Leitsatz (redaktionell)
Der Grundsatz, daß in dem Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld im Zweifel der Antrag auf Gewährung der dem Versicherten zustehenden höheren Rente liegt, also auch der Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn deren Voraussetzungen ebenfalls erfüllt und diese höher sind (vergleiche BSG 1964-09-17 12 RJ 470/61 = SozR ArVNG Art 2 § 42 Nr 26), gilt auch dann, wenn es sich darum handelt, daß der Rentner ein ihm zustehendes günstigeres Altersruhegeld beansprucht.
Orientierungssatz
Der Versicherte kann grundsätzlich auf Rente verzichten, wenn infolge anderer Leistungen seine Rechtsstellung im Endergebnis nicht verschlechtert wird.
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 31 Fassung: 1957-02-23, § 38 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. März 1962, das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Juli 1961 und der Bescheid der Beklagten vom 14. August 1959 aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger erstrebt die Zahlung eines höheren Altersruhegeldes. Streitig ist, welche Rente ihm für Dezember 1958 nach Art. 2 § 38 Abs. 3 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) aF und vom 1. Januar 1959 an nach den Vorschriften des Ersten Rentenanpassungsgesetzes (1. RAG) zu zahlen ist.
Der Kläger bezog vom 1. November 1956 an Invalidenrente, die vom 1. Januar 1957 an gemäß Art. 2 § 31 ff ArVNG umgestellt wurde. Am 25. Dezember 1958 vollendete er das 65. Lebensjahr. Deshalb beantragte er die Umwandlung seiner Rente in Altersruhegeld. Seit dem 1. Januar 1957 waren für ihn weitere 8 Wochen- und 18 Monatsbeiträge geleistet worden. Wegen der Vollendung des 65. Lebensjahres erhöhte die Beklagte durch Bescheid vom 17. Januar 1959 gemäß Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG aF - jedoch mit dem Vorbehalt der Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der seit dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträge - die umgestellte Rente ab 1. Dezember 1958 auf fünfzehn Dreizehntel des bisherigen monatlichen Zahlbetrages, d. h. auf eine als Altersruhegeld geltende Rente von 216,30 DM monatlich, und gewährte ihm in Anwendung des 1. RAG vom 1. Januar 1959 an ein Altersruhegeld in Höhe von 229,50 DM monatlich. Durch Bescheid vom 14. August 1959 erkannte sie unter der in dem Bescheid vom 17. Januar 1959 vorbehaltenen Neuberechnung der Rente unter Berücksichtigung der seit dem 1. Januar 1957 geleisteten Beiträge nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gemäß Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz ArVNG aF den Anspruch auf Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO ab 1. Dezember 1958 in Höhe von nur 223,60 DM monatlich an; sie stellte dabei nämlich weiterhin fest, daß dieses Altersruhegeld an der Anpassung nach dem 1. RAG ab 1. Januar 1959 nicht teilnehme, so daß vom 1. Oktober 1959 an nur noch eine Rente von monatlich 223,60 DM zu zahlen sei; die bisherige Rente im Betrage von 229,50 DM monatlich falle mit Ablauf des Monats September 1959 weg; von einer Rückforderung der überzahlten Beträge werde abgesehen.
Mit der gegen den Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger, ihm die in dem Bescheid vom 17. Januar 1959 bewilligte Rente in der bisherigen Höhe von 229,50 DM monatlich unter Anwendung des Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG aF sowie des 1. RAG für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1959 weiterzugewähren. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Es hat die Auffassung der Beklagten bestätigt, daß dem Kläger für Dezember 1958 das nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neuberechnete Altersruhegeld in Höhe von 223,60 DM zustehe; die Voraussetzungen des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbs. ArVNG aF seien erfüllt; für die in Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. ArVNG aF vorgesehene Besitzstandswahrung sei kein Raum, weil der nach Satz 1 dieser Vorschrift zu errechnende Betrag mit 216,30 DM niedriger sei; die höhere neuberechnete Rente im Betrage von 223,60 DM nehme an der Anpassung nach dem 1. RAG nicht teil, so daß der Kläger für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1959 nur einen Rechtsanspruch auf Rente im Betrage von 223,60 DM monatlich habe. Der eindeutige Gesetzeswortlaut lasse keine andere Auslegung zu.
Gegen das Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt, mit der er Verletzung des Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG aF und des § 1 Abs. 2 des 1. RAG rügt. Zur Begründung beruft er sich insbesondere darauf, dem Willen des Gesetzgebers entspreche es nicht, daß derjenige Rentner, der vom Inkrafttreten des ArVNG an mehr Beiträge - hier im Werte von etwa 1.140,- DM - geleistet habe, eine niedrigere Rente erhalte als derjenige Rentner, der keine weiteren Beiträge mehr entrichtet habe. Er beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG München vom 24. Juli 1961 die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide zu verurteilen, ihm für das Jahr 1959 ein Altersruhegeld in Höhe von monatlich 229,50 DM zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist begründet.
Die Entscheidung über den Anspruch des Klägers auf Rente für die Zeit vom 1. Januar 1959 bis 31. Dezember 1959 hängt, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, davon ab, welche Rente dem Kläger für den Monat Dezember 1958 zu gewähren ist. Hierum allein wird der Streit geführt. Während der Kläger meint, ihm sei für den Monat Dezember die mit Bescheid vom 17. Januar 1959 auf fünfzehn Dreizehntel erhöhte Rente im Betrage von 216,30 DM zu zahlen, die nach dem 1. RAG anzupassen und deshalb ab 1. Januar 1959 mit 229,50 DM zu zahlen sei und mit diesem Rentenbetrag an der Rentenanpassung nach dem 2. RAG teilnehme, will die Beklagte dem Kläger für Dezember 1958 die nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neuberechnete und höhere Rente, nämlich das Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 RVO, im Betrage von 223,60 DM gewähren, das von der Anpassung nach dem 1. RAG ausgeschlossen und erst nach den Vorschriften des 2. RAG vom 1. Januar 1960 an auf 236,90 DM anzupassen sei. Das LSG hat sich, wie bereits das SG, der Auffassung der Beklagten angeschlossen. Dem kann aber nicht gefolgt werden.
Der Beklagten und den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß der Kläger nach der Vorschrift des Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG aF für Dezember 1958 Anspruch auf die höhere Rente, nämlich auf das Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs. 1 RVO, im Betrage von 223,60 DM hat; denn die Voraussetzungen des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbs. ArVNG aF sind - was auch unbestritten ist - erfüllt und das nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neuberechnete Altersruhegeld ist höher als der nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG zu errechnende Rentenbetrag, der nur 216,30 DM ausmacht. Richtig ist auch, daß diese neuberechnete Rente - das Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 RVO - nach den Vorschriften des 1. RAG nicht anzupassen ist, sondern in derselben Höhe für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1959 zu zahlen ist, so daß dem Kläger, wenn er nur Anspruch auf dieses Altersruhegeld hat, für das Jahr 1959 das Altersruhegeld auch nur im Betrage von monatlich 223,60 DM zusteht.
Von der Revision werden die sich aus Art. 2 § 38 Abs. 3 und aus dem 1. RAG ergebenden Rechtswirkungen im Grunde auch nicht geleugnet. Sie wendet sich gegen das angefochtene Urteil in Wirklichkeit nur insoweit, als sie meint, daß es dem Verlangen des Klägers nicht entsprochen habe, es für Dezember 1958 bei der - im Bescheid vom 17. Januar 1959 festgestellten - nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG aF berechneten, nur erhöhten - allerdings niedrigeren - Rente im Betrage von 216,30 DM zu belassen und diese Rente nach Anpassung gemäß dem 1. RAG vom 1. Januar 1959 an im Betrage von 229,50 DM zu zahlen mit der weiteren Wirkung, daß dieser Rentenbetrag auch bereits an der im 2. RAG vorgesehenen Anpassung teilnehme und erhöht werde.
Hierbei hat das LSG nicht geprüft, ob die Erklärungen des Klägers dahin zu werten sind, daß er auf das ihm für Dezember 1958 zustehende höhere Altersruhegeld im Betrage von 223,60 DM verzichtet und statt dessen für Dezember 1958 die niedrigere, nur nochmals umgestellte Rente im Betrage von 216,30 DM beansprucht, um dadurch vom 1. Januar 1959 an nach den Vorschriften des 1. RAG einen Rechtsanspruch auf eine höhere Rente - 229,50 statt 223,60 DM - und die weitere Vergünstigung zu erlangen, daß nach dem 2. RAG dieser höhere Rentenbetrag anzupassen ist. Das LSG hat nicht geprüft, ob ein derartiger Verzicht auf die höhere Rente zulässig ist, und wenn er zulässig ist, ob er zu der vom Kläger als günstiger beurteilten Rechtsfolge führt.
Auch hat das LSG nicht berücksichtigt, daß jeder Rentenantrag im Zweifel dahin auszulegen ist, daß der Versicherte die ihm zustehende, für ihn günstigste, in der Regel höhere Rente begehrt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits dazu Stellung genommen, wie zu verfahren ist, wenn sowohl die Voraussetzungen für eine höhere als auch für eine niedrigere Rente erfüllt sind, nämlich wenn die für die Gewährung der Rente wegen Berufsunfähigkeit und auch die für die Gewährung des Altersruhegeldes aufgestellten gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, die Rente wegen Berufsunfähigkeit aber höher ist und der Versicherte die Zahlung dieser Rente begehrt. Das BSG hat ausgesprochen, daß die höhere Rente wegen Berufsunfähigkeit auch dann noch gewährt werden kann, wenn der das Altersruhegeld bewilligende Bescheid noch nicht bindend ist und aufgehoben wird (vgl. BSG, Urteil v. 17. September 1964 in SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 26). Hierbei ist es davon ausgegangen, daß in dem Antrag des Versicherten auf Gewährung von Altersruhegeld in der Regel der Antrag auf Gewährung der ihm zustehenden höheren Rente liegt, also auch der Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit, wenn deren Voraussetzungen erfüllt und diese Renten höher sind. Dieser Grundsatz hat auch dann zu gelten, wenn es sich zwar nicht darum handelt, daß der Versicherte eine höhere, dafür aber eine ihm günstigere Rente beansprucht. Den Antrag des Rentners auf Gewährung des ihm zustehenden günstigeren Altersruhegeldes hat der Versicherungsträger selbst dann zu berücksichtigen, wenn er die Rente von Amts wegen neu festzustellen hat und wenn sich in Anwendung der Anpassungsgesetze ausnahmsweise ergibt, daß die Bewilligung der niedrigeren Rente für einen Monat für den weiteren Rentenverlauf zu einer höheren Rentenzahlung führt. Die Beklagte war also bei der Rentenfeststellung entgegen der Auffassung des SG gehalten, auch zu prüfen, ob die eine oder andere Rente den Kläger in der folgenden Zeit, nämlich ab 1. Januar 1959, wirtschaftlich besser stellt.
In dem gegenwärtigen Falle waren sowohl die Voraussetzungen für die Feststellung der Rente nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG als auch die Voraussetzungen für die Feststellung der Rente nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbs. ArVNG aF erfüllt. Für Dezember 1958 ergibt die Gewährung des Altersruhegeldes, das nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neu berechnet ist, zwar eine höhere Rente, jedoch führt sie schon vom 1. Januar 1959 an zu einem niedrigeren Rentenbetrag, als wenn dem Kläger für Dezember 1958 nur die erhöhte, für diesen Monat aber niedrigere Rente zugesprochen wird. Allein im Jahre 1959 erhält der Kläger an Rente 70,80 DM weniger gegenüber dem Mehrbetrag von 7,30 DM, den die höhere Rente für Dezember 1958 ausmacht. Am 19. Dezember 1958 hat der Kläger die Gewährung des Altersruhegeldes beantragt. Im Verfahren vor dem SG ging sein Antrag dahin, die ihm in dem Bescheid vom 17. Januar 1959 bewilligte Rente weiterzugewähren, die nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG berechnet und ab 1. Januar 1959 nach dem 1. RAG angepaßt ist. Diesen Antrag hält er aufrecht. Aus den Anträgen des Klägers ist zu erkennen, daß er unter Verzicht auf das höhere Altersruhegeld für Dezember 1958 die nur erhöhte - niedrigere - Rente beansprucht, die bereits nach dem 1. RAG vom 1. Januar 1959 an anzupassen ist.
Daß der Versicherte auf eine ihm zustehende, höhere, andere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung verzichtet, wenn sich infolge der ihm zu gewährenden anderen Rente aus demselben Zweige der Rentenversicherung seine Rechtsstellung durch den Verzicht im Endergebnis nicht verschlechtert, muß als grundsätzlich zulässig angesehen werden. Sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum ist anerkannt, daß der Versicherte grundsätzlich auf Rente verzichten kann, wenn infolge anderer Leistungen seine Rechtsstellung im Endergebnis nicht verschlechtert wird (RVA in AN 1928, 153; 1931, 328; BSG in SozR RVO § 1246 Nr. 44; Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Komm. zur RVO, 5. Aufl., § 1293 Vorbemerkung 2; Dersch, Angestelltenversicherung, Komm., 3. Aufl., § 31 Anm. 4 c; § 63 Anm. 3; § 214 Anm. 6 b; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 728 e; Koch/Hartmann, AVG, 2. und 3. Aufl., I, 270; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, 1. Band S. 297; Hanow/Lehmann, Komm. zur RVO, 4. Band, 3. Aufl. § 1318 Anm. 3; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., I. Band, § 580 Anm. 2 a; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, 7. Aufl., § 14 b S. 261 ff; Kreil, Arb. Vers., 1936, 117; Drittler, Zentralblatt 1939 S. 383 und 403). Allerdings kommt dem Verzicht des Versicherten auf Rente keine rechtliche Wirkung zu, wenn ihm zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, sei es, daß das Gesetz den Verzicht ausdrücklich ausschließt, sei es, daß durch ihn ein vom Gesetz nicht gewollter Erfolg erreicht werden soll. Deshalb ist ein Verzicht auf Rente oder Rententeile unzulässig, wenn er die Umgehung der vom Gesetz vorgeschriebenen Berechnungsart und so eine dem Versicherten oder Rentner nach dem Gesetz nicht zustehende andere und höhere Leistung bezweckt (RVA in AN 1931, 328). Wenn es sich aber darum handelt, daß der Rentner - wie in dem vorliegenden Fall- nicht schlechthin auf seinen Rentenanspruch als solchen oder auf den Anspruch auf Auszahlung der Rente verzichtet, sondern nur auf eine andere höhere Rente zugunsten einer ihm ebenfalls aus der ArV zustehenden Rente, so sind Bedenken gegen einen derartigen Verzicht jedenfalls dann nicht begründet, wenn der Rentner durch einen derartigen Verzicht im Endergebnis eine höhere Rentenzahlung erreicht.
Durch den Verzicht des Klägers auf das ihm zustehende höhere Altersruhegeld für Dezember 1958 im Betrage von 223,60 DM wird weder eine vom Gesetz vorgeschriebene Berechnungsart der Rente umgangen noch bewirkt, daß er eine vom Gesetz nicht gewollte und ihm deshalb nicht zustehende andere, höhere Rentenleistung erhält. In Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG aF sind in Satz 1 und 2 nicht, wie das SG angenommen hat, zwei verschiedene Berechnungsarten für das eine, dem Kläger zustehende Altersruhegeld aufgestellt, vielmehr sieht diese Vorschrift zwei sowohl nach ihren Voraussetzungen als auch in ihrem Rechtscharakter verschiedene Rentenarten vor. Während es sich bei der Rente nach Satz 1 nur um eine nochmals umgestellte Faktorenrente handelt, die nur als Altersruhegeld im Sinne des § 1254 RVO gilt, nach dieser Vorschrift aber nicht berechnet und unabhängig davon ist, ob die große Wartezeit für das Altersruhegeld (§ 1248 Abs. 4 RVO) erfüllt ist, handelt es sich bei Satz 2 um das nach den Vorschriften der §§ 1254 ff RVO berechnete Altersruhegeld des Neuregelungsgesetzes gemäß § 1248 Abs. 1 RVO, das auf dem neuen Versicherungsfall des Alters beruht und die Erfüllung der großen Wartezeit voraussetzt (vgl. Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Komm. zur RVO, 6. Aufl., Art. 2 § 38 Anm. 2, 4 und 6). Wenn der Kläger auf das ihm für Dezember 1958 gemäß § 1248 Abs. 1 RVO zustehende höhere Altersruhegeld verzichtet, so verzichtet er damit also auf eine andere höhere Rente, er greift damit aber nicht in die vom Gesetz vorgeschriebene Rentenberechnungsart ein.
Beansprucht der Kläger für Dezember 1958 statt dieses höheren Altersruhegeldes die niedrigere, nochmals umgestellte Rente, so kann auch nicht gesagt werden, daß er eine vom Gesetz nicht gewollte andere und höhere Leistung erhalte, wenn diese Rente nach den Vorschriften des 1. RAG vom 1. Januar 1959 anzupassen und höher ist als die Rente, auf die er verzichtet hat; denn der Sinn und Zweck der Regelung des Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2 ArVNG aF liegt nicht darin, dem Versicherten die Leistungen zu verwehren, die ihm nach Satz 1 dieser Vorschrift ohne weitere Beitragsleistung zugestanden hätten. Durch diese Vorschrift sollten vielmehr diejenigen Versicherten begünstigt werden, für die nach dem Inkrafttreten des Neuregelungsgesetzes für mehr als 12 Monate Beiträge geleistet worden und außerdem alle Voraussetzungen für die Berechnung ihres Altersruhegeldes nach den neuen Vorschriften erfüllt sind. Die für die Versicherten günstigeren Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelung sollten ihnen nicht verwehrt werden (vgl. Elsholz/Theile, Die gesetzliche Rentenversicherung, 1963 S. 411). Der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Art. 2 § 38 Abs. 3 ArVNG aF nicht übersehen, daß eine neuberechnete Rente niedriger sein kann als der nach Satz 1 zu berechnende Betrag; er hat deshalb ausdrücklich bestimmt, daß die neue Rente diesen Betrag nicht unterschreiten darf. Allerdings hat der Gesetzgeber bei dem 1. RAG keine Regelung für die Fälle getroffen, in denen die nach den Vorschriften der §§ 1254 bis 1262 RVO neuberechnete Rente gerade den nach Satz 1 zu errechnenden Betrag erreicht oder ihn nur geringfügig überschreitet, so daß Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbs. ArVNG aF außer Anwendung bleibt. Da auch diese Renten an der Anpassung nicht teilnehmen, weil bei ihnen die allgemeine Bemessungsgrundlage des laufenden Jahres bereits berücksichtigt ist, ergibt sich - wie der vorliegende Fall zeigt - daraus, daß einem Versicherten, der mehr Beiträge geleistet hat, im Endergebnis eine niedrigere Rente gezahlt wird. Ob der Gesetzgeber dieses Ergebnis, das mit dem Grundprinzip der Neuregelungsgesetze in Widerspruch steht, daß nämlich derjenige, der in seinem Arbeitsleben höhere und mehr Beiträge geleistet hat, auch eine entsprechend höhere Rente erhalten soll, nicht gesehen oder bewußt als eine durch die Übergangsregelung bedingte Unebenheit in Kauf genommen hat, kann hier auf sich beruhen; denn hier ist nur von Bedeutung, ob der Kläger durch den Verzicht auf die ihm nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbs. ArVNG aF zustehende höhere Rente im Endergebnis mit der angepaßten, umgestellten, nur erhöhten, aber nach der Anpassung nunmehr höheren Rente eine Leistung erhält, die vom Gesetz nicht gewollt ist, und ob darin eine Umgehung des Gesetzes erblickt werden muß. Dies ist aber zu verneinen; denn der Versicherte erhält trotz seiner erheblichen Aufwendungen für die weitere Beitragsleistung ohnehin nur die Rechtsstellung, die er ohne weitere Beitragsleistung innehätte. Diese durch den Verzicht zu erlangen, steht weder mit dem Sinn und Zweck noch mit dem Willen des Gesetzes in Widerspruch.
Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, in der Erklärung des Klägers einen wirksamen Verzicht auf das höhere Altersruhegeld für Dezember 1958 zu sehen. Der Verzicht braucht nicht ausdrücklich, sondern kann auch durch schlüssige Handlung erklärt werden. Bei ihm handelt es sich nicht um eine bürgerlich-rechtliche, sondern um eine im öffentlichen Sozialversicherungsrecht beruhende Erklärung, auf die die bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über den Erlaßvertrag jedenfalls nicht zur Anwendung kommen. Der Verzicht stellt vielmehr eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar, die im öffentlichen Recht - hier dem Sozialversicherungsrecht - seine Grundlage findet. Voraussetzung ist nur, daß der Verzichtswille unzweideutig hervorgetreten ist (Verband deutscher Rentenversicherungsträger, Komm. zur RVO, 5. Aufl., § 1293 Vorbemerkung 2; Forsthoff aaO S. 262, 263; a. A. die frühere Rechtsprechung des RVA, vgl. hierzu Kreil, Arbeiterversorgung 1936 S. 117 ff; Koch/Hartmann aaO S. 270). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Durch seine wiederholten Erklärungen im Verfahren vor dem SG und dem LSG hat der Kläger seinen Willen, auf das ihm für Dezember 1958 zustehende höhere Altersruhegeld zugunsten der nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG aF im Bescheid vom 17. Januar 1959 berechneten Rente zu verzichten, unzweideutig zum Ausdruck gebracht, und zwar in der klaren Erkenntnis, daß er für Dezember 1958 das höhere Altersruhegeld, also das weitergehende Recht, beanspruchen könne. Dafür, daß er den Verzicht im Irrtum über die gegebene Rechtslage erklärt hätte, bietet die gegebene Sachlage keinen Anhalt.
Solange über den Rentenanspruch des Klägers nicht für beide Teile bindend oder rechtskräftig, also abschließend entschieden ist, ist es dem Versicherten unbenommen, durch Verzicht auf eine ihm zustehende Rente die Gewährung einer anderen Rente zu erreichen, deren Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Hier gilt der bereits vom BSG ausgesprochene Grundsatz, daß dem Rentner die höhere Rente auch dann noch gewährt werden kann, wenn der das Altersruhegeld bewilligende Bescheid noch nicht bindend ist und aufgehoben wird (BSG in SozR ArVNG Art. 2 § 42 Nr. 26).
Ist aber der Rentenantrag des Klägers dahin auszulegen, daß er die für ihn günstigere, nur nochmals umgestellte Rente nach Art. 2 § 38 Abs. 3 Satz 1 ArVNG aF beansprucht und auf das ihm für Dezember 1958 zustehende höhere Altersruhegeld verzichtet, so war die Beklagte, weil gegen die Wirksamkeit des Verzichts rechtliche Bedenken nicht bestehen, auch verpflichtet, dem Kläger die in dem Bescheid vom 17. Januar 1959 festgestellte Rente zu gewähren. Der Bescheid vom 14. August 1959, der dieser Rechtslage nicht Rechnung trägt, ist als rechtswidrig aufzuheben. Wird dieser Bescheid durch die Aufhebung beseitigt, so verbleibt es bei der Regelung im Bescheid vom 17. Januar 1959, mit der das Altersruhegeld für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1959, der gegebenen Rechtslage entsprechend, bereits auf 229,50 DM monatlich festgestellt ist. Diese Rente hat die Beklagte vom 1. Januar 1960 an nach dem 2. RAG und den folgenden RAGen anzupassen. Einer dahingehenden Feststellung im Urteilstenor bedarf es nicht.
Auch ist über eine Verpflichtung der Beklagten zur Leistung der dem Kläger zustehenden Rente nicht zu entscheiden, weil der Kläger die ihm für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1959 zustehende Rente bereits erhalten hat.
Aus diesen Gründen ergibt sich die getroffene Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen