Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.01.1984) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).
Der Kläger bezog bis zum 18. November 1981 Arbeitslosengeld (Alg). Seinem Antrag, ihm im Anschluß daran Alhi zu gewähren, lehnte die Beklagte ab, weil das anzurechnende Einkommen seiner Ehefrau den ihm zustehenden Alhi-Satz von 191,40 DM wöchentlich übersteige (Bescheid vom 7. Januar 1982, Widerspruchsbescheid vom 3. September 1982). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 19. November 1981 bis zum 18. November 1982 Alhi in Höhe von 11,64 DM wöchentlich zu zahlen und über die Höhe der Alhi ab 19. November 1982 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 9. Februar 1983). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil geändert. Es hat die Klage abgewiesen, soweit sie Alhi für die Zeit vom 19. April bis 1. August 1982 betrifft, und die Berufung im übrigen mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte dem Kläger vom 19. November 1981 bis 18. April 1982 Alhi in Höhe von 10,22 DM wöchentlich zu zahlen hat. Außerdem hat das LSG die Beklagte unter Abänderung der während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 16. und 18. Januar 1984, mit denen die Beklagte dem Kläger in Abänderung bisheriger Ablehnungen für die Zeit vom 2. August 1982 bis 9. August 1983 sowie ab 28. November 1983 in unterschiedlicher Höhe Alhi gewährt hat, verurteilt, die Alhi ohne Anrechnung der seiner Ehefrau gewährten vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 52,– DM monatlich zu zahlen (Urteil vom 24. Januar 1984).
In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt, hinsichtlich der Zeit vom 19. November 1981 bis 18. April 1982 sei die insgesamt zulässige Berufung der Beklagten im wesentlichen unbegründet. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) seien gegeben, insbesondere fehle es nicht an der Bedürftigkeit. Zwar müsse sich der Kläger gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG das Einkommen seiner Ehefrau anrechnen lassen, jedoch nicht die vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 52,– DM monatlich. Diese Leistungen seien zwar Einnahmen iS der §§ 137 f AFG und von der Anrechnung weder nach § 138 Abs. 3 AFG noch nach der Arbeitslosenhilfe-Verordnung (Alhi-VO) ausgenommen, jedoch könnten gleichwohl Leistungen zur Vermögensbildung gemäß § 3 Abs. 1 des Dritten Vermögensbildungsgesetzes (3. VermBG), die der Arbeitgeber, wie hier, zusätzlich zum vereinbarten Arbeitsentgelt gewähre, nicht angerechnet werden. Die vom 3. VermBG erstrebte Vermögensbildung zu Lasten des Arbeitgebers werde nämlich nicht erreicht, wenn diese Leistungen als Einkommen auf die Alhi angerechnet würden. Aus anderen Gründen lasse sich, was das LSG des Näheren ausgeführt hat, allerdings nicht ableiten, daß vermögenswirksame Leistungen vom anrechenbaren Einkommen abzusetzen seien. Dem Kläger habe ab 19. November 1981 an sich 191,40 DM wöchentlich an Alhi zugestanden. Hierauf sei ein wöchentliches Einkommen der Ehefrau von 181,18 DM anzurechnen, was das LSG unter Zugrundelegung der Lohnabrechnungen für August, September und Oktober 1981 näher begründet hat. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Alhi in Höhe von 10,22 DM wöchentlich. Auch die Klage gegen die Bescheide vom 16. und 18. Januar 1984 sei begründet, da die Beklagte weiterhin die vermögenswirksamen Leistungen auf die Alhi angerechnet habe.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 138 AFG. und bringt hierzu insbesondere vor: Nach dieser Vorschrift sei Einkommen zu berücksichtigen, das der Arbeitslose erhalte bzw beanspruchen könne. Es komme somit – anders als in § 44 Abs. 4 AFG, § 11 Abs. 7 der Anordnung zur Förderung beruflicher Fortbildung und Umschulung 1969 – nicht darauf an, ob das Einkommen verfügbar sei. Der Wortlaut des § 138 AFG spreche nicht, jedenfalls nicht eindeutig dafür, das zum Unterhaltsgeld ergangene Urteil des Bundessozialgerichts –BSG– (SozR 4100 § 44 Nr. 10) auch im Rahmen der Alhi anzuwenden. Unterschiede im Wortlaut hätten das BSG auch sonst veranlaßt, vermögenswirksame Leistungen als Bezüge anzusehen, die gegebenenfalls den Anspruch auf Kinderzuschuß bzw Rente ausschlössen; der Zweck der vermögenswirksamen Leistung bzw deren Verfügbarkeit habe dabei keine Rolle gespielt (SozR 2200 §§ 1248 Nr. 9 und 1262 Nrn 13 und 19).
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er trägt vor, die vermögenswirksame Leistung beruhe in Höhe von 20,– DM auf Tarifvertrag und in Höhe von 32,– DM auf einer Betriebsvereinbarung. Sie werde vom Arbeitgeber direkt auf ein Bausparkonto der Ehefrau überwiesen. Die Revision übersehe, daß sich das LSG nicht auf das zum Unterhaltsgeld ergangene Urteil des erkennenden Senats gestützt habe, sondern auf das Urteil in SozR 4100 § 138 Nr. 8, das zu § 138 AFG ergangen sei. Danach werde eine vermögenswirksame Leistung als Einkommen nicht berücksichtigt, wenn der Arbeitnehmer über die Leistung nicht frei verfügen könne bzw bei einer anderen als der gewählten begünstigten Anlageart dieser Leistung verlustig gehe. Im übrigen habe der Kläger in jedem Falle einen Anspruch auf Alhi gehabt, weil das LSG die Nettoentgelte der Ehefrau unrichtig festgestellt habe, was im Wege der Gegenrüge geltend gemacht werde. So habe das LSG offenbar die in den drei Monaten gezahlte Arbeitnehmersparzulage, die nach § 12 Abs. 5 des 3. VermBG weder als steuerpflichtige Einnahme noch als Einkommen, Verdienst oder Entgelt (Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung und des AFG) gelte, in das Nettoeinkommen einbezogen. Das LSG habe dies nicht begründet, so daß die Annahme gerechtfertigt sei, daß eine unvollständige Bestimmung der Grundlagen zur Feststellung des zu berücksichtigenden Einkommens vorliege. Außerdem habe das LSG für den Monat Oktober 1981 von dem Bruttolohn zu wenig an Steuern in Abzug gebracht.
Die Abrechnung für diesen Monat schließe zwei (vom LSG nicht berücksichtigte) Jahresgratifikationen ein. Die dafür angefallenen Lohn- und Kirchensteuern seien gesondert ausgewiesen. Das LSG habe nun von dem Bruttolohn als Lohn- und Kirchensteuer die auf die Gratifikationen entfallenen geringeren Steuern in Abzug gebracht. Bei richtigem Ansatz ergebe sich auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LSG ein anrechenbarer Betrag von nur 172,93 DM wöchentlich. Der Kläger habe demnach einen Alhi-Anspruch von 18,47 DM wöchentlich. Selbst wenn sowohl die vermögenswirksame Leistung als auch die Sparzulage berücksichtigt würden, verbleibe ein Anspruch auf Alhi, und zwar in Höhe von 6,47 DM wöchentlich bei Berücksichtigung nur der vermögenswirksamen Leistungen und in Höhe von 2,92 DM bei Berücksichtigung auch der Sparzulage.
Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, daß die Amtsgerichte Northeim und Osterode die Forderung des Klägers auf Alhi in Höhe des nach § 850 c Abs. 3 Zivilprozeßordnung (ZPO) pfändbaren Betrages gepfändet haben, und zwar zugunsten des Rechtsanwaltes L. in N. wegen einer Forderung von 175,13 DM (nebst Kosten und Zinsen; Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 19. April 1982) und zugunsten der Firma A. KG wegen 1.802,58 DM (nebst Kosten und Zinsen; Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 12. Mai 1982).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten, über die der Senat in der Besetzung mit den geschäftsplanmäßig vorgesehenen ehrenamtlichen Richtern entscheidet, deren Berufung dem Gesetz entspricht (vgl. dazu den Beschluß des 1. Senats vom 26. September 1985 – 1 S 12/85 – SGb 1985, 415), ist unbegründet.
Einer sachlich-rechtlichen Entscheidung über die Revision steht nicht entgegen, daß die Vorinstanzen weder den Rechtsanwalt L. noch die A. KG zu dem Rechtsstreit beigeladen haben. Zwar führt im Revisionsverfahren eine von den Vorinstanzen unterlassene Beiladung eines Dritten, der an dem Rechtsstreit materiell derart beteiligt ist, daß die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann (§ 75 Abs. 2 SGG), von Amts wegen zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht ohne Entscheidung in der Sache, damit die Beiladung nachgeholt wird; denn ohne die in einem solchen Falle notwendige Beiladung, deren Nachholung dem Revisionsgericht verwehrt ist (§ 168 SGG), kann ein in der Sache wirksames Urteil nicht ergehen. Indessen ist die Beiladung des Rechtsanwalts und der Handelsfirma hinsichtlich des Streitgegenstandes, soweit über ihn aufgrund der Revision zu entscheiden ist, nicht geboten, auch wenn davon ausgegangen wird, daß die im April und Mai 1982 nach dem Ende der (ersten) Arbeitslosigkeit des Klägers ausgebrachten Pfändungen wegen der ausstehenden, hier streitigen Alhi ab 19. November 1981 nicht ins Leere gingen und sich grundsätzlich zudem gemäß § 832 ZPO auf die Alhi erstreckten, die dem Kläger ggf nach erneuter Antragstellung ab 2. August 1982 zusteht (vgl. BSG SozR 1750 § 832 Nr. 2). Eine Beiladung der Pfändungspfandgläubiger wäre nämlich nur dann geboten, wenn durch eine Revisionsentscheidung, hier also durch die von der Beklagten beantragte gänzliche Abweisung der Klage oder durch die vom Kläger mit der Zurückweisung der Revision erstrebte Bestätigung der Verurteilung des Beklagten, unmittelbar Rechte oder Rechtsbeziehungen der Pfändungspfandgläubiger gestaltet, bestätigt oder verändert würden, eine solche Gestaltung aber ohne deren Beteiligung am Verfahren (wegen § 141 Abs. 1 SGG) nicht wirksam wäre. Ein solcher Fall läge vor, wenn mit der Klagabweisung auch das der gepfändeten Forderung zugrunde liegende Stammrecht zu verneinen wäre, etwa wenn der Arbeitslose den die Alhi-Bewilligung wegen Eintritts einer zweiten Sperrzeit gemäß § 119 Abs. 3 AFG aufhebenden Bescheid anficht (Urteil des Senats vom 12. Dezember 1984 – 7 RAr 11/83 –). Hier berührt der Rechtsstreit die Pfändungspfandrechte indessen nicht, weil Alhi wie Arbeitseinkommen gemäß § 54 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), § 850c Abs. 1 ZPO bis zu einem für eine Woche gezahlten Beträge von 129,– DM bzw 174,– DM ab 1. April 1984 unpfändbar ist und die Beklagte, wenn es bei dem von ihr mit der Revision bekämpften Urteil des LSG bleibt, dem Kläger insgesamt nur solche Wochenbeträge auszuzahlen hat, die (mit 10,22 DM bzw zusätzlichen 12,– DM zu den zuerkannten 19,02 DM, 26,22 DM, 4,42 DM und 103,26 DM wöchentlich) bei weitem unter dem pfändungsfreien Betrag bleiben. Die Nichtbeiladung der Pfändungspfandgläubiger steht daher einer Entscheidung des Senats in der Sache nicht entgegen.
Anspruch auf Alhi hat nur, wer ua bedürftig ist (§ 134 Abs. 1 Nr. 3 AFG). Nicht bedürftig ist der Arbeitslose, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen seines nicht dauernd getrenntlebenden Ehegatten oder, was hier nicht einschlägig ist, das Vermögen der Eltern eines minderjährigen unverheirateten Arbeitslosen die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist (§ 137 Abs. 2 AFG). Zu berücksichtigendes Vermögen des Klägers oder seiner Ehefrau hat das LSG nicht festgestellt; das wird von der Revision nicht beanstandet. Der Senat hat daher davon auszugehen, daß auch das bei der Bausparkasse angesammelte Guthaben der Ehefrau die Gewährung der Alhi nicht als ungerechtfertigt erscheinen läßt. Das wäre im übrigen ua nur dann in Betracht gekommen, wenn und soweit das Guthaben 8.000,– DM überstiege und die Ehefrau hierüber ohne weitere wirtschaftliche und rechtliche Nachteile verfügen könnte (vgl. § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Alhi-VO vom 7. August 1974, BGBl I 1929, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. Dezember 1981, BGBl I 1497).
Im übrigen ist der Arbeitslose bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt und den seines Ehegatten und, was hier ebenfalls nicht einschlägig ist, den seiner Kinder nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen die Alhi nach § 136 AFG nicht erreicht (§ 137 Abs. 1 AFG). Im Rahmen dieser Bedürftigkeitsprüfung ist nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG in der Fassung, die die Vorschrift durch das 5. Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) erhalten hat, das Einkommen des von dem Arbeitslosen nicht – dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit das Einkommen 75,– DM in der Woche Übersteigt, wenn der Ehegatte, wie hier, keinem weiteren Angehörigen Unterhalt gewährt. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, sind die vom Arbeitgeber der Ehefrau gewährten vermögenswirksamen Leistungen, an deren Stelle der Arbeitnehmer nach dem Sachzusammenhang keine andere Leistung, insbesondere keine Barauszahlung zur freien Verfügung verlangen kann, vom Einkommen abzusetzen.
Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi sind nach der gesetzlichen Bestimmung des § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG allerdings alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Daß vermögenswirksame Leistungen grundsätzlich zum Einkommen im Sinne des AFG zählen, folgt unmittelbar aus § 12 Abs. 5 Satz 1 des 3. VermBG in der seit dem Steueränderungsgesetz 1979 vom 30. November 1978 (BGBl I 1849) geltenden Fassung. Dort ist ausdrücklich vorgesehen, daß vermögenswirksame Leistungen ua „Einkommen, Verdienst oder Entgelt (Arbeitsentgelt) im Sinne der Sozialversicherung und des Arbeitsförderungsgesetzes” sind. Dies gilt nicht nur für vermögenswirksam angelegte Teile des Arbeitslohnes, sondern auch für solche Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn, aber nur vermögenswirksam erbringt, wie das der Arbeitgeber der Ehefrau des Klägers getan hat. Begrifflich sind diese Leitungen mithin Einkommen des Ehegatten des Arbeitslosen, auch wenn die zur Verminderung der Alhi führende Berücksichtigung als Einkommen zur Folge hätte, daß sie zwar weiter vom Arbeitgeber erbracht, letztlich aber von den Angehörigen des Arbeitslosen bzw von diesem durch Konsumverzicht ermöglicht werden, obwohl dies bei den zusätzlich zum Arbeitslohn gewährten vermögenswirksamen Leistungen gerade nicht beabsichtigt war. Ebenso verbietet es sich angesichts des § 12 Abs. 5 Satz 1 des 3. VermBG, zusätzlich zum Arbeitslohn vom Arbeitgeber erbrachte vermögenswirksame Leistungen nicht als Einkommen anzusehen, weil der Arbeitnehmer über die monatlich laufenden Leistungen – abgesehen von der im übrigen auch beschränkten Wahl einer anderen Anlageart und ggf des Anlageunternehmens – nicht verfügen kann und diese deshalb für den Lebensunterhalt nicht zur Verfügung stehen, wie dies für das in der Sozialhilfe zu berücksichtigende Einkommen angenommen wird, für das eine § 12 Abs. 5 Satz 1 des 3. VermBG entsprechende Vorschrift fehlt (Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 12, Aufl 1985, § 76 RdZiff 6; Mergler/Zink, Kommentar zum BSHG, 4. Aufl Stand 1984, § 76 Rdz 21 im Anschluß an ein Gutachten des Deutschen Vereins NDV 1971, 225).
So wenig indessen jede Einnahme in Geld oder Geldeswert, obwohl sie unter § 138 Abs. 2 Satz 1 AFG fällt, bei der Bedürftigkeitsprüfung als Einkommen zu berücksichtigen ist, gilt auch für § 12 Abs. 5 Satz 1 des 3. VermBG, daß damit noch keine abschließende Aussage getroffen worden ist, welche Wirkungen mit dieser Einordnung vermögenswirksamer Leistungen verbunden ist, insbesondere, ob und in welchem Umfange dieses Einkommen sich auf die Alhi auswirkt. Bestimmte Einnahmen oder Einkünfte gelten nämlich dennoch nicht als Einkommen im Sinne der Alhi (vgl. § 138 Abs. 3 AFG und §§ 11 f Alhi-VO). Hierzu zählen auch vermögenswirksame Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn und ausschließlich zur Vermögensbildung gewährt. Sie sind zweckgebunden und werden von der Ausnahme des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG erfaßt.
Nach dieser Vorschrift gelten nicht als Einkommen zweckgebundene Leistungen, insbesondere nichtsteuerpflichtige Aufwandsentschädigungen und Leistungen zur Erziehung, Erwerbsbefähigung und Berufsausbildung. Die Aufzählung der Beispielsfälle ist nicht erschöpfend, vielmehr werden nach dem Gesetz alle zweckgebundenen Leistungen nicht als Einkommen angesehen (BSGE 19, 137 = SozR Nr. 5 zu § 150 AVAVG). Dabei macht es keinen Unterschied, ob es sich um Leistungen aus öffentlichen (vgl. BSGE 19, 62 = SozR Nr. 4 zu § 150 AVAVG) oder – wie hier – aus privaten Kassen handelt (vgl. BSGE 19, 137). Wenn das LSG eine Zweckbindung der vom Arbeitgeber zusätzlich zum Arbeitslohn erbrachten vermögenswirksamen Leistungen verneint, weil vermögenswirksame Leistungen in vielfacher Weise angelegt werden können, hat es seiner Entscheidung einen zu engen Begriff der Zweckbindung zugrunde gelegt. Die Zweckbindung erwächst nämlich nicht allein aus der Verwendung der gewährten Leistung; wesentliche Grundlage für die Zweckbindung ist vielmehr das Motiv, aus dem heraus die Leistung gegeben wird. Es ist daher nicht erforderlich, daß der Empfänger hinsichtlich des tatsächlichen Verbrauchs einer solchen Leistung zwingend festgelegt sein muß (BSGE 19, 62, 63 f). Es genügt, wenn die Leistung aus einem bestimmten Anlaß und in einer bestimmten Erwartung gegeben wird und im allgemeinen mit einer Verwendung für den gedachten Zweck gerechnet werden kann; es ist nicht einmal erforderlich, daß der Empfänger zu dieser Verwendung von dem Leistenden angehalten werden kann (BSGE 19, 137, 138). Daß die Ehefrau des Klägers nicht darauf angewiesen war, die vermögenswirksamen Leistungen ihres Arbeitgebers gerade – wie geschehen – für einen Bausparkassenvertrag zu verwenden, sondern unter den verschiedenen Anlageformen, die § 2 Abs. 1 des 3. VermBG zuläßt, und unter verschiedenen Anlageinstituten wählen konnte, steht der Zweckgebundenheit der vom Arbeitgeber erbrachten vermögenswirksamen Leistung nicht entgegen.
Unerläßliche Voraussetzung ist allerdings, daß derartigen Leistungen eine bestimmte, vom Gesetzgeber erkennbar gebilligte Zweckrichtung zu eigen ist, die im Falle der Anrechnung der Leistung auf die Alhi zu einer Zweckvereitelung führen würde. Daran fehlt es hier indessen nicht. Wie der Senat an anderer Stelle näher begründet hat, können Leistungen, die wie Lohn und Lohnersatz üblicherweise für den allgemeinen normalen Lebensunterhalt des Empfängers und seiner Angehörigen herangezogen werden, nicht als von der Anrechnung ausgenommene zweckgebundene Leistungen iS des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG angesehen werden (SozR 4100 § 138 Nr. 5). Der normale übliche Arbeitslohn des Ehegatten des Arbeitslosen, den der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur freien Verfügung zu stellen hat, ist danach keine zweckgebundene Leistung; mithin können auch Teile dieses normalen Arbeitslohnes, die der Arbeitnehmer in freier Verfügung durch den Arbeitgeber gemäß § 4 des 3. VermBG vermögenswirksam anlegen läßt, keine zweckgebundenen Leistungen sein (in diesem Sinne schon BSG SozR 4100 § 138 Nr. 8). Gewährt der Arbeitgeber jedoch neben dem normalen Arbeitslohn eine zusätzliche Leistung, so kann eine zweckgebundene Leistung vorliegen. Eine solche Leistung hat der Senat bejaht, wenn die Zuwendung einen besonderen Bedarf befriedigen soll, etwa Mehraufwendungen anläßlich des Weihnachtsfestes (BSGE 19, 137). Auch wenn der Arbeitgeber zusätzlich zum normalen Arbeitslohn eine vermögenswirksame Leistung gemäß § 3 des 3. VermBG erbringt, die der Arbeitnehmer sich nicht zur freien Verfügung auszahlen lassen kann, ist eine zweckgebundene Leistung anzunehmen. Leistungen des Arbeitgebers dieser Art. sind zwar wirtschaftlich Entlohnung. Ausdrücklich sieht § 12 Abs. 6 Satz 1 des 3. VermBG vor, daß sie arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohnes oder Gehaltes sind. Anders als dar normale Lohn oder das übliche Gehalt sind Leistungen gemäß § 3 des 3. VermBG jedoch nicht dazu bestimmt, dem allgemeinen normalen Lebensunterhalt zu dienen, sondern der Schaffung von Vermögen des Arbeitnehmers, und zwar unmittelbar aus Mitteln des Arbeitgebers. Es handelt sich dabei um einen Zweck, der wegen der gesellschaftspolitischen Bedeutung, die der Bildung von Vermögen in breiten Schichten, vor allem in Arbeitnehmerhand, beigemessen wird, durch das 3. VermBG und seine Vorgänger staatlich besonders gefördert wird. Dies geschieht durch die Arbeitnehmersparzulagen, durch steuerliche Vergünstigungen für kleinere und mittlere Unternehmer, ferner ua durch die Vorschrift, daß der Anspruch auf vermögenswirksame Leistung, obwohl Leistungen dieser Art. arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohnes oder Gehaltes sind, nicht übertragbar (§ 12 Abs. 6 Satz 2 des 3. VermBG) und damit nach § 851 Abs. 1 ZPO nicht der Pfändung unterworfen ist. Für den Bereich der Alhi hat auch der Verordnungsgeber der Bedeutung der Vermögensbildung Rechnung getragen. Er hat nämlich für Vermögen, das aus der prämienbegünstigten Anlage nach dem Sparprämiengesetz oder dem Wohnungsbauprämiengesetz oder aus der zulagebegünstigten Anlage nach dem 3. VermBG sowie aus den Erträgnissen hieraus herrührt, bestimmt, daß dieses Vermögen als nicht verwertbar gilt, so lange der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung dieser Beschränkung nur unter wirtschaftlichen oder rechtlichen Nachteilen erreichen kann oder eine vorzeitige unschädliche Verfügung über das Vermögen nicht trifft (§ 7 Abs. 2 Alhi-VO). Dies hat zur Folge, daß ein Arbeitsloser, der Alhi geltend macht, nicht auf die Verwertung eines auf diese Weise erworbenen Vermögens verwiesen werden kann, auch wenn die Verwertung im Einzelfalle an sich zumutbar ist und der Wert des Vermögens die Schongrenzen übersteigt.
Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, widerspräche es dem Sinn dieser zusätzlich zum Arbeitslohn gewährten vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers, wenn derartige zugunsten des Ehegatten des Arbeitslosen erbrachten Leistungen als Einkommen auf die Alhi angerechnet würden. In diesen Fällen soll nämlich aus Mitteln des Arbeitgebers Vermögen des Arbeitnehmers gebildet werden, grundsätzlich ohne dabei den Arbeitslohn heranzuziehen. Werden die vermögenswirksamen Leistungen aber auf die Alhi angerechnet, muß die durch die Anrechnung bei der Alhi entstehende Deckungslücke durch den Arbeitslohn ersetzt werden, um die Vermögensbildung aufrechtzuerhalten. Der Arbeitnehmer würde somit an der Vermögensbildung über die Kürzung der Alhi seines Ehegatten beteiligt, obwohl das mit den zusätzlich zum sonstigen Lohn gewährten vermögenswirksamen Leistungen gerade nicht beabsichtigt ist.
Vermögenswirksame Leistungen, wie sie hier vorliegen, unterfallen infolgedessen dem § 138 Abs. 3. Nr. 3 AFG. Der Senat setzt sieh damit nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung, derzufolge die tariflich zustehende vermögenswirksame Leistung Teil des Entgelts (Arbeitsentgelts) ist bzw zu den Bruttobezügen aus dem Ausbildungsverhältnis gehört, so daß diese Leistungen zusammen mit den weiteren Bezügen sowohl den Anspruch auf Altersruhegeld als auch den Anspruch auf Kinderzuschuß zu Fall bringen können (BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 9; BSG SozR 2200 § 1262 Nr. 13 und Nr. 19); denn die Vorschriften des § 1248 Abs. 4 Satz 1 Buchst b RVO und § 39 Abs. 3 Satz 4 AVG, zu denen diese Rechtsprechung ergangen ist, stellen allein auf das Entgelt oder das Arbeitseinkommen bzw die Bruttobezüge aus dem Ausbildungsverhältnis ab, ohne zweckgebundene Leistungen auszuschließen.
Hat das LSG somit zutreffend erkannt, daß die vermögenswirksamen Leistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, so hat es zu Recht die Beklagte unter Abänderung der ergangenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 2. August 1982 bis 9. August 1983 sowie ab 28. November 1983 Alhi ohne Anrechnung der vermögenswirksamen Leistungen zu zahlen. Aus dem gleichen Grunde muß auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von wöchentlich 10,22 DM Alhi für die Zeit vom 19. November 1981 bis „18. April 1982, die rechnerisch zutrifft, bestätigt werden. Es kommt somit nicht darauf an, ob das LSG, wie der Kläger geltend macht, zu Unrecht die Arbeitnehmersparzulage als Einkommen der Ehefrau berücksichtigt und deren Nettobezüge für Oktober 1981 unrichtig ermittelt hat. Aus dem gleichen Grunde erübrigt sich auch die Prüfung der Frage, ob die Klage in dem Umfange, in dem das LSG ihr für die Zeit vom 19. November 1981 bis 18. April 1982 stattgegeben hat, aus einem anderen als dem hier angesprochenen Gesichtspunkt begründet erscheint. Das wäre nämlich der Fall, wenn § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG inzwischen insoweit verfassungswidrig wäre, als die Vorschrift von dem Einkommen des Ehegatten des Arbeitslosen nur den seit 1969 unverändert gebliebenen Freibetrag von 75,– DM unberücksichtigt läßt (vgl. Vorlagebeschlüsse des SG Fulda vom 15. Dezember 1983 – § 3c Ar 1/83 und 67/83 –).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen