweisaufnahme stattfindet; in diesen Fällen genügt es, wenn in dem Urteilsgründen dargelegt wird, weshalb das Gericht weitere Ermittlungen nicht für erforderlich angesehen hat.

 

Normenkette

SGG § 118 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 358

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist die Gewährung der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit nach § 46 Reichsknappschaftsgesetz (RKG).

Der Kläger war vom 24. Oktober 1924 bis zum 17. September 1926 als jugendlicher Arbeiter, vom 18. September 1926 bis zum 7. Mai 1929 als Schlepper im Schichtlohn, vom 25. Juni 1929 bis zum 30. April 1931 als Gedingeschlepper, vom 14. Dezember 1934 bis zum 10. Dezember 1938 als Lehrhauer, vom 11. Dezember 1938 bis zum 29. Februar 1944 und vom 8. Juni 1944 bis zum 19. September 1944 als Hauer, vom 21. August 1945 bis zum 25. Januar 1946 als Platzarbeiter, vom 26. Januar 1946 bis zum 9. Dezember 1946 als Hilfsarbeiter, vom 30. Januar 1947 bis zum 293 März 1947 und vom 18. Oktober 1948 bis zum 14. März 1951 als Hauer und vom 15. März 1951 bis zum 15. April 1958 als Stempelwart im Bergbau beschäftigt. Er stellte zunächst am 11. Dezember 1961 Antrag auf Gewährung der Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lohnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Juni 1962 ab. Der Widerspruch des Klägers wurde von der Widerspruchsstelle der Beklagten am 24. Juli 1962 zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide richtet sich die Klage, mit welcher der Kläger nunmehr nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit vom 1. Dezember 1961 an erstrebt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 11. Juni 1963 abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 22. Juli 1965 zurückgewiesen; es hat die Revision zugelassen.

Das LSG ist mit dem SG der Auffassung, daß der Kläger nicht berufsunfähig i.S. der §§ 46 RKG, 1246 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist und daher keinen Anspruch auf die Gesamtleistung wegen Berufsunfähigkeit hat.

Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit sei nicht von der Tätigkeit eines Hauers, sondern von der eines Stempelwartes auszugehen. Der Kläger sei zwar nach der im Bergbau üblichen Berufsentwicklung im Jahre 1938 im Älter von 28 Jahren Hauer geworden und habe diese Tätigkeit zunächst 63 Monate lang verrichtet. Er habe danach jedoch ohne erkennbar zwingenden Grund die Tätigkeit eines Platzarbeiters aufgenommen und sei erst wieder im Jahre 1947 zur Hauertätigkeit zurückgekehrt. Schon dieser zwischenzeitliche Berufswechsel lasse Zweifel daran aufkommen, ob der Kläger endgültig bei der Hauertätigkeit bleiben wollte. Zwar werde man in diesem Zeitpunkt noch keine endgültige Lösung von der Hauertätigkeit annehmen können, weil der Kläger später zu ihr zurückgekehrt ist. Er habe jedoch im Jahre 1951 im Alter von 40 Jahren die Hauertätigkeit abermals und endgültig aufgegeben, ohne daß er dazu gezwungen gewesen sei. Selbst wenn der Kläger auf Veranlassung seines unmittelbaren Vorgesetzten von der Hauertätigkeit zur Tätigkeit eines Stempelwartes übergegangen sei, handele es sich doch nicht um einen erzwungenen Berufswechsel, sondern um eine freiwillige Lösung von der Hauertätigkeit. Zwar werde man bei einem betrieblich angeordneten Übergang von der einen zur anderen Tätigkeit unter Umständen auch von einem erzwungenen Berufswechsel sprechen können, nämlich dann, wenn der Arbeitnehmer keine Möglichkeit habe, sich dagegen zu wehren und wenn auch keine Aussicht bestehe, die bis dahin ausgeübte Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber auszuüben. Der Kläger habe jedoch nicht vorgetragen, daß er sich ernsthaft und nachdrücklich darum bemüht habe, Hauer zu bleiben. Selbst wenn er sich seinem Vorgesetzten gegenüber nicht mit Erfolg hätte weigern können, die Tätigkeit eines Stempelwartes aufzunehmen, sei ihm doch notfalls zuzumuten gewesen, sich bei einem anderen Betrieb um die Fortsetzung der Kauertätigkeit zu bemühen. Der Kläger sei bei dem Berufswechsel erst 40 Jahre alt gewesen, so daß noch eine längere Ausübung der Hauertätigkeit möglich gewesen wäre. Er habe sich aber offenbar mit dem Berufswechsel abgefunden und sich nicht weiter um die Wiederaufnahme der Hauertätigkeit bemüht. Damit habe er sich aber freiwillig von der Hauertätigkeit gelöst. Für die Freiwilligkeit des Berufswechsels spreche auch die Tatsache, daß er bereits in den Jahren 1945 und 1946 ohne erkennbar zwingenden Grund eine andere Tätigkeit ausgeübt habe. Gegen die Freiwilligkeit des Berufswechsel spreche auch nicht der Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 9. August 1963, Ursache für die Aufnahme der Tätigkeit eines Stempelwartes sei die bei ihm vorliegende Berufskrankheit gewesen. Wie sich aus den Akten der Bergbau-Berufsgenossenschaft und insbesondere aus dem Gutachten vom 13. Juni 1938 i.V.m. der Stellungnahme vom 2. Juli 1938 ergebe, habe die Mondbeinnekrose bei dem Kläger bereits vor Aufnahme der Hauertätigkeit in nicht geringerem Umfang bestanden als bei ihrer Aufgabe. Die späteren Gutachten und insbesondere das Gutachten vom 8. Juli 1953 zeigten, daß eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten sei. Der Gesundheitszustand, der bei Aufnahme der Hauertätigkeit bestanden hat, könne den Kläger aber nicht zu dieser Tätigkeit gezwungen haben. Gehe man von der Tätigkeit eines Stempelwartes aus, die der Kläger zuletzt und nicht nur vorübergehend verrichtet hat, so komme es nicht darauf an, ob er noch Untertagearbeiten oder über Tage die Tätigkeiten eines zweiten oder sonstigen Maschinisten, Tafelführers, Verwiegers, Lampenstubenaufsehers, Schalttafelwärters und Apparatewärters verrichten könne. Dem Stempelwart seien nämlich such andere Tätigkeiten, und zwar insbesondere die eines Markenausgebers, Magazinarbeiters, Lampenstubenarbeiters und Kauenwärters zuzumuten; denn ihre Ausübung bedeute für einen Stempelwart keinen wesentlichen sozialen Abstieg. Zwar handele es sich bei den genannten Tätigkeiten um ungelernte Tätigkeiten, die sich gegenüber einfachen Hilfsarbeitertätigkeiten nicht besonders hervorhöben. Doch handele es sich auch bei der Tätigkeit eines Stempelwartes nicht um eine Facharbeitertätigkeit, sondern um eine zwar verantwortungsvolle bergmännische Tätigkeit, die jedoch keine besondere Ausbildung erfordere. Der Stempelwart könne also auf die Tätigkeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters und Lampenstubenarbeiters sowie auf ähnliche Tätigkeiten außerhalb des Bergbaues verwiesen werden.

Zur Verrichtung der genannten Tätigkeiten sei der Kläger gesundheitlich noch in der Lage. Das ergebe sich aus den insoweit übereinstimmenden Gutachten vom 28. März 1962, 11. Januar 1963, 3. Mai 1963 und 6. Januar 1965. Zwar sei die Tätigkeit eines Lampenstubenarbeiters in dem Gutachten vom 6 Januar 1965 nicht ausdrücklich genannt worden. Es sei jedoch bekannt, daß diese Tätigkeit an die körperliche Leistungsfähigkeit und insbesondere an das Geh- und Stehvermögen keine größeren Anforderungen stelle als etwa die Tätigkeit eines Markenausgebers und Magazinarbeiters. Ebenso sei es unschädlich, daß in dem Gutachten vom 11. Januar 1963 die Tätigkeit eines Kauenwärters nicht genannt ist; diese setze kein größeres Leistungsvermögen voraus als die vom Sachverständigen genannten Tätigkeiten eines Lampenstubenarbeiters und Magazinarbeiters. In den Gutachten vom 28. März 1962 und 3. Mai 1963 seien die hier genannten Tätigkeiten überhaupt nicht aufgeführt. Dennoch werde man annehmen müssen, daß die Sachverständigen den Kläger zur Verrichtung dieser Tätigkeiten für fähig hielten, denn sie hätten eine Anzahl von Tätigkeiten genannt, die körperlich wesentlich schwerer seien als die hier in Frage stehenden Tätigkeiten. Aus dem vom Kläger eingereichten Gutachten vom 28. Mai 1963 könne nicht geschlossen werden, daß er zur Ausübung der genannten Tätigkeiten außerstande sei. Dieses Gutachten komme zwar in seiner Beurteilung zu dem Ergebnis, der Kläger sei berufsunfähig. Damit beantworte es aber nicht die an einen medizinischen Sachverständigen zu stellende Frage nach der körperlichen Leistungsfähigkeit, sondern eine Rechtsfrage. Darauf, welche Tätigkeiten der Kläger noch verrichten und welche er nicht mehr verrichten könne, sei das Gutachten nicht eingegangen. Im übrigen sei darin kein Befund festgestellt, der von dem in dem Gutachten vom 6. Januar 1965 zugrunde gelegten Befund wesentlich abweiche. Die festgestellten Gesundheitsstörungen seien auch nicht so erheblich, daß sie Zweifel daran aufkommen lassen könnten, daß der Kläger die Tätigkeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters und Lampenstubenarbeiters noch verrichten könne. Es sei nicht erforderlich, die Merkmale der genannten Tätigkeiten den medizinischen Sachverständigen durch einen technischen Sachverständigen schildern zu lassen und die medizinischen Sachverständigen dann erneut zu befragen, ob der Kläger diese Tätigkeiten verrichten könne. Erst recht sei eine Ortsbesichtigung nicht notwendig gewesen. Prof. Dr. K... und Dr. St. hätten in ihrem Gutachten vom 6. Januar 1965 hinreichend zu erkennen gegeben, daß sie die körperlichen Anforderungen an einen Markenausgeber und Magazinarbeiter hinreichend kennen und zu beurteilen wissen. Ihre ergänzende Stellungnahme vom 18. Mai 1965 lasse erkennen, daß sie in ihrem Gutachten vom 6. Januar 1965 solche Tätigkeiten nicht aufgezählt hätten, deren Merkmale ihnen nicht hinreichend bekannt seien. Es sei bekannt, daß es sich bei den Tätigkeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters und Lampenstubenarbeiters um körperlich leichte Arbeiten handele, die keine höheren Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit sowie an das Geh- und Stehvermögen stellen, als dies in dem Gutachten vom 6. Januar 1965 ausgeführt ist. Im übrigen gehe aus den Schriftsatz des Klägers vom 8. Juni 1965 hervor, daß seine Beweisanträge sich auf die in der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen vom 18. Mai 1965 angegebenen und nicht auf die in dem Gutachten vom 16. Januar 1965 genannten Tätigkeiten bezögen. Diese Tätigkeiten seien jedoch zahlenmäßig so häufig, daß eine nicht nur theoretische Möglichkeit zu ihrer Erlangung bestehe. Ob sie am Wohnort des Klägers in genügender Anzahl vorhanden sind, sei unbeachtlich; denn notfalls müsse dem Kläger ein Umzug zugemutet werden. Im übrigen handele es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung von Tätigkeiten ähnlicher Art, die im Bergbau und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besetzt oder unbesetzt in hinreichender Anzahl vorhanden seien.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt.

Er rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts durch das Berufungsgericht.

Nach dem Protokoll über die Verhandlung vom 22. Juli 1965 habe das Berufungsgericht vor seiner Urteilsverkündung über seine Beweisanträge nicht besonders entschieden, sondern nur in den Gründen des Urteils dazu Stellung genommen. Es hätte aber die Anträge in der Berufungsverhandlung zunächst durch Beschluß zurückweisen und ihm sodann erneut Gelegenheit geben müssen, zur Sache noch einmal Stellung zu nehmen, bevor die mündliche Verhandlung geschlossen worden sei.

Das Berufungsgericht habe mehrere Gutachten des Sachverständigen H. aus einem anderen Rechtsstreit verlesen und diese zum Gegenstände seiner Verhandlung gemacht, ohne ihm Gelegenheit zu geben, zu den Ausführungen dieses Sachverständigen im einzelnen Stellung zu nehmen. Es sei auf seine Bitte, ihm die verlesenen Tätigkeitsbeschreibungen am Schluß der mündlichen Verhandlung auszuhändigen, damit er dazu noch schriftlich Stellung nehmen könne, nicht eingegangen. Es sei ihm danach nicht möglich gewesen, kritisch sowohl zur Person des Sachverständigen als auch zu seinen tatsächlichen Ausführungen Stellung zu nehmen.

Das Berufungsgericht habe ferner seinen Beweisantrag im Schriftsatz vom 10. Mai 1965 übergangen. Es hätte den dort benannten Fahrsteiger B. als Zeugen hören müssen. B. hätte bestätigt, daß er seine Arbeit als Hauer habe aufgeben müssen, um eine Tätigkeit als Stempelwart aus betrieblichen Gründen anzunehmen. Hätte das Berufungsgericht seinen Beweisantrag in der Berufungsverhandlung mit ihm erörtert, so hätte er zusätzlich ausgeführt, daß B. auch zu der weiteren Beweisfrage, ob er nach dem Jahre 1951 vergeblich versucht habe, zur Hauertätigkeit zurückzukehren, gehört werden solle. Es wäre alsdann nicht zu der Unterstellung auf Bl. 8 Mitte im angefochtenen Urteil gekommen, wonach er nicht vorgetragen habe, daß er sich ernsthaft und nachdrücklich darum bemüht habe, Hauer zu bleiben. Zumindest aber hätte das Berufungsgericht das nobile officium gehabt, ihn darüber zu hören, ob und in welcher Weise er sich in den Jahren 1951 bis 1958 ernsthaft darum bemüht habe, bei seinem oder bei einem anderen Zechenbetrieb wieder als Hauer tätig zu werden.

Sein Hauptberuf sei der eines Hauers und nicht der eines Stempelwarts. Nach einer nachkriegsbedingten Unterbrechung seiner Hauertätigkeit als Platz- und Zechenhilfsarbeiter, sei er vom 30. Januar 1947 bis zum 14. März 1951 wieder Hauer gewesen.

Selbst wenn aber von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit eines Stempelwarts ausgegangen werde, könne ihm nicht zugemutet werden, ihn auf die ungelernten Tätigkeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters, Lampenstubenarbeiters und Kauenwärters zu verweisen.

Weiter habe das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung, ob er diese ungelernten Tätigkeiten noch ausüben könne, die Ausführungen des Obergutachtens der Medizinischen Akademie Düsseldorf vom 6. Januar 1965 nicht hinreichend beachtet, wonach er nur beschränkt arbeitseinsatzfähig sei. Die "eigene Anschauung", auf die die Richter des LSG, darunter zwei Laienrichter, auf S. 11 Mitte des Urteils für die gegenteilige Auffassung Bezug nehmen, hätte näherer Begründung bedurft. Zumindest wäre zunächst noch die Beiziehung eines Sachverständigen erforderlich gewesen. Ein dahingehender Antrag wäre von ihm in der Berufungsverhandlung gestellt worden, wenn das Berufungsgericht seiner Hinweispflicht genügt hätte. Schon in seinem Schriftsatz vom 8. Juni 1965 auf; habe er darauf abgestellt, daß die dort aufgeführten Arbeiter zeitweise mittelschwere Arbeiten zu verrichten hätten. Dasselbe gelte auch für solche Versicherte, die als Magazinarbeiter, Lampenstubenarbeiter oder Kauenwärter beschäftigt würden. Die entgegengesetzte Stellungnahme der Professoren K... und St. beruhe auf der Äußerung des Privatsachverständigen der Beklagten.

Im übrigen sei er auch noch nach 19 56 nach der Berufsbezeichnung Stempelwart in Wirklichkeit Hauer gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 22. Juli 1965 aufzuheben und nach dem in der ersten Instanz gestellten Hauptantrag zu erkennen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht oder einen anderen Senat eines Landessozialgerichts zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Revision des Klägers für unbegründet. Die von dem Kläger in formeller Hinsicht gerügten Mängel lägen nicht vor. Das Recht auf rechtliches Gehör sei nicht verletzt. Das Berufungsgericht sei nicht verpflichtet gewesen, die vom Kläger im mündlichen Verhandlungstermin gestellten Beweisanträge durch Beschluß abzulehnen. Für das LSG habe auch kein Anlaß bestanden, den Sachverhalt hinsichtlich des Berufswechsels im Jahre 1951 weiter aufzuklären, zumal der Kläger am 8. März 1962 selbst erklärt habe, daß der Wechsel von der Hauertätigkeit zu der des Stempelwarts im März 1951 auf dem Wunsch des Arbeitgebers und nicht auf gesundheitlichen Gründen beruhe. Berufsunfähigkeit i.S. von § 46 Abs. 2 RKG sei nicht gegeben. Die rechtserhebliche Frage, ob einem Stempelwart Tätigkeiten als Markenausgeber, Magazin- oder Lampenstubenarbeiter (Lohngruppe IV über Tage) i.S. von § 46 Abs. 2 RKG sozial "zumutbar" sind, habe das Berufungsgericht zutreffend bejaht. Der Stempelwart sei kein Facharbeiter; die Tätigkeit rechne insbesondere nicht zu den Lehrberufen; denn sie erfordere keine besondere Ausbildung. Es sei vor allem nicht Voraussetzung, daß der Stempelwart vorher Hauer gewesen sei oder eine sonstige qualifizierte bergmännische Tätigkeit ausgeführt habe. Da die für den Stempelwart erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in jedem anderen bergmännischen Beruf erworben werden könnten, sei es durchaus gerechtfertigt, den Stempelwart auf einen größeren Kreis von Tätigkeiten zu verweisen als den Hauer. Die Tätigkeit des Stempelwartes könne bestenfalls als Anlernberuf angesehen werden. Ein angelernter Arbeiter müsse sich auf solche ungelernte Tätigkeiten verweisen lassen, die nicht nur einfacher Art seien, wie Reinigungs- und Putzarbeiten, bloße Botenarbeit, einfache Hof-, Platz- und Gartenarbeiten usw.. Die Arbeiten, die der Kläger noch verrichten könne, gehörten aber nicht zu den einfachsten ungelernten Tätigkeiten, da sie eine gewisse Genauigkeit sowie einiges Verantwortungsbewußtsein voraussetzten und sich dadurch aus der Masse der einfachen Arbeiten heraushöben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Entgegen der Ansicht des Klägers brauchte das Berufungsgericht über die von ihm gestellten Beweisanträge nicht durch besonderen Beschluß zu entscheiden. Nach § 358 der Zivilprozeßordnung (ZPO), der nach § 118 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, bedarf es eines besonderen Beweisbeschlusses nur dann, wenn die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren erfordert. Erst recht bedarf es daher keines besonderen Beschlusses, wenn, wie hier, dem Beweisantrag eines Beteiligten nicht stattgegeben wird, wenn also überhaupt keine Beweisaufnahme stattfindet. In diesen Fällen genügt es, wenn in den Urteilsgründen dargelegt wird, weshalb das Gericht weitere Ermittlungen nicht für erforderlich angesehen hat.

Das Berufungsgericht brauchte dem Kläger auch keine Frist zur schriftlichen Stellungnahme zu den Gutachten des in einem anderen Rechtsstreit gehörten Sachverständigen H. zu gewähren; denn dieser Sachverständige hatte sich nur zu Tätigkeiten geäußert, auf welche das Berufungsgericht den Kläger, ausgehend von dem Hauptberuf des Stempelwarts, überhaupt nicht verwiesen hat, die also für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits keinerlei Bedeutung hatten. Anders wäre es nur, wenn das Berufungsgericht, von dem Hauptberuf des Hauers ausgehend, den Kläger auf die in dem oben angeführten Gutachten behandelten Tätigkeiten verwiesen hätte.

Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Knappschaftsrente hat. Es durfte ohne Bedenken bei Anwendung des § 46 RKG von dem Hauptberuf des Stempelwarts ausgehen. Der Hauerberuf, den der Kläger im Jahre 1951 endgültig aufgegeben hat, könnte nur dann als Hauptberuf angesehen werden, wenn der Kläger ihn aus gesundheitlichen Gründen auf gegeben hätte Nur in diesen Pallen könnten die versicherungsrechtlichen Folgen des Berufswechsels zu Lasten der Beklagten gehen, da diese für die Folgen der auf einer Krankheit beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit einzutreten hat. In allen anderen Fällen tritt dagegen eine Lösung von dem Hauptberuf ein (vgl. BSG 2, 182; SozR Nr. 13 zu § 45 RKG; BSG 26, 48). Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger im Jahre 1951 den Kauerberuf nicht aus gesundheitlichen, sondern aus betrieblichen Gründen aufgegeben hat. Der Kläger greift zwar in seinem Schriftsatz vom 15. Februar 1966 diese Feststellung an. Diese Rüge kann jedoch schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist erhoben worden ist (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Auch die weiteren von dem Kläger erhobenen Rügen, das Berufungsgericht habe nicht genügend aufgeklärt, daß er die Hauertätigkeit auf betriebliche Anordnung gegen seinen Willen habe aufgeben müssen und daß er sich später bemüht habe, wieder eine Kauerstelle zu erlangen, können nicht zum Erfolg der Revision führen. Selbst wenn diese Rügen durchgreifen würden, wäre die angefochtene Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden, da - wie oben dargelegt - bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit schon deshalb nicht vom Hauerberuf ausgegangen werden kann, weil der Kläger ihn nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat. Daher konnte der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil es auf die von der Revision gerügte Feststellung nicht ankam (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Ist das LSG hiernach - im Ergebnis zutreffend - bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit des Klägers von der Tätigkeit des Stempelwarts ausgegangen, so bestehen keine Bedenken, ihn auf die Tätigkeiten eines Markenausgebers, Magazinarbeiters und Kauenwärters zu verweisen. Einem Stempelwart ist die Verrichtung dieser Arbeiten i.S. des § 46 Abs. 2 RKG zuzumuten, weil damit kein wesentlicher sozialer Abstieg verbunden ist. Die Arbeit eines Stempelwarts kann allenfalls mit der einer anerkannten Anlerntätigkeit verglichen werden, nicht aber mit der Tätigkeit eines gelernten Facharbeiters. Daher kann der Kläger auf ungelernte Tätigkeiten - abgesehen von den einfachsten ihrer Art - verwiesen werden. Bei den Tätigkeiten, auf welche das Berufungsgericht den Kläger verwiesen hat, handelt es sich aber nicht um einfachste ungelernte Tätigkeiten.

Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß der Kläger nach seinem Gesundheitszustand in der Lage ist, diese Tätigkeiten zu verrichten. Der Kläger greift zwar diese Beststellung an, indem er rügt, das Berufungsgericht habe unter Berücksichtigung der von der Medizinischen Akademie Düsseldorf erhobenen Befunde auf Grund eigener Erfahrungen entschieden, daß er diese Tätigkeiten noch vorrichten könne. Dies sei unzulässig Der Kläger verkennt aber, daß die Kammern und Senate für Knappschaftsangelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit besondere Erfahrungen auf dem Gebiet des bergmännischen Arbeitslebens besitzen und daß gerade die ehrenamtlichen Richter dieser Spezialkammern und Spezialsenate über die Verhältnisse im Bergbau aus eigener Erfahrung besonders gut unterrichtet sind Diese Kammern und Senate sind in geeigneten Fällen - wie in dem vorliegenden - durchaus in der Lage, auf Grund der von dem medizinischen Sachverständigen erhobenen Befunde ohne weitere Unterstützung durch einen berufskundlichen oder medizinischen Sachverständigen zu entscheiden, welche Tätigkeiten der Versicherte noch verrichten kann.

Das Berufungsgericht hat weiter unangefochten festgestellt, daß der Kläger auch nach seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage ist, diese Tätigkeiten auszuüben. Daher stehen der Verweisung auf diese Tätigkeiten keine Bedenken entgegen.

Die Revision des Klägers ist hiernach als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG,

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2939557

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