Leitsatz (redaktionell)
Der 12. Senat schließt sich der Rechtsprechung des 11. Senats des BSG an, wonach der Anspruch auf Witwenrente nur dann wiederauflebt, wenn durch die Wiederverheiratung ein Witwenrentenanspruch weggefallen ist, der auf Vorschriften des Reichsrechts oder des im Bundesgebiet geltenden Rechts beruht hat und von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen wäre.
Normenkette
RVO § 1291 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 30. Juni 1964 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin wiederaufgelebte Witwenrente nach § 1291 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zusteht.
Nach Scheidung ihrer dritten Ehe beansprucht die Klägerin wiederaufgelebte Witwenrente (§ 1291 Abs. 2 RVO) aus der Versicherung ihres zweiten Ehemannes K L, der bis 1940 als Strumpfwirker beschäftigt, seit März 1944 als Soldat vermißt und durch Beschluß des Amtsgerichts Glauchau/Sachsen vom 2. September 1950 zum 31. Juli 1949 für tot erklärt worden war. Die am 6. Januar 1951 mit J R geschlossene dritte Ehe der Klägerin wurde durch Urteil des Kreisgerichts Glauchau/Sachsen am 10. November 1959, rechtskräftig am 17. Dezember 1959, ohne Schuldausspruch geschieden. Seit August 1960 lebt die Klägerin in der Bundesrepublik.
Den Witwenrentenantrag der Klägerin vom 15. September 1961 lehnte die Beklagte ab, weil die Klägerin bei ihrer Wiederheirat keinen Anspruch auf Witwenrente gehabt habe (Bescheid vom 18. Oktober 1961). Auf die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin aus der Versicherung ihres für tot erklärten zweiten Ehemannes L eine Witwenrente ab 1. September 1961 zu gewähren (Urteil vom 8. Januar 1963). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin rügt mit der Revision Verletzung des § 1291 Abs. 2 RVO. Es müsse, so meint die Klägerin, ausreichen, daß sie in der Britischen Besatzungszone Witwenrente hätte beanspruchen können, sofern sie ihren Wohnsitz schon vor dem 6. Januar 1951 dorthin verlegt hätte. "Hilfsweise" wendet sich die Klägerin auch gegen die Auffassung des LSG, ein gegen einen Rentenversicherungsträger in der SBZ begründeter Rentenanspruch könne, solange eine entsprechende gesetzliche Vorschrift fehle, bei einem Versicherungsträger der Bundesrepublik nicht wiederaufleben. Sie vertritt den Standpunkt, nach den am 6. Januar 1951 in der SBZ geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften habe sie Witwenrente beanspruchen können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 30. Juni 1964 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 8. Januar 1963 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 30. Juni 1964 mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente beurteilt sich nach § 1291 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz RVO, worin folgendes bestimmt ist: Hat eine Witwe oder ein Witwer sich wieder verheiratet und wird diese Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe oder des Witwers aufgelöst oder für nichtig erklärt, so lebt der Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente vom Ablauf des Monats, in dem die Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist, wieder auf, wenn der Antrag spätestens zwölf Monate nach der Auflösung oder Nichtigkeitserklärung der Ehe gestellt ist.
Die Klägerin hat zwar ihren Rentenantrag erst am 15. September 1961 gestellt und damit nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist, die am 17. Dezember 1959 mit der Rechtskraft der Scheidung ihrer dritten Ehe begonnen hatte, jedoch schließt der Ablauf dieser Frist den Witwenrentenanspruch als solchen nicht aus. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 25. Oktober 1962 - 4 RJ 153/61 - (SozR RVO § 1291 Nr. 4) ausgesprochen hat, stellt die Zwölfmonatsfrist nach der Auflösung oder Nichtigkeitserklärung der zweiten Ehe keine Ausschlußfrist dar, nach deren Ablauf die Leistung schlechterdings nicht mehr begehrt werden kann, gleichviel aus welchem Grunde der Forderungsberechtigte an der Wahrung der Frist verhindert war. Das BSG hat in der Fristregelung des § 1291 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz RVO vielmehr einen Sondertatbestand gegenüber der Vorschrift des § 1290 Abs. 2 RVO gesehen, worin allgemein bestimmt ist, daß eine Erhöhung oder Wiedergewährung der Rente nur vom Beginn des Antragsmonats an verlangt werden kann. Wegen des Rückgriffs auf die allgemeine Bestimmung des § 1290 Abs. 2 RVO ist das BSG zu dem Ergebnis gelangt, dem auch der erkennende Senat beitritt, daß ein nach Ablauf der Zwölfmonatsfrist gestellter Antrag den Anspruch nicht ausschließt, sondern nur bewirkt, daß die Rente erst mit dem Anfang des Antragsmonats beginnt und nicht mit dem Ablauf des Monats, in dem die weitere Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist. Für den Rentenanspruch der Klägerin bedeutet dies, daß dieser durch die Fristversäumnis bei der Antragstellung nicht ausgeschlossen ist.
Indes steht der Klägerin, wie dies das LSG zutreffend erkannt hat, aus anderen Gründen kein Rentenanspruch nach § 1291 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz RVO zu. Wie das BSG mit dem Urteil vom 18. Mai 1966 - 11/1 RA 132/63 - (SozR RVO § 1291 Nr. 15) ausgesprochen hat, lebt ein Anspruch auf Witwenrente nur dann wieder auf, wenn durch die Wiederverheiratung ein Witwenrentenanspruch weggefallen ist, der auf Vorschriften des Reichsrechts oder Bundesrechts beruht hat und, falls er nicht vorher weggefallen ist, von Versicherungsträgern im Bundesgebiet zu erfüllen gewesen ist. Nur so wird die für das Wiederaufleben des Anspruchs unerläßliche Kontinuität gewahrt. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Die Klägerin wäre daher zum Bezug der wiederaufgelebten Witwenrente nur dann berechtigt gewesen, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Wiederheirat - Schließung der dritten Ehe mit J R am 6. Januar 1951 - im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf Witwenrente gehabt hätte. Das ist aber zu verneinen.
Da die Klägerin bei ihrer Wiederheirat am 6. Januar 1951 in der SBZ gewohnt hat, konnten sich etwaige Ansprüche der Klägerin auf Rente nur gegen den zuständigen Träger der Sozialversicherung in der SBZ, nicht aber gegen einen Träger der Rentenversicherung in der Bundesrepublik richten, und zwar weder nach § 1256 i. V. m. § 1259 RVO aF - ein derartiger Anspruch schied auch schon deshalb aus, weil die Klägerin die dort geforderten besonderen persönlichen Voraussetzungen (z. B. Invalidität, höheres Lebensalter) nicht erfüllte - noch nach den Vorschriften des in der ehemaligen Britischen und Amerikanischen Besatzungszone gültigen Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949.
Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik (August 1960) hat die Klägerin einen Witwenrentenanspruch nach dem Fremdrentengesetz (FRG) i. d. F, des Fremd- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (FANG) nicht erworben, weil sie damals nicht mehr Witwe, sondern geschiedene Ehefrau war. Zudem fehlen im Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz vom 7. August 1953 (FremdRG) und FRG Vorschriften darüber, daß ein Witwenrentenanspruch im Zeitpunkt der Wiederverheiratung nach den im Bundesgebiet geltenden Vorschriften zu unterstellen oder daß die Klägerin so zu behandeln wäre, als ob sie bis zu ihrer Wiederheirat im Bundesgebiet gewohnt hätte (BSG 14, 241 ff; 19, 99; SozR RVO § 1291 Nr. 15).
Der erkennende Senat stimmt ferner mit der Entscheidung des 11. Senats vom 18. Mai 1966 - 11/1 RA 132/63 - auch insoweit überein, als dieser unter Hinweis auf den Beschluß des Großen Senats des BSG vom 9. Juni 1961 - GS 2/59 - (BSG 14, 238, 241 ff) sowohl eine lückenhafte gesetzliche Regelung als auch die Möglichkeit einer Fortbildung des Rechts durch abändernde Rechtsfindung verneint hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen