Leitsatz (amtlich)
1. Für Streitigkeiten über den Gebührenanspruch der Hebamme gegen eine KK ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben.
2. Zwischen KK und Hebamme besteht kein Unterordnungsverhältnis, sie sind vielmehr einander gleichgestellt. Deshalb darf die Krankenkasse über den Gebührenanspruch der Hebamme nicht durch Verwaltungsakt entscheiden. Für den Gebührenanspruch der Hebamme ist die Leistungsklage nach SGG § 54 Abs 5 zulässig.
Normenkette
SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 54 Abs. 5 Fassung: 1953-09-03, § 78 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 376a Fassung: 1954-01-04
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Schleswig vom 22. Juni 1956 und des Sozialgerichts Schleswig vom 20. Oktober 1955 sowie der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 5. August 1955 und der Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 1955 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 65,- DM zu zahlen und ihr die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I.
Die Klägerin, von Beruf Hebamme in der Stadt P, erhob, nachdem das Landgericht Kiel den zu ihm beschrittenen Rechtsweg durch Urteil vom 2. Dezember 1954 für unzulässig erklärt hatte, beim Sozialgericht (SG.) Klage mit dem Antrage, die Beklagte zur Zahlung von 65.- DM nebst 4% Zinsen hieraus seit 15. Juni 1954 zu verurteilen. Sie stützte ihre Klage auf die VO über die von den Krankenkassen den Hebammen für Hebammenhilfe zu zahlenden Gebühren in der Fassung der VO zur Änderung dieser VO vom 3. April 1954 - HebGebVO - (BAnz. 1954 Nr. 68). Diese sieht für Hebammenhilfe bei der vollendeten Entbindung eine Pauschgebühr vor, die in Teuerungsklasse I (Orte mit einer Wohnbevölkerung von mindestens 100000 Einwohnern) 52.- DM und in Teuerungsklasse II (Orte mit einer Wohnbevölkerung von weniger als 100000 Einwohnern) 47.- DM beträgt. Die Beklagte hatte der Klägerin für 13 Entbindungsfälle im Jahre 1954 je 47.- DM gezahlt. Die Klägerin forderte demgegenüber 52.- DM je Entbindungsfall und berief sich auf § 2 der VO vom 3. April 1954, wonach Hebammen in Orten der Teuerungsklasse II, "denen bis zum Inkrafttreten dieser VO Vergütungen nach der Teuerungsklasse I zu gewähren waren, diese auch weiterhin nach der Teuerungsklasse I erhalten, solange sie ihren bisherigen Wohnsitz beibehalten". Daß diese Regelung für sie gelte, leitete die Klägerin aus der Rechtsentwicklung in Schleswig-Holstein her. Nach § 15 des Preußischen Hebammengesetzes vom 20. Juli 1922 (Preuß. Ges. Samml. 1922 S. 179) seien Gebührenordnungen für die einzelnen Regierungsbezirke zu erlassen gewesen. Der damalige Regierungspräsident in Schleswig habe für seinen Bezirk die Gebührenordnung vom 18. März 1928 (Amtsblatt der Regierung Schleswig, S. 176) erlassen, durch deren § 5 Abs. 3 der Regierungsbezirk Schleswig einheitlich in die Teuerungsklasse I eingereiht worden sei. Zwar habe diese Gebührenordnung zunächst nur für die frei zu vergütende Tätigkeit der Hebammen gegolten. Für den Fall, daß nach der vom Regierungspräsidenten erlassenen Gebührenordnung die Teuerungsklasse I anzuwenden sei, habe aber der Preußische Minister für Volkswohlfahrt auf Grund von § 376 a RVO (i. d. F. des Ges. vom 9. Juli 1926 - RGBl. I S. 407 -) durch Verordnung vom 15. Juni 1931 (Amtsblatt "Volkswohlfahrt" 1931 S. 610) bestimmt, daß die Krankenkassen den Hebammen eine Pauschgebühr von 32,40 RM je Entbindung zu zahlen hätten. Auch nach Inkrafttreten des Reichshebammengesetzes vom 21. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1893) sei es zunächst hierbei verblieben. Erst am 4. Juli 1941 sei dann die Verordnung über die von den Krankenkassen den Hebammen zu zahlenden Gebühren erlassen worden (RGBl. I S. 368), die - wie die HebGebVO vom 3. April 1954 - zwei Teuerungsklassen (Teuerungsklasse I 36.- DM, Teuerungsklasse II 32.- RM je Entbindungsfall) vorgesehen, jedoch auch bestimmt habe, daß es, soweit Orte bisher in Teuerungsklasse I eingereiht gewesen seien, hierbei verbleibe. Alle im Regierungsbezirk Schleswig ansässigen Hebammen hätten also den nach der VO vom 4. Juli 1941 auf 36.- RM erhöhten Pauschsatz der Teuerungsklasse I erhalten. Dieser Satz habe sich jedoch nach dem Kriege als zu niedrig erwiesen. Bei den Verhandlungen der Hebammenschaft mit den Krankenkassen und der Landesregierung sei der Vorschlag, die Pauschsätze zu erhöhen und dabei zwei Teuerungsklassen zu bilden, auf den Widerstand der Hebammenschaft gestoßen. Deshalb sei die von den Krankenkassen für jeden Entbindungsfall zu zahlende Vergütung in der Verordnung des Landes Schleswig-Holstein vom 6. Mai 1952 (Schl. Holst. GVBl. S. 78) allgemein auf einen Pauschsatz von 40.- DM erhöht worden. Der sich daraus ergebende Rechtszustand sei bis zum Inkrafttreten einer bundeseinheitlichen Regelung befristet gewesen und daher durch die oben erwähnte, am 1. Februar 1954 in Kraft getretene HebGebVO abgelöst worden. Da in Schleswig-Holstein bis dahin alle Hebammen stets in der Teuerungsklasse I gewesen seien, also den Höchstsatz erhalten hätten und da dieser Höchstsatz im Lande Schleswig-Holstein durch die VO vom 6. Mai 1952 noch erhöht worden sei, müsse angenommen werden, daß es sich dabei um eine Vergütung nach Teuerungsklasse I i. S. des § 2 HebGebVO vom 3. April 1954 gehandelt habe. Deshalb stehe der Klägerin - wie allen Hebammen Schleswig-Holsteins - vom 1. Februar 1954 an der Pauschsatz von 52.- DM (Teuerungsklasse I) zu. Mit der Klage forderte die Klägerin für 13 Entbindungsfälle den Unterschiedsbetrag von 5.- DM je Entbindungsfall.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen: Die Voraussetzungen des § 2 HebGebVO seien nicht erfüllt. Das Land Schleswig-Holstein habe durch § 9 der Verordnung vom 6. Mai 1952 die VO über die von den Krankenkassen den Hebammen für Hebammenhilfe zu zahlenden Gebühren vom 4. Juli 1941 sowie die Gebührenordnung für Hebammen vom 18. März 1928 nebst Ergänzung vom 28. Februar 1933 ausdrücklich aufgehoben. Damit sei die Unterscheidung nach Teuerungsklassen weggefallen. Seit dem 6. Mai 1952 habe es in Schleswig-Holstein keine Hebammen der Teuerungsklasse II mit Vergütung nach Teuerungsklasse I mehr gegeben. Deshalb habe § 2 HebGebVO für Schleswig-Holstein keine Bedeutung, die Vergütung müsse vielmehr nach § 1 HebGebVO gezahlt werden, der die Klägerin der Teuerungsklasse II mit dem ihr gewährten Pauschsatz von 47.- DM je Entbindung zuordne.
In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem SG. entstanden Bedenken, ob die Sache nicht vorverfahrenspflichtig sei. Die Klägerin bat daher, die Klage als Widerspruch gegen die Bescheide der Beklagten aufzufassen, durch die jeweils die Zahlung von 5.- DM je Entbindungsfall abgelehnt worden sei. Die Beklagte erließ daraufhin den ablehnenden Bescheid vom 12. Juli 1955. Die Widerspruchsstelle der Beklagten lehnte den Anspruch der Klägerin, ihr je Entbindung eine Vergütung von 52.- DM (statt 47.- DM) zu zahlen, am 2./5. August 1955 mit der in der Klageerwiderung enthaltenen Begründung ab.
Die Klägerin beantragte nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 12. Juli 1955 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. August 1955 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 65.- DM zu zahlen.
Das SG. wies die Klage durch Urteil vom 20. Oktober 1955 ab und ließ die Berufung zu.
Mit der Berufung machte die Klägerin geltend, es sei kein Vorverfahren erforderlich gewesen. Die Beklagte habe die sich aus der Gebührenordnung ergebende Vergütung zu zahlen, ohne daß es einer vorherigen Festsetzung durch einen Verwaltungsakt bedürfe. Die Klage sei auf Verurteilung zu einer Leistung gerichtet, auf die ein Rechtsanspruch bestehe; eine solche Klage könne nach § 54 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auch erhoben werden, wenn kein Verwaltungsakt zu ergehen habe. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 80 Nr. 1 SGG sei kein Vorverfahren erforderlich gewesen, denn es handele sich nicht um eine Angelegenheit der Krankenversicherung im Sinne dieser Vorschrift, da die Klägerin, die an sich einen privatrechtlichen Anspruch gegen die von ihr betreuten Wöchnerinnen habe, außerhalb des Kreises der Versicherungsträger und der Versicherten stehe.
Sachlich-rechtlich beanstandete die Klägerin, das SG. habe in der durch die Verordnung vom 6. Mai 1952 eingeführten Einheitsgebühr von 40.- DM je Entbindung zu Unrecht eine nicht der Teuerungsklasse I entsprechende Gebühr gesehen. In Wahrheit sei der bis dahin einheitlich nach Teuerungsklasse I der Verordnung vom 4. Juli 1941 gewährte Satz - unter Wegfall der für das Land Schleswig-Holstein ohnehin uninteressanten Teuerungsklasse II und damit von Teuerungsklassen überhaupt - erhöht worden. Zweck dieser Einheitsgebühr sei es gewesen, die Hebammen in Stadt und Land - wegen gleicher Lebensbedingungen - unter Erhöhung des Gebührensatzes gleichzustellen. Dies ergebe sich auch aus dem Protokoll über die Verhandlung der Hebammenschaft mit den Krankenkassen und der Landesregierung, die vor Erlaß der Verordnung vom 6. Mai 1952 stattgefunden habe. Die Hebammenschaft habe dabei eine Gebührenerhöhung um 25% verlangt, während die Krankenkassen nur zu einer Erhöhung der Teuerungsklasse I - bei gleichzeitiger Wiedereinführung der Teuerungsklasse II - auf 41.- DM bereit gewesen seien. Wenn daher die Verordnung vom 6. Mai 1952 als Übergangslösung bis zu einer bundeseinheitlichen Regelung eine Einheitsgebühr von 40.- DM festgelegt habe, so sei das ein einheitlicher Satz, der dem von den Krankenkassen für die Teuerungsklasse I vorgeschlagenen Satz sehr nahekomme und daher dieser Teuerungsklasse entspreche.
Das Landessozialgericht (LSG.) wies die Berufung zurück und ließ die Revision zu: Der Anspruch der Klägerin sei öffentlich-rechtlicher Natur, weil er bei Durchführung der Sozialversicherung entstanden sei; § 51 Abs. 2 SGG spreche nicht dagegen. Wenn die Beklagte auch bereits vor Erhebung der Klage vor dem Landgericht Kiel einen ablehnenden Bescheid erteilt habe und der Widerspruch erst nach der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 1955 eingelegt worden sei, so sei die Klage doch zulässig, weil die Widerspruchsfrist - mangels einer Rechtsmittelbelehrung durch die Beklagte - ein Jahr betragen habe. Die Beklagte habe sich auch nicht auf eine Versäumung der Widerspruchsfrist berufen, der Widerspruch sei daher als fristgerecht anzusehen. Das Widerspruchsverfahren sei notwendig gewesen, da es sich jedenfalls um eine Angelegenheit der Krankenversicherung im Sinne des § 80 Nr. 1 SGG gehandelt habe; § 54 Abs. 5 SGG finde in Angelegenheiten der Krankenversicherung keine Anwendung.
Sachlich-rechtlich schloß sich das LSG. der Auffassung der Beklagten und des SG. an, weil die Verordnung vom 6. Mai 1952 - im Gegensatz zu den früheren Gebührenregelungen in Schleswig-Holstein - keine Bestimmung enthalten habe, nach der alle Orte Schleswig-Holsteins in die Teuerungsklasse I eingestuft würden. Aus diesem Grunde richte sich der Anspruch der Klägerin nicht nach § 2, sondern nach § 1 HebGebVO.
Mit der Revision rügt die Klägerin zunächst die Verletzung des § 80 SGG. Ein Vorverfahren habe nur stattzufinden, wenn sich die Klage gegen einen Verwaltungsakt richte oder wenn es sich um eine Angelegenheit der Krankenversicherung handele. Beides komme hier nicht in Frage. Die Klägerin sei auf Grund eines privatrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages tätig gewesen, ihr Rechtsverhältnis zur Wöchnerin und zur Kasse ähnele dem des Armenanwalts zur armen Partei und zum Staat. Das öffentliche Recht bestimme nur, daß eine sozialversicherte Frau wegen der aus diesem Geschäftsbesorgungsvertrag entstandenen Forderungen der Hebamme nicht in Anspruch genommen werden dürfe und daß an die Stelle dieser Forderungen ein Rechtsanspruch gegen die Krankenkasse in bestimmter Höhe trete. Da es sich mithin nur um Rechtsfragen, d. h. um die Auslegung eines bestimmten Rechtssatzes handele, nicht aber um Ermessensfragen, habe die Beklagte nicht durch Verwaltungsakt entscheiden können; danach entfalle ein Vorverfahren. Um eine Angelegenheit der Krankenversicherung handele es sich deshalb nicht, weil die Klägerin außerhalb des unmittelbaren rechtlichen Einflußbereichs der Krankenkasse stehe und nur eine ihr vertraglich zustehende Vergütung von der ihr gesetzlich zugewiesenen Zahlstelle fordere.
Materiell rügt die Klägerin unrichtige Auslegung der Verordnungen vom 4. Juli 1941 und vom 3. April 1954. Sie wiederholt insoweit ihren Vortrag erster und zweiter Instanz und stellt den Antrag,
die Beklagte zur Zahlung von 65.- DM zu verurteilen,
hilfsweise,
sie zu dieser Zahlung unter Aufhebung der Bescheide der Beklagten vom 12. Juli und 5. August 1955 zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II.
Die Revision ist - da vom LSG. zugelassen, § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG - statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und hiernach zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Das LSG. hat zutreffend angenommen, daß für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach § 51 SGG zuständig sind. Da das zunächst von der Klägerin angerufene Landgericht Kiel die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Zivilgerichten rechtskräftig verneint hat, sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit an diese Entscheidung gebunden (§ 52 Abs. 2 SGG). Sie haben jedoch zu prüfen, ob für den vorliegenden Anspruch etwa der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten oder den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben ist. Dies ist aber zu verneinen, weil es sich um eine "öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung" im Sinne des § 51 SGG handelt. Das Verhältnis der Hebamme zur Krankenkasse ist, soweit es sich um die Zahlung der Vergütung für die Leistungen der Hebammen bei der Inanspruchnahme durch Mitglieder von Krankenkassen oder deren mitversicherte Angehörige handelt, durch Vorschriften geregelt, die im öffentlichen Interesse und als Bestandteil des Sozialversicherungsrechts zur Förderung der Volksgesundheit erlassen und dem öffentlichen Recht zuzurechnen sind (§ 376 a RVO - in der Fassung des Gesetzes zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens vom 4. Januar 1954 (BGBl. I S. 41) - und die oben unter I angeführte Verordnung vom 3. April 1954; vgl. neuerdings die Verordnung vom 15. Dezember 1956 - BAnz. 1956 Nr. 248 Sg. 1). Es bedarf keines privatrechtlichen Vertrages, um den Anspruch der Hebamme auf die Hebammengebühr zu begründen; allein die Tatsache, daß die Hebamme in einem Falle Hilfe geleistet hat, in dem die Krankenkasse nach § 195 a oder § 205 a RVO Wochenhilfe zu gewähren hat, begründet kraft Gesetzes ihren Anspruch gegen die Krankenkasse auf die Gebühren. In diesem Sinne behandelt die RVO den Gebührenanspruch der Hebamme gegenüber der Krankenkasse als einen "für beide Teile verbindlich" geregelten gesetzlichen Anspruch (§ 376 a Abs. 1 RVO). Nach § 376 a Abs. 2 RVO haben die Krankenkassen die vom Bundesminister für Arbeit unter Mitwirkung der Verbände der Krankenkassen, der Ersatzkassen und der Hebammen verbindlich festgesetzten Gebühren an die Hebammen zu zahlen, und diese sind nicht berechtigt, weitergehende Ansprüche an die Wöchnerin zu stellen. Besteht somit kein privatrechtliches Vertragsverhältnis zwischen der freiberuflich tätigen Hebamme und der Krankenkasse, so liegt hier keine die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte - nach § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 3. September 1953 (BGBl. I S. 1267) - begründende bürgerlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit vor. Denn es kommt - wie man den Rechtscharakter des Verhältnisses zwischen der Wöchnerin und der Hebamme auch beurteilen mag - jedenfalls für die hier zu entscheidende Frage nur auf die öffentlich-rechtlich geregelten Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der beklagten Krankenkasse an. Dem steht nicht entgegen, daß nach dem vor Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes geltenden Recht die Ansprüche der Hebammen gegen die Krankenkassen vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen waren (vgl. RVA. in EuM. Bd. 26 S. 539 und AN 1929 S. 88), denn insoweit galt vor dem Inkrafttreten des SGG keine der Grundsatzregelung des § 51 SGG entsprechende generelle Vorschrift, die den Rechtsweg zu den Versicherungsbehörden eröffnete. Diesen Behörden stand vielmehr damals nach der durch § 224 Abs. 3 Nr. 1 SGG aufgehobenen Vorschrift des § 1636 RVO nur die Entscheidung bei Streit "über die Leistungen aus der Krankenversicherung" zu; darunter waren jedoch nur Leistungen zu verstehen, wie sie das Zweite Buch der RVO für die Versicherten vorsah, nicht jedoch Vergütungen an Dritte, die solche Leistungen für den Versicherungsträger erbracht haben. Der Gebührenanspruch der Klägerin beruht auf einem im Recht der Sozialversicherung begründeten und daselbst grundsätzlich geregelten Rechtsverhältnis, so daß auch der Rechtsweg der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit ausscheidet. Dafür spricht auch die Erwägung, daß das Bestehen einer Zahlungspflicht der Krankenkasse gegenüber der Hebamme von der Beantwortung rein sozialversicherungsrechtlicher (d. h. unzweifelhaft öffentlich-rechtlicher) Vorfragen, wie z. B. der Versicherungspflicht der Wöchnerin, der Dauer ihrer Versicherung (vgl. § 195 a RVO) abhängen wird. Für den Anspruch der Klägerin ist mithin jedenfalls seit Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 SGG gegeben (ebenso Urteil des BGH. vom 1.10.1959 - VII ZR 36/58 - in NJW. 1959 S. 2304; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 2 (16) Erl. zu § 376 a RVO, Schumacher, Hebammen und Krankenkassen (5.) S. 17 und Schroeter, BKK. 1955 S. 135).
Der Auffassung des Landessozialgerichts, es habe im vorliegenden Fall eines Verwaltungsakts der beklagten Krankenkasse bedurft, kann nicht beigetreten werden. Ein solcher Verwaltungsakt setzt ein Eingliederungs- oder Unterordnungsverhältnis voraus, das bei freiberuflich tätigen Hebammen gegenüber der Krankenkasse nicht besteht. Vielmehr haben die Krankenkassen den freiberuflichen Hebammen gegenüber keine übergeordnete öffentlich-rechtliche Position, kraft deren sie ihnen mit hoheitlicher Gewalt gegenübertreten könnten; dies ist aber notwendige Voraussetzung für den Erlaß eines Verwaltungsakts. Der - wenn auch öffentlich-rechtlich geregelte - Rechtsanspruch der Hebamme gegen die Krankenkasse beruht - im Gegensatz zu dem durch § 368 f RVO geregelten Honoraranspruch des Kassenarztes gegenüber der öffentlich-rechtlichen Kassenärztlichen Vereinigung, der er als Mitglied angehört - auf Rechtsbeziehungen im Sinne rechtlicher Gleichstellung (Koordination) der beiden Partner (vgl. hierzu Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des bürgerlichen Rechts, Lehrbuch, 14. Aufl., Bd. 1 S. 144). Die Klage ist daher nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Ob die Klägerin, um die formelle Bindung des von der Beklagten unzulässigerweise erlassenen Verwaltungsakts (§ 77 SGG) zu verhindern. Widerspruch erheben mußte, bedarf keiner Entscheidung, denn tatsächlich ist ein den gesetzlichen Vorschriften entsprechendes Vorverfahren (§§ 78 ff. SGG) durchgeführt worden.
Der von der Klägerin erhobene Anspruch auf Zahlung der Vergütung nach Teuerungsklasse I der HebGebVO ist begründet. Ursprünglich war es Sache der obersten Verwaltungsbehörden der Länder, die Gebühren der Hebammen für die Entbindungsfälle festzusetzen, für die eine Versicherung nach dem Zweiten Buch der RVO besteht (§ 376 a RVO a. F.). Nach der VO des Preuß. Ministers für Volkswohlfahrt vom 24. März 1928 (Amtsbl. 1928 S. 341) war den Hebammen für die Hilfeleistung bei der Entbindung einer Frau, die von einem Träger der Krankenversicherung Wochenhilfe oder Familienhilfe beanspruchen kann, in der Teuerungsklasse I eine Pauschgebühr von 36.- RM und in den Teuerungsklassen II und III eine solche von 32.- RM zu zahlen; welche Teuerungsklasse maßgebend war, hatte eine vom Regierungspräsidenten zu erlassende Gebührenordnung zu bestimmen. Nach der Gebührenordnung des Regierungspräsidenten von Schleswig war "der Regierungsbezirk Schleswig einheitlich in die Teuerungsklasse I eingereiht" Gebührenordnung vom 18. März 1928, Amtsbl. der Reg. zu Schleswig 1928 S. 176). Auf Grund des § 18 des Hebammengesetzes vom 21. Dezember 1938 (RGBl. I S. 1893) und des § 376 a RVO a. F. setzte die vom Reichsminister des Innern im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Finanzen und dem Reichsarbeitsminister erlassene VO über die von den Krankenkassen den Hebammen für Hebammenhilfe zu zahlenden Gebühren vom 4. Juli 1941 (RGBl. I S. 368) "Pauschgebühren" nach zwei Teuerungsklassen fest (Teuerungsklasse I für Orte mit mindestens 100000 Einwohnern: 36.- RM; Teuerungsklasse II für Orte mit weniger als 100000 Einwohnern: 32.- RM). Diese Verordnung enthielt eine Besitzstandsklausel, nach der Orte, die nach den bisher geltenden Kassengebührenordnungen in die Teuerungsklasse I eingestuft waren, weiterhin in der Teuerungsklasse I verblieben. Die Hebammen in Schleswig-Holstein erhielten danach Gebühren nach der Teuerungsklasse I (36.- RM, später DM). Als nach dem Zusammenbruch und nach Inkrafttreten des Grundgesetzes zunächst keine weitere bundesgesetzliche Regelung erging, erzielten die Hebammen in Schleswig-Holstein, entsprechend dem Vorgehen der Hebammen in anderen Ländern, eine Änderung des bisherigen Gebührensatzes durch den Landesgesetzgeber. Er erhöhte "vorbehaltlich einer bundesgesetzlichen Regelung" die bisher von den Krankenkassen zu zahlenden "Pauschgebühren" auf 40.- DM (VO vom 6. Mai 1952, GVBl. Schleswig-Holstein 1952 S. 79) und setzte für Schleswig-Holstein die früheren landesrechtlichen Regelungen aus der Zeit vor 1933 und die frühere reichsrechtliche VO vom 4. Juli 1941 außer Kraft. Die Hebammenschaft hatte bei ihrer nach § 376 a RVO a. F. vorgeschriebenen Mitwirkung im Laufe der Verhandlungen eine Gebührenerhöhung um 25 v. H. verlangt; die Krankenkassen hatten für Teuerungsklasse I - allerdings verbunden mit der Forderung auf Einführung von zwei Teuerungsklassen - einen Satz von 41.- DM als angemessen erachtet. Die für Schleswig-Holstein schließlich einheitlich auf 40.- DM festgesetzte Gebühr stimmt der Höhe nach mit der in Niedersachsen durch VO vom 22. Mai 1951 für Teuerungsklasse I festgesetzten "Pauschalgebühr" - für Teuerungsklasse II wurde sie auf 36.- DM festgesetzt - überein (GuVOBl. Niedersachsen 1951 S. 129). Die bundesrechtliche Regelung, die der Bundesminister des Innern auf Grund von § 376 a RVO i. d. F. des Ges. zur Regelung von Fragen des Hebammenwesens vom 4. Januar 1954 (BGBl. I S. 1) im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit und mit Zustimmung des Bundesrats getroffen hat, setzte unter Änderung der VO über die von den Krankenkassen den Hebammen für Hebammenhilfe zu zahlenden Gebühren vom 4. Juli 1941 die Pauschgebühr für Orte der Teuerungsklasse I (mit mindestens 100.000 Einwohnern) auf 52.- DM und für Orte der Teuerungsklasse II (Orte mit weniger als 100.000 Einwohnern) auf 47.- DM fest (VO vom 3. April 1954, BAnz. 1954 Nr. 68 S. 1). § 2 dieser am 1. Februar 1954 in Kraft getretenen VO enthält folgende Besitzstandsklausel: "Hebammen in Orten der Teuerungsklasse II, denen bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung Vergütungen nach der Teuerungsklasse I zu gewähren waren, erhalten diese auch weiterhin nach der Teuerungsklasse I, solange sie ihren bisherigen Wohnsitz beibehalten."
Der Senat hat bei Auslegung dieser bundesrechtlichen Bestimmung die Frage, ob die der Klägerin auf Grund der VO des Landes Schleswig-Holstein vom 6. Mai 1952 bisher zustehende Gebühr als "Vergütung nach der Teuerungsklasse I" gewährt wurde, bejaht, weil die Hebammen in Schleswig-Holstein unter der Herrschaft der durch die bundesrechtliche VO des Jahres 1954 auch für Schleswig-Holstein wieder in Kraft gesetzten VO des Jahres 1941 wie auch nach dem früheren schleswigschen Landesrecht seit dem Jahre 1928 stets eine Pauschgebühr nach der höchsten Teuerungsklasse I erhalten haben. Die Gebühren, die der Klägerin in Schleswig-Holstein nach der im Jahre 1952 unter Hinweis auf die erwartete bundesrechtliche Neuordnung getroffenen landesrechtlichen Regelung gezahlt wurden, haben nach den Zusammenhängen, in denen die landesrechtliche Regelung zeitlich, sachlich und auch rechtlich steht, den Charakter einer "Vergütung nach der Teuerungsklasse I" im Sinne des § 2 der Verordnung vom 3. April 1954. Diese Vergütung war bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung (am 1.2.1954) auch den Hebammen in der an sich nach ihrer Einwohnerzahl zur Teuerungsklasse II gehörenden Stadt P. zu gewähren. Da die Klägerin auch, wie es § 2 HebGebVO fordert, seit dem Inkrafttreten dieser Verordnung ihren bisherigen Wohnsitz beibehalten hat, sind alle Voraussetzungen für ihren Anspruch auf Zahlung der Gebühren unter Zugrundelegung der Teuerungsklasse I nach der Verordnung vom 3. April 1954 erfüllt. Die Besitzstandsklausel des § 2 a. a. O. findet dagegen keine Anwendung auf Hebammen, die sich - anders als die Klägerin - erst nach Inkrafttreten der Verordnung vom 3. April 1954 in Schleswig-Holstein als Hebamme niedergelassen haben oder die ihren Wohnsitz nach diesem Zeitpunkt in einen Ort mit weniger als 100000 Einwohnern verlegen.
Wenn die Beklagte geltend macht, bei Inkrafttreten der Verordnung vom 3. April 1954 hätten in Schleswig-Holstein keine Teuerungsklassen bestanden, die Hebammen seien vielmehr nach einem Einheitssatz vergütet worden, der nicht als "Vergütung nach der Teuerungsklasse I" angesehen werden könne, so ist dem entgegenzuhalten, daß diese Auffassung mit dem Sinn und Zweck der Besitzstandsklausel des § 2 HebGebVO nicht vereinbar ist. Wenn auch rein formell in Schleswig-Holstein keine Teuerungsklassen bestanden haben, so haben doch bis zum Inkrafttreten der HebGebVO die in Schleswig-Holstein niedergelassenen Hebammen tatsächlich seit dem Jahre 1928 ohne Rücksicht auf ihren Wohnort eine Gebühr erhalten, die der Einstufung in die Teuerungsklasse I entspricht. Das Landessozialgericht hat bei seiner rechtlichen Beurteilung verkannt, daß auch die Rechtsentwicklung nach der herrschenden Meinung und Rechtsprechung ein wichtiges Erkenntnismittel der Gesetzesauslegung darstellt (zu vgl. Enneccerus-Nipperdey, a. a. O., 1. Bd. S. 205, Lehmann, Allg. Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (11.) S. 55, Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch (18.) Einl. vor § 1 S. 7, Komm. zum BGB, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern I. Bd. (10.) S. 7 unten) und daß bei der Auslegung von Rechtsvorschriften gegenüber Erwägungen formaler Art wirtschaftliche Gesichtspunkte nicht außer Betracht bleiben dürfen (vgl. Staudinger, Komm. zum BGB (11.) I. Bd. Einl. S. 47 (Randnote 79) unter Hinweis auf die Rechtsprechung der RG.). Der Umstand, daß das Land Schleswig-Holstein nach der Verordnung vom 6. Mai 1952 die von den Krankenkassen für Hebammenhilfe zu zahlende Gebühr einheitlich festgesetzt hat, schließt es nicht aus, diese Gebühr unter dem Gesichtspunkt der Verordnung vom 3. April 1954 als "Vergütung nach der Teuerungsklasse I" zu beurteilen. Nach der Auffassung des Senats ergibt sich vielmehr aus der dargelegten Entwicklung der gebührenrechtlichen Regelung in Schleswig-Holstein, daß die durch die Verordnung vom 6. Mai 1952 festgesetzte "Pauschgebühr" in Höhe eines bestimmten Mindestsatzes ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach als eine "Vergütung nach der Teuerungsklasse I" im Sinne der Verordnung vom 3. April 1954 anzusehen ist. Die Verordnung vom 6. Mai 1952, die keine Unterscheidung nach Teuerungsklassen kannte, wollte den bisherigen Rechtszustand, wonach auch den in kleineren Orten wohnenden Hebammen dieselben Gebühren zustanden wie den Hebammen in Orten mit 100000 Einwohnern, nicht beseitigen. Demnach erfaßt die Besitzstandsklausel der HebGebVO alle Hebammen, die beim Inkrafttreten der Verordnung in Schleswig-Holstein niedergelassen waren und ihren dortigen Wohnsitz beibehalten haben.
Das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts waren daher aufzuheben und die Beklagte auf die von der Klägerin erhobene Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) zur Zahlung zu verurteilen. Zugleich waren die die Klägerin beschwerenden Verwaltungsakte, die - wie dargelegt - mangels hoheitlicher Befugnisse der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht hätten ergehen dürfen, auf den Hilfsantrag der Klägerin als rechtswidrig aufzuheben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Fundstellen
BSGE, 260 |
NJW 1960, 455 |
MDR 1960, 350 |