Leitsatz (amtlich)
Auch bei einem bis zum Ablauf der Antragsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 S 1 AnVNG = Art 2 § 51a Abs 3 S 1 ArVNG (31.12.1975) nur dem Grunde nach gestellten Nachentrichtungsantrag können im nachgehenden Konkretisierungsverfahren nur die bis zum 31.12.1975 gültig gewesenen Beitragsklassen gewählt werden.
Normenkette
AnVNG Art 2 § 49a Abs 3 S 1 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 3 S 1 Fassung: 1972-10-16; AnVNG Art 2 § 50 Abs 1 S 3 Fassung: 1969-07-28; ArVNG Art 2 § 52 Abs 1 S 3 Fassung: 1969-07-28; AVG § 115 Abs 1 Fassung: 1967-12-21; RVO § 1388 Abs 1 Fassung: 1967-12-21
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 14.06.1979; Aktenzeichen III ANBf 15/78) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 13.01.1978; Aktenzeichen 10 AN 190/77) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Rahmen der Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) für die Jahre 1956 bis 1958 Beiträge höchstens in der Beitragsklasse 600 oder, wie er meint, in der Beitragsklasse 700 nachentrichten darf.
Der Kläger hat im Dezember 1975 bei der Beklagten die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG und die Bewilligung von Teilzahlungen beantragt. Mit seinem im Oktober 1976 bei der Beklagten eingegangenen Formblatt-Antrag hat er ua erklärt, für die Jahre 1956 bis 1958 Beiträge der Klasse 700 nachentrichten zu wollen. Die Beklagte hat in dem Bescheid vom 21. Oktober 1976 und in dem Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 1977 die Nachentrichtung für die vorgenannten Belegungszeiten zugelassen, jedoch entschieden, daß der Kläger nur Beiträge der Klasse 600 entrichten dürfe, weil es sich hierbei um die im Antragsjahr 1975 und bis zum Ablauf der Antragsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG zulässig gewesene höchste Beitragsklasse handele.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 13. Januar 1978 die angefochtenen Bescheide insoweit aufgehoben und die Nachentrichtung von Beiträgen in der Klasse 700, die im Jahre 1976 gegolten habe, für zulässig erachtet. Das Landessozialgericht -LSG- (Urteil vom 14. Juni 1979) hat die Berufung der Beklagten im Ergebnis als unbegründet zurückgewiesen: Für die Beitragsnachentrichtung gemäß Art 2 § 49a AnVNG fehle eine besondere Vorschrift, in welcher Beitragsklasse diese Beiträge zu entrichten seien. Deshalb gelte auch insoweit § 141 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) mit der Folge, daß sich die Höhe der Beiträge nach dem zur Zeit der Entrichtung geltenden Recht richte. Danach hätte der Kläger im Jahre 1976 Beiträge der damals für die Nachentrichtung gültig gewesenen Höchstklasse 700 entrichten dürfen. Diese Möglichkeit sei entfallen, nachdem die Verordnung über das Entrichten von Beiträgen zur Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten (RV-Beitragsentrichtungsverordnung -RV-BEVO-) vom 21. Juni 1976 (BGBl I 1667) ua die Einteilung der Beiträge in Klassen beseitigt habe. Daß der Kläger nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, im Jahre 1976 Beiträge in der gewünschten Klasse 700 nachentrichtet habe, beruhe aber auf dem unrichtigen Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 1976; da dieser Bescheid zugleich als - fehlerhafter - Auskunftsbescheid anzusehen sei, stehe dem Kläger das Nachentrichtungsrecht in dem beantragten Umfange im Wege des Herstellungsanspruches zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision der Beklagten. Sie macht geltend, bei der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge gemäß Art 2 § 49a AnVNG sei für die Wahl der Beitragsklassen auf den Zeitpunkt des Erlöschens des Antragsrechts, dh auf das Ende des Jahres 1975, abzustellen. Wenn die Beklagte dem Kläger die Bestimmung der Klassen und Zeiten der nachzuentrichtenden Beiträge noch im nachgehenden Konkretisierungsverfahren gestattet habe, so folge daraus nicht, daß der Konkretisierung das im Zeitpunkt der Bescheiderteilung oder der Zahlung der Beiträge geltende Recht zugrunde zu legen sei. Demzufolge habe die Beklagte dem Kläger auch keine unrichtige Auskunft erteilt, deren Folgen im Wege des Herstellungsanspruchs beseitigt werden müßten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 14. Juni 1979 und
das Urteil des SG Hamburg vom 13. Januar 1978
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet, die angefochtenen Urteile sind aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen. Der Kläger kann Beiträge nur bis zur Beitragsklasse 600 nachentrichten.
Nach Art 2 § 49a Abs 3 Satz 5 AnVNG findet für die Beitragsnachentrichtung die Vorschrift des Art 2 § 50 Abs 1 Satz 3 AnVNG (idF des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 28. Juli 1969, BGBl I 956, 966) entsprechende Anwendung. Danach sind die Beiträge in den Beitragsklassen des § 115 AVG nachzuentrichten, höchstens jedoch in der Beitragsklasse mit einem Monatsbeitrag, der mit dem Monatsbeitrag derjenigen Beitragsklasse des § 114 AVG mit einer zugeordneten Entgelts- oder Einkommensstufe übereinstimmt, deren Mittelwert die Beitragsbemessungsgrenze für Monatsbezüge des Jahres, für das die Beiträge gelten sollen, nicht übersteigt, für Zeiten vor dem 1. Januar 1957 höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze für Monatsbezüge des Jahres 1957.
Diese - auf den ersten Blick sehr kompliziert erscheinende - Vorschrift regelt zunächst, in welchen Beitragsklassen Beiträge nach Art 2 § 49a AnVNG nachentrichtet werden dürfen; außerdem bestimmt sie die höchstzulässige Beitragsklasse. Damit soll verhindert werden, daß für die Jahre von 1956 bis 1973, für die eine Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG zugelassen ist, Beiträge nachentrichtet werden, die die Beitragsbemessungsgrenze für Monatsbezüge in den betreffenden Jahren überschreiten (für die Jahre 1956 bis 1958, die im vorliegenden Fall in Betracht kommen, galt eine Grenze von 750,-- DM, die später wiederholt erhöht wurde). Welche Beitragsklassen innerhalb dieser Grenze gewählt werden dürfen, ergibt sich aus § 115 AVG. Nach Abs 1 dieser Vorschrift in der hier maßgebenden Fassung (vgl Art I § 2 Nr 16 des Finanzänderungsgesetzes 1967 vom 21. Dezember 1967, BGBl I 1259, 1265; Art I § 2 Nr 29 des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972, BGBl I 1965, 1976; § 16 Nr 2 des 18. Rentenanpassungsgesetzes vom 28. April 1975, BGBl I 1018, 1022) wurden für die freiwillige Versicherung Beitragsklassen mit den gleichen Monatsbeiträgen wie für die Pflichtversicherung gebildet; die Beitragsklassen waren in der nach § 114 Abs 1 AVG zu erlassenden Rechtsverordnung zu bestimmen. Für das Jahr 1975 wurden danach die Beitragsklassen 100, 200, 400, 600 und so weiter in Stufen von je 200 bis zur Endklasse 2800 bestimmt (§ 3 Abs 2 der RV-Bezugsgrößenverordnung 1975 vom 4. Dezember 1974, BGBl I 3382); nur in diesen Klassen (bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze) konnten deshalb Beiträge während des Jahres 1975 nachentrichtet werden. Für das Jahr 1976 wurden die Beitragsklassen 100, 400, 700 und so weiter in Stufen von je 300 bis zur Endklasse 3100 bestimmt (§ 3 Abs 2 der RV-Bezugsgrößenverordnung 1976 vom 13. November 1975, BGBl I 2883; die Änderung der Stufenabstände von bisher 200 auf 300 beruhte auf einer entsprechenden Änderung des § 114 AVG durch das 18. Rentenanpassungsgesetz).
Wären die neuen Beitragsklassen des Jahres 1976 auch für Beiträge maßgebend, die nach Art 2 § 49a AnVNG im Laufe des Jahres 1976 nachentrichtet wurden, so hätte dies die Berechtigten, die ihre Beiträge statt im Jahr 1975 erst im Jahr 1976 nachtentrichteten, teils begünstigt, teils benachteiligt. Begünstigt wären sie insofern gewesen, als sie für die Jahre 1956 bis 1958 (mit einer monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von jeweils 750,-- DM) Beiträge bis zur Klasse 700 - statt bis zur Klasse 600 wie im Jahr 1975 - hätten entrichten können. Benachteiligt wären sie dagegen insofern gewesen, als sie für die folgenden Jahre bis 1962 (mit einer monatlichen Beitragsbemessungsgrenze von 800,-- DM für 1959, 850,-- DM für 1960, 900,-- DM für 1961 und 950,-- DM für 1962) nur Beiträge bis zur Klasse 700 - statt bis zur Klasse 800 wie im Jahr 1975 - hätten entrichten können. Ähnlich benachteiligt wären sie auch in den meisten späteren Jahren gewesen, soweit sie nämlich die dann maßgebenden Beitragsbemessungsgrenzen mit den enger beieinander liegenden Beitragsklassen des Jahres 1975 besser hätten ausschöpfen können als mit den "grobmaschigeren" des Jahres 1976.
Für eine so unterschiedliche Behandlung der Nachentrichtungsberechtigten sind einleuchtende sachliche Gründe nicht erkennbar. Die Differenzierung wäre um so weniger verständlich, als sie sich häufig zu Lasten gerade derjenigen Berechtigten ausgewirkt hätte, die wegen ihrer beschränkten finanziellen Mittel die Beiträge nicht auf einmal (im Jahr 1975 oder schon früher) hatten einrichten können und deshalb Teilzahlung beantragt hatten. Auch eine sachgemäße Beratung der Antragsteller durch den Versicherungsträger über die für sie jeweils zweckmäßigste Wahl der Beitragsklassen (vgl dazu das Urteil des Senats vom 22. Februar 1980, 12 RK 12/79) wäre schwieriger geworden; denn der Versicherungsträger hätte die Antragsteller zusätzlich darauf hinweisen müssen, daß für die Beitragsnachentrichtung je nachdem, ob die Beiträge im Jahr 1975 oder 1976 entrichtet wurden, verschiedene Beitragsklassen galten. Schon diese Gründe sprechen nach Ansicht des Senats dafür, die - im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte - Frage, welche Beitragsklassen für eine Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG im Jahr 1976 zur Verfügung standen, in Übereinstimmung mit der Verwaltungspraxis der Versicherungsträger dahin zu beantworten, daß auch für die 1976 nachentrichteten Beiträge die Beitragsklassen des Jahres 1975 maßgebend blieben.
Ein weiterer, rechtssystematischer Grund kommt hinzu. Eine Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG war nur zulässig, wenn sie bis zum 31. Dezember 1975 beantragt war. Diese Befristung des Antrags bedeutet allerdings nicht, wie die Beklagte meint, daß bis zu dem genannten Stichtag ein vollständiger, auch hinsichtlich der gewählten Beitragsklassen konkretisierter Antrag vorliegen mußte (mit dem dann nur eine Beitragsklasse des laufenden Jahres 1975 hätte gewählt werden können). Es genügt vielmehr, daß bis zu dem Stichtag "dem Grunde nach" ein Nachentrichtungsantrag gestellt war; dessen Konkretisierung konnte auch noch nachträglich im anschließenden Verwaltungsverfahren, ggf nach Beratung des Antragstellers durch den Versicherungsträger, erfolgen (vgl das Urteil des Senats vom 22. Februar 1980, 12 RK 12/79). Damit stehen Antragsteller, die sich bis zu dem Stichtag weder selbst noch mit Hilfe des Versicherungsträgers ausreichend über die für sie zweckmäßigste Form der Beitragsnachentrichtung, insbesondere die Wahl der für sie günstigsten Beitragsklassen, hatten informieren können, den "informierten" Antragstellern gleich, soweit es sich um die Wahrnehmung der ihnen durch Art 2 § 49a AnVNG eingeräumten gesetzlichen Möglichkeiten handelt. Diesem Gleichstellungsgedanken entspricht es, sie auch materiell, dh hinsichtlich des Umfangs ihrer Nachentrichtungsbefugnis, ebenso zu behandeln wie diejenigen Antragsteller, die ihren Antrag schon im Jahr 1975 konkretisiert hatten und dabei nur die Beitragsklassen dieses Jahres hatten wählen können, die für sie, wie ausgeführt, überwiegend günstiger, teilweise allerdings auch ungünstiger als die des folgenden Jahres 1976 waren. Antragsteller, die ihren rechtzeitig - bis Ende 1975 - gestellten Grundantrag erst nachträglich konkretisierten, konnten mithin keine anderen Beitragsklassen wählen, als ihnen bei einer Konkretisierung bis zum Stichtag zur Verfügung gestanden hätten, dh nur Beitragsklassen des Jahres 1975. Auf diese blieb ihre - zwar zeitlich über den Stichtag hinaus erweiterte, dadurch jedoch nicht inhaltlich veränderte - Konkretisierungsbefugnis beschränkt.
Dem steht auch das Urteil des erkennenden Senats vom 14. September 1978 - 12 RK 54/76 - (SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 18) nicht entgegen. Der Senat hat darin entschieden, daß bei einer 1972 beantragten, aber erst 1973 durchgeführten Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 51a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (= Art 2 § 49a AnVNG) die Beiträge nicht mehr nach dem - günstigeren - Beitragssatz des Antragsjahres 1972 (= 17 vH), sondern nach dem des Entrichtungsjahres 1973 (= 18 vH) zu entrichten waren, weil bei einer Änderung des Beitragssatzes die Beiträge, die nach dem Zeitpunkt dieser Änderung für die Zeit vorher entrichtet würden, nach § 1419 Abs 3 Reichsversicherungsordnung -RVO- (= § 141 Abs 3 AVG) in der neuen Beitragsklasse zu entrichten seien. Diese Auslegung des § 1419 Abs 3 RVO (= § 141 Abs 3 AVG) ergibt sich schon aus seinem Wortlaut. Sie entspricht aber auch dem aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Zweck der Vorschrift. Anlaß ihrer Einfügung waren die durch das Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 erfolgten - erstmaligen - Erhöhungen des Beitragssatzes von bisher 14 vH auf 15 vH ab 1968, auf 16 vH ab 1969 und auf 17 vH ab 1970. Wären nach diesen Beitragssatzerhöhungen auch in der Folgezeit die alten Beitragsklassen mit den früheren Beitragssätzen wählbar geblieben, so hätte dies wegen der Vielzahl der von der Post bereitzuhaltenden Beitragsmarken leicht zu Verwirrungen führen können; dem sollte durch die genannte Vorschrift vorgebeugt werden (vgl die Begründung für die Vorschrift in BT-Drucks V/896, S 7 f, und BT-Drucks zu V/2341, S 8). Sie erfaßt daher nur Fälle, in denen sich die Beitragsklassen zugleich mit und wegen einer Änderung des Beitragssatzes ändern, nicht dagegen Fälle, in denen die Klassen - wie beim Jahreswechsel 1975/76 geschehen - ohne eine Änderung des Beitragssatzes geändert werden. In den letztgenannten Fällen steht mithin § 1419 Abs 3 RVO in der vom Senat vertretenen Auslegung - keine Anwendung bei Änderung der Beitragsklassen ohne Änderung des Beitragssatzes - einer Entrichtung von Beiträgen in den alten Beitragsklassen (hier: des Jahres 1975) nicht im Wege.
Nach allem ist der Kläger auf seinen 1975 dem Grunde nach gestellten und erst 1976 konkretisierten Nachentrichtungsantrag nach Art 2 § 49a AnVNG nur zur Nachentrichtung von Beiträgen höchstens der Klasse 600 berechtigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen