Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebefugnis. Anfechtungsklage. Produktionsaufgaberente. Antragspflichtversicherung. Beitragsübernahme. Ende der Pflichtversicherung. Vertrauensschutz. Vermögenswerte Rechtsposition

 

Leitsatz (amtlich)

1. An einer Beschwer iS von § 54 Abs. 1 S 2 SGG fehlt es, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig nicht unmittelbar nachteilig auf die Rechtsposition des „Betroffenen” auswirken kann.

2. Die zeitliche Begrenzung der Pflichtversicherung von Produktionsaufgaberente-Beziehern auf das 60. Lebensjahr durch das ASRG 1995 verstößt nicht gegen das GG.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 1 S. 2; SGB X § 48; FELEG § 14 Abs. 2 (Fassung: 27.9.1990 und 29.7.1994); GAL § 27; ALG § 84 Abs. 2, §§ 11, 13, 23; GG Art. 14, 3

 

Verfahrensgang

SG Augsburg (Urteil vom 18.04.1996; Aktenzeichen S 9 Lw 28/96)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. April 1996 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten über die Abänderung eines die Mitgliedschaft und die Beitragsbefreiung des Klägers feststellenden Bescheides.

Die Beklagte gewährte dem im Januar 1933 geborenen Kläger mit Bescheid vom 11. Mai 1992 ab 1. Januar 1992 eine Produktionsaufgaberente (PAR). Mit Bescheid vom 12. Mai 1992 stellte sie fest: Nachdem der Kläger die in § 27 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) vorgesehene Erklärung, er wolle weiter Beiträge entrichten, abgegeben habe, sei Beitragspflicht ab 1. Januar 1992 „mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres” begründet worden; solange er eine PAR beziehe, trage gemäß § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) idF des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes (4. ASEG) vom 27. September 1990 (BGBl I S 2110) der Bund die Beiträge zur Altershilfe der Landwirte (§ 14 Abs. 2 FELEG aF); die weiterentrichteten Beiträge könnten erst bei Gewährung eines Altersgeldes angerechnet werden.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) vom 29. Juli 1994 (BGBl I S 1890) zum 1. Januar 1995 (Agrarsozialreformgesetz 1995 ≪ASRG 1995≫) ende seine Versicherungspflicht, deswegen seine Beitragspflicht und damit auch die Beitragsübernahme durch den Bund mit Ablauf des Monats Dezember 1994; die insoweit ergangenen Bescheide würden ab diesem Zeitpunkt kraft Gesetzes aufgehoben. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1994 zurück und führte im wesentlichen aus: Mit dem Bescheid vom 19. Oktober 1994 sei der Verwaltungsakt vom 12. Mai 1992 wegen Änderung der Rechtslage zum 1. Januar 1995 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben worden; § 84 Abs. 2 ALG ermögliche dem Personenkreis, der nach § 27 GAL bis 31. Dezember 1994 Beiträge (weiter) gezahlt habe, eine Beitragsentrichtung nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres; durch die Änderung des § 14 Abs. 2 FELEG infolge des ASRG 1995 (= § 14 Abs. 2 FELEG nF) würden Beitragszahlungen für Bezieher einer PAR nur noch unter Voraussetzungen fingiert, die bei dem Kläger nicht vorliegen wurden er habe nämlich das 60. Lebensjahr bereits vollendet und auch die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt.

Das Sozialgericht (SG) Augsburg hat durch Urteil vom 18. April 1996 die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen, gemäß § 48 SGB X ergangenen Bescheide seien rechtmäßig. Durch das Außerkrafttreten des GAL und die Änderungen in § 14 Abs. 2 FELEG infolge des ASRG 1995 sei der Kläger nach Vollendung des 60. Lebensjahres nicht mehr zur Entrichtung von Beiträgen berechtigt. Die Beitragsübernahme durch den Bund ende zum 1 Januar 1995. § 14 Abs. 2 FELEG in der ab diesem Zeitpunkt geltenden Fassung sei nicht verfassungswidrig Zwar handele es sich „bei den hier streitigen Beiträgen bis zum 65. Lebensjahr” um Anwartschaften und damit um eine dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unterliegende Rechtsposition. Dieses Anwartschaftsrecht werde jedoch nicht vollständig entzogen, weil dem Kläger mit Vollendung des 65. Lebensjahres ein Anspruch auf Altersrente nach § 11 ALG zustehe. Infolgedessen beurteile sich die Verfassungsmäßigkeit der Modifikation der Anwartschaft nach § 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Im Hinblick auf den Gesetzeszweck sei die Regelung im öffentlichen Interesse; sie diene dazu die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der Alterssicherung der Landwirte im Interesse aller zu erhalten. Die Neufassung des § 14 Abs. 2 FELEG sei auch im Hinblick auf die Übergangsregelung in § 97 Abs. 9 ALG unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes nicht zu beanstanden. Personen, die bereits zum 31. Dezember 1994 eine PAR bezogen hätten, erhielten auf diese Weise den vollen Unterschiedsbetrag zwischen der Rentenberechnung nach altem und nach neuem Recht auch dann, wenn ihre Altersrente erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt beginne. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege ebenfalls nicht vor.

Der Kläger rügt mit der mit Zustimmung der Beklagten eingelegten (Sprung-)Revision eine Verletzung der Eigentumsgarantie durch die Neufassung des § 14 Abs. 2 FELEG und trägt vor:

Die Weiterentrichtung der Beiträge und die Beitragsübernahme durch den Bund bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres seien für ihn wesentliche Voraussetzungen für die Hofabgabe und den Antrag auf PAR gewesen. Die Beitragsübernahme bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres sei als Leistung des Bundes für die strukturpolitisch gewünschte vorzeitige Betriebsaufgabe und als Ausgleich für den damit verbundenen geringeren Rentenanspruch des PAR-Beziehers zu sehen. Er habe darauf vertraut, daß ihm neben der – vorzeitigen – PAR als weiterer Teil der ihm gesetzlich zustehenden Leistung die Beiträge zur Altershilfe für Landwirte durch den Bund bis zum 65. Lebensjahr bezahlt würden. Im Hinblick hierauf habe er weitreichende Entscheidungen getroffen und sowohl den Hof als auch seine landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit vorzeitig aufgegeben. Die in den Gesetzesmaterialien zur Neufassung des § 14 Abs. 2 FELEG gegebene Begründung werde den Interessen der PAR-Bezieher nicht gerecht. Sie lasse nicht erkennen, daß die Situation der über 60jährigen PAR-Bezieher berücksichtigt worden sei. Als Gründe für die Änderung der Vorschrift seien genannt, die nunmehr eingeführte Defizithaftung des Bundes (statt Beitragsübernahme durch den Bund) und der Wegfall der ununterbrochenen Beitragszahlung bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres als Voraussetzung für den Anspruch auf Altersrente.

Zudem habe die Beklagte sich bei Aufhebung des Bescheides zu Unrecht auf § 48 SGB X gestützt. Denn die Bewilligung der Beitragszahlung durch den Bund sei ein rechtmäßig begünstigender Verwaltungsakt, so daß dessen Widerruf nur unter den engen Voraussetzungen des § 47 SGB X zulässig sei. PAR und die Summe der Beiträge bis zu seinem 65. Lebensjahr seien ihm in einem Leistungspaket gewährt worden. Daher habe es sich bei der bewilligten Beitragsübernahme nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung gehandelt, auch wenn die Auszahlung einer Teilleistung in monatlichen Abständen und für einen abgegrenzten Zeitraum erfolgt sei.

Selbst wenn die Beklagte jedoch § 48 SGB X der Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 1992 zutreffend zugrunde gelegt hätte, sei die Entscheidung rechtswidrig. Denn durch die Änderung des § 14 Abs. 2 FELEG aF sei in seine „sozialversicherungsrechtlich Vermögenswerte Position” iS von Art. 14 GG eingegriffen worden. Er habe in der Vergangenheit nicht unerhebliche Leistungen in Form von Beiträgen erbracht und damit eine Rentenanwartschaft erworben. Nach Erhalt der PAR habe sein Beitrag in der agrarpolitisch und agrarstrukturell geforderten Betriebsaufgabe bestanden. Es handele sich bei der Änderung des § 14 Abs. 2 FELEG nF auch nicht nur um die Modifikation einer Anwartschaft. Denn der Berechnung seiner Altersrente würden nunmehr allein die bis zum 60. Lebensjahr geleisteten Beiträge zugrunde gelegt. Beitragszeiten bis zu seinem 65. Lebensjahr fehlten jedoch.

Der sich aus dem GG ergebene Vertrauensschutz erfordere darüber hinaus eine Übergangsregelung für alle die PAR-Bezieher, die vor dem 31. Dezember 1994 PAR beantragt hätten. Der Gesetzgeber habe zwar die Voraussetzungen und den Leistungsrahmen der PAR neu regeln können. Das Rechtsstaatsprinzip erfordere jedoch den Fortbestand der Leistungsgrundsätze über den Zeitpunkt der Antragstellung hinaus für Altfälle; die vom Gesetzgeber getroffene Regelung enthalte eine den Grundsätzen des Rechtsstaatsprinzips widersprechende Rückwirkung.

Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls verletzt. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb PAR-Bezieher vor dem 31. Dezember 1994 unterschiedlich behandelt werden sollten, je nachdem, ob sie zu diesem Zeitpunkt das 60. oder das 65 Lebensjahr vollendet gehabt hätten.

Die neue Regelung sei auch nicht verhältnismäßig. Zu Unrecht habe das SG dabei die Grundsätze für die Neuregelung der Alterssicherung der Landwirte auch zur Rechtfertigung der Änderung des § 14 Abs. 2 FELEG nF herangezogen. Beide Gesetze verfolgten jedoch verschiedene Ziele.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. April 1996 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19 Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1994 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Grundsätzlich entfalle zwar für den Berechtigten einer PAR ab Vollendung des 60 Lebensjahres sowohl die nach § 14 Abs. 2 FELEG aF bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehene Beitragsleistung durch den Bund als auch die Berechtigung zur Weiterentrichtung von Beiträgen Dennoch entspreche die Neufassung des § 14 Abs. 2 FELEG weiterhin den Zielvorgaben des Gesetzes Den Interessen des PAR-Beziehers werde durch die Regelung in § 97 Abs. 9 ALG Rechnung getragen auch würden die Belange der Solidargemeinschaft durch die Defizithaftung des Bundes beachtet. Infolgedessen verstoße § 14 Abs. 2 FELEG nF nicht gegen Verfassungsgrundsätze Art. 14 GG werde bereits deshalb nicht verletzt, weil die durch § 14 Abs. 2 FELEG aF eingeräumten Rechtspositionen nicht unter die Eigentumsgarantie fielen. Die dort zuerkannten Leistungen seien aus Steuermitteln und nicht durch eigene Beiträge erbracht worden. Sowohl die Berechtigung zur Weiterversicherung als auch die Beitragsübernahme seien Ausdruck staatlicher Fürsorge für den betreffenden Personenkreis gewesen

Selbst wenn es sich bei den Leistungen nach § 14 Abs. 2 FELEG aF jedoch um eine eigentumsfähige rentenversicherungsrechtliche Position handeln sollte, habe der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bei der Reform des Systems der Altersicherung der Landwirte im Hinblick auf die notwendige finanzielle Stabilisierung auch die durch Bundesmittel erbrachten Leistungen kürzen und den Umfang der Ansprüche mindern können. Das Vertrauen des Klägers in den Fortbestand der bisher für ihn günstigeren Rechtslage sei nicht schutzwürdiger als das öffentliche Interesse. Art. 3 Abs. 1 GG sei ebenfalls nicht verletzt. Eine Ungleichbehandlung der PAR-Bezieher die bereits am 31. Dezember 1994 das 65. Lebensjahr vollendet gehabt hätten, und derjenigen, die danach 65 Jahre alt geworden seien, sei im Hinblick auf die Regelung des § 97 Abs. 9 ALG nicht erkennbar. Die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Handlungsfreiheit werde ebenfalls nicht verletzt, da der Kläger nicht durch Beitragszahlungen belastet werde.

Der Senat hat die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auf die Grenzen des Streitgegenstandes sowie auf die Möglichkeit der Unzulässigkeit einer der beiden Anfechtungsklagen hingewiesen.

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige (Sprung-)Revision des Klägers ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das SG die Anfechtungsklagen gegen die im Bescheid vom 19. Oktober 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 1994 enthaltenen zwei Verwaltungsakte abgewiesen.

Gegenstand des Rechtsstreits sind allein die von diesem Abänderungsbescheid zT neu geregelten Rechtsbeziehungen, die in den zwei Verfügungssätzen des Bescheides vom 12. Mai 1992 bindend (iS von § 77 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) gestaltet worden waren. Nach Verfügungssatz 1 dieses Bescheides bestand – nach Abgabe der Erklärung gemäß § 27 GAL – die die Beitragspflicht begründende (Antrags-)Pflichtversicherung und damit Mitgliedschaft des Klägers bei der beklagten LAK mindestens bis zur Vollendung des 60. (nach dem Gesetz höchstens bis zur Vollendung des 65.) Lebensjahres weiter; nach Verfügungssatz 2 war der Kläger von der Pflicht, Beiträge an die Beklagte zu entrichten, befreit, weil der Bund sie während der Dauer des Bezugs von PAR gemäß § 14 Abs. 2 FELEG (aF) übernahm. Im hier streitigen Bescheid wurde der Verfügungssatz 1 insoweit abgeändert, als die (Antrags-)Pflichtversicherung bis zum Ablauf des 31. Dezember 1994 begrenzt wurde; hingegen blieb der Kläger weiterhin beitragsfrei. Gegenstand der Regelungen im angefochtenen Abänderungsbescheid sind somit nicht die sich derzeit nur aus dem Anwartschaftsrecht auf (Alters-)Rente, – nunmehr – nach dem ALG ergebenden Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten einschließlich der aus der Begrenzung der (Antrags-)Pflichtversicherung nach dem ALG möglicherweise ergebenden Auswirkungen bei dem – möglichen späteren – Bezug einer Altersrente.

1. Die gegen den Verfügungssatz 2 – Beitragsbefreiung nicht mehr durch Übernahme der Beiträge durch den Bund, sondern Beitragsfreiheit wegen Wegfalls der Beitragspflicht gerichtete isolierte Anfechtungsklage ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG liegen insoweit nicht vor. Der Kläger ist nach seinem eigenen Vorbringen durch diesen Verwaltungsakt in seiner Rechtsstellung nicht einmal möglicherweise unmittelbar verletzt, dh rechtswidrig beeinträchtigt

An einer sog formellen Beschwer (Klagebefugnis) fehlt es wenn die geltend gemachten Rechte unter Zugrundelegung des Klagevorbringens offensichtlich und eindeutig und nach keiner Betrachtungsweise bestehen, der Verwaltungsakt also in einer für den Kläger nachteiligen Weise nicht auf das Verhältnis zwischen den Beteiligten einwirken kann (vgl. BVerfGE 83, 182, 195 f; BSGE 68, 291, 292 = SozR 3-1500 § 54 Nr. 7; BSGE 67, 30, 33 f = SozR 3-2200 § 268 n Nr. 1). Dies ist hier der Fall. Die Abänderung der Begründung für die Feststellung, der Kläger müsse Beitrage nicht zahlen, im Vergleich zu derjenigen für den Verfügungssatz 2 des Bescheides vom 12 Mai 1992 (mit der Mitteilung der Beitragsübernahme durch den Bund) für die Dauer des Bezugs von PAR laßt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nicht erkennen: denn in dem hier angefochtenen Abänderungsbescheid war insoweit nur geregelt worden die Beitragsübernahme ende wegen des Wegfalls der Beitragspflicht aufgrund des Endes der Mitgliedschaft (Antragspflichtversicherung) gemäß § 84 Abs. 2 ALG mit Ablauf des Monats Dezember 1994. Weder nach der „alten” noch nach der „neuen” Regelung war bzw ist der Kläger mit der Pflicht zu Beitragszahlungen „belastet”; er war damals und ist auch weiterhin nicht Beitragsschulden der Beklagten. Während in dem Bescheid vom 12 Mai 1992 der Kläger trotz Fortbestehens der Pflichtversicherung von der Beitragsschuld befreit worden war, wird in dem Bescheid vom 19. Oktober 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) in soweit lediglich festgestellt, daß ab 1. Januar 1995 Beiträge nicht mehr zu entrichten seien. Der in § 14 Abs 2 FELEG ausgestaltete Rechtsgrund dafür, weshalb die Beklagte den Kläger von der Beitragspflicht befreite, nämlich die Beitragsübernahme durch einen Dritten, den Bund bzw neuerdings die Fiktion der Beitragszahlung durch diesen, ist für das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ohne Bedeutung. Etwaige Nachteile für den Kläger könnten sich – vielleicht – nach dem derzeitigen Gesetzesstand allenfalls bei der – späteren – Entstehung eines Rechts auf eine Altersrente nach Vollendung des 65. Lebensjahres wegen der im Verfügungssatz 1 geregelten Begrenzung der Mitgliedschaftsdauer und dadurch fehlender Beitragszeiten – bis zum 65 Lebensjahr (§ 23 ALG) – ergeben Diese Rechtsbeziehungen sind jedoch – wie ausgeführt – nicht Gegenstand des Rechtsstreits weil sie erst möglicherweise in der Zukunft entstehen

2. Die auf die Aufhebung des Verfügungssatzes 1 im Bescheid vom 19 Oktober 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) gerichtete Anfechtungsklage ist zwar zulässig. Denn insoweit ist der Kläger durch die Abänderung des die Mitgliedschaft (kraft Antragspflichtversicherung) feststellenden Verwaltungsaktes beschwert, seine Versicherungspflicht endete dadurch bereits mit Ablauf des 31. Dezember 1994, also vor Vollendung des 65. Lebensjahres, während er aufgrund der abgeänderten Regelung den rechtlichen Vorteil hatte, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres versicherungspflichtig bleiben zu können („mindestens”).

In der Sache hat diese Anfechtungsklage jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat die Beklagte den Verfügungssatz 1 im Bescheid vom 12. Mai 1992 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X abgeändert. Die Vorschrift greift hier ein, da Feststellungsbescheide über den Bestand eines Versicherungsverhältnisses (einer Mitgliedschaft bei einer LAK) Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind.

Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind auch erfüllt. Die rechtlichen Verhältnisse, wie sie bei Erlaß des Bescheides vom 12. Mai 1992 vorgelegen hatten, haben sich mit Wirkung vom 1 Januar 1995 geändert. Während die Antragspflichtversicherung nach § 27 Abs. 1 GAL bis zum 65. Lebensjahr fortbestehen konnte (§ 27 Abs. 2 GAL), trat ab 1. Januar 1995 – mit der Übergangsregelung des § 84 Abs. 2 Satz 3 ALG – eine Rechtsänderung ein, die zur Folge hat, daß die Versicherungspflicht ua von PAR-Beziehern spätestens mit Eintritt der Erwerbsunfähigkeit oder der Vollendung des 60. Lebensjahres endet, es sei denn, die Wartezeit sei noch nicht erfüllt. Dem Personenkreis der –weiterhin – Versicherungspflichtigen gehört der Kläger nicht mehr an. Er ist 1933 geboren, hatte also am 1. Januar 1995 bereits das 60. Lebensjahr vollendet, war nicht erwerbsunfähig und hatte auch bereits die Wartezeit von 15 Jahren für eine Altersrente erfüllt (§ 11 Abs. 1 ALG). Die Beklagte hat § 84 Abs. 2 ALG also auch zutreffend angewandt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Neuordnung der Pflichtversicherungsverhältnisse der PAR-Bezieher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere ist der Kläger nicht in seinen Grundrechten oder in rechtsstaatlich geschütztem Vertrauen dadurch verletzt, daß seine ihm „mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres” zuerkannte und zugleich beitragsfrei gestellte Mitgliedschaft bei der Beklagten zum Ablauf seines 62. Lebensjahres beendet wurde. Es gibt kein Grundrecht, das einem früheren Landwirt gewährleistet, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres beitragsfrei gestelltes Mitglied einer LAK zu sein.

Eine solche Rechtsposition ist ihm auch nicht durch die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) verbürgt. Denn die beitragsfreie Mitgliedschaft bei der Beklagten, die ihm in dem jetzt abgeänderten Bescheid vom 12. Mai 1992 zuerkannt worden war, beruhte nicht auf eigener Leistung des früheren Landwirts, sondern war Bestandteil der – steuerfinanzierten – ergänzenden sozialen Sicherungen, die zusammen mit der PAR als Hauptleistung älteren landwirtschaftlichen Unternehmern mit strukturschwachen Betrieben die Abgabe/Stillegung der Flächen erleichtern sollen, die sie ansonsten aus wirtschaftlichem Zwang weiterbewirtschaftet hätten weder die Hauptleistung des FELEG die PAR, noch die ergänzenden sozialen Sicherungen sind Entgelt für die Abgabe des Unternehmens oder Entschädigung für angebliche Einkommenseinbußen infolge der Hofaufgabe, sondern bedarfsabhängige Sozialleistungen aus Steuermitteln (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG SozR 3-5864 § 8 Nr. 2 S 5). Insbesondere enthalten die den Kläger begünstigenden Verwaltungsakte vom 11. und 12. Mai 1992 kein „Leistungspaket”, erst recht nicht im Sinne einer unveränderbaren Summe von Rechten und Ansprüchen, sondern nur die drei og einzelnen Regelungen, nämlich die Gewährung von PAR und die Feststellung einer mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres bestehenden und beitragsfrei gestellten (Antrags-)Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten

Im übrigen weist der Senat im Blick auf den –wie gesagt: nicht entscheidungserheblichen – Hauptstreitpunkt zwischen den Beteiligten, die später bei Eintritt des Versicherungsfalls vielleicht um 37 Beitragsmonate geringer als bisher erwartet ausfallende Steigerungszahl (§ 23 ALG) bei der Rentenhöhe auf folgendes hin.

Bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes bzw bei der Umgestaltung von Rechtspositionen ist der Gesetzgeber nicht gehalten, „alte Rechtspositionen zu konservieren” (BVerfGE 70, 191, 201). Ein Mitglied einer gesetzlichen Zwangsversicherung kann also nicht ohne weiteres darauf vertrauen, daß bei einer Änderung etwa der wirtschaftlichen Verhältnisse die Einzelheiten der Ausgestaltung des Versicherungsverhältnisses unverändert fortbestehen. Die gesetzlich eröffnete Möglichkeit, die uU für die Höhe der späteren Rente günstigere – Versicherungspflicht werde über den durch Verwaltungsakt festgestellten Mindestzeitraum hinaus unverändert fortbestehen, ist zwar ein rechtlich erheblicher Vorteil, aber weniger als ein subjektives Recht oder Anspruch; das Vertrauen in solch eine bloß günstige Lage ist vor gesetzlichen Änderungen am wenigsten geschützt. Der Gesetzgeber kann derartige Rechtspositionen jederzeit verkürzen oder umformen, wenn Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dies rechtfertigen (vgl. hierzu BVerfGE 70, 191 201 f 48. 403. 415 f). Hiervon ausgehend verstößt die zeitliche Begrenzung der Pflichtversicherung von PAR-Beziehern, nämlich durch die Herabsetzung der Dauer ihrer Pflichtmitgliedschaft gemäß § 84 Abs. 2 ALG, nicht gegen das rechtsstaatliche Prinzip des Vertrauensschutzes:

Entgegen der Auffassung des Klägers greift die beanstandete Regelung nicht unmittelbar in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein (Rückbewirkung von Rechtsfolgen; sog echte Rückwirkung). Denn eine zeitliche Begrenzung der Pflichtmitgliedschaft von PAR-Beziehern kann sich allenfalls bei dem – sich später vielleicht ergebenden – Bezug einer Alters– (oder Erwerbsunfähigkeits-)Rente auswirken (vgl. hierzu BVerfGE 72, 175, 196). Es ist derzeit keine bestehende subjektive Rechtsposition nachhaltig und im ganzen entwertet worden. Insoweit liegt keine nur ausnahmsweise unzulässige Einwirkung auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte vor (tatbestandliche Rückanknüpfung; sog unechte Rückwirkung). Das Gesetz kann zukunftsbezogen Rechte und Rechtsbeziehungen neu regeln. Eine Schranke besteht jedoch dann, wenn die betroffene Rechtsposition nachträglich im ganzen entwertet wird (vgl. BVerfGE 48, 403, 415), das Gesetz also einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Betroffene nicht zu rechnen brauchte.

Der Kläger hatte hinsichtlich der (Antrags-)Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten nach Vollendung des 60. Lebensjahres im Januar 1993 schon keine rechtlich verfestigte Rechtsposition, welche durch die zeitliche Begrenzung der Pflichtversicherung in diesem Sinne „entwertet” worden sein könnte, sondern nur eine Aussicht auf Fortbestand. Im übrigen hat das Anliegen, ua eine bessere Finanzierbarkeit der Alterssicherung der Landwirte zu erreichen und die Beitragsbelastung mehr als bisher an den tatsächlichen Einkommensverhältnissen zu orientieren (vgl. BT-Drucks 12/7599 S 5), den Vorrang vor dem Interesse der PAR-Bezieher am Fortbestand der zu Lasten des Steuerzahlers beitragsfrei gestellten Mitgliedschaft zur LAK über das 60. Lebensjahr hinaus, soweit typischerweise auftretende Härten beim späteren Versicherungsfall durch angemessene Überleitungsregeln ausgeglichen werden (vgl. hierzu BVerfGE 72, 175, 196). Hier wurden die Beiträge zur Pflichtversicherung von PAR-Beziehern durch Zuschüsse des Bundes getragen und beruhten somit auf staatlicher Gewährung (vgl. hierzu entsprechend BVerfGE 48, 403, 416); dasselbe gilt jetzt für die Fiktion der Beitragszahlung durch den Bund; durch die zeitliche Begrenzung der Pflichtversicherung von PAR-Beziehern verringern sich demnach auch die Lasten des Bundes. Die Pflichtversicherung der PAR-Bezieher wurde auch nicht gänzlich abgeschafft, sondern so lange und in einem solchen Umfang aufrechterhalten, daß der PAR-Bezieher bei Eintritt, eines Versicherungsfalles durch einen Anspruch auf Rente abgesichert ist (§§ 11, 13 ALG). Denn die Versicherungspflicht besteht bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres und/oder so lange, bis die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 FELEG; § 14 Abs. 2 FELEG, §§ 107, 84 Abs. 2 und 3 ALG). Darüber hinaus bewirkt die Gesetzesänderung schließlich keine Beeinträchtigung der „derzeitigen” wirtschaftlichen Lage des PAR-Beziehers. Die mit der früheren Gesetzeslage verbundene Erwartung einer höheren Altersrente wegen der Entrichtung von Beiträgen durch den Bund bis zum 65. Lebensjahr betrifft allein die Höhe einer zukünftigen Altersrente. Eine flankierende Maßnahme zur sozialen Absicherung etwa durch eine Übergangsregelung ist jedenfalls hier im Hinblick auf die og Absicherung nicht zu erörtern. Ob etwas anderes dann gilt, wenn sich bei Bezug der Altersrente des Klägers herausstellen sollte, daß diese etwa wegen fehlender Beitragszeiten bis zum 65. Lebensjahr auch unter Berücksichtigung von § 97 Abs. 9 ALG geringer ist. Kann hier dahinstehen Dies kann auch erst nach Eintritt des Versicherungsfalles abschließend beurteilt werden: das gilt auch für den Wert des Anwartschaftsrechts des Klägers auf eine spätere Rente das erst bei Eintritt des Versicherungsfalles bezifferbar wird. Erst dann kann ferner entschieden werden, ob § 97 Abs. 9 ALG eine ausreichende Überleitungsregel enthält

Sonstige Verfassungsverstöße durch die Begrenzung der Versicherungspflicht sind nicht erkennbar, Insbesondere ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Für die Neuregelung bestanden die oben genannten sachlichen Gründe. Härten, die mit Stichtagsregelungen verbunden sind, sind grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BVerfGE 58, 81, 126 f = SozR 2200 § 1255 a Nr. 7).

Nicht zu beanstanden ist somit der Verfügungssatz 1 im Bescheid der Beklagten vom 19. Oktober 1994 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides), in dem der Verfügungssatz 1 im Bescheid vom 12. Mai 1992 abgeändert worden ist.

Lediglich im Hinblick auf die materiell-rechtlich nicht zutreffende Argumentation des Klägers – die in § 14 Abs. 2 FELEG aF geregelte Übernahme der Beitrage durch den Bund bei Weiterbestehen der Pflichtversicherung des ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmers nach Hofaufgabe und Bezug einer PAR sie (wohl) eine Spezialregelung und falle unter den Eigentumsschutz des Art 14 Abs 1 GG – ist zusätzlich noch anzumelden. Art 14 Abs 1 GG würde auch insoweit nicht eingreifen. Denn die Übernahme der Beitragsschuld des Klägers durch einen Dritten (Bund) bei Fortbestehen der Mitgliedschaft kraft Versicherungspflicht bei der Beklagten für die Dauer des Bezugs einer PAR ist kein Äquivalent, das der Bund für eine eigene – Eigentumsschutz begründende – Leistung des PAR-Beziehers, etwa für die Hofabgabe, zuwendet. Sie wird bzw wurde – wie gesagt – lediglich aus sozial- und agrarstrukturpolitischen Gründen als bedarfsabhängige und ausschließlich aus Steuermitteln finanzierte ergänzende Maßnahme zur sozialen Sicherung gewährt (vgl. BT-Drucks 11/2972 S 1; BSG SozR 3-5864 § 1 Nr. 2: § 8 Nr. 2). Daß die vom Bund getragenen Beitrage sich zusammen mit den früher erbrachten eigenen Beiträgen auf die Höhe einer Altersrente auswirken, ändert an dem Charakter dieses abgrenzbaren Anteils an steuerfinanzierten FELEG-Leistungen nichts (vgl. hierzu entsprechend BVerfGE 48, 403, 413).

Die Revision des Klägers hat nach alledem keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 954098

SozSi 1997, 239

SozSi 1997, 359

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge